Titel: | Mitteilungen der Polytechnischen Gesellschaft zu Berlin. |
Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 87 |
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Mitteilungen der Polytechnischen Gesellschaft zu
Berlin.
Mitteilungen der Polytechnischen Gesellschaft.
Polytechnische Gesellschaft zu Berlin.
Sitzungssaal: Berlin W., Köthener Straße 38, Meistersaalgebäude.
Geschäftsstelle: Berlin-Friedenau, Kaiserallee 78, Fernspr.: Amt Rheingau 9995.
In einer der letzten Nummern der „Siemensmitteilungen“ findet sich ein
Aufsatz, der namentlich für unsere alten Mitglieder von besonderem Interesse sein
dürfte. Er wird deshalb mit Genehmigung der Schriftleitung im Folgendem im Abdruck
wiedergegeben: „Zur Feier des 50jährigen Bestehens der Polytechnischen
Gesellschaft zu Berlin am 28. Februar 1889 sollte etwas ganz Besonderes
geschehen. Der damalige verdienstvolle technische Leiter unserer Firma,
Oberingenieur Karl Frischen, oder wie er allgemein
genannt wurde, der alte Frischen, hatte sich bereiterklärt, einen Vortrag zu halten,
dessen Inhalt auch den Damen der Mitglieder von Interesse sein würde. Für seinen
Vortrag wählte Frischen das Thema „Die Elektrizität als Mädchen für
alles“.
Unverzüglich ging es an die Arbeit, und in kurzer Zeit war das „Mädchen für
alles“ so kräftig entwickelt, daß es unbesorgt in Dienst genommen werden
konnte. Es hatte eine sesselförmige Gestalt, auf der man bequem sitzen konnte, ohne
daß sie sich muckste. Die Eingeweide bestanden aus einem Elektromotor und einer
Akkumulatorenbatterie, der Kopf, der sonst immer als Sitz dummer Gedanken störend
empfunden wird, fehlte gänzlich.
Nun kam der große Augenblick, wo Frischen seine neueste Schöpfung den Tausenden, die
an dem Festabend den großen Saal der Philharmonie bis auf den letzten Platz füllten,
vorführen sollte.
Auf dem Podium erblickte man mehrere Haushaltgegenstände, von denen höchstens ein
Klavier als etwas für das Herz eines normalen dienstbaren Geistes anzusehen war,
während die übrigen noch vorhandenen Dinge, nämlich eine Waschmaschine und eine
Kinderwiege, schon von jeher von den Mädchen nicht besonders geschätzt wurden. Nach
einigen einleitenden Worten schob Frischen das Motormädchen an das Klavier, das dem
Zwange folgend munter darauflos spielte und dabei den „Einzugsmarsch der
Gäste“ aus „Tannhäuser“ eindrucksvoll von sich gab. Wenn hier von
eindrucksvoll die Rede ist, so muß gesagt werden, daß auch die Erzielung dieser
Wirkung als Frischens Verdienst anzusehen ist, denn die zu dieser Zeit zur Verfügung
stehenden mechanischen Klaviere besaßen noch keinerlei Modulationseinrichtung.
Frischen hatte deshalb zur Steigerung der musikalischen Effekte unter den Pedalen
geeignete Elektromagnete anbringen lassen, die durch auf der Notenrolle befestigte
Stanniolstreifen zur richtigen Zeit in den Stromkreis der Akkumulatorenbatterie
eingeschaltet wurden.
Nachdem der Schlußakkord verklungen, wurde das Motormädchen an die Waschmaschine
gestellt und setzte diese in Bewegung, und zwar mit gutem Erfolg, denn Frischen
konnte dem Wäschebehälter einen Seidenpintscher entnehmen, dessen weißes Fell wie
frisch gewaschen leuchtete, als er nach einigem Augenblinzeln vergnügt in den Saal
hinein bellte, froh, seinem schwankenden Käfig entronnen zu sein.
Dann kam die Wiege an die Reihe. In ruhiger gleichmäßiger Weise tat das Motormädchen
seine Schuldigkeit; es war wohl kaum einer im Saale, der sich nicht wünschte, auf
gleiche Weise in den Schlaf gelullt zu werden. Als die Wiege wieder zur Ruhe
gekommen war, schlug Frischen die Gardine zurück und hob ein allerliebstes, kleines
Mädchen, seine Enkeltochter, empor, stellte es auf einen Tisch und plötzlich
erglühten zierliche Rosengewinde um den Kopf des kleinen Wiegenkindes, das
freundlich in die Runde blickte.
Mittlerweile war die Geburtsstunde des Lautsprechers herangekommen. Frischen öffnete
einen auf dem Tisch stehenden Kasten und entnahm demselben eine Trompete, schwenkte
sie durch die Luft und legte sie in den Kasten zurück, sofort ertönte eine
schmetternde Fanfare, der unmittelbar der seinerzeit beliebte Schlager „Mutter,
der Mann mit dem Koks ist da“ folgte. Frischen, scheinbar ungehalten
darüber, daß sein Mädchen für alles, nämlich die Elektrizität, sich eines so
trivialen Sanges bediente, heute würde man sich über einen Mann, der so billigen
Koks bringt, freuen, rief mit vernehmlicher Stimme nach etwas Vernünftigerem; die
Trompete brach mitten im Spiel ab und brachte ietzt das berühmte Lied aus dem
Trompeter von Säkkingen „Behuf dich Gott, es war zu schön gewesen“ zu Gehör.
Um die Täuschung noch vollkommener zu gestalten, schob Frischen abwechselnd ein Tuch
in den Trichter der Trompete, wodurch der Ton gedämpft wurde.
Die Töne kamen aber gar nicht aus der Trompete, sondern aus mehreren lautsprechenden Telephonen, die Frischen von seinem
damaligen Assistenten für Versuchsarbeiten, dem jetzigen Oberingenieur L. Weber,
extra für diesen Zweck hatte bauen lassen und die in geschickter Weise in der Zarge
des Tisches, dem Auge des Publikums vollkommen verborgen, angebracht waren. Die
Dämpfung des Tones wurde dadurch bewirkt, daß bei dem Einschieben des Tuches in den
Schalltrichter der Trompete der Kasten, in dem diese lag, etwas fester auf den Tisch
gedrückt und damit ein Widerstand in den Fernhörerkreis eingeschaltet wurde, so daß
die Lautwiedergabe eine merkliche Dämpfung erfahren mußte. Das zugehörige
Sendemikrophon war in einem benachbarten Raum untergebracht, wo ein Solist des
philharmonischen Orchesters seine Trompete meisterte.
Reicher Beifall lohnte den alten Frischen für die viele Mühe und Sorgfalt, die
er dem Gelingen seines Vortrages gewidmet hatte, aber keiner der Anwesenden ahnte,
daß nach 35 Jahren die für einen launigen Vortrag geschaffene Einrichtung einmal in
der ganzen Welt eine derart umfangreiche Anwendung finden würde, wie es mit dem
Lautsprecher auf dem Gebiete des Rundfunks tatsächlich jetzt der Fall ist.“ –
Den verehrlichen Mitgliedern zur Kenntnis, daß voraussichtlich am Mittwoch, dem 21.
d. M., nachmittags 2 ½ Uhr, eine Besichtigung der vereinigten Werkstätten für
Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorf, Berlin-Treptow,
Kiefholzstraße 72–75, stattfindet, und zwar mit Einschluß unserer Damen. Im Anschluß
hieran versammeln sich die Teilnehmer bei Zenner in Treptow zu gemeinsamer
Kaffeetafel.
Besondere Einladungen, auf denen Treffpunkt und beste Verbindungen genau angegeben
werden, ergehen noch an die Mitglieder.
Der Vorstand.
Nichterlein, 1. Ordner.