Titel: | Das neue russische Patentgesetz. |
Autor: | Fritz Warschauer |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 5 |
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Das neue russische Patentgesetz.
Von Patentanwalt Dr. Fritz
Warschauer.
WARSCHAUER, Das neue russische Patentgesetz.
Endlich ist das neue russische Patentgesetz
veröffentlicht und gleichzeitig auch in Kraft getreten. Ein Gesetz, an dem seit über
drei Jahren eine vom Rat der Volkskommissare gewählte Patentkommission gearbeitet
hat. Daß dies trotz der noch immer recht schwierigen wirtschaftlichen und
innerpolitischen Verhältnisse Rußlands überhaupt möglich gewesen ist, ist sehr
beachtenswert.
Auch die deutsche Industrie hat auf dieses Gesetz voll Interesse gewartet, wie die
immer wiederkehrenden Anfragen gezeigt haben. Dem neuen Gesetz kann man aber auch
hinsichtlich seiner Grundlagen dm wesentlichen zustimmen. Denn das kommunistische
Prinzip, auf welches sich das „Dekret des Rats der Volkskommissare über die
Erfindungen“ vom 30. Juni 1919 stützte, und demzufolge jede Erfindung, die
das Komitee für Erfindungen als nützlich anerkennt, auf Beschluß des Präsidiums des
Obersten Volkswirtschaftsrats zum Staatseigentum erklärt werden konnte, kennt das
neue Gesetz nicht mehr. Wenn auch manche Bestimmungen (beispielsweise die
Gebühren-Regelung) von einer sozialistischen Auffassung zeugen, so stellt das neue
Gesetz doch den Schutz der Erfindungen wieder her.
Das Recht auf Erlangung eines Patentes hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger.
Der Anmelder muß die Versicherung abgeben, daß er der wirkliche Erfinder ist. Ist
der Erfinder aber eine andere Person, so muß der Anmelder den Nachweis erbringen,
daß das Recht auf Erteilung des Patents auf ihn übergegangen ist. Entsprechen diese
Angaben nicht der Wahrheit, so kann das Patent auf Antrag für nichtig erklärt
werden. Wenn eine Erfindung in einem Unternehmen oder einer Organisation gemacht ist
und bestimmte Personen als Urheber nicht nachgewiesen werden können, so steht das
Recht auf Erteilung des Patentes dem Unternehmen oder der Organisation zu.
Patentfähig sind neue Erfindungen, die eine gewerbliche Ausnutzung zulassen. Als vom
Patentschutz ausgeschlossen kommen etwa die gleichen Erfindungen wie nach deutschem
Patentrecht in Betracht.
Außer Zusatzpatenten auf Vervollkommnung des Gegenstandes des Hauptpatentes gibt es
auch noch sogenannte Verbesserungspatente auf Erfindungen, die von einer anderen
Person als dem Urheber gemacht worden sind und eine Ergänzung oder Abänderung der
Stammerfindung darstellen. Ein derartiges Verbesserungspatent kann aber erst nach
Ablauf eines Jahres vom tage der Veröffentlichung über die Erteilung des
Hauptpatentes an erteilt werden. Mit der Erteilung eines Verbesserungspatentes wird
durch das Patentamt ausdrücklich auch die Abhängigkeit einer jüngeren Erfindung von
einer älteren festgestellt; eine Feststellung, die nach deutschem Recht nur im
gerichtlichen Verfahren möglich ist.
Eine Erfindung gilt nicht als neu, wenn sie zur Zeit der Anmeldung im Gebiete der
Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken oder im Auslande ganz oder in ihren
wesentlichen Teilen in einer Druckschrift so deutlich beschrieben oder so
offenkundig benutzt ist, daß sie von einem Sachverständigen hergestellt werden
kann.
Die Veröffentlichung ist also nicht, wie in Deutschland, zeitlich begrenzt, und auch
offenkundige Vorbenutzung im Auslande ist neuheitsschädlich. In dem Gesetz ist
bezüglich der Veröffentlichung nur vonDruckschriften die Rede, ohne daß von
ihnen gesagt ist, daß es öffentliche sein müssen. Dies scheint aber nur ein
Schönheitsfehler in der Fassung zu sein. Denn in Artikel 36 heißt es, daß bei
Prüfung der Neuheit der Erfindung besonders die allgemeine technische Literatur und
die früheren Privilegien und Patentanmeldungen zugrunde gelegt werden. Die
ausländische Patentliteratur wird nur berücksichtigt, soweit dies möglich ist. Im
Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren kann man. jedoch auch im Auslande
veröffentlichte Patentschriften geltend machen.
Das Prüfungsverfahren zerfällt in zwei Abschnitte und zwar in eine formale und in
eine Neuheits-Prüfung. Wird die Anmeldung als ordnungsmäßig befunden, so ist dem
Anmelder spätestens binnen 10 Tagen vom Eingangstage ein Anmeldezeugnis
auszustellen; im anderen Falle muß er in der gleichen Frist eine begründete
Mitteilung über die Hindernisse für die Erteilung eines Patentes erhalten. Erst wenn
das Anmeldezeugnis erteilt ist, erfolgt die Prüfung auf Neuheit.
Eine sehr begrüßenswerte Bestimmung, die wohl ihre Ursache in den Klagen über
ungebührlich lange Prüfungsdauer von russischen Patentanmeldungen in der
Vorkriegszeit oder vielleicht auch in den wenig vorbildlichen Zuständen des heutigen
polnischen Patentwesens hat, ist, daß das Prüfungsverfahren spätestens innerhalb 18
Monaten seit dem Tage der Anmeldung abgeschlossen sein muß.
Dann erfolgt die Veröffentlichung während dreier Monate, innerhalb welcher Einspruch
gegen die Erteilung des Patentes erhoben werden kann. Spätestens innerhalb 6 Monaten
vom Eingangstage des Einspruchs muß eine endgültige Entscheidung erlassen
werden.
Gegen die Entscheidungen über Erteilung oder Versagung eines Patentes kann im Laufe
von drei Monaten Beschwerde erhoben werden.
Die für die Prüfung und Erteilung von Patenten zuständige Behörde ist das „Komitee
für Erfindungsangelegenheiten“ beim Obersten Volkswirtschaftsrat. Nach einer
Mitteilung der Patentabteilung der russischen Regierung an den Verband Deutscher
Patentanwälte findet die „Prioritäts-Abstempelung“ von russischen
Patent-Anmeldungen – eine merkwürdige Maßnahme, die eine Zeitlang von einem Berliner
Bureau der Sowjetregierung betrieben wurde – jetzt nicht mehr statt. Die Priorität
wird vielmehr auf Grund des neuen Gesetzes nur noch vom Tage des Eingangs der
Anmeldung beim russischen Patentamt gerechnet.
Die Dauer eines Patentes beträgt 15 Jahre. Sie rechnet von dem Tage der
Veröffentlichung des Erteilungs-Beschlusses; die Wirkung des Patentes erstreckt sich
aber auch auf den Zeitraum vom Tage der Erteilung der Anmeldebescheinigung bis zu
dem Tage der Veröffentlichung. Treten unüberwindliche Hindernisse bei der Ausführung
des Patentes ein, so kann auf Antrag des Patentinhabers die Geltungsdauer des
Patents verlängert werden, jedoch nicht über 5 Jahre hinaus.
Der Patentinhaber ist verpflichtet, seine Erfindung in Rußland auszuführen, oder
durch Erteilung einer Lizenz ausführen zu lassen. Die Erfindung gilt als ausgeführt,
wenn ihr Gegenstand im Laufe von 5 Jahren, vom Zeitpunkt der Patenterteilung an, in
Rußland in einer Form ausgeführt wird, die eine gewerbliche Benutzung gestattet. Im
Falle der Nichtausführung kann von Interessenten Antrag auf Erteilung einer
Zwangslizenz gestellt werden.
Der Zeitpunkt für die Zahlung von Jahresgebühren beginnt erst mit der Ausführung
der Erfindung. Diese Art der Gebührenregelung steht bisher wohl einzig in der
Patentgesetzgebung aller Länder da. Theoretisch hat es zweifellos etwas für sich,
den Patentinhaber erst dann mit Gebühren zu belasten, wenn seine Erfindung
ausgeführt ist. Praktisch wird die Durchführung dieser Bestimmung wohl aber auf
große Schwierigkeiten stoßen. Der Gesetzgeber meint offenbar die Ausführung in dem
Maße, wie sie durch den oben besprochenen Ausübungszwang vorgesehen ist. Der
Patentinhaber wird von seinem Standpunkt aus jedoch den Augenblick der Ausführung
erst dann als eingetreten betrachten, wenn sie nutzbringend geworden ist. Ob die dem
Patentinhaber zum Zwecke der Feststellung des Gebühren-Anfanges auferlegte
Verpflichtung,den Beginn der Ausführung der Erfindung dem Komitee für
Erfindungsangelegenheiten innerhalb eines Monats anzuzeigen, immer eingehalten
werden wird, erscheint außerordentlich zweifelhaft.
Ausländer genießen in Rußland die gleichen Rechte auf Erteilung von Patenten wie
Inländer; nur haben Anmelder, die ihren Wohnsitz außerhalb Rußlands haben, einen in
Rußland ansässigen Vertreter zu bestellen.
Ob Rußland, das bekanntlich in der Vorkriegszeit einer von den wenigen europäischen
Staaten war, die nicht der „Internationalen Union“ angehörten, jetzt ihr
beitreten wird, oder sonstige Gegenseitigkeitsverträge mit anderen Staaten auf dem
Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes abschließen wird, ist noch der Zukunft
vorbehalten.