Titel: | Der Magnus-Effekt und seine technische Anwendung in elementarer maschinentechnischer Betrachtung. |
Autor: | Trautmann |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 134 |
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Der Magnus-Effekt und seine technische Anwendung
in elementarer maschinentechnischer Betrachtung.
Von Oberbaurat Trautmann.
TRAUTMANN, Der Magnus-Effekt und seine technische Anwendung in
elementarer maschinentechnischer Betrachtung.
Ueber das Flettner-Schiff und den Flettner-Rotor ist in der letzten Zeit viel
geschrieben und gesprochen worden, wobei sich Gelehrte wie Praktiker eingehend mit
den physikalischen Vorgängen, auf denen die Wirkung des Flettner-Rotors beruht, im
besonderen mit dem Magnus-Effekt, beschäftigt haben. Als Ergänzung der zeitherigen
Veröffentlichungen wird den Technikern eine Erörterung der Kräftewirkungen, wie sie
bei der Anwendung des Magnus-Effektes auf den Flettner-Rotor auftreten, in einer
ihnen geläufigen Darstellungsweise erwünscht sein.
Während Magnus sich s. Zt. mit der Aufgabe beschäftigte, einen bis dahin ungeklärten
Vorgang bei der Bewegung sich drehender Körper in einem Windstrome wissenschaftlich
aufzuhellen, war Flettner bestrebt, den nunmehr aufgeklärten Vorgang technisch
auszunutzen.
Flettner machte bekanntlich den Magnus-Effekt in der Weise für die Fortbewegung von
Schiffen nutzbar, daß er den Wind statt auf Segel auf Rotoren, d.h. aufrecht
stehende, in schnelle Umdrehung versetzte Blechzylinder wirken ließ. Dieser
zylindrische Rotor der Flettner-Maschine hat zwei Aufgaben zu erfüllen: 1. soll er
den Winddruck aufnehmen und auf den Schiffskörper übertragen, und 2. hat er die in
der Rotorantriebsmaschine erzeugte Kraft durch Reibung an die den Zylinder umgebende
Luft abzugeben, diese dem Winde entgegenzutreiben und durch diesen Vorgang eine
Steigerung des Luftdruckes auf die Zylinderfläche, verbunden mit einer Verminderung
des Luftdruckes an der Leeseite des Zylinders, hervorzurufen. Die Göttinger
Versuchsanstalt für Aerodynamik unter Professor Prandtl hat die dabei auftretenden
Vorgänge eingehend untersucht. Trotzdem bleiben noch manche weitere Fragen,
namentlich über die Größe und die Verteilung der Drücke auf die Zylinderfläche, zu
beantworten.
Wegen der Zusammendrückbarkeit der Luft finden beim Aufeinandertreffen zweier
Luftströme komplizierte Vorgänge statt, die neben Wirbelbewegungen auch
Dichtigkeits- und Temperaturänderungen zur Folge haben und im gegebenen Falle die
erwähnte Drucksteigerung auf der Luvseite der Rotorfläche und dieDruckminderung
auf deren Leeseite hervorrufen. Weitere wissenschaftliche Messungen über die Größe
und den Verlauf der auftretenden Drucke sind sehr erwünscht; denn mit der
derzeitigen Kenntnis der betreffenden Verhältnisse ist eine rechnerische Erfassung
der Kräftezusammensetzung nicht möglich. – Eine allgemeine Ueberlegung ergibt
folgendes:
Von den auf den Rotorzylinder wirkenden Kräften kommen für die Fortbewegung des
Schiffes nur die in Frage, die von der senkrechten Rotorachse aufgenommen und auf
den Schiffskörper übertragen werden, also die radial auf die Rotorachse gerichteten
Kraftkomponenten. – Betrachten wir zunächst an Hand der nebenstehenden Skizze (eines
Horizontalschnittes) die auf der Luvseite des Rotorzylinders wirkenden Kräfte!
In Punkt A des Umfanges wirkt tangential der Luftstrom, der durch die rasche
Umdrehung des Zylinders in der Pfeilrichtung erzeugt wird, und der in der
unmittelbaren Nähe der Zylinderoberfläche eine Geschwindigkeit von dem 3- bis
4fachen der Windgeschwindigkeit besitzt. Ihm entgegen wirkt der Wind.
In A tangential zur Zylinderfläche gerichtete Luftströme können einen radial
gerichteten Druck nicht ausüben. Durch das Aufeinandertreffen der beiden heftigen
Luftströme entsteht jedoch ein Stau und in dessen Folge eine beträchtliche
Steigerung der Spannung der Luft, die eine Pressung auf die Zylinderoberfläche und
einen radial gerichteten Druck ausübt.
In B wird der durch die Drehung des Zylinders erzeugte Luftstrom keine die Spannung
erhöhende Wirkung auf den Windstrom äußern, da er senkrecht zu ihm gerichtet ist.
Deshalb wird in B nur der reine Winddruck radial zur Wirkung kommen. – Auf der
Strecke von A bis B wird aus den dargelegten Gründen eine zunächst rasch zunehmende,
dann nach B zu allmählich sinkende Luftspannung entstehen, die radiale Drücke auf
den Zylinder bewirkt. Von B bis C findet eine rasche Verminderung der Luftspannung
statt, weil beide Strömungen nach und nach in die gleiche Richtung übergehen; der
radiale Druck hört also in der Nähe von C vollständig auf.
Denkt man sich nun die so gefundenen radialen Einzelkräfte in einem Polardiagramm mit
0 als Nullpunkt aufgetragen, so ergiebt sich ein Kräftediagramm, das etwa die angedeutete
Form haben wird. Aus der Zusammensetzung der Kräfte nach den Regeln der Graphostatik
ergiebt sich die resultierende Kraft R1.
Die Ermittelung der Kräftewirkung auf der Leeseite des Rotorzylinders wird wesentlich
erschwert dadurch, daß das Maß der stattfindenden Saugwirkung des Windes sehr wenig
bekannt ist. Auf den stillstehenden Zylinder übt der Windstrom an der Leeseite eine
saugende Wirkung aus; es entsteht ein Unterdruck, der in der beistehenden
Darstellung von C nach D zu- und von D nach A hin wieder abnimmt. Durch die starke
Luftströmung, hervorgerufen durch die Drehung des Zylinders, wird auf dem Wege von C
bis D die Saugwirkung verstärkt, zwischen D und A dagegen vermindert. Bereits vor
dem Punkt A wird sich sogar die Stauwirkung, die durch das Aufeinandertreffen der
mitgerissenen Luft und des Windstromes entsteht, bemerkbar machen. – Der Unterdruck
auf der Leeseite ergiebt radial zur Zylinderachse gerichtete Saugkräfte, die in
polarer Darstellung ungefähr den in dem Diagramme angegebenen Verlauf haben werden.
(Ihre maßstäbliche Aufzeichnung wird erst möglich, wenn durch wissenschaftliche
Untersuchungen die nötigen Unterlagen beschafft sind.)
Textabbildung Bd. 340, S. 134
Abb. 1.
Aus der Zusammensetzung der Einzelkräfte ergibt sich die Resultante R2 der Kräfte an der Leeseite und aus dem
Kräfteparallelogramm von R3 und R2 die Gesamtresultante R, welche die zur
Fortbewegung des Schiffes ausnutzbare Treibkraft darstellt.
In geschickter Weise hat nun Flettner die geschilderte Windwirkung, den
Magnus-Effekt, für technische Zwecke ausgenutzt in dem Streben, die Segelfläche
eines Schiffes durch eine wesentlich kleinere, aber wirkungsvollere zu ersetzen.
Durch langjährige Erfahrungen und Versuche ist ermittelt worden, welche Drücke durch
den Wind von verschiedener Geschwindigkeit auf eine senkrecht zu seiner Richtung
gestellte Fläche ausgeübt werden. Den Windstärken nach der internationalen
Stärkenskala von Beaufort entsprechen nachstehende Drücke und
Windgeschwindigkeiten:
(Zu vergl. „Hütte“, des Ingenieurs Taschenbuch, 21. Aufl., II, Bd., 3. Abschn.
I E.)
Aus dieser Zusammenstellung geht folgendes hervor: Will man eine Segelfläche
verkleinern (z.B. auf den zehnten Teil), trotzdem aber die gleiche
Treibkrafterreichen, so muß die Windgeschwindigkeit entsprechend größer werden,
damit der erforderliche Winddruck (im angenommenen Falle der zehnfache)
entsteht.
Textabbildung Bd. 340, S. 134
Textabbildung Bd. 340, S. 134
Abb. 2.
Bei einer gegebenen Windstärke 4 mußte also eine Steigerung
auf etwa Windstärke 10 ½ stattfinden.
Trifft ein Luftstrom senkrecht auf eine feststehende ebene Fläche F, so übt er einen
Druck aus:
P = F • p,
worin p den Druck auf die Flächeneinheit bedeutet. Soll
derselbe Druck P auf eine andere (kleinere) Fläche f erzielt werden, so muß der
Luftstrom einen anderen durchschnittlichen (größeren) Druck p' auf die
Flächeneinheit ausüben, so daß wiederum ist:
F • p' = P.
Wirkt der Winddruck nicht auf eine ebene Fläche f, sondern auf einen feststehenden
Zylinder, dessen Projektion senkrecht zur Richtung des Luftstroms f ist, so ist der
ausgeübte Druck P' nur ein Bruchteil, ε, von P; d.h.
P' = ε • P = ε • f • p'.
Um denselben Druck P auf die kleinere Fläche in Zylinderform
von der Projektion f zu erreichen, muß der Luftstrom also mit einem Druck auf die
Flächeneinheit p'' wirken, der sich zu
p''=\frac{F\,p}{\epsilon\cdot f}
berechnet. Wenn z.B.
f = 1/10 F und ε =
0,67,
so muß, damit dieselbe treibende Kraft P erzielt wird,
sein:
p''=\frac{10}{0,67}\ \ \ p=15\,p.
d.h. der Luftdruck je m2 muß
das 15fache betragen.
Bei der Anwendung dieser Betrachtungen auf das Segelschiff ist zu berücksichtigen,
daß als Treibkraft des Schiffes nur die in die Fahrtrichtung fallende Komponente des
Winddruckes benutzt werden kann. Falls der (künstlich erzeugte) höhere Luftdruck in
einer anderen Richtung wirkt als der natürliche Winddruck, muß, um dieselbe
Treibkraft in der Fahrtrichtung zu erhalten, die Projektion beider Kräfte auf diese
Richtung gleich sein, d.h. wenn α und α'' die Winkel zwischen Kraft- und
Fahrtrichtung bedeuten,
f • p'' • cos α'' = F • p cos α.
Das Verhältnis der Einheitsdrücke muß also sein:
\frac{p''}{p}=\frac{cos\,\alpha\cdot F}{cos\,\alpha''\cdot f}.
Soll der Flettner-Rotor die gleiche Leistung ausüben, wie die frühere große
Segelfläche, die er ersetzt, somuß daher die Projektion der erwähnten
resultierenden Kraft R auf die Fahrtrichtung ebenso groß sein wie die Projektion des
einfachen Winddruckes auf die Segel auf dieselbe Fahrtrichtung.
Die bisher vorliegenden Berichte über die Versuche mit dem zum Rotorschiffe
umgebauten Dreimast-Schoner Buckau gestatten nicht, die Ergebnisse rechnerisch zu
verfolgen. Nach ihnen wurden bei den Versuchsfahrten der Buckau, die früher etwa 900
m'' Segelfläche trug, bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/sk und einer
Umdrehungszahl der Rotoren von 130 in der Minute (d.h. von etwa 20,5 m/sk
Umfangsgeschwindigkeit) eine Treibkraft von 5000 kg auf die beiden Rotoren erzielt.
Ein Wind von 10 m/sk-Geschwindigkeit übt nach der Beaufort-Skala) auf 900 m2 Segelfläche bei senkrechtem Auf treffen etwa
18000 kg Druck aus. Da nähere Angaben über Wind- und Fahrtrichtung fehlen, ist ein
Vergleich nicht möglich.
Selbst die neuesten Angaben von Dr. W. S. in der Zeitschrift VDI 1925, Heft 21,
bringen keine volle Klarheit. Die in der dort gegebenen Abbildung 1 zu einem Vergleich verwendeten beiden Fälle sind ungeeignet,
denn es handelt sich nicht darum, die Ergebnisse beim Antriebe des Schiffes durch
den Hilfsmotor mit denen beim Antriebe durch Hilfsmotor und Rotoren zu vergleichen,
sondern man will wissen, wie sich die Ergebnisse beim Antriebe des Schiffes durch
die frühere Segelfläche gegenüber dem Antriebe durch die Rotoren stellen, oder die
beim Antriebe durch den Hilfsmotor und die frühere Segelfläche gegenüber dem
Antriebe durch den Hilfsmotor und die Rotoren.
Auch über den erzielten Wirkungsgrad der gesamten Rotoreinrichtung ist ein Urteil
noch nicht möglich. Es kann daher z. Z. auch nicht entschieden werden, ob und
inwieweit sich durch Verwendung anderer, wirkungsvollerer maschineller Einrichtungen
weitere Verbesserungen erzielen lassen. Sicherlich aber ist durch Flettner der
Ausblick auf ein neues Betätigungsfeld eröffnet worden.