Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 21 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszüge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Einmann-Straßenbahnwagen. Die allgemeine
Wirtschaftslage in Deutschland hat von allen Unternehmungen wohl am meisten die
Straßenbahnen in Mitleidenschaft gezogen. Die Preise der Industrieerzeugnisse haben
sich durch rasch anpassungsfähige Berechnung mit Multiplikatoren in letzter Zeit
wohl allgemein auf Weltmarktpreishöhe, teilweise sogar etwas darüber gehalten,
während die Fahrpreise der Verkehrsunternehmungen mit der Markentwertung gleichen
Schritt halten weder können noch dürfen. Denn die breite Masse der Fahrgäste bleibt
mit ihren Einnahmen ebenfalls hinter der Valutabewegung zurück und verliert somit an
Zahlungsfähigkeit. Dem müssen die Verkehrsverwaltungen Rechnung tragen, wenn sie
nicht die schon sehr fühlbare Abwanderung von Fahrgästen noch vergrößern wollen.
Wohl in allen deutschen Städten leiden deshalb die Straßenbahnen an einem
Mißverhältnis zwischen den riesigen meist wertbeständig zu leistenden Ausgaben und
den fast täglich geringer werdenden Einnahmen, die noch dazu durch die rapide
Markverschlechterung beinahe von Stunde zu Stunde entwertet werden. Eine
vollständige Abhilfe ist bei der gegenwärtigen Lage wohl ausgeschlossen, Besserung
dieses unhaltbaren Zustandes muß aber angestrebt werden, wenn nicht eine
vollständige Katastrophe der Straßenbahnen eintreten soll. Das Radikalmittel einer
Betriebsstillegung, das die Ausgaben auf die Verzinsung und Tilgung des Kapitals
sowie auf die notwendigsten Instandhaltungsarbeiten des Betriebsmaterials
beschränkt, ist nur bei kleinen Städten möglich; Großstädte können ohne Straßenbahn
nicht auskommen. Um nun bei aufrecht erhaltenem Betrieb die Ausgaben möglichst zu
verringern, ist häufig das Mittel angewendet worden, die Züge in großen
Zeitabständen bis zu 30 Minuten fahren zu lassen. Das hat sich aber als sehr
unzweckmäßig erwiesen, denn wenn das Publikum so lange auf einen Wagen warten muß,
verzichtet es häufig ganz auf die Fahrt; das hat sich auf fast allen Strecken mit
großen zeitlichen Fahrtabständen nachweisen lassen. Ein Mittel, den Betrieb bei
möglichst geringen Kosten mit möglichst häufiger Zugfolge durchzuführen, bieten die
Einmann-Straßenbahnwagen. Zwar sind diese bei dem aus Friedenszeiten verwöhnten
deutschen Publikum nicht recht beliebt, aber die Not der Zeit wird ihnen, als einem
wertvollen Hilfsmittel zur Sparsamkeit, den gebührenden Platz verschaffen. Denn in
Amerika, dem Land, wo die größten Ansprüche an schnellen und sicheren Verkehr
gestellt werden müssen, haben sie in letzter Zeit so weitgehend Eingang gefunden,
daß es geboten erscheint, auf die technische Entwicklung dieses Wagentyps und auf
seine Verwendbarkeit im Großstadtbetrieb einen Blick zu werfen. Ich entnehme
Einzelheiten dafür einem Aufsatz des Herrn Baurat Soberski im „Elektr. Betrieb“, Heft 15/1923. Die Veranlassung zu
der gesteigerten Verwendung von Einmann-Wagen gibt die Tatsache, daß nach den
neueren Statistiken die Ausgaben für Löhne zu denen für Gehälter sich wie etwa 2 : 1
verhalten gegen 1 : 1 vor dem Kriege. Da die Ausgaben für Materialien in Deutschland
von vornherein denkbar eingeschränkt sind, bietet also die Ersparnis an Löhnen fast
das einzige Hilfsmittel zur Beschränkung der Ausgaben. Bei Einmann-Wagen kann man
nun damit rechnen, etwa ein Drittel oder mehr an Gehältern zu sparen, wenn durch
Fortfall des: Schaffnerpersonals die Belegschaft verringert wird; dabei ist
berücksichtigt, daß dem stärker in Anspruch genommenen Wagenführer größere
Ruhepausen als die bisher üblichen gewährt werden. Voraussetzung für einen glatten
und sicheren Betrieb ist allerdings, daß die Einmann – Wagen mit entsprechenden
technischen Einrichtungen versehen sind, die ein schnelles Bezahlen des Fahrgeldes,
dadurch rasches Ein- und Aussteigen ermöglichen, sowie das Verlassen der Wagen
während der Fahrt verhindern, in dieser Hinsicht sind namentlich in Amerika ganz
bedeutende Fortschritte gemacht worden, so daß die „one man cars“ häufig als
„safety cars“ bezeichnet werden. Neben der bekannten
„Totmannskurbel“, die den Strom unterbricht und z. T. auch die Bremsen
betätigt, sobald der Wagenführer einen Sicherheits-Druckknopt losläßt, ist vor allem
die Verriegelung der Türen bemerkenswert. Diese erfolgt automatisch bei jeder
Anfahrt durch elektrische oder elektropneumatische Uebertragung und wird beim
Bremsen, auch bei Notbremsung, auf gleiche Weise freigegeben. Das Besteigen und
Verlassen der Wagen erfolgte bisher immer über die vordere Plattform, da das
Fahrgeld beim Einsteigen entrichtet werden mußte. Zu einer weitgehenden Neuerung ist
man jetzt bei den großen Einmann-Wagen der Neuyorker Straßenbahn mit 38 Sitzplätzen
und bei denen der Eastern Massachusetts-Straßenbahn mit sogar 48 Sitzplätzen
gekommen. Bei ersteren Wagen hat man das Prinzip des Zahlens beim Aussteigen
angewendet. Die beiden Plattformen sind mit Drehkreuzen versehen, die das Betreten
des Wagens ohne weiteres, das Verlassen jedoch nur nach Einwurf eines Geldstückes (5
Cts.) in den Schlitz eines Zahlkastens gestatten. Die Zahlkasten tragen
Vergrößerungslinsen, um dem Fahrer das Erkennen der eingeworfenen Geldstücke auch
auf weitere Entfernung zu ermöglichen. Bei Vorzeigen eines Umsteigefahrscheines wird
das Drehkreuz für das Aussteigen vom Führer elektrisch entriegelt. Mit den
Drehkreuzen verbunden ist eine den Totalisatormaschinen ähnliche Zählvorrichtung,
die aus der Zählung der einsteigenden und aussteigenden Fahrgäste die jeweils im
Wagen befindliche Personenzahl feststellt. Bei Erreichung der zulässigen Höchstzahl
schließen sich die Drehkreuze automatisch und werden erst wieder freigegeben, wenn
ein aussteigender Fahrgast Geld eingeworfen hat. Das Schließen und Verriegeln der
Schiebetüren, sowie das Hochklappen der Trittbretter erfolgt durch Druckluft, die
vom Führerstande aus durch Drucktaste elektrisch gesteuert wird. Bei den Wagen der
Eastern-Massachuetts-Straßenbahn ist vor allem die neuartige Anordnung der Sitze zu
beachten. Auf jeder Wagenseite sind eine Längsbank für 12 Personen und 6 Querbänke
für je 2 Personen, und zwar der Länge nach gegeneinander versetzt; dadurch bekommt
der Mittelgang doppelte Breite, wodurch Stehplätze gewonnen werden und ein
schnellerer Wechsel der Fahrgäste ermöglicht wird. Für deutsche Verhältnisse
besonders wichtig sind die Erfolge mit Einmann-Wagen in Arnhem in Holland, wo neben
einigen modernen Wagen amerikan. Systems, vor allem schon vorhandene Wagen mit 18
bis 24 Sitzplätzen ohne größeren Umbau verwendet werden. Bei den kleinen Wagen
erfolgt das Besteigen und Verlassen in der bisher üblichen Art über die
Vorderplattform, bei den größeren das Einsteigen vorn, das Aussteigen hinten, wobei
ein Pantographengitter das Besteigendes Wagens auf der hinteren Plattform
verhindert. Nach anfänglicher Abneigung des Publikums haben sich diese Wagen mit
gutem Erfolg, auch wirtschaftlicher Art, eingeführt. Wenn nun in dem genannten Aufsatz
der Schluß gezogen wird, mit Rücksicht auf die erforderliche Sparsamkeit in
Deutschland reiche es aus, die jeweils nicht benutzten Plattformen zu verschließen,
also Ein- und Aussteigen auf die Vorderplattform zu verlegen, sonst aber keine
größeren Umbauten am Wagen selbst vorzunehmen, außer vielleicht Einbau einer
Totmannskurbel, so kann ich mich dem nur mit Einschränkung anschließen. In kleineren
Städten und auf nur sehr wenig belebten Strecken mag das zwar ein Mittel sein, den
Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten; in Großstädten, wie z.B. Berlin, hat diese
Art des Betriebes jedoch keinen Erfolg gehabt und ist großenteils wieder abgeschafft
worden. Denn eine Straßenbahnfahrt ist heute in Deutschland schon ein derartiger
Luxus geworden, daß man, wenn man überhaupt fährt, schnell befördert werden, nicht
aber auf jeder Halteelle größeren Aufenthalt haben will. Allerdings ist dabei zu
bemerken, daß nicht geringe Schuld auf unsere heutige Papiergeldwirtschaft fällt,
die es unmöglich macht, jederzeit das Fahrgeld abgezählt, am besten in einem Stück,
bereit zu halten. Durch Einführung eines automatischen Münzzahlsystems nach
amerikanischem Vorbild wird zweifellos der Betrieb so erheblich beschleunigt, daß
die Abneigung des Publikums ihre Berechtigung verliert; der Zwang zur Sparsamkeit an
allen Enden wird seinerseits das Nötige dazu tun, unberechtigte Vorurteile zu
beseitigen.
Parey.
Elektrischer Schiffsantrieb. Während der Tagung der
„Institution of Naval Architects“ im Frühjahr 1923 wurde vom Direktor der
General Elektric Co. ein Vortrag über „Elektrischer Schiffsantrieb“ gehalten.
Der turboelektrische Antrieb wird voraussichtlich für die Zukunft für große
Passagierdampfer in Betracht kommen und die früher vorgeschlagenen mechanischen und
hydraulischen Zwischengetriebe vollkommen ersetzen. Zunächst hat man mit dieser
Antriebsart bei amerikanischen Kriegsschiffen gute Erfahrungen gemacht. Bei einem
kleinen Kreuzer mit 12000 WPS und 32 Kn. Geschwindigkeit würde die elektrische
Kraftübertragung etwa 4,5 kg je PS mehr Maschinengewicht ergeben, als eine
Zahnradübersetzung. Dementsprechend brauchen aber von den vier vorhandenen
Generatoren bei 19–29 Kn. Fahrt nur 1–3 Generatoren in Betrieb sein, so daß der
spez. Dampfverbrauch nahezu konstant bleibt. Der Wirkungsgrad der elektrischen
Uebertragung könnte bei 19 Kn. Fahrt fast noch ebenso groß sein, wie bei
Volleistung. Beim Turbozahnradgetriebe müssen dagegen bei 19 Kn. Fahrt alle Turbinen
mit halber Drehzahl und ⅛ Belastung laufen, wodurch ein ungünstiger Wirkungsgrad
entsteht. Es ergibt sich hierbei eine Dampfverbrauchszunahme von 52 v. H., eine
Verkleinerung des mechanischen Wirkungsgrades des Zahnradgetriebes um 3 v. H. und 25
v. H. Verschlechterung des Wirkungsgrades der Hilfsmaschinen. Der elektrische
Schiffsantrieb verbraucht bei 19 Kn. 0,38 kg Heizöl, ein Schiff mit
Turbozahnradgetriebe dagegen 0,57 kg für 1 PS/std. Der Gewichtsunterschied zwischen
beiden Maschinenanlagen ist 535 t, der bei einer Fahrt von 3600 Seem. durch den
geringeren Heizölverbrauch ausgeglichen wird. Das japanische Oeltankschiff
„Kama“ mit 9000 PS besitzt einen turboelektrischen Antrieb und die
Versuchsfahrten haben damit sehr befriedigt. Es sind zwei Generatoren mit je 9500 KW
Leistung. Pas Gesamtgewicht der Maschinenanlage ist 4100 t oder 16,74 kg je WPS.
(Schiffbau, 24.11.23, S. 45–46.)
W.
Die Bedeutung der Urverkokung für die englische
Volkswirtschaft. Diesen Gegenstand behandelt D. Brownlie in der Zeitschrift „Engineering“ in einem ausführlichen
Aufsatz, der auch für deutsche Leser von hohem Interesse ist. Als die beiden
wichtigsten Aufgaben für die Zukunft Großbritanniens bezeichnet Brownlie einmal die
sparsame Brennstoffwirtschaft und sodann die Förderung der heimischen
Landwirtschaft. Die Urverkokung würde eine jährliche Ersparnis von 75 Mill. t Kohle
ermöglichen und zugleich die Rauchplage beseitigen. Weiter würde hierdurch erreicht,
daß im eigenen Lande Motorentreibmittel, Diesel- und Heizöle und wahrscheinlich auch
Schmieröle in genügender Menge gewonnen würden, um vom Ausland unabhängig zu werden,
und schließlich Ammoniumsulfat in so reichlicher Menge, daß die heimische
Landwirtschaft zu einer hohen Entwicklung gebracht werden und die Salpetereinfuhr
wegfallen könnte.
Die in der Anlage der Low-Temperature Carbonisation Ltd. in Barugh bei Barnsley
erhaltenen Ausbeuten im Vergleich zu den in Kokereien und Gaswerken erzielten
Ausbeuten an Gas, Koks, Teer und Ammoniak je Tonne Kohle zeigt folgende Zahlentafel,
wobei natürlich je nach der Kohlensorte und der Bauart der Entgasungsöfen wechselnde
Mengen erhalten werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das Coalite-Verfahren
für alle englischen Kohlen brauch * bar ist und daß selbst Kohle mit bis zu 70 v. H.
feinem, nicht backenden Kohlenklein, das praktisch ein Abfallprodukt der Zechen ist,
dabei nutzbar gemacht werden kann.
Urverkokung
Hochtemperaturverkokung
Gaswerke
Kokereien
Temperatur
540° C.
ca. 1000° C.
ca 1000° C.
Destillations- rückstand
736 kg rauchlos brennenderHalbkoks mit9–10 v.H.
fluch-tigen Bestandtl.
686 kg weicherKoks mit 1 v.H.flüchtigen
Be-standteilen
710 kg harterHochofenkoksmit weniger als0,5 v. H.
flüchtig.Bestandteilen.
Teer
90 l Urteer mit13 l Motorspirit.
45 l
36 l
Gas
170 cbm v.6400 WE.
340 cbm v.4900 WE.
325 cbm v.4000 WE.
Ammonium- sulfat
6,8 kg
11,3 kg
12,7 kg
Der Verbrauch an Unterfeuerung zur Beheizung der Retorten ist in vorstehender
Zusammenstellung nicht berücksichtigt, doch verhält sich das Coalite-Verfahren in
dieser Hinsicht günstiger als der Koksofen und die Retortenöfen in den
Gaswerken.
Abgesehen von der Steinkohle besitzt Großbritannien nur geringfügige sonstige
Energiequellen; es besitzt zwar große Torfvorkommen (z.B. verfügt Irland allein über
einen Vorrat von 5 Milliarden Tonnen lufttrockenen Torf), dagegen keine Braunkohle
und kein Erdöl, wie die jüngsten Bohrungen endgültig gezeigt haben. Die Wasserkräfte
von ganz Großbritannien werden auf etwa 1 Mill. PS. geschätzt und vermögen daher nur
10–20 v. H. vom Energiebedarf des Landes zu decken. Infolgedessen ist die
wirtschaftliche Verwertung der Kohle eine höchst wichtige Frage.
Die jährliche Kohlenförderung Großbritanniens beträgt im Durchschnitt 250 Mill. t,
die zu 75 v. H. im Lande verbraucht werden, während 25 v. H. zur Ausfuhr kommen bzw.
als Bunkerkohle Verwendung finden. Im Durchschnitt stellt sich der Kohlenverbrauch
wie folgt:
Ausfuhr:
1.
Lieferung an die Kolo-nien u. an das Ausland
41875000 t
16,75 v. H.
2.
Bunkerkohle für Ozean-dampfer
13750000 t
5,50 v. H.
3.
Ausfuhr in Form von Koks
3125000 t
1,25 v. H.
4.
Ausfuhr in Form vonBriketts
1875000 t
0,75 v. H.
5.
Kohle für die Küsten-schiffahrt
1875000 t
0,75 v. H.
––––––––––––––––––––––
62500000 t
25,00 v. H.
Inlandverbrauch:
6.
Dampfkessel
90000000 t
36,00 v, H.
7.
Hausbrand
35000000 t
14,00 v. H.
8.
Kokereien
20000000 t
8,00 v. H.
9.
Gaswerke
18000000 t
7,20 v. H.
10.
Eisenbahnen
15000000 t
6,00 v. H.
11.
Verschiedene Zwecke
9500000 t
3,80 v. H.
––––––––––––––––––––––
187500000 t
75,00 v. H.
Wie diese Zusammenstellung zeigt, werden bisher von den im Inland verbrauchten 187,5
Mill. t Kohle nur 38 Mill. t = 20 v. H. verkokt. Auf Grund von eingehenden
Berechnungen verschiedener Fachmänner können die Kohlenvorräte Großbritanniens auf
185 Milliarden Tonnen geschätzt werden, wovon 162 Milliarden t in England und Wales,
23 Milliarden t in Schottland und nur 0,3 Milliarden t in Irland sich befinden.
Unter Berücksichtigung der Förderverluste sowie der künftigen Zunahme des Verbrauchs
würde dieser Vorrat nur etwa für 550 Jahre ausreichen, bei Anwendung der Urverkokung
dagegen würden so beträchtliche Kohlenmengen gespart werden können, daß sich die
Lebensdauer der Kohlenvorräte auf 700–800 Jahre erhöhen würde. Diese Tatsache ist um
so wichtiger, weil die Kohlenvorräte Großbritanniens nur 2,5 v. H. der
Weltkohlenvorräte betragen, wogegen seine Förderung über 20 v. H. der
Weltkohlenförderung ausmacht.
Da England über keine Erdölvorkommen verfügt, ist es bezüglich der Versorgung mit
Motorentreibmitteln, Heiz-, Treib- und Schmierölen in hohem Maße vom Ausland
abhängig. Dieser Zustand ist sowohl vom industriellen wie vom militärischen
Standpunkt aus höchst unerwünscht. Großbritannien hätte durch Oelmangel fast den
Krieg verloren und der Preis des Petroleums, das jährlich in einer Menge von 900
Mill. Liter eingeführt werden muß, ist so hoch, daß die ganze britische
Motoren-Industrie geradezu gelähmt ist. Die Lösung dieser Schwierigkeiten ist nur
mit Hilfe der Urverkokung möglich und die eigene Erzeugung von Oelen nach diesem
Verfahren wird für die englische Volkswirtschaft eine Ersparnis von mindestens 20
Mill. Pfund jährlich bedeuten.
Unter Berücksichtigung des Kohlenbedarfes der Kokereien und Gaswerke im Betrag von 38
Mill. t und der Ausfuhr bleiben von der Gesamtkohlenförderung etwa 140 Mill. t für
die Urverkokung übrig. Diese Kohlenmenge würde gestatten, 1,3 Mill. t hochwertigen
Motorentreibstoff jährlich zu erzeugen, d. i. etwa doppelt so viel, wie gegenwärtig
verbraucht wird. Ferner werden hierbei etwa 9000 t Coalit-Oel gewonnen, von dem
mindestens 70 v. H. als Heizöl verwendbar, sind. Dies bedeutet jedoch eine
Verschwendung und es ist darum eine höherwertige Verwendung dieses Oeles
anzustreben. Zweifellos sind 50 v. H. davon als Treiböl für Dieselmaschinen und etwa
20 v. H. als Schmieröl verwendbar, daneben entstehen Phenole, vaselinartige Stoffe
und Pech.
Nachdem durch die Urverkokung der Kohle weit über 4000 t Treiböl im Inland
gewonnen werden können, ist es möglich, die wirtschaftlich arbeitende Dieselmaschine
in größtem Umfang zu verwenden, und zwar nicht nur in der Industrie, sondern auch in
der Schiffahrt. Der allgemeine Uebergang von der Dampfmaschine zur Oelmaschine wäre
mit einer bedeutenden Brennstoffersparnis verbunden, während auf der anderen Seite
das Land in der Versorgung mit Treiböl unabhängig vom Ausland würde. Der jährliche
Kohlenverlust in der Industrie beträgt mindestens 20 Mill. t, die durch Anwendung
neuzeitlicher wissenschaftlicher Methoden dem Lande erhalten werden könnten. Wenn
gleichzeitig statt Rohkohle zur Dampfkesselfeuerung Halbkoks verwendet würde,
könnten jedenfalls sogar 25 Mill. t Kohle jährlich erspart werden. Aehnlich liegen
die Verhältnisse beim Hausbrand, der jährlich 35 Mill. t Kohle benötigt,
hauptsächlich infolge der allgemeinen Verwendung der höchst unwirtschaftlichen
offenen Kamine. Untersuchungen von Prof. Lewes und Smith haben gezeigt, daß der
Wirkungsgrad (radiant efficiency) der offenen Kamine bei Verwendung von Rohkohle nur
20–22 v. H., bei Verwendung von Koks 30 v. H. und bei Verwendung von Halbkoks etwa
35 v. H. beträgt. Koks und Halbkoks verbrennen mit erheblich stärkerer strahlender
Wärme, hauptsächlich weil sie weniger flüchtige Bestandteile als Kohle enthalten.
Worauf der bessere Wirkungsgrad von Halbkoks gegenüber gewöhnlichem Koks
zurückzuführen ist, ist bisher noch nicht aufgeklärt, vielleicht aber spielt dabei
die Porosität und die mechanische Beschaffenheit des Halbkokses eine Rolle, da
hierdurch die Oberflächenverbrennung begünstigt wird.
Auf Grund langer Erfahrung kann man den praktischen Wärmewert von 1 t Halbkoks und
von 1 ¾ t Rohkohle gleichsetzen, so daß bei Verwendung von Halbkoks im Hausbrand
eine Ersparnis von 15 Mill. t Kohle jährlich zu erzielen ist. Halbkoks ist ein
idealer Hausbrand, da er rein und rauchlos verbrennt, eine sehr heiße Flamme
liefert, vollständig geruchlos und ebenso leicht entzündlich ist wie Kohle.
Die allgemeine Verkokung der Kohle bei niedriger Temperatur würde mit einem Schlag
und für alle Zeiten die Rauch- und Rußfrage erledigen, mit der sich die Erfinder
schon seit dem Jahre 1785 befassen. Halbkoks verbrennt vollkommen rauchlos, da er
nur 9–10 v. H. flüchtige Bestandteile enthält, und da diese Menge zu gering ist, um
Rauch zu erzeugen. Die Beseitigung der Rauchfrage ist aber für England von ganz
besonderer Bedeutung wegen der Nebel und ihrer schädlichen Folgen.
Die starke Steigerung der Ammoniakerzeugung, die infolge Einführung der Urverkokung
einträte, würde eine verstärkte Erzeugung von Nahrungsmitteln im Inland ermöglichen,
während jetzt nur etwa ein Drittel des Nahrungsbedarfes im Inland erzeugt wird. Eine
der ersten Voraussetzungen für die Steigerung der Bodenerträge ist gebundener
Stickstoff. Die Urverkokung von 140 Mill. t Kohle würde aber jährlich etwa 1,25
Mill. t Ammonsulfat ergeben. (Engineering, Bd. 113, S. 125–126.)
Sander.
Heizwert des Gases.Vortrag
v. H. Strache, Wien, auf der Passauer Versammlung von deutschen Gas- und
Wasserfachmännern (11. 5. 23). Z. f. angewandte Chemie, Bd. 36, 1923, S.
601–602. Verdünnen des Gases durch Einsaugen von Generatorgas
oder gar durch Verbrennungsgase vermehrt seinen Ballast an Stickstoff und
Kohlensäure, ist also eine Verfälschung. Dagegen ergibt die Erzeugung von Wassergas
aus Koks oder die restlose Vergasung der Kohle zu „Doppelgas“, einem Gemisch von
Wassergas und gewöhnlichem Leuchtgas zwar einen geringeren Heizwert für den cbm,
aber eine höhere Verbrennungstemperatur, weil das Wassergas weniger Luftsauerstoff
braucht und rascher verbrennt. Freilich müssen die Brenner dem Doppelgase angepaßt
werden.
Wenn die Steinkohle wie bisher in Retorten oder Kämmern entgast wird, geben 100 kg
Kohle 25–28 cbm Gas von 5200–5600 Kalorien auf den cbm – im ganzen also 130 – 157000
Kalorien – und außerdem 50–60 kg Koks. Bei der restlosen Vergasung geben 100 kg
Kohle von gleichem Heizwert 120 – 150 cbm mit 3200 – 3500 Kal./cbm, also im ganzen
384-bis 525000 Kal.
Sehr wesentlich ist für viele Orte, daß die Gaserzeugung nach alter Art bestimmte
Sorten Steinkohle verlangt, während Wassergas aus beliebigen Kohlen, auch
Braunkohle, erzeugt wird. Ferner sind bei restloser Vergasung weit geringere Mengen
von Kohle herbeizuschaffen und zu lagern.
Um durch die Rohrleitungen in der Zeiteinheit die gleiche Menge von Wärmeeinheiten
zuzuführen, muß das Gaswerk den Druck erhöhen, z.B. von 60 auf 86 mm, wenn beim
Verbraucher das Gas mit 40 mm ausströmt. Dadurch steigt zwar auch der Gasverlust in
den Leitungen auf das 1,2fache; er ist aber, weil der Gasdurchgang auf das 1,5fache
gesteigert ist, verhältnismäßig kleiner.
Der Nachteil, daß Wassergas die eisernen Rohre und Gasmesser erheblich anfrißt, kann
dadurch vermieden werden, daß man den Teergehalt des Gases genügend hoch hält.
Besonders billig wird der Betrieb, wenn nur Doppelgas erzeugt wird, wie es in Wiener
– Neustadt, Marburg an der Drau, Cilli, Laibach, Fiume und Udine, sowie in dem
rumänischen Sabadka bereits geschieht.
Mit Zusatzanlagen arbeiten z.B. Chemnitz, Graz, Leoben und Bologna.
Die Wanderausstellungen der Arbeitsgemeinschaft deutscher
Betriebsingenieure haben den Zweck, die Fortschritte der verschiedenen
Arbeitsmethoden unter dem Gesichtspunkte „höchstmöglichste Güte bei geringsten
Kosten“ anschaulich darzustellen.
Im Rahmen der diesherbstlichen Wanderausstellung in Charlottenburg zeigte die
Linke-Hofmann-Lauchhammer Aktiengesellschaft als Erzeugnisse ihres Werkes
Lauchhammer neben einer porzellan-emaillierten Reihenwaschanlage mit drehbaren
Becken eine durch selbsttätige Spülung automatisch wirkende
Doppelsyphon-Schwemm-Klosettanlage, die als Neuerung Beachtung verdient. Die
Trichter dieser Anlage sind nicht mehr aufgeschraubt, sondern bilden mit dem
Sammelrohr ein Ganzes. Jeder einzelne Sitz ist ständig bis zur Stauhöhe des
Sammelrohrs mit Wasser gefüllt. Das Entweichen schädlicher Kanalgase oder das
Verstopfen der Trichter wird dadurch unmöglich. Werk Lauchhammer war außerdem mit
einem LHL-Nietfeuer vertreten, das, gut transportabel zerlegbar, für
Schmiedearbeiten auf Werften usw. vorzüglich geeignet ist.
Von den Ausstellungsstücken des LHL-Stahl- und Walzwerkes Riesa ist besonders die
SHG-Umkehrstelle für Dampfüberhitzer zu erwähnen, die, als Rohrelement aus einem
Stück ohne jede autogene Schweißung, durch ihre 4- bis 5fache Wandverstärkung an der
Spitze eine unbegrenzte Betriebsdauer gewährleistet. Sie hat sich bereits in
weitestem Maße eingeführt und wurde in ihren verschiedenen Fabrikationsvorgängen
mustergültig demonstriert.
Die Modelle eines Flußschiffes aus LHL-Walzmaterial, eines Kohlenbunkers, eines
Blechschornsteines, übersichtlich gehaltene Mustertafeln von Gröditzer Fittings
Marke A. L. und Gröditzer Radsätzen, sowie Rohrschlangenmuster aller Art
vervollständigen das Ausstellunngsbild.
Die Verminderung der Staubentwicklung an Zementfußböden.
Bekanntlich unterliegen Zementfußböden schon durch das bloße Begehen dauernd einer
ziemlich erheblichen Abnutzung, wodurch das lästige Stauben entsteht. Die
zahlreichen günstigen Eigenschaften des Zementfußbodens werden durch dies Stauben
überall dort in den Hintergrund gedrängt, wo die Art der aufgestellten Maschinen und
Geräte oder die erzeugten Waren staubfreie und staubsichere Räumlichkeiten
verlangen. Präzisionswerkstätten, Druckereien, Textilfabriken, Tabakindustrie – die
Reihe ließe sich beliebig vermehren – bemängeln mit Recht, daß in Räumen mit
Zementfußböden die gesamte Einrichtung immerwährend von einer sich hartnäckig
erneuernden, feinsten Staubschicht überzogen ist. Es hat dies seinen Grund in der
porösen, spröden Beschaffenheit des abgebundenen Zements, die verhindert, daß sich
die Oberfläche des Bodens durch den Gebrauch nach und nach glattschleifen kann.
Erstaunlich ist, daß man bisher nur verhältnismäßig selten versucht hat, diese
Staubplage durch eine entsprechende Veränderung der Zementoberfläche zu beseitigen,
indem man ihr die staubfördernde Porosität und Sprödigkeit zu nehmen bemüht war.
In der kolloiden Kieselsäure besitzen wir hierzu ein ideales Mittel. Wenn man sie in
richtig gewählter Form anwendet und in die Poren einziehen läßt, verkieselt sie sich
mit dem Zement zu einer kompakten, undurchlässigen und festen Masse, die sich nun
nicht mehr abreibt und abtreten läßt. Gleichzeitig wird dadurch ein wirksamer Schutz
erreicht gegen das Eindringen öliger Flüssigkeiten und so die Zermürbung, die sich
oft an Maschinenfundamenten beobachten läßt, verhindert. Der Erfolg in bezug auf
Haltbarkeit, Staubsicherheit und Undurchlässigkeit der Zementböden ist geradezu
überraschend. Die Kosten sind nicht erheblich.
Ich habe in mir unterstehenden Betrieben mit einem derartigen Präparat Versuche
angestellt (Hersteller Henkel & Cie., A.-G., Düsseldorf). Es handelt sich um ein
kieselsaures Natron von bestimmter Zusammensetzung, das in seinen äußeren
Eigenschaften dem handelsüblichen Wasserglas ähnelt. Die Versuche haben ein sehr
günstiges Ergebnis gezeitigt. Die Staubbildung trat in keiner Weise mehr störend in
Erscheinung und zugleich war das Begehen der Böden sicherer und angenehmer geworden.
Die Anwendung ist recht einfach: Der Zementfußboden wird sorgfältig mit einem harten
Besen gereinigt. War es notwendig, naß aufzuwischen, so muß der Boden vor dem
Anstrich wieder gut aufgetrocknet werden. Die Kieselsäurelösung wird bereitet durch
Vermischen eines Teiles des Präparates mit fünf Teilen kalten Wassers. Die Tränkung
des Bodens erfolgt dreimal und zwar an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Die Lösung
wird hierzu mit Eimer (Gießkanne), Besen oder dergl. auf den Boden gebracht, und
zwar soll dieser damit nicht nur angefeuchtet, sondern gut angenäßt werden. Das
erste Mal saugt der Boden ziemlich reichlich auf, das zweite und dritte Mal
entsprechend weniger. Das Tränkungsverfahren kann in gewissen Zeitabschnitten – je
nach Bedarf – wiederholt werden.
W. Furthmann, Düsseldorf.
Die deutsche Technische Hochschule inBrünn tritt in das 75. Jahr ihres Bestandes und es soll
dieser Umstand durch ein Fest gefeiert werden, bei welchem sich in den ersten
Maitagen 1924 alle derzeitigen und ehemaligen Angehörigen, Freunde und Gönner dieser
Hochschule in Brunn vereinigen mögen. Der Festausschuß fordert daher auf diesem
Wege alle ehemaligen. Hörer und Freunde der Hochschule auf, ehebaldigst ihre
Anschriften unter seiner Adresse (Brünn, Komenskyplatz 2) bekanntzugeben, damit
sofort mit der Versendung der Einladungen begonnen werden kann.