Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | Bl. |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 69 |
Download: | XML |
Polytechnische Schau.
Polytechnische Schau.
Neues vom Schlafwagenbau. Die augenblicklich auf den
Strecken der deutschen Reichsbahn laufenden Mitropa-Schlafwagen enthalten bei einer
Länge des Wagenkastens von 20200 mm und einer Breite von 2855 mm durchweg 20 Betten
in 10 Abteilen. Bei der Benutzung der Wagen hat sich nun herausgestellt, daß
durchschnittlich in jedem Wagen 4 Reisende mit Bettkarten 1. Klasse befördert
werden, denen somit je ein ganzes Abteil zur Verfügung gestellt werden muß. Die
Folge davon ist ein unwirtschaftlicher Betrieb, da ja 4 Bettplätze nicht verkauft
werden dürfen. Außerdem hat sich herausgestellt, daß die Nachfrage nach
Einzelabteilen eine recht große ist und noch ständig zunimmt. Aus diesen Erwägungen
heraus hat die Firma Wegmann & Co. in Cassel einen Schlafwagen gebaut, der in 18
Abteilen 14 Betten 2. Kl. und 4 Betten 1. Klasse enthält, außerdem 4 Tagesräume zum
Einnehmen des Frühstücks (Abb. 1) Dienerraum in der
Mitte des Wagens und Aborte. Die Abmessungen des Wagenkastens sind etwas größer
geworden, nämlich 22200 mm Länge bei 2870 mm Breite. Die Abteile 1. Kl. (Abb. 2–3) befinden sich
seitlich eines Mittelganges (Abb. 4). Auf der anderen
Seite sind die Abteile 2. Klasse untergebracht, deren Betten hochgelegt sind und
über den Mittelgang hinwegreichen. Die Abteile 2. Klasse (Abb. 5) sind jederzeit als Tagesräume benutzbar, während die Betten in
der 1. Klasse mitwenigen einfachen Handgriffen in Sitzplätze für den
Tagesgebrauch umgewandelt werden können. Jedes Abteil besitzt seine besondere
Waschgelegenheit. Im übrigen ist der Wagenkasten entsprechend dem des eisernen
D-Zugwagens durchgebildet.
Textabbildung Bd. 340, S. 69
Abb. 1. Frühstücksraum.
Die zweite wesentliche Neuerung betrifft die Beheizung der Schlafwagen. Es
besteht bekanntlich die Vorschrift, daß jeder Schlafwagen seine eigene
Heizungsanlage besitzen muß und nicht von der Lokomotive aus mit Dampf versorgt
werden darf. Bei der bisher allgemein eingeführten Warmwasserheizung haben sich in
der Hauptsache zwei Uebelstände herausgestellt: die sehr lange Anheizdauer, eine
Folge des großen Wasserinhaltes der Anlage, und der überaus hohe Brennstoffverbrauch
während der Fahrt.
Textabbildung Bd. 340, S. 70
Abb. 2. Abteil 1. Kl. bei Tage.
Textabbildung Bd. 340, S. 70
Abb. 3. Durchblick von einem Abt. 1. Kl. in das benachbarte, für die Nacht
zurechtgemachte.
Auf Grund der vorzüglichen Erfahrungen, die mit der bekannten
„Narag-Classic-Heizung“ allerseits gemacht werden, entschloß man sich vor
einigen Jahren zu deren probeweiser Einführung zunächst bei einigen Schlafwagen. Sie
hat hierbei selbst in dem verflossenen überaus langen und harten Winter 1923/24
allen an sie gestellten Erwartungen in vollem Maße entsprochen, so daß heute bereits
eine beträchtliche Anzahl von Schlafwagen mit ihr ausgerüstet sind. Vor allen Dingen
beträgt die Anheizzeit wegen des um etwa 75 % geringeren Wasserinhaltes nur etwa den
5. Teil gegen früher, und der Verbrauch an Brennstoff – einer Mischung von Koks mit
Steinkohle – ist auf kaum den4. Teil gesunken. Dazu kommt noch, daß die
Bedienung dieser Heizung sehr viel einfacher ist, da es sich bei dem Naragofen
gewissermaßen um einen Füllofen handelt, der, einmal angelegt, längere Zeit sich
selbst überlassen werden kann, zumal auch die Regulierung des Zuges im wesentlichen
selbsttätig erfolgt. Im übrigen entspricht die aus dem Naragofen und dem
Classic-Radiatoren bestehende Narag-Classic-Heizung der bei ortfesten Anlagen
üblichen Ausführung.
Textabbildung Bd. 340, S. 70
Abb. 4. Mittelgang im einbettigen Schlafwagen.
Textabbildung Bd. 340, S. 70
Abb. 5. Abt. 2. Kl. bei Tage.
Nebenbei sei noch bemerkt, daß diese Heizung auch an anderen
Stellen des Eisenbahnbetriebes eine immer größere Verbreitung findet, z.B. zur
Beheizung von Stellwerken, Fahrkarten-Ausgabestellen, Güterabfertigungen usw.
C.
Deutsche Pullmanwagen für Südamerika (Chile) und Elektrisierung
der chilenischen Bahnen. Um die Jahreswende von 1923 auf 1924 verließ der
erste Sonderzug mit drei Pullmanwagen I. Klasse das Werk Breslau der
Linke-Hofmann-Lauchhammer A.-G., um von Hamburg zu Schiff nach Valparaiso (Chile)
überführt zu werden. Im ganzen umfaßt der für das gesamte deutsche Wirtschaftsleben
überaus wichtige Auftrag 47 gleichartige Wagen, die in wöchentlichen Teillieferungen
von 3–4 Wagen die Ausreise antreten sollen.
Die eisernen Wagen unterscheiden sich in mehrfacher Beziehung von den in
Deutschland üblichen. Sie haben eine gesamte Länge von etwa 22,5 m bei einer
Kastenbreite von 2948 m/m und einer Spurweite von 1676 m/m. Sie laufen auf zwei
zweiachsigen Drehgestellen. Die Entfernung der Drehzapfen beträgt 15,8 m. Wegen der
großen Spurweite mußten die Wagen für die Ueberführung nach dem Ausgangshafen auf
normale deutsche Drehgestelle gesetzt werden, während die eigenen auf einem
angehängten Güterwagen mitgenommen wurden.
Die Wagen haben Mittelpufferung und sind außer mit durchgehender Luftdruck- und damit
verbundener Notbremse noch mit einer vom Schaffner zu bedienenden Handbremse
ausgerüstet.
Die Beleuchtung erfolgt durch 24 elektrische Glühlampen. Der erforderliche Strom wird
während der Fahrt selbst erzeugt und über eine zwischengeschaltete
Akkumulatorenbatterie den Beleuchtungskörpern zugeleitet.
Um das Reisen auch an heißen Tagen angenehmer zu machen, sind Dach und Außenwände der
Wagen mit einer starken Isolierschicht versehen. Außerdem ist noch eine besondere
Lüftungsanlage eingebaut.
An jedem Wagenende befandet sich ein geschlossener Vorraum, an dem auch die
beiderseitigen Eingangstüren angebracht sind und durch den ferner in üblicher Weise
der Uebergang zu den benachbarten Wagen des Zuges vermittelt wird.
Die bequemen und gut gefederten Sitze mit dunkelrotem Lederüberzug und verstellbarer
Rückenlehne tragen wesentlich dazu bei, das Wohlbefinden der Reisenden während der
Fahrt zu erhöhen; Die zahlreichen großen Fenster
gewähren eine freie Aussicht auf die vom Zuge durcheilte Landschaft.
In dem großen Innenraume, der mit seiner Verkleidung aus naturfarbenem
Mahagoniholz und den zahlreichen blanken Tür-, Fenster- und Deckenbeschlägen einen
überaus gediegenen Eindruck macht, sind an jedem Wagenende zwei Sitze durch
Stoffvorhänge als Damenraum abgeteilt. Zwischen diesem und dem geschlossenen Vorraum
befindet sich die unter Berücksichtigung aller auf dem Gebiete der Hygiene
bestehenden Vorschriften eingerichtete Toilette mit Waschgelegenheit. Das
Vorhandensein von fließendem Wasser und einer eigenen Lüftungseinrichtung durch
einen elektrisch angetriebenen Ventilator verdient besonders hervorgehoben zu
werden.
Auch äußerlich zeigen die Wagen durchaus geschmackvolle Formen und Ausstattung,
obschon für ihre konstruktive Durchbildung die Vorschriften der Betriebssicherheit,
vor allem anderen maßgebend waren. Sie gehen nach Valparaiso. Die Strecke
Valparaiso-Santiago ist nach „The Electrican“ Vol. 92, Bd. 2402, S. 669, als
Vollbahn bereits elektrisiert, sie hat Steigungen von 2,5 und 1,81 %, die die
Möglichkeit der Stromrückgewinnung bieten. Auf der elektrisierten Strecke werden 39
elektrische Lokomotiven, die (etwa 100) Dampflokomotiven ersetzen, die ihre Energie
aus Wasserkraftwerken beziehen, gefahren. Das eine liegt in der Nähe von Santiago
und ist mit der Stadt durch eine doppelte Hochspannungsleitung von 110 kV verbunden.
In Santiago wird die Fernleitung an das Kraftwerk der Stadt angeschlossen, das in
Wasser- und Dampfkraftwerken zusammen über 120000 kW verfügt. Der hochgespannte
Drehstrom wird in 5 Unterwerken in Gleichstrom von 3000 V umgeformt. Die
Baulichkeiten sind aus Eisenkonstruktion und Beton, vermögen den häufigen Erdbeben
zu widerstehen, ihre Motorgeneratoren sind von ungewöhnlich kräftiger Bauart und
halten 5 Minuten lang eine Ueberlastung von 200 % aus.
Dr. Bl.