Titel: | Polytechnische Schau. |
Fundstelle: | Band 339, Jahrgang 1924, S. 103 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszüge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Metallisieren von Roststäben. Unter den
Anwendungsgebieten, die sich das Metallspritzverfahren erobert hat, steht das
Ueberziehen von Eisenteilen, die ständiger Einwirkung von Feuer ausgesetzt sind, mit
einem Aluminiumüberzug in erster Linie. Der Erfolg des Verfahrens beruht in diesem
Falle darauf, daß das Aluminium in der Temperatur des Feuers mit der Oberfläche des
Eisens eine Legierung eingeht, deren Oberfläche ganz dünn oxydiert. Die entstandene
Oxydschicht verhindert weiteres Verbrennen des Eisens bzw. die Bildung von
Schmelzflüssen, die das Eisen angreifen. Bei Flußeisen sinkert das aufgespritzte
Aluminium bei nachträglicher Erhitzung bei Temperaturen über 1000 Grad in das Eisen
hinein, so daß ein mehrmaliges Metallisieren erforderlich ist, bis die Oberschicht
bis in genügende Tiefe mit etwa 15 % Aluminium legiert ist. Bei Hartguß verdrängt
das Aluminium den chemisch an das Eisen gebundenen Kohlenstoff, dringt aber nur
wenig in die Tiefe ein. Noch geringer ist die Tiefenwirkung bei Grauguß, wo der mit
dem Eisen mechanisch gemengte Kohlenstoff das Eindringen verhindert. Bei Gußeisen,
das mit dem Aluminium-Spritzverfahren überzogen wird, ist also ein mehrfacher
Ueberzug nicht erforderlich.
Textabbildung Bd. 339, S. 103
Abb. 1.
Textabbildung Bd. 339, S. 103
Abb. 2.
Besonders wirksam gegen Verbrennen durch Feuerwirkung hat sich der Aluminiumüberzug
bei Roststäben erwiesen, bei denen nur die obere Kante einschließlich eines
Streifens von einigen Zentimetern überzogen werden braucht. Bei Versuchen der
Eisenbahnverwaltung in Oesterreich mit überzogenen schmiedeeisernen Roststäben hat
sich eine Verlängerung der Gebrauchsdauer bis auf das Sechsfache ergeben. Versuche
der Reichseisenbahnverwaltung mit gußeisernen Roststäben sind seit einigen Monaten
im Gange. Die bisher wohl eingehendsten Versuche sind beim Gaswerk Altona gemacht
worden, wo in einem stark beanspruchten Rost in der Mitte, also in der stärksten
Feuerzone metallisierte, an den Seiten nicht metallisierte Roststäbe von 11 kg
Gewicht eingebaut wurden. Nach 162tägigem Betrieb wurden die Roste herausgenommen,
die nicht metallisierten hatten bei der Gaskoksfeuerung einen Abbrand von etwa 2 kg
oder etwa 18 % erlitten, was in Anbetracht dessen, daß er nur auf der Kante
erfolgt, ein beträchtlicher Verlust ist; die metallisierten Roststäbe zeigten kaum
bemerkenswerte Abnutzung und Gewichtsabnahme. Die Stäbe sind in den Abb. 1–3 dargestellt,
und zwar 1 neu, 2 gebrauchte, nicht metallisierte 3 gebrauchte, metallisierte
Stäbe.
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Abb. 3.
Auch in der Schiffahrt haben sich metallisierte Roststäbe bestens bewährt. Ueber die
endgültige Lebensdauer von metallisierten Roststäben und über die daher mit ihrem
Gebrauch verknüpften Ersparnisse liegen noch keine umfassenden Erfahrungen vor, da
die Versuchszeiten hierzu noch nicht ausreichen. Da das Ueberziehen nach einem
besonderen Verfahren erfolgen muß, um eine wirklich innige Bindung und einen im
Feuer nicht abspringenden Ueberzug zu erzielen, werden die metallisierten Roststäbe
teurer; die Mehrkosten werden aber ganz zweifellos durch die längere Lebensdauer
mehrfach aufgewogen.
Der Hauptvorteil der metallisierten Roststäbe liegt aber nicht in der verlängerten
Lebensdauer, sondern in ihrer dauernd besseren Beschaffenheit. Bei allen bisherigen
Anwendungen hat sich gezeigt, daß das Bearbeiten der Feuer wesentlich leichter ist.
Bei nicht metallisierten Roststäben bilden sich bei der Berührung mit der glühenden
Kohle Siliziumschmelzflüsse, die das Gußeisen auflösen, so daß die Schlacken schon
bei 800–900 Grad festbrennen. Dadurch wird der Luftdurchtritt gestört und die
Temperaturen steigen noch weiter. Bei metallisierten Roststäben, deren
Aluminiumoxydschicht erst bei 2300 Grad schmelzen kann, ist das Festbrennen von
Schlacke ausgeschlossen. Es wird also nicht nur das Feuerreinigen sehr viel
leichter, sondern der Luftdurchtritt zwischen den Roststäben bleibt frei, die Feuer
brennen besser und nutzen den Brennstoff günstiger aus; außerdem bleibt die
Temperatur an der Oberkante der Roststäbe infolge des dauernden Luftdurchtritts
günstiger. Besonders wertvoll ist die Erleichterung und Verringerung des
Durchschleusens und Abschlackens der Feuer auf Seeschiffen; sie ist vor allem der
Grund, weshalb eine Anzahl deutscher Großreedereien in großem Umfange zur Verwendung
metallisierter Roststäbe übergegangen ist.
C.
Hauptversammlung des Vereines deutscher Ingenieure in
Hannover. (Sonntag, den 1. Juni 1924.) Zu einer eindrucksvollen Kundgebung
gestaltete sich die in diesem Jahre nach Hannover einberufene Hauptversammlung des
Vereines deutscher Ingenieure. Nachdem unter den widrigen Verhältnissen des vorigen
Jahres die Abhaltung der regelmäßigen Tagung unterblieben war, sind die deutschen
Ingenieure in diesem Jahre wiederum aus allen Teilen des Reiches zusammengeströmt,
um durch ihre
Verhandlungen und Vorträge aller Welt zu zeigen, daß sie unbeirrt durch
Schicksalsschläge an ihrem zähen Arbeitseifer festzuhalten und, soviel an ihnen
liegt, am Wiederaufbau des Reiches mitzuschaffen gewillt sind.
Die Erfolge dieser Arbeit traten namentlich bei dem Gegenstand hervor, der den ersten
Tag der Versammlung beherrsschte, nämlich „Luftfahrt und Technik“.
Der Vorsitzende des Vereines, Geheimrat Prof. Dr. Klingenberg, eröffnete die Tagung am Sonntagvormittag mit einer Ansprache,
in der er zunächst eine Parallele zwischen der deutschen und der amerikanischen
Industrie zog und auf die Unterschiede in den Fabrikationsbedingungen hinwies. Er
betonte die Folgerungen, die sich für die deutsche Technik hieraus ergeben und die
in gründlicher technischer Ausbildung, Stärkung der technischen Vereinsarbeit und
gemeinschaftlicher technischer Forschung gipfelten.
In diesem Zusammenhang unterwarf er den Erlaß des preußischen Kultusministers einer
scharfen Kritik, der bekanntlich auf eine Verminderung des mathematischen und
physikalischen Unterrichtes in den Mittelschulen hinzielt, wodurch der Ausbildung an
den Technischen Hochschulen der Boden entzogen wird.
Geheimrat Klingenberg gedachte ferner der Verstorbenen,
wobei er die Verdienste des Geheimrats Dr. Taaks, des
langjährigen Kurators des VDI, besonders hervorhob, und begrüßte dann die
Erschienenen, insbesondere die Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden,
die Vertreter der anwesenden technischen und wirtschaftlichen Vereine und die
ausländischen Fachgenossen.
Der Rektor der Technischen Hochschule in Hannover, Se. Magnifizenz Prof. Dr.-Ing. Vetterlein, antwortete mit einer herzlichen Begrüßung der
Teilnehmer in Hannover.
Unter dem feierlichen Schweigen der Versammlung sprach darauf der Kurator des
Vereines, Geh. Baurat Lippart (Nürnberg) mit bewegten
Worten die Uebernahme des Kriegerdenkmals im Berliner Ingenieurhaus durch den Verein
aus. Das von Prof. Wandschneider geschaffene, einen trauernden Krieger darstellende
Denkmal, das der Versammlung im Lichtbild gezeigt wurde, ist bereits seit einiger
Zeit in der Eingangshalle des Ingenieurhauses aufgestellt. „Der Gewaltakt zu
Versailles“, so führte Geheimrat Lippart aus, „hat diesen Krieg nicht
beendet. Noch heute steht der Feind mitten im deutschen Lande, noch heute geht
uns gegenüber Macht vor Recht. Ungeheuer sind die Lasten, die wir tragen sollen,
und unerhört die Bedrückungen, die unsere Volksgenossen im besetzten Gebiet für
uns alle zu tragen haben. Mehr als je zuvor müßten wir aus den Folgen des
verlorenen Krieges heraus verstehen, was die Heldentaten der deutschen Männer
auf den Schlachtfeldern Europas bedeuteten. Auch viele Tausende unserer
Vereinsmitglieder haben an der Front ihr Leben eingesetzt, um in dem uns
aufgedrungenen Kampf unsere Heimat zu schützen. Viele Hunderte sind gefallen.
Ihr Andenken soll im Vereinshause durch das würdige Denkmal geehrt
werden.“
Aufgaben und Lage des deutschen Maschinenbaues.
(Generaldirektor Dr. Reuter im Vereine Deutscher
Maschinenbauanstalten.) In der am 9. Mai stattgefundenen Mitgliederversammlung des
Vereines Deutscher Maschinenbauanstalten führte der Vorsitzende des Vereines, Herr
Generaldirektor Dr. Reuter, nach kurzen, einleitenden
Begrüßungsworten an die Gäste der Tagung, insbesondere die Vertreter der Reichsund
Landesbehörden, der Hochschulen, des Reichsverbandes der Deutschen Industrie
und der sonstigen Verbände folgendes aus:
Der Maschinenbau ist mehr als früher bei dem notwendigen Wiederaufbau unserer
Wirtschaft auf eine verständnisvolle Mitarbeit aller unmittelbar und mittelbar
beteiligten Kreise angewiesen, um unter möglichster Vermeidung jeglichen Leerlaufes
diejenigen Aufgaben, die ihm gestellt sind, schnell und erfolgreich lösen zu
können.
Wie der einzelne Mensch, so ist auch die Wirtschaft auf sich selbst angewiesen und
muß sich selbst helfen durch zielbewußte Entfaltung ihrer Kräfte und durch nüchterne
Erkenntnis ihrer Möglichkeiten. Dieses Ziel hat sich auch der Verein Deutscher
Maschinenbauanstalten gesteckt. Er versucht es zu erreichen einerseits durch
Zusammenschluß des ganzen Maschinenbaues, anderseits durch zweckmäßige Aufteilung in
Gruppen, um durch letztere der Bearbeitung und Behandlung der verschieden gelagerten
Interessen Rechnung zu tragen. Auf diese Weise können die einzelnen Gebiete des
weitverzweigten Maschinenbaues ihre Zweckmäßigkeiten und Möglichkeiten am besten
erkennen und verfolgen und dadurch zu größten Leistungen und Erfolgen der ganzen
Maschinenindustrie beitragen. Mancher macht uns aus dieser Bildung von Gruppen und
Fachverbänden innerhalb der Maschinenindustrie den Vorwurf einer Ueberorganisation,
die angeblich nur den Zweck verfolgen soll, den Kampf auf der ganzen Linie gegenüber
den Schwerindustriellen durchzuführen.
Ueberorganisation wäre heute nicht nur ein Verbrechen gegenüber dem Vaterlande, das
in Not und Armut geraten ist, sondern auch eine Dummheit, weil durch jede
überflüssige Einrichtung unsere Kräfte und unsere spärlichen Mittel unnötig
vergeudet würden. Deutschland kann erst wieder hochkommen, wenn es die Achtung und
das Interesse, die es beide inzwischen verloren hat, wiedergewinnt. Das ist ihm aber
nur möglich, wenn es den ernsten Willen bezeugt und den Beweis dafür liefert, daß es
seine Kräfte produktiv, nicht unproduktiv verwertet und zur höchsten Leistung
verwendet. Warum kann eine Staatswirtschaft mit der Privatwirtschaft nicht
erfolgreich in Wettbewerb treten? Weil durch die Eigenart ihres Aufbaues nur die
Privatwirtschaft frei von politischen Fesseln wie überhaupt in der Lage ist, durch
einfachste Mittel Größtmöglichstes zu erreichen. Das ist das eigentliche Wesen der
Wirtschaft. Die Größe unserer wirtschaftlichen Führer zeigt sich und hat sich immer
gerade nach der Richtung hin deutlich gezeigt, daß diese nicht nur in ihrem
persönlichen Leben und Denken einfach, sondern auch bestrebt waren, unter
Ausschaltung alles Unnötigen auf dem kürzesten und einfachsten Wege ihre Ziele zu
erreichen. Daß dabei eine Zusammenfassung aller zur Verfügung stehenden Kräfte und
ihre Einordnung in das ganze System, also eine gewisse Organisation, notwendig ist,
sehen wir gerade bei den früheren Erfolgen der deutschen Wirtschaft. Im Gegensatz zu
anderen Ländern, wie z.B. England, wo der Individualismus sowohl in technischer wie
in wirtschaftlicher Beziehung noch vorherrschend ist, hat es die deutsche Wirtschaft
und besonders die deutsche Industrie verstanden, durch Zusammenschluß sich
gegenseitig zu befruchten und durch Zusammenfassung in großen Gebilden einheitliche
Ziele, die von ihren Führern nach Maßgabe ihrer Erfahrungen und Begabungen als
richtig anerkannt worden sind, zu verfolgen und zu erreichen.
Eine solche Organisation stellt auch der Verein Deutscher Maschinenbauanstalten
dar. Organisieren heißt bei uns eben auch nur Ordnung schaffen, um besonders auf dem
Weltmarkt möglichst leistungsfähig und schlagfertig nicht nur zu sein, sondern auch
zu erscheinen. Zu erscheinen, um zunächst auch wieder die Augen der Welt auf uns zu
lenken und dadurch Gelegenheit zu finden, unsere Leistungsfähigkeit durch vermehrte
Lieferungen zu beweisen. Um anerkannt und berücksichtigt zu werden, muß man sich zu
erkennen geben und sagen, wer man ist und was man kann. Dazu soll unser
Zusammenschluß, unsere Organisation, der Verein Deutscher Maschinenbauanstalten
dienen.
Wir überschätzen uns nicht. Wir sind nur ein Glied in der deutschen Wirtschaft, das
lediglich für sich das Recht auf Gesundheit in Anspruch nimmt, um gegenüber dem
gesamten Organismus der deutschen Wirtschaft diejenigen Aufgaben erfüllen zu können,
die dem Maschinenbau zukommen. Nicht durch einen rücksichtslosen Kampf, sondern
durch verständnisvolle Zusammenarbeit mit den Schwesterindustrien und allen sonst
beteiligten Kreisen versucht der Maschinenbau in der heutigen, für unser Vaterland
so schweren Zeit, wo wir nur durch einen Zusammenschluß aller zur Verfügung
stehenden Kräfte aus der Not herauskommen können, die Ziele zu erreichen, die ihm
gesteckt sind. Wir wollen durch Aufklärung und Unterrichtung über unseren
Industriezweig hinaus die Erkenntnis von der wachsenden Bedeutung der
verarbeitenden, insbesondere der Maschinenindustrie, innerhalb der deutschen
Volkswirtschaft, eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist, zum lebendigen
Mitempfinden aller Kreise in Deutschland machen. Das ist die Geschäftspolitik, die
der Verein Deutscher Maschinenbauanstalten zu verfolgen gedenkt.
Seit unserer letzten ordentlichen Mitgliederversammlung im vorigen Jahr in München
hat sich wirtschaftlich und politisch vieles in Deutschland geändert,
wirtschaftlich, indem wir nach der katastrophalen Geldentwertung, die ihren
Höhepunkt im letzten Herbst erreichte und Deutschland fast in den Abgrund gestürzt
hat, jetzt stabiles, wenn auch noch nicht wieder wertbeständiges Geld haben.
Hierdurch ist eine große Beruhigung in alle Kreise eingetreten; trotzdem haben wir
und besonders die Maschinenindustrie jetzt mit größeren Schwierigkeiten als damals
zu kämpfen. Unsere Ausfuhr hat nachgelassen, auf einigen Gebieten fast ganz
aufgehört. Dabei waren unsere damaligen Erfolge nur Scheinerfolge, keine Gewinne,
sondern Verluste, wodurch sich die große Geldknappheit erklärt, die die Wirtschaft
jetzt lahm zu legen droht. Dazu kommen noch die politischen Schwierigkeiten, die
sich bis heute keineswegs gemildert haben. Wir stehen vor einer schicksalsschweren
Entscheidung, vor dem zu erwartenden Ergebnis aus den bekannten
Sachverständigengutachten. Herr Geheimrat Bücher vom
Reichsverband der Deutschen Industrie wird die Liebenswürdigkeit haben, uns darüber
einige äußerst wertvolle Ausführungen zu machen. Welche Schlußfolgerungen werden
sich aus dem Gutachten für uns ergeben? Von diesem wird das Schicksal des
Vaterlandes auf Jahrzehnte hinaus abhängig sein. Auch innnerpolitisch stehen wir vor
einer ganz neuen Lage. Die Wahlen haben uns einen neuen Reichstag gebracht. Welchen
Weg wird er uns führen? Vertrauen wir der Urteilsfähigkeit, dem guten Willen und der
Vaterlandsliebe unserer Volksvertreter, daß sie uns den Weg aus Unruhen und
Knechtschaft zur Sicherheit und Freiheit führen werden.
Verein deutscher Eisenhüttenleute. Die 4.
Gemeinschaftssitzung der Fachausschüsse des Vereins deutscher Eisenhüttenleute in
der Stadthalle zu Hagen am 11. Mai 1924, der Generaldirektor Dr. Voegler (Dortmund) vorsaß, stand unter dem Zeichen der
Dampfwirtschaft und ihrer Einwirkung auf den Hüttenbetrieb. Die Vorträge waren
bereits zu der infolge der Zeitverhältnisse im letzten Augenblick abgesagten
Hauptversammlung des Vereins im November 1923 in Hannover vorgesehen gewesen und
konnten nun nach der zwischenzeitlichen Hochdrucktagung des Vereins Deutscher
Ingenieure am 18. und 19. Januar d. J. in Berlin grundsätzlich Neues nicht mehr
bringen. Sie zeichneten sich aber aus durch straffe Zusammenfassung, durch die in
kurzer Zeit ein sehr lehrreicher Ueberblick über das ganze große Gebiet gegeben
werden konnte, und durch die Betonung des Gedankens, daß Fortschritte nur durch
Gemeinschaftsarbeit aller Beteiligten, d.h. der verschiedenen Hersteller- und
Benutzerkreise erreicht, und daß Schwierigkeiten wohl durch rücksichtslose Offenheit
im engen Kreise der Fachgenossen, aber nicht durch großes Geschrei in der
Oeffentlichkeit überwunden werden können.
In dem ersten Vortrage „Entwicklungslinien des Dampfkesselbaues“ ließ Direktor
Max Ott von der Hannomag in Hannover ein Gesamtbild
dieses erst in letzter Zeit als solcher vollgültig anerkannten Zweiges des
Maschinenbaues abrollen unter Berührung aller der Fragen, die die Aufmerksamkeit und
die ganze Kunst des Ingenieurs heute auf diesem Gebiete erfordern. In der
Werkstofffrage, die in der Hochdrucktagung vorgetragenen Gesichtspunkte im
wesentlichen betätigend, erfuhren diese eine Erweiterung durch die Berechnung von
Grenzwerten für den Druck genieteter Kessel, Angaben über den Verwendungsbereich
geschweißter Trommeln und Ausführungsformen nahtloser Trommeln. Der Vortragende
glaubt auf Grund umfangreicher Versuche an Schweißungen, die er als Obmann eines
Sonderausschusses des Deutschen Dampfkessel-Ausschusses ausgeführt hat, und über
deren Ergebnisse in einem demnächst erscheinenden Forschungsheft des Vereins
Deutscher Ingenieure berichtet werden wird, ihre Verwendung bis 50 at Druck bei
einem Trommeldurchmesser von 1300 mm zulassen zu können, namentlich, wenn die
Prüfung und Behandlung nach einem neuen, der Firma Thyssen & Co. patentierten
Verfahren erfolgt und die Böden in der erstmals von der Firma Krupp bei
geschmiedeten Trommeln angewendeten Weise unmittelbar angekümpelt werden. Einfluß
auf unsere Dampfkesselvorschriften werden auch die Ergebnisse dankenswerter Versuche
der Hannomag über die Festigkeitsverhältnisse eingewalzter Kesselrohre gewinnen
müssen. Die große Sorgfalt der heutigen Kesselschmiedearbeit kennzeichneten
Einrichtungen, wie Nietkontroller, elektrische Induktions-Anwärmvorrichtungen für
das Einbringen der Kesselböden und besonders schonende Stemmverfahren.
Die Höhe der Kesselleistung ist in erster Linie eine Frage der Feuerung und des
Wasser-Umlaufs. Ein reiches Anschauungsmaterial zeigte die Entwicklung der
Erkenntnis in dieser Richtung, die Anpassung und Anwendung auf die verschiedenen
Verhältnisse. Oft mußten amerikanische Ausführungen als Muster herangezogen werden;
namentlich was Größe und Zusammenbau betrifft ist hier ein unverkennbarer Vorsprung
einzuholen. Im Zusammenhang damit spielt die Kohlenstaubfeuerung eine wesentliche
Rolle. Den Schluß bildete nach Behandlung einer ganzen Reihe von weiteren
Einzelpunkten eine Uebersicht über die vorhandenen Hochdruckkessel-Bauarten, die
heute allerdings zum größten Teil nur Entwurf und noch nicht Wirklichkeit sind.
Professor Hubert Hoff von der Technischen Hochschule
Aachen behandelte „Die Entwicklungslinien des Dampfkraftmaschinenbaues und die
Aussichten des Gasmaschinenbetriebes“. Der Vortragende konnte in einem
kurzen geschichtlichen Ueberblick nachweisen, wie die Forderung nach
Betriebssicherheit in allen Stadien der schnellen Steigerung der Wirtschaftlichkeit
dieser zweiten Komponenten für das Werturteil über eine Kraftmaschine, ein Hindernis
gewesen ist. Ausführlicher wurden der Grund und der Umfang der wärmetechnischen
Ueberlegenheit des Höchstdruckdampfes erörtert, besonders bei Verwendung von
gekoppelten Kraft- und Wärmebetrieben oder bei Anwendung des Anzapfverfahrens.
Abschließend beleuchtete die Entwicklung von Dampfkolbenmaschinen ein Schaubild der
jeweils erreichten Dampfverbrauchsziffern. Einführung des Heißdampfes und des
Höchstdampfdruckes machen sich als stark abfallende Stufen deutlich als
grundsätzliche Fortschritte bemerkbar. Schneller ist die Entwicklung der
Dampfturbine, die ausläuft auf Höchstdruck-Schnelläufer-Vorschaltturbinen in der
Bauart Brown-Boveri oder die folgerichtig ausgebildete Bauart der Ersten Brünner
Maschinenfabrik. Zusammenfassend wird als Vorteil der Dampfkraftanlage gebucht:
Möglichkeit, in weiten Grenzen zu überlasten und Unterlasten ohne erheblich
gesteigerten Wärmeverbrauch für die Leistungseinheit und Möglichkeit der Speicherung
großer Wärmemengen in kleinem Raum. Bei den in Frage stehenden Fortschritten braucht
zur weiteren Verbesserung der Wärme- und Kraftwirtschaft vorläufig zur restlosen
Vergasung fester Brennstoffe nicht geschritten werden. Bei dem Vergleich mit dem
Gasmaschinenbetrieb auf Hüttenwerken sind dementsprechend nur Anlagen zu
berücksichtigen, denen Hochofen- oder Koksofen-Gas zur Verfügung steht. Die an sich
als bekannt vorausgesetzte Entwicklung der Gasmaschinen wird durch die Wiedergabe
einer Reihe von Versuchsergebnissen belegt. Durch Vergrößerung der Leistungseinheit
mit Hilfe des Spül- und Aufladeverfahrens, Ausnutzung der Abhitze, die eine
Mehrausnutzung von etwa 20 % herbeigeführt, und durch Heißkühlung wird eine
Verbesserung der Wärmeausnutzung beim Gasmaschinenbetrieb in dem gleichen Maße
erzielt, wie sie in Dampfkraftanlagen durch die heutige Entwicklung angestrebt wird.
An dem Verhältnis Dampfmaschine – Gasmaschine wird also wenig geändert. Ob die
Gasturbine hier umwälzend wirken wird, läßt sich noch nicht übersehen.
In der durch die Zeit leider beschränkten Aussprache machte u.a. Dr. Münzinger (Berlin) beachtenswerte Angaben über
amerikanische Kohlenstaubfeuerungen. Er rief ferner zu einer Gemeinschaftsarbeit der
Hersteller und Abnehmer bei Aufstellung vonn Höchstdruckanlagen auf. Hartmann (Kassel) glaubte bei Anwendung von
Höchstdruckdampf das Arbeitsgebiet der Dampfkolbenmaschine gegenüber der
Dampfturbine bis mindestens 5000 KW ausdehnen zu können. Direktor Quack wies auf die betriebliche Ueberlegenheit großer
Kesseleinheiten bei Großanlagen gegenüber einer Mehrzahl von kleineren hin,
verlangte aber dabei eine viel sorgfältigere Durchbildung aller Einzelheiten,
insbesondere der sogenannten Zubehörteile, damit nicht durch an sich belanglose
Störungen an diesen Teilen ganze große Einheiten des Kesselhauses ausfallen.
Provinzialverband Brandenburg des Reichsverbandes der
Elektrizitäts-Abnehmer, e. V- (Rea, Brandenburg). Der Verband, der die
elektrowirtschaftlichen Interessen der Stromabnehmer in der Provinz Brandenburg zu
vertreten sich zur Aufgabe gemacht hat, hielt am 6. Mai seine diesjährige
ordentliche Mitgliederversammlung in Berlin ab, die stark besucht war, auch von
Vertretern industrieller, kommunaler und landwirtschaftlicher Organisationen. Aus
dem Geschäftsbericht ist zu entnehmen, daß die Rea auf dem Gebiete der
elektrowirtschaftlichen Reichsgesetzgebung tatkräftig und mit Erfolg gearbeitet hat;
ihr ist es zu verdanken, daß eine Berufungsinstanz beim Reichswirtschaftsgericht für
Schiedssprüche nach der Strompreisverordnung vom 1. Februar 1919 geschaffen worden
ist. Mit Recht wird in dem Berichte darauf hingewiesen, daß die Strompreispolitik
eines Eltwerkes sich nicht ganz unbeeinflußt aus sich heraus entwickeln kann, daß
sie vielmehr in hohem Maße von der Reichsgesetzgebung der allgemeinen
Rechtsauffassung und Rechtssprechung, der Gestaltung der wirtschaftlichen
Gesamtlage, der Entwicklung der Technik u.a.m. abhängig und daß daher die gesamte
Stromabnehmerschaft an den Arbeiten des Verbandes außerordentlich interessiert ist.
Der Verband fordert, daß die bisher von den Eltwerken noch berechneten
Inflationsklauseln verschwinden und daß die Strompreise unter Berücksichtigung der
tatsächlichen Gestehungskosten des Stromes und der ungünstigen Wirtschaftslage der
Abnehmerschaft festgesetzt werden. In Sonderheit müssen für die
landwirtschaftlichen, gemeindlichen und industriellen Großabnehmer tragbare und
leicht verständliche Stromtarife aufgestellt werden. Im Interesse der Eltwerke
selbst und unserer gesamten Wirtschaft liegt es, daß die Stromlieferer ihre
Monopolstellung nicht durch Forderungen ausnützen, die die größeren Verbraucher vom
Bezüge des elektrischen Stromes abschrecken und zur Selbserzeugung zwingen, wie dies
in letzter Zeit schon vielfach geschehen ist. Die Berechnung der Minderwertigkeit
der Kohle muß fallen, da sie unkontrollierbar ist und zu Mißtrauen Veranlassung
gibt. Vergewaltigungen der Stromabnehmer durch Absperren des Stromes bei
Meinungsverschiedenheiten sind gerichtlich zu verfolgen. Barsicherheiten und
Bauzuschüsse müssen abgelehnt werden. Das Geschäftsgebaren einiger Eltwerke läßt
zurzeit viel zu wünschen übrig. Zum Schlüsse wurde über Strompreisberechnung in
Goldmark bei laufenden und neu abzuschließenden Verträgen sowie über die Anrufung
von Schiedsgerichten bei Meinungsverschiedenheiten berichtet. Der Verlauf der
Versammlung zeigte die Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Stromabnehmerschaft
zu einer einheitlichen Frontstellung gegenüber unberechtigten Forderungen der
Eltwerke. Der Sitz der Geschäftsstelle befindet sich in Berlin-Steglitz,
Hohenzollernstraße 6.