Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | Bl. |
Fundstelle: | Band 340, Jahrgang 1925, S. 226 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Die Dampfkesselexplosionen in Deutschland im Jahre
1924. Im vorigen Jahre haben sich in Deutschland acht
Dampfkesselexplosionen ereignet, eine Explosion mehr als im Jahre 1923. Während
jedoch aus dem Jahre 1923 nur von einem Todesfall und zwei Leichtverletzungen zu
berichten war, sind 1924 drei Todesfälle, drei schwere und vier leichte Verletzungen
vorgekommen.
1. Am 12. März 1924 explodierte in der Bautischlerei Lenke in Liegnitz ein stehender
Feuerbüchsenkessel mit Heizrohren. Der Kessel war im Jahre 1894 für 7 at.
Betriebsdruck gebaut, hatte 26 m2 Heizfläche und
0,77 m2 Rostfläche. Die Feuerbüchse wurde bei der
Explosion 25 cm tief eingebeult und 50 cm lang aufgerissen. Die blaue Anlauffarbe
des Bleches und der abgesprungene Kesselstein lassen Wassermangel als Ursache
erkennen. Die Bruchfläche des gerissenen Bleches zeigte schieferartiges
Aussehen.
2. Ein Zweiflammrohr-Schiffskessel mit rückkehrenden Heizrohren explodierte am 10.
Mai 1924 auf dem Schlepper Magda im Hafen von Emden. Der Kessel stammte ebenfalls
aus dem Jahre 1894, hatte 109 m2 Heizfläche, 3,6
m2 Rostfläche bei einem Betriebsdruck von 12
at. Ein Schuß des linken Flammrohres wurde in der Krempe an der Adamsonschen
Versteifung abgerissen. Durch einen weiteren Schrägriß hatte sich ein Lappen
gebildet, der durchgebeult wurde. Die Ränder des Bruches waren scharf zackig und
zeigten teilweise Doppelungen des Bleches. Mangelhafte Beschaffenheit des
Werkstoffes dürfte die Explosion verursacht haben, denn das Blech zeigte bei den
Zerreißversuchen 28,3 bis 36,9 kg/mm2
Bruchfestigkeit bei nur 4,5 bis 8,3 v. H, Dehnung. Der ganze Kessel wurde aus dem
Schiff heraus 50 m weit geschleudert. Eine Person wurde dabei getötet, zwei schwer,
zwei leicht verletzt.
3. Einem liegenden Feuerbüchsenkessel für 12 at. Betriebsdruck, 53 m2 Heizfläche, 3,6 m2 Rostfläche wurde infolge Wassermangels die Feuerbüchse eingedrückt,
wobei eine Rißöffnung von 400 × 100 mm2 entstand.
Der Kessel stammte aus dem Jahr 1921; das Flußeisenblech hatte 34 bis 41 kg/mm2 Bruchfestigkeit bei 32,5 v. H. Dehnung. Die
Explosion am 19. Mai 1924 in dem Dampfsägewerk von Barnewitz in Hohenlychen, Kreis
Templin, forderte ein Menschenleben.
4. Ebenfalls infolge Wassermangels explodierte ein Zweiflammrohrkessel, erbaut 1903,
am 3. August 1924in der Braunkohlenanlage der Gewerkschaft Leipzig-Dölitzer
Kohlenwerke in Leipzig-Dölitz. Die Heizfläche betrug 100 m2, die Rostfläche 4 m2, der Betriebsdruck 10 at Beide Flammrohre wurden tief eingebeult, das
eine Flammrohr dabei aufgerissen. Der Wassermangel, der die Explosion verursachte,
trat infolge Täuschung des Kesselwärters ein. Bei den Wasserstandszeigern
Klingerscher Bauart waren die Zuführungsleitungen fast vollkommen verstopft, auch in
den Wasserstandgläsern hatte sich viel Schmutz abgesetzt. Die für die Reinigung des
Kesselspeisewassers in Aussicht genommene Anlage war noch nicht in Betrieb.
5. Der Kessel einer Lokomotive aus dem Jahre 1912, die bei den Erdbewegungsarbeiten
für eine Eindeichung im Kreise Labiau in Betrieb war, explodierte am 8. September
1924. Die Kesselheizfläche betrug 18,3 m2, die
Rostfläche 0,35m2, der Betriebsdruck 12 at.
Infolge unreinen Speisewassers hatten sich aus Schlamm und Kesselsteinsplittern
Nester zwischen den Stehbolzen gebildet, die zur örtlichen Ueberhitzung der
kupfernen Feuerbuchswand führten. Die weich gewordene Wand wurde ausgeheult, die
Feuerbuchsdecke teilweise herabgezogen. Eine Person erlitt schwere, zwei Personen
leichte Verletzungen.
6. Zweiflammrohrkessel mit 96,42 m2 Heizfläche,
5,28m2 Rostfläche, Betriebsdruck 11 at.,
Baujahr 1902. Der Kessel explodierte am 15. September 1924 in der Papierfabrik
Bernsbach in Aue i. E. Dabei wurde der Wellrohrschuß des linken Flammrohres auf 1200
mm Länge aufgerissen; das ursprünglich 12 mm starke Blech wurde bis auf 2 mm Stärke
gedehnt. Die gut erkennbare Anlauffarbe des Bleches ließ zuerst auf Wassermangel als
Explosionsursache schließen. Mehrfache Untersuchungen ergaben jedoch folgendes: Das
Kesselspeisewasser war stark verunreinigt durch Holzschlamm aus den
Holzschleifereien. Infolgedessen hatte sich eine bis zu 12 mm starke
wärmeundurchlässige Schicht gebildet, die Beulenbildungen des Kesselbleches zur
Folge hatte. Diese wurden noch dadurch begünstigt, daß das Schutzmauerwerk des
linken Flammrohres eingestürzt war. Die eingebaute Vorfeuerung verhinderte, daß der
Heizer die Beulenbildung bemerkte. Bei der Explosion wurde der Kesselkörper um 5°
nach links gedreht und 250 mm rückwärts geschoben. Eine Person wurde tödlich
verletzt.
7. Ein Zweiflammrohrkessel aus dem Jahre 1883, Heizfläche 58 m2, Rostfläche 2 m2, Betriebsdruck 5 at. explodierte am 10. November 1924 in der Weberei F.
A. Martin A.-G. in Sorau infolge Wassermangels. Durch Schlammablagerung hatte sich
die Verbindung des unteren Wasserstandshahnes mit dem Kessel vollkommen verstopft,
so daß sich der gefürchtete „scheinbare Wasserstand“ bilden konnte. Das linke
Flammrohr wurde im Scheitel aufgerissen; dabei entstand eine Oeffnung von 200 × 405
mm2.
8. Wassermangel war auch die Ursache der Kesselexplosion im Städtischen
Elektrizitätswerk in Reichenbach i. Schles. Der liegende Feuerbüchsenkessel mit
ausziehbaren Rohren, erbaut 1900, hatte 56 m2
Heizfläche, 1 m2 Rostfläche, 9,5 at Betriebsdruck.
Der Kesselwärter hatte vor dem Anheizen das Speiseventil geöffnet, um aus der unter
2,5 at. Druck stehenden Orts-Wasserleitung den Kessel nachzufüllen. In dem noch
halbwarmen Kessel war jedoch der Druck noch höher als 2,5 at. Hierdurch trat
Wassermangel ein, der die Explosion zur Folge hatte. Die Wellrohrfeuerbuchse wurde
über die ganze Länge eingebeult und etwa 0,5 m quer aufgerissen.
Unserem Bericht in Heft 1 Band 340 ist noch eine Explosion vom 25. Mai 1923
nachzutragen. Einem Zweiflammrohrkessel, erbaut 1901, Heizfläche 95 m2, Rostfläche 5,6 m2, Betriebsdruck 9 at., wurde die Längsnaht eines Mantelschusses
aufgerissen. Ferner wurden Risse in den Nietstegen sowie Strahlenrisse an den
Nietlöchern festgestellt. Als Ursache kann nur Mangelhaftigkeit des Werkstoffes und
der Bearbeitung angenommen werden. Bei der Explosion in der Brikettfabrik der
Ilse-Bergbau-A.-G. in Sedlitz, Kreis Calau, wurde eine Person leicht verletzt.
(Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reiches 1925 Heft 2.)
Parey.
Neuzeitliche Verfahren zur Herstellung von Wassergas. Nach
Blüchers Auskunftsbuch für die chemische Industrie (12. Auflage erschienen 1923 bei
Walter de Gruyter, Berlin), hat der rationelle Betrieb bei Herstellung von Wassergas
dafür zu sorgen, daß sich in ihm CO2
(durchschnittlich 3–5 %), Stickstoff und Schwefelwasserstoff gegenüber den beiden
Hauptbestandteilen nur in verschwindender Menge bilden, vor allem darf Kohlensäure
nicht überhandnehmen und so muß die Temperatur bei der Darstellung sehr hoch
sein.
Nach dem D. R. P. 153 840 verbessert man die Wassergasherstellung wesentlich dadurch,
daß man beim Warmblasen im Gaserzeuger mehrere Kohlenschichten mit hoher Temperatur
und zwischen diesen Schichten liegend Schichten mit niedriger Temperatur herstellt,
so daß nun der Wasserdampf wie das erzeugte Gas abwechselnd durch Schichten höherer
und niederer Temperatur streichen und schließlich vor dem Austritt des Gases aus dem
Gaserzeuger immer eine Schicht höherer Temperatur zu durchstreichen hat. Die Folge
dieser Anordnung soll ein sehr kohlensäurearmes und an CO reiches Gas sein.
Zur Reinigung des Wassergases dient gewöhnlich Eisenoxyd, wodurch das Gas aber bis zu
einem gewissen Grade mit Eisenkohlenoxydverbindungen beladen wird, die nachteilig
seine Verwendung zu Leuchtzwecken beeinflussen. Daher ist es nach D.R.P. 159136
vorteilhaft, das von seinem CO2 Gehalt befreite
Wassergas zur Entfernung des S und CN in heißem Zustande durch heiße oder glühende
Oxyde, Hydroxyde, Karbonate oder Silikate der Alkalien, alkalischen Erden und Erden
oder durch die Oxyde und Hydroxydevon Eisen und Zink zu leiten. Bei
Temperaturen bis zu 500 Grad erfolgt die Reaktion in beschleunigter Weise. Zwecks
Entfernung von CO2 leite man das Gas zunächst durch
mit Koks gefüllte und von außen erhitzte Retorten, um die CO2 möglichst zu CO zu reduzieren.
Außer von der sorgfältigen Reinigung hängt die Güte des Wassergases natürlich ab von
der Qualität des Herstellungsmaterials, d.h. von der Kohle. Früher verwendete man
nur sehr reine Kohle, Anthrazit und Koks, neuerdings vermag man aber auch
minderwertiges Brennmaterial mit Vorteil zur Wassergasherstellung zu verwenden.
Der Wert des Wassergases liegt in seiner Bedeutung als
Heiz- und Beleuchtungsmaterial, entwickelt es doch bei seiner Verbrennung eine
außerordentlich hohe Temperatur, auch läßt es sich direkt nur zu Heizzwecken
verwenden, weil es zwar mit einer sehr heißen, aber vollständig nichtleuchtenden
(blauen) Flamme verbrennt, indirekt jedoch auch für künstliche Beleuchtung dienstbar
machen.
Dazu kann man entweder in der Wassergasflamme die Auerschen Gasglühkörper erhitzen
oder das Wassergas karburieren. Die Karburierung besteht darin, daß man das
Wassergas mit den Dämpfen von Benzol oder Petroleumrückständen belädt, die von Lewes
vorgeschlagene Autokarburation aber darin, daß man das Wassergas durch die mit Kohle
beschickten glühenden Gasretorten leitet und ihm so Steinkohlengas beimengt. Der
Cedford-Gasprozeß sucht wieder das CO im Wassergas in CH4 zu verwandeln und so die Qualität des Gases zu verbessern. Dieses
Verfahren ist eine neue Anwendung des Sabatierschen Reduktionsprozesses mittels H.
Dabei wird das Wassergas in der üblichen Weise gewonnen und die CO2 völlig entfernt (die Hauptmenge bei 10 Atm. Druck
durch H2O, der letzte Rest durch Kalk, oder aber
durch Druckverflüssigung unter Zuhilfenahme von kaltem Alkohol nach D.R.P. 226 942).
Dann kommt das Gas in eine Lindesche Kältemaschine und hier wird bei der Temperatur
flüssiger Luft ein Teil des CO, gemischt mit etwas N abgeschieden, doch wird die
Maschine so eingestellt, daß 13–14% CO im Gase verbleiben (durch Zusatz eines
kleinen Teiles des abgeschiedenen CO hat es schließlich einen gleichmäßigen Gehalt
von 17%). Bei der Abkühlung des Gases scheiden sich dann gleichzeitig sämtliche
Schwefelverbindungen in festem Zustande ab. Das so gereinigte Gas wird nun bei 280
bis 300 Grad durch Quarzrohr geleitet mit Nickelbimstein als Katalysator; hier
erfolgt schließlich die Reduktion des CO zu CH 4.
Nach D.R.P. 288 843 wäscht man das Wassergas zwecks Befreiung von CO mit alkalischer
Kupferchlorürlösung, die auf 30–60 Grad erwärmt ist; zuvor setzt man dem Gase
größere Mengen O zu, als zur Vermeidung der Kupferabscheidung nötig sind. Das
Verfahren dient zur Erzeugung von technischem Wasserstoff.
Stäche erzeugt nach D.R.P. 290 545 unmittelbar ein Gemisch von Steinkohlengas mit
Wassergas, das sog. Doppelgas, benutzt auch zur Herstellung desselben außer
Steinkohle, die Braunkohle und Torf und erhält ein teerfreies Wassergas, das bei
Steinkohle drei Viertel, bei Braunkohle zwei Drittel des Heizwertes enthält, der dem
Schachtofen in der Beschickung zugeführt wurde (s. C. Forch „Das Leuchtgas“
Bd. 76 der Sammlung Kösel, J. Kösel Verlag, Kempten).
Reines Wassergas ist geruchlos, aber auch wegen seines hohen Gehaltes an Kohlenoxyd
giftig; um etwa ausströmendes Wassergas wahrnehmbar zu machen, mengt man ihm stark riechende
Substanzen (z.B. Athylmerkaptar) bei, oder mischt es Steinkohlengas bei, um den
Betrieb der Steinkohlengasanstalten zuverbilligen und Ungleichmäßigkeiten des
Retortenofenbetriebes auszugleichen. Verwendung findet das Wassergas als Heiz- und
Beleuchtungsmaterial.
Dr. Bl.