Titel: | Die Bedeutung einwandfreier Kostenberechnung für die Einzel- und Gesamtwirtschaft. |
Autor: | A. Hellwig |
Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 207 |
Download: | XML |
Die Bedeutung einwandfreier Kostenberechnung für
die Einzel- und Gesamtwirtschaft.
Von Diplomkaufmann A. Hellwig,
Charlottenburg.
HELLWIG, Die Bedeutung einwandfreier Kostenberechnung
Es ist eine der bezeichnendsten Erscheinungen der Gegenwart, daß der Trieb zur
sorgsamen Kalkulation überall gelähmt ist. Diese Tatsache, auch früheren Zeitläufen
nicht unbekannt, ist im letzten Jahrzehnt doch nach Umfang und Tragweite mehr zum
Ausdruck gekommen. Darf das Wunder nehmen in einer Periode ausgesprochener
Einstellung auf Tagesbedürfnisse, bei Einschätzung der Menschen und Dinge lediglich
nach ihrem Marktwert? Auch der heutige Unternehmer hat es – bei aller exakten
Erfassung des augenblicklich Erforderlichen – vielfach an der scharfen Erkennung des
auf die Zukunft Gerichteten fehlen lassen. Doch besteht hier begründete Hoffnung,
daß die betriebswissenschaftliche Forschung, mehr und mehr die Denk- und
Handlungsweise der Geschäftswelt und damit das künftige Werden und Wachsen der
Einzelwirtschaften wird beeinflussen können. –
Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit haben ihren bestimmenden Charakter erhalten
durch den Sturz der Mark in eine Tiefe, die niemand für erreichbar gehalten hätte.
Die rasende Schnelligkeit der Entwicklung hat nunmehr auch jene unverbesserlichen
Optimisten belehrt, die immer noch an Wunder glaubten, wie sie sich in einer
plötzlichen Einsicht unserer Gegner, in amerikanischen Anleihegeschenken und in
einer damit verbundenen Erlösung aus aller Not und Qual auswirken sollten. Diese in
wirtschaftlicher und allmählich auch in politischer Beziehung eintretende
Ernüchterung ist immerhin als ein Aktivum der Neuzeit zu betrachten, das als
Markstein realpolitischen Denkens nicht gering veranschlagt werden darf. –
Einer der gefährlichsten Gedankengänge als Ausfluß eines weltfremden Optimismus war
der auf die Gleichsetzung verschiedener Markqualitäten gerichtete. Die
Rechtsprechung hat den Grundsatz Mark = Mark – abgesehen von Ausnahmeentscheidungen
– noch nicht aufgegeben.Vergl. Entscheidung
des O.-L. Darmstadt vom Dezember 1922 und einige andere. Dieser
Standpunkt ist – trotz seiner verheerenden Wirkung auf Besitz- und
Einkommensverhältnisse und seiner bedenklichen Durchlöcherung von Treu und Glauben –
in juristischer Hinsicht verständlich; denn die Rechtsprechung ist seit jeher
gewohnt, über feste, zahlenmäßig ausdrückbare Streitobjekte zu befinden. Weit
unverständlicher ist die Festhaltung an Beschaffungs- oder Anschaffungskosten, die
bis vor kurzem in allen, gegenwärtig noch in manchen Unternehmerkreisen
anzutreffen ist. Die Zugrundelegung dieser Größen bedeutet nichts anderes als ein
Bauen auf trügerischem Grund, ein Festklammern an Geldwerte, die durch die
Entwicklung längst überholt und als Vergleichsmaßstab weder für die Preisstellung
noch für die Betriebskontrolle zu dienen geeignet sind. Trotz rapider
Markverschlechterung besteht vielfach noch die Tendenz, durch Gegenüberstellung von
Beschaffungskosten im Sinne früher gezahlter Einkaufs- bezw. Herstellungspreise und
dem gegenwärtigen Erlös einen „Gewinn“ zu errechnen, der tatsächlich nicht
bezw. nicht in dieser Höhe vorhanden ist, ja häufig genug einem Vermögensverlust
gleichkommt.
Diese geistige Einstellung beruht auf einer rein zahlenmäßigen bezw.
formal-buchhaltungsmäßigen Denkungsart. Sie ist in erster Linie dafür verantwortlich
zu machen, daß bisher vielfach Gewinne konstruiert und ausgeschüttet worden sind,
obgleich lediglich Vermögenswert-Aenderungen vorlagen. Es wurden Ueberschüsse an
Gesellschafter und Aktionäre verteilt oder investiert, was nur durch Schwächung der
Substanz des Stammvermögens erreichbar war. Die Folgezeit wird lehren, daß ein
großer Teil dieser „Ueberschüsse“, auch dann, wenn er in Neuanlagen
umgewandelt worden ist, nichts weiter als eine Ableitung von dem ursprünglichen
Unternehmungsvermögen, eine Entziehung von notwendigem Lebensmark bedeutet. Es
bedarf hier keines weiteren Beweises, daß so manche Neugründungen und Erweiterungen
über das Maß volkswirtschaftlicher Notwendigkeit hinausgehen; sie stören in
empfindlicher Weise die Wertgleichung zwischen Kosten- und Einkommenfonds und
stellen unproduktive Vermögensteile dar, während sie in der ursprünglichen Form zum
Nutzen der Volkswirtschaft wirken könnten. Hierher gehört auch teilweise die Anlage
von Ueberschüssen in Devisen oder – bei dem gegenwärtigen Stand der deutschen
Wirtschaft – die Investierung echter und unechter Gewinne in Unternehmungen des
Auslandes, während die heimische Wirtschaft einem „chronischem
Rückenmarksleiden“ einem hoffnungslosen Siechtum verfällt. Und schließlich
sind unter diesem Gesichtspunkt so manche Konzentrationsbewegungen zu betrachten,
die einseitig „außenpolitischen“ Gesichtspunkten ihre Entstehung verdanken
und die „innerpolitischen“ Momente gänzlich vernachlässigen. Auch hier wird
und muß im Interesse volkswirtschaftlicher Gesundung eine baldige rückläufige Bewegung
eintreten. Daß diese ohne erhebliche Erschütterungen erfolgen wird, ist nicht
anzunehmen.Vgl. Schmidt, „Der Wiederbeschaffungspreis des
Umsatztages in Kalkulation und Volkswirtschaft“, Berlin
1923.
Beleuchten wir im Anschluß an diese allgemeinen Erörterungen diejenigen
Erfordernisse, die an eine einwandfreie, zweckentsprechende Kostenberechnung zu
stellen sind. Im Rahmen dieser Abhandlung kann naturgemäß auf die Technik der
Kalkulation nur grundsätzlich eingegangen werden. Die Selbstkostenrechnung hat für
die verschiedenen Unternehmungen auch verschiedene Bedeutung. Bei kontinuierlicher
Massenerzeugung wird der Preis durch den Markt bestimmt, d.h. durch das
Gegeneinanderströmen der durch die Kaufkraft der Abnehmer und den Gebrauchswert der
Erzeugnisse bestimmten Nachfrage einerseits und durch das auf der jeweiligen
Produktivität beruhende Angebot andererseits. Die Selbstkosten derartiger Betriebe
sind nicht von bestimmendem Einfluß auf den Preis. Die Selbstkostenrechnung dient
daher vorwiegend betriebsinneren Zwecken: der Betriebs- und Erfolgskontrolle. – In
Betrieben der Spezialfertigung liegen entgegengesetzte Verhältnisse vor. Hier
bestimmt der Einzelbetrieb auf Grund seiner besonderen Selbstkosten den
Verkaufspreis, da ein eigentlicher Marktpreis durch die wesentlich schwächeren und
daher ohne ausschlaggebenden Einfluß verbleibenden Gegenströme von Angebot und
Nachfrage nicht gebildet wird. Infolgedessen wird die Selbstkostenrechnung hier
vorwiegend betriebsäußeren Zwecken dienen, während auf die betriebsinnere Auswirkung
der Kostenberechnung infolge der monopolartigen Stellung der Unternehmungen weniger
Wert gelegt zu werden pflegt. – Eine Mittelstellung zwischen diesen beiden
Unternehmungsarten nehmen diejenigen Betriebe ein, die Fertigfabrikate sowohl in
Massen- und Reihen-, als auch in Einzelfertigung herstellen, entsprechend dem
Fortschritt der Technik und den Bedürfnissen des Marktes. Das Größenverhältnis von
Massen- und Einzelfertigung ist häufigen Verschiebungen unterworfen; infolgedessen
muß die Selbstkostenrechnung eine elastische sein: sie wird sich auf betriebsäußere
und betriebsinnere Zwecke einstellen, demgemäß in gleicher Weise der Betriebs- und
Erfolgskontrolle zur Erzielung höchster Wirtschaftlichkeit und auch der
Preisstellung zur Durchführung einer zielbewußten Preispolitik dienen müssen.
Der Betonung von Betriebskontrolle und Preisstellung – der beiden Pole der
Kalkulation – entspricht auch jeweils die unmittelbare Bedeutung der
wissenschaftlichen Betriebsführung, d.h. der Arbeitsvorbereitung und -Ueberwachung
in den Betrieben. Dadurch wird der Kalkulation eine mehr oder minder breite Basis
gegeben.
Die Grunderfordernisse jeder Kostenberechnung sind formeller und materieller Art:
a) Die Kostenteile müssen atomisiert sein, so daß für jedes
Element der Fabrikation – entsprechend dem Stand der Normung – eine
Kostenfeststellung ermöglicht wird. Dadurch wird eine vielseitige
Verbindungsmöglichkeit mit Rücksicht auf die Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse
und in Verbindung damit eine scharfe Durchleuchtung der Betriebsvorgänge
erreicht.
b) Die den Kostenberechnungen zu Grunde liegenden Werte müssen
Fest- bezw. Grundwerte sein, die einen Ausgangspunkt zu bilden vermögen für
Vergleichszwecke und damit die Entwicklung des Unternehmens klar erkennen
lassen. Welcher Art diese Grundwerte sind, ob es sich um Vorkriegs- bezw.
Goldmarkpreise von 1910/14 oder Goldmarkpreise der Gegenwart handelt, ist
an sich gleichgültig. Bei dem Aufbau einer neuzeitlichen Kalkulation wird man
zweckmäßigerweise die niedrigsten Festwerte, also Goldmarkpreise von 1910/14
(Vorkriegspreise) zu Grunde legen, um bessere Umrechnungs- bezw.
Anpassungsmöglichkeiten zu erreichen.
Wenn diesen Grunderfordernissen Genüge getan ist, so folgt als weitere Notwendigkeit
die Umwandlung, d.h. Anpassung der Grund- oder Festwerte an die Gegenwart. Jedes
Kostenteil, sei es reiner Werkstoff, Arbeitslohn oder Betriebskostenelement, hat nun
seinen besonderen Markt, auf dem durch das Zusammenströmen von Angebot und Nachfrage
wieder besondere Preise, eigentliche Marktpreise, gebildet werden. Nebenher läuft
bei allen Kostenteilen in den Erzeugungsländern mit schwankenden Geldwerten – und
das sind heute eine größere Anzahl – eine Wertumbildung, die sich in ungleichartiger
Weise auf die Kostenelemente niederschlägt. Der Quotient aus dem besonderen
Tages-(Markt-) und Grundpreis der Kostenteile entspricht der jeweiligen
Gesamtverteuerung, die sich ihrerseits aus Wertumbildung und Preisbewegung
zusammensetzt. Zweckmäßigerweise wird hier eine Trennung der beiden Faktoren
erfolgen; ist doch die Wertumbildung nichts weiter, als die durch Anpassung an den
schwankenden Geldwert bedingte Umrechnung, während die eigentliche Preisbewegung
eine Sachwertverteuerung bezw. -Verbilligung darstellt. Die Gesamtheit der so
ermittelten Einzelergebnisse aus Grundwert × Verteuerungsfaktor ergibt schließlich
den aus Wertumbildung und Preisbewegung gebildeten Gegenwartswert. Dieser entspricht
– je nach dem Charakter der Grundwerte – dem Selbstkosten- oder Verkaufspreis der
Erzeugnisse. Stellen die Grundwerte lediglich Herstellungs- oder Beschaffungskosten
(einschließlich Unternehmerlohn, Kapitalverzinsung, Risikoaufschlag u. dergl.) dar,
so entspricht der Gegenwartswert den Selbstkosten, die zuzüglich eines angemessenen
von den Marktverhältnissen abhängigen Gewinnes denjenigen Verkaufspreis ergeben, der
in Anbetracht des besonderen Aufbaues der Erzeugnisse der natürliche, somit auch der
einwandfreie ist. Schließen die Grundpreise indes den Gewinnanteil ein, so wird
dieser – wie die einzelnen Kostenteile – durch Multiplikation mit seinem
Verteuerungsfaktor auf den Gegenwartsgewinn, die Grundpreise somit auf
Gegenwarts-Verkaufspreise umgeformt.
Ein BeispielWeitere Beispiele in
der Arbeit des Verfassers: „Neuzeitliche
Selbstkostenberechnung“, Industrieverlag Spaeth &
Linde, Berlin C 2, 1923. möge das näher erläutern:
Fabrikat B.
Zusammensetzung des Grundwertes = 475 Mk.
Ma. =
Marmor
= 17,5 %
Bl. =
Eisenblech
= 10,5 %
Lg. =
Leitung f. Meßger.
= 1,7 %
Sch. =
Eiserne Schrauben
= 5,3 %
–––––––––––––––
Werkstoffe
35,0 %
G. =
Gemeinkosten
= 40 %
davon Betriebskosten
= 25 %
Verwaltungskosten
= 15 %
L. =
Lohn
= 25 %
davon Arbeitsleute
= 15 %
Facharbeiter
= 10 %
–––––––––––––––
Zusammen
100 %
Zusammenfassung der Verteuerungsfaktoren.
im November:
im Dezember:
1.
8.
15.
20.
1.
0.
Ma.:
1135
1766
–
2560
3014
–
Bl.:
1528
1758
2387
2569
3147
3412
Lg.:
889
1204
1313
–
1534
1858
Sch.:
1450
–
2175
–
3600
–
G.:
410
–
–
–
665
770
–
L.:
220
–
–
–
340
380
–
Gegenwartswert von Fabrikat B.
a)
bei Berücksichtigung der individuellen Preis-bezw. Wertänderung Ende Dezember 1922:
Grund-wert mal Verteuerungsfaktor = M. 475, – × 1510
= M. 717250, –.
b)
Unter Zugrundelegung eines einheitlichenVerteuerungsfaktors (Dollarstand von 7500,
–)
= M. 855000, –.
Da jedes Kostenteil seinen besonderen Markt hat, somit anderen preisgestaltenden
Bedingungen unterworfen ist, so hat es auch seinen spezifischen
Verteuerungsquotienten. Nun wird sich die Anwendung eines eigenen Umrechnungs- oder
Verteuerungsfaktors für jedes einzelne Erzeugnis einer auf vielseitige Produktion
eingerichteten Unternehmung aus praktischen Erwägungen heraus verbieten und nur für
bestimmte Gruppen möglich sein. Diese Kalkulationsgruppen werden mit den
Fabrikategruppen, deren Zusammenfassung auf konstruktionstechnischer Verwandtschaft
beruht, nicht übereinstimmen, weil innerhalb dieser eine durchaus verschiedenartige
Zusammensetzung der Kostenteile besteht. Daraus folgt, daß ein einheitlicher
Teuerungszuschlag in Betrieben mit ungleichartigen Erzeugnissen nicht zu
rechtfertigen ist! Die dort für seine Handhabung angeführten Gründe, die in einer
Vereinfachung des Rechnungs- und Angebotswesens wurzeln, sind entweder auf
Bequemlichkeit oder auf falsche wirtschaftliche Denkweise zurückzuführen. Als Folgen
dieses Denkens werden Produktionsverschiebungen in einer der natürlichen Entwicklung
des Unternehmens unerwünschten und abträglichen Weise eintreten. Die durch den
einheitlichen Teuerungsfaktor zu hoch belasteten Fabrikate müssen bei freiem
Wettbewerb allmählich aussterben, während die zu niedrig; belasteten
Erzeugnisgruppen einen immer größeren Anteil an der Produktion erringen und die
Substanz des Betriebes allmählich vermindern Diese falsche preispolitische
Behandlung der Erzeugnisse ist in ihrer Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit, und
die Entwicklung des Unternehmens von den gleichen schwerwiegenden Folgen wie die
tarifliche Gleichstellung ungleichartiger und ungleichwertiger Arbeitskräfte. –
Textabbildung Bd. 338, S. 209
An dieser Stelle sei noch kurz auf eine andere Auswirkung der oben skizzierten
analytischen Kalkulationsweise eingegangen. Die kritische Betrachtung der in ihre
Elemente zerlegten Kostenberechnungen legt auch etwaige Verbilligungsmöglichkeiten
in der Fertigung dar. Ob der Anstoß hierzu von dem Unternehmen selbst oder von den
Abnehmern ausgeht, ist gleichgültig. Der Unternehmer wird durch den Vergleich
seiner Kalkulation mit derjenigen fremder Betriebe die Ursachen der Abweichungen
ohne Mühe feststellen können; einerseits können diese in qualitativer
Verschiedenheit wurzeln, die dem einen Erzeugnis eine andere Lebensdauer, eine
größere Betriebssicherheit oder technische Vorzüge im Sinne vielseitiger
Anwendungsmöglichkeiten gewähren, andererseits kann die Quelle der Preisdifferenz
taktischer, also preispolitischer Art sein.
Eine derartige Auswertung der analytischen Kalkulationsweise setzt allerdings voraus,
daß die Grundkalkulationen periodisch kontrolliert werden, sich somit stets in
Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit befinden. Diese Funktion, die
Betriebskontrolle, ist eine der wichtigsten der Kalkulation; sie gleicht einem
Spiegel, der auch die kleinsten Betriebsvorgänge wahrheitsgetreu wiedergibt. Ergeben
sich infolge konstruktions- und fabrikationstechnischer Umwälzungen irgendwelche
Verschiebungen in der Zusammensetzung der Erzeugnisse, so müssen sich diese auch in
deren Grundwerten niederschlager. Diese Aufgabe löst die technische Nachkalkulation,
die durch zwangläufige Uebermittlung der technischen und rechnungsmäßigen Unterlagen
sämtliche Betriebsvorgänge – mindestens aber einen größeren Ausschnitt hiervon –
erfaßt. Dann trägt die oben erörterte Umwandlung der Grund- in Tageswerte auch immer
dem neuesten Stand der Fertigung Rechnung und führt infolgedessen zu einer
angemessenen Preisstellung und einer wahren Wirtschaftlichkeit das Unternehmens.
–
Im Anschluß an die Betrachtung der allgemeinen Erfordernisse der Kalkulationstechnik
ist die Frage zu behandeln: Was sind Selbstkosten? Wir verstehen hierunter die
Gesamtheit der Kostenelemente, entsprechend den erforderlichen direkten und
indirekten Aufwendungen, die in der oben skizzierten Weise (unter Berücksichtigung
der Wertumbildung bezw. Sachwertverteuerung) in Gegenwartswerte umgewandelt werden.
Selbstkosten bilden die Basis für die Preisstellung, die Höhe der Verkaufspreise ist
natürlich noch von den Markverhältnissen abhängig. Durch diese Fassung des
Selbstkostenbegriffes wird eine eindeutige Grundlage für die Preisstellung
geschaffen, die einen Ausgangspunkt bietet für die Beurteilung angemessener oder
wucherischer Gewinne.
Die weitere Verfolgung der Funktionen der Kalkulation führt schließlich zur
„Erfolgskontrolle“ und damit zur Verbindung mit der kaufmännischen
Erfolgsrechnung. Wir begreifen hierunter die Zerlegung des Gesamterfolges zwecks
Erfassung des Ertrages einzelner Aufträge oder einzelner Erzeugnisgruppen. Welche
dieser beiden Zerlegungsarten in Anwendung kommt, ist abhängig von der Eigenart des
Betriebes.
Eine systematisch aufgebaute und durchgeführte Kostenberechnung ermöglicht ferner die
Aufstellung einwandfreier Bilanzen. Ueber die meisten Abschlußbilder der Gegenwart
ist hier kein Wort mehr zu verlieren, sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie
geschrieben sind, geschweige denn die Zeit und Mühe, die zur Enträtselung
erforderlich wäre. Dagegen zeigen Grundwert-Kostenberechnungen – wobei Vorkriegs-
bezw. Goldmarkpreise von 1910/14 oder Goldmarkpreise von 1923/24 zu Grunde gelegt
werden können – die Leistung des Unternehmens, die mit dem gleichen Maße früherer
Wirtschaftsperioden gemessen ist; erst dadurch wird ein direkter Vergleich mit
vorhergehenden Perioden ermöglicht. Dem müssen auch die in gleichartigen Werten
berechneten Aufwendungen gegenüberstehen. Das bedingt eine Umwandlung der
Fremdleistungen und der eigenen Betriebsausgaben auf Grundwerte im Sinne von Goldmarkpreisen
einer bestimmten Wirtschaftsperiode (Vorkriegszeit oder Gegenwart.) Gegenwärtig sind
die meisten Produzenten-Verbände zur Goldmarkfakturierung übergegangen, d.h., sie
legen der Berechnung ihrer Leistungen Goldmarkpreise der Gegenwart zu Grunde. Die
Errechnung dieser Gegenwarts-Goldmarkpreise geschieht in der Weise, daß man den
Vorkriegs- bezw. Goldmarkpreis von 1910/14 als Ausgangspunkt wählt und diesen unter
Berücksichtigung seiner Zusammensetzung, des Aufbaues der Erzeugnisse aus
Werkstoff-, Arbeitslohn- und Gemeinkosten, mit einem besonderen Goldfaktor
multipliziert. Dieser Goldfaktor soll der gesunkenen Kaufkraft des Goldes, soweit
diese jeweils zur Auswirkung kommt, ferner der geringeren Produktivität Rechnung
tragen. Nun sind aber diese Goldfaktoren wieder Produkte schwankender
Zeitverhältnisse und somit veränderliche, nicht etwa feste Größen. Die Kaufkraft des
Goldes wird in dem Maße schwanken, als die Goldinflation einerseits und die
Produktivität der Weltwirtschaft andererseits Aenderungen unterworfen sind. Aus
diesem Grunde ist u. E. auch bei der Aufstellung von Grund- bezw. Festmarkbilanzen
die Anwendung von niedrigsten Goldmarkpreisen, das sind Vorkriegspreise von 1910/14,
notwendig; damit ist einmal den handelsrechtlichen Bestimmungen (§ 261 ff HGB)
Genüge getan und außerdem die Möglichkeit der Umrechnung auf Goldmarkpreise eines
geeigneten Zeitpunktes offen gelassen.
In der Uebergangszeit werden naturgemäß Schwierigkeiten dadurch entstehen, die
verschiedenen Posten, wie Steuern, Versicherungsgebühren, Hypothekenschulden und
-Forderungen, auf Grundwerte zu reduzieren. Erforderlichenfalls muß hier eine
gewissenhafte Schätzung Platz greifen. Selbst wenn man die damit verbundenen
unvermeidbaren Ungenauigkeiten mit in Kauf nimmt, lassen sich letzten Endes doch
wesentlich klarere Abschlußbilder erzielen als die heutigen, die man nur mit
„Vexierbilder“ bezeichnen kann. Der Sachkundige kann aus diesen so
umgestalteten Bilanzen, auch wenn mit „Färbung“ und „Frisierung“
gerechnet werden muß, die Dynamik des Betriebes erkennen. Die Börsenkurse der
Industrieaktien sind dann wieder ein Ausdruck der Rentabilität der
Unternehmungen.Ueber die
Umgestaltung der kaufmännischen Erfolgsrechnung in formeller und materieller
Hinsicht vergl. die oben angezogene Schrift des Verfassers.
Die enge Verbindung von Kostenberechnung, wahren Preispolitik und Finanzpolitik sei
an dieser Stelle nur angedeutet. Eine einwandfreie Kostenberechnung ermöglicht
diejenige Preispolitik, die dem Unternehmen den Kostenwert am Umsatztag, den
Reproduktionswert, und darüber hinaus einen angemessenen Mehrwert sichert. Es
ist Aufgabe der Finanzpolitik, den durch die Arbeit des Betriebes geschaffenen
Ertrag nutzbringend anzulegen und flüssige Mittel in dem notwendigen Umfange
rechtzeitig bereitzustellen. Besonders in Zeiten schwankenden Geldwertes hat die
Finanzpolitik die Funktion, unvermeidbare Währungsverluste durch Kreditaufnahmen,
Aktiv- und Passivsalden auszugleichen. In der Gegenwart spielt die Finanzpolitik
eine außerordentlich wichtige Rolle; in ihrer letzten Auswirkung ist sie
entscheidend über Wohl und Wehe, über Tod und Leben der Unternehmung.Vergl. Leitner:
„Finanz- und Preispolitik bei sinkendem Geldwert“, Sonderabdruck
aus „Selbstkostenberechnung industrieller Betriebe“, Frankfurt a. M.,
1923.
Schließlich sei noch auf die Verbindung zwischen Kostenberechnung und Steuerpolitik
hingewiesen. Die ausgesprochen kapitalfeindlichen Steuergesetze der Nachkriegszeit
haben das als „Gewinn“ betrachtet, was lediglich Vermögenswert-Aenderung ist.
Das geschah allerdings nur einseitig beim Unternehmer, nicht beim Privatmann, dessen
Besitzwert-Aenderung nicht als Umsatzgewinn betrachtet wurde. Daß eine derart
einseitige und volkswirtschaftlich schädliche, in ihrer Konstruktion geradezu naive
Steuergesetzgebung von den Wirtschaftskreisen nicht ohne tätigen Widerspruch
hingenommen werden würde, war für jeden Einsichtigen von vornherein klar. So sind
denn die Steuertribute nicht nur in die Warenpreise einkalkuliert, also dem
Konsumenten auferlegt worden, sondern durch die staatliche Inflationspolitik selbst
wieder gegenstandslos geworden.
Abschließend kann gesagt werden, daß ohne systematisch aufgebaute und durchgeführte
Kostenberechnung eine wahre Wirtschaftlichkeit und eine gesunde Entwicklung der
Unternehmungen unmöglich ist! Jeder Unternehmer ist aber für die Erhaltung, die
stete Verbesserung seines Unternehmens, und somit auch für die nutzbringendste
Verwertung seiner Produktionsmittel der Gesamtwirtschaft verantwortlich. Deshalb ist
wirtschaftliches Denken, das von wahrhaftem sozialem Geist nicht loszulösen ist,
bitter not! Die empirische Wirtschaftsweise hatte ihre Daseinsberechtigung; aber
ihre Zeit ist endgültig vorbei! Die Erhaltung und Entwicklung der deutschen
Volkswirtschaft angesichts der harten Notwendigkeiten der Gegenwart ist nur
derjenigen Denk- und Arbeitsweise möglich, die auf dem Boden klarer
betriebswirtschaftlicher Erkenntnis steht und in der Lage ist, auch aus den
verworrensten Erscheinungen Schlüsse zu ziehen. Ein Prüfstein – und zwar der
wichtigste hierbei – ist die Einstellung zur Kostenberechnung; denn Kalkulieren
bedeutet kristallisiertes wirtschaftliches Denken!