Titel: | Rollenlager in Straßenbahnachsbuchsen der Motorwagen und Anhängewagen. |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 76 |
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Rollenlager in Straßenbahnachsbuchsen der
Motorwagen und Anhängewagen.
Rollenlager in Straßenbahnachsbuchsen der Motorwagen und
Anhängewagen.
Durch die jahrelangen Versuche, welche die Straßenbahngesellschaften mit
Wälzlagern gemacht haben, ist die Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit dieser
neuzeitlichen Lagerart erwiesen. Um den Gehäusedurchmesser möglichst klein, den
Zusammenbau und Ausbau einfach zu gestalten, werden neuerdings nur noch Rollenlager
in die Achsbuchsen eingebaut. Die Vorteile der Rollenlager gegenüber Gleitlagern
sind: Bedeutende Krafterspärnis während der Fahrt, geringer Anfahrwiderstand,
Ersparnis an Schmiermaterial, fast unbedeutende Wartung, höchste Betriebssicherheit,
Vermeiden von Heißläufern, leichter Zusammenbau und Ausbau.
Textabbildung Bd. 340, S. 76
Abb. 1. 6 verschiedene Ausführungsarten der Straßenbahnachsbuchse.
Ueber die Kraftersparnis ist in Fachzeitschriften auf Grund eingehender Versuche
berichtet worden. Sie beträgt durchschnittlich 10 % und ist von der Entfernung der
Haltestellen, der Stundengeschwindigkeit, dem Gelände und den vorhandenen Kurven
abhängig. Hügeliges Gelände ist nicht ungünstig, wenn dieWagen bei der Talfahrt
frei auslaufen können. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil der
Rollenlager ist der leichte Anlauf beim Anfahren und das leichte Verschieben der
Wagen. Statt 4 Mann genügt bei Achslagerung auf Rollenlagern nur 1 Mann zum
Verschieben der Anhänger.
Die Ersparnisse an Schmiermaterial werden sofort klar, wenn man bedenkt, daß die
Gleitlagerachsbuchsen zweimal wöchentlich geschmiert werden müssen und bei der
Schmierung eines Wagens jeweils 1 kg Oel verbraucht wird, während die
Schmiermittelmenge der Rollenlagerachsbuchse für ein ganzes Jahr ausreicht.
Hierdurch erklärt sich auch die fast unbedeutende Wartung. Die Schmierung eines
Straßenbahnwagens mit Gleitlagerachsbuchsen dauert etwa ¼ Stunde, das ergibt bei
einem Wagen 26 Arbeitsstunden im Jahre. Weitere Wartungskosten entstehen dadurch,
daß die Schmierpolster und die Achsreiter jährlich und die Achslagerschalen alle 2
Jahre erneuert werden müssen.
Arbeitskosten durch auftretende Heißläufer sind hierbei noch unberücksichtigt
geblieben. Die Rollenlagerachsbuchsen erfordern hingegen nur eine einmalige Wartung
im Jahre, Arbeiten zur Erneuerung der Lagerteile sind nicht nötig.
Die Betriebssicherheit der Rollenlager ist durch langjährige Erfahrung bereits
erwiesen, die Lebensdauer beträgt 10–20 Jahre. Die bei Gleitlagern gefürchteten
Heißlauf er kommen überhaupt nicht vor. Die F. S.-Rollenlager der Fichtel &
Sachs A.-G. Schweinfurt am Main werden aus bestem Sonderchromstahl hergestellt. Ein
besonderes Härteverfahren, sowie Schleifen auf Sonderschleifmaschinen und ein
ausgedehntes und peinlich genaues Kontrollsystem über Materialbeschaffenheit und den
einzelnen Arbeitsgang gewährleisten größte Widerstandsfähigkeit und eine aufs
höchste gesteigerte Genauigkeit. Die Gehäuse der Rollenlagerachsbuchse werden aus
Flußeisenguß hergestellt, der die gleichen hervorragenden Eigenschaften besitzt, die
von der Deutschen Reichsbahn für ihre Achsbuchsen gefordert werden. Zur Aufnahme des
in den Kurven auftretenden Axialdruckes genügen die Schultern der Rollenlager,
besondere Drucklager sind entbehrlich. Die Achsbuchse mit den beiden
Schulterrollenlagern wird auf diese Weise billiger, als wenn noch ein besonderes
Längslager erforderlich wäre. Bei geringen vorübergehenden Axialdrücken kommen die
Rollen gar nicht zur Anlage an die Schultern, weil sie sich diesen Drücken mit der
Reibung der Ruhe widersetzen. So gewährleisten die langjährigen Erfahrungen, welche
die Firma Fichtel & Sachs A.-G. auf dem Gebiet der Wälzlagerfabrikation besitzt,
ein erstklassiges Fabrikat.
Textabbildung Bd. 340, S. 77
Abb. 2. F & S-Straßenbahnachsbuchse in Ansicht und Schnitt.
Bei den Straßenbahnachsbuchsen ergeben sich hinsichtlich der verschiedenen
Federauflage und Führung 6 verschiedene Ausführungsarten, die aus Abb. 1 ersichtlich sind. Bei Neuaufträgen können die
für die 6 Ausführungsarten passenden Achsbuchsen, die allen auftretenden
Beanspruchungen gewachsen sind, für Triebwagen und Anhängewagen bei Angabe des
Achsschenkeldruckes, der Führung und der Art der Federung nach Normen geliefert
werden. Bei Umbau von Gleitlagerachsbuchsen lehnt man sich an die normalisierten
Achsbuchsen in der Bauweise möglichst an.
In der Ausführungsart der F. & S.-Straßenbahn-Achsbuchsen befinden sich zwei
Schulterrollenlager mit festen Führungsschultern am Innenring. Das äußere
Schulterlager hat am Außenring eine feste, das innere Lager eine lose
Schulterscheibe. Durch die Anordnung dieser losen Schulterscheibe läßt sich das
Gehäusemit den Rollenlageraußenringen leicht vom Achsschenkel herunterziehen.
Der Zusammenbau der Achsbuchse geht folgendermaßen vonstatten. Zuerst wird der
Dichtungsring mit Preßsatz bis zum Anschlag an den Achsschenkelbund aufgeschoben,
dann folgt der hintere Abschlußdeckel des Gehäuses und der lose Schulterring des
inneren Schulterlagers. Der Längsschnitt der Achsbuchse in Abb. 2 zeigt in der oberen Hälfte eine Ausführung, bei der die lose
Schulter neben dem Deckel eingeführt wird, in der unteren Konstruktion ist die lose
Schulter bereits in den Gehäusedeckel mit Haftsitz eingefügt. Jetzt können die
beiden Innenringe mit den Rollenkränzen, nachdem sie in einem Oelbade auf 70° C.
erwärmt sind, auf den Achsschenkel aufgesetzt werden. Sie erhalten dann nach dem
Erkalten den erforderlichen Festsitz. Für eine reichliche und gründliche Schmierung
aller umlaufenden Teile ist beim Zusammenbau zu sorgen. Die Labyrinthringe sind mit
konsistentem Fett gut abzudichten. Hierauf wird die Druckplatte aufgesetzt und durch
besonders gesicherte Kopfschrauben am Achsschenkel befestigt. Die Außenringe können
ohne weiteres in die Achsbuchse eingefügt werden. Die Achsbuchse läßt sich dann
leicht auf die Rollenkränze aufschieben. Der vordere und der hintere Gehäusedeckel
wird durch 4 Schraubenbolzen und Muttern mit der Achsbuchse festverspannt. Der
Ausbau der Achsbuchse geht, wie Abb. 3 zeigt, denkbar
einfach und schnell vonstatten.
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Abb. 3. F & S-Straßenbahnachsbuchse beim Ausbau.
Es sind nur die 4 Muttern am äußeren Gehäusedeckel von den
Schraubenbolzen zu entfernen, dann läßt sich die ganze Achsbuchse von dem
Achsschenkel abziehen. Die Rollenkränze und die Innenringe können ruhig auf dem
Achsschenkel sitzen bleiben. Man sieht hierbei, daß der Ausbau der Fichtel &
Sachs-Straßenbahn-Achsbuchse sogar noch einfacher vonstatten geht, als bei
Verwendung von Rollenlagern mit festen Führungsschultern am Außenring.