Titel: | Jahresversammlung des Normenausschusses der Deutschen Industrie 1925. |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 16 |
Download: | XML |
Jahresversammlung des Normenausschusses der
Deutschen Industrie 1925.
Jahresversammlung des Normenausschusses der Deutschen
Industrie.
Am 5. Dezember 1925 hielt der Normenausschuß der Deutschen Industrie im
Ingenieurhaus zu Berlin seine diesjährige Jahresversammlung ab. Der Vorsitzende des
Normenausschusses, Herr Generaldirektor Dr.-Ing. e.h. Neuhaus, begrüßte in seinem einleitenden Vortrag die erschienenen
Vertreter der Behörden, des Reiches, der Länder, der kommunalen Körperschaften, des
Handels und der technischen Wissenschaften und betonte, daß der trotz
wirtschaftlicher Notlage zahlreiche Besuch der beste Beweis dafür ist, daß die
Normungsbewegung als eine unbedingte Notwendigkeit für unser Wirtschaftsleben
angesehen wird. Die Anwesenheit der Vertreter ausländischer Normenausschüsse
veranlaßte ihn, darauf hinzuweisen, daß die Normung auch viel dazu beigetragen hat,
die Beziehungen der Völker untereinander wieder anzuknüpfen.
Die Folgen des gewaltsamen Eingriffes des Weltkrieges in das Wirtschaftsleben hat
nicht nur Deutschland, sondern auch das Ausland noch längst nicht überwunden. In
allen Industrieländern sucht man durch eine intensive Rationalisierung der
Wirtschaft ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und in Erkenntnis dieser
Notwendigkeit hat der Normenausschuß schon vor vielen Jahren seine Arbeiten für die
Vereinheitlichung der grundlegenden Konstruktionsteile begonnen. Man war damals zu
sehr geneigt, vor allem anderen die Nachteile zu betonen, wenn man sich kritiklos
und uferlos von den Grundsätzen der Normung und Spezialisierung leiten ließe. Nur
wenige der führenden Männer haben von Anfang an die Vorteile der
Vereinheitlichung klar erkannt und die notwendige Folgerung daraus gezogen. Trotz
vieler anfänglicher Anfeindungen hat der Normenausschuß acht Jahre hindurch unbeirrt
seine Tätigkeit fortgesetzt, so daß heute die grundlegenden Fragen für den
allgemeinen Maschinenbau zum Abschluß gebracht sind. Was fänden wohl heute
diejenigen Betriebe vor, die jetzt mit wehenden Fahnen zur Rationalisierung
übergehen, wenn nicht der Normenausschuß in unermüdlicher Tätigkeit seine Arbeit
geleistet hätte, über deren Umfang das nahezu 1100 Blätter umfassende
Normblattverzeichnis Auskunft gibt.
Nach Schilderung dessen, was bis heute getan ist, zeigt der Vorsitzende den Weg, der
nunmehr mit Entschlossenheit beschriften werden muß: „Jetzt dreht es sich darum,
führte er wörtlich aus, daß wir handeln und ich wage es auszusprechen, daß
spätere Geschlechter diejenigen, denen die Verantwortung für die
Wirtschaftsführung obliegt, nicht verstehen werden, wenn sie Jahre verstreichen
ließen, ohne das ihnen in die Hand gegebene Instrument der Normung nunmehr auch
wirklich anzuwenden. Die Verantwortung für die ersten Anfänge der so sehr
herbeigesehnten Rationalisierung ruht nicht mehr bei der Technik und den
Ingenieuren, sondern den verantwortlichen Wirtschaftsführern.“
Herr Baurat Neuhaus tadelte auch das Vorgehen einiger Firmen, die versuchen, aus der
Herstellung von Normteilen dadurch einen Gewinn zu ziehen, daß sie Normteile in der
Preispolitik als Sondererzeugnisse behandeln und teurer zu verkaufen suchen als die
anderen Teile. Eine solche Politik hat kurze Beine.
Als unerläßliche Notwendigkeit für die Erkenntnis der Vorteile, die die Verwendung
von Normteilen bietet, ist eine gute Selbstkostenberechnung, die in vielen unserer
Betriebe noch schärfer durchgeführt werden müssen.
Ueber das Thema „Einführung der Dinormen, Reiseeindrücke“ sprach Herr
Oberingenieur Gramenz von der Geschäftsstelle des NDI und
führte etwa das Folgende aus:
Nachdem die Dinormen auf einer Reihe von Gebieten seit längerer Zeit abgeschlossen
vorliegen, sah der Normenausschuß es als eine seiner wichtigsten und dringendsten
Aufgaben an, die Einführung der Normen in die Praxis zu fördern. Der Vortragende hat
im letzten Jahr etwa 180 deutsche Firmen besucht und bei diesen Besuchen gefunden,
daß die Einführung der Dinormen bereits bei zahlreichen Firmen erfreuliche
Fortschritte gemacht hat. Bei einer Reihe von Firmen allerdings stehen der
Einführung der Dinormen noch gewisse Hemmungen entgegen. Sachliche Schwierigkeiten
ernsterer Natur konnte der Vortragende bei seinen Besuchen nicht feststellen.
Ueberall da, wo ein entschlossener Wille zur Einführung der Dinormen vorhanden war,
sind die sich der Einführung entgegenstellenden Hemmungen auch stets in der einen
oder anderen Weise überwunden worden. Ein Mangel ist vielfach der, daß die mit der
Aufgabe der Einführung der Normen in die Betriebe beauftragten Personen den
vielseitigen Anforderungen dieser Aufgabe nicht gewachsen sind. Der Normeningenieur
muß neben großen Erfahrungen in Konstruktion und Betrieb über ein hohes Maß von
Festigkeit und Takt in Verhandlungen verfügen. Leider wird den mit der Durchführung
der Normung betrauten Personen häufig nicht diejenige Stelle innerhalb der Betriebe
eingeräumt, die ihnen den nötigen Einfluß gibt, der für die erfolgreiche
Durchführung der Arbeiten notwendig ist. Der Vortragende bezeichnet als eine der
Hauptaufgaben, daß sich die deutsche Industrie die für die Einführung der Normen
notwendigen Kräfte heranzieht. Die Normung ist in einem Zeitraum von wenigen Jahren
zu einem ausgedehnten Wissensgebiet geworden, so daß man nicht mehr erwarten kann,
daß ein jeder Ingenieur neben seinen Tagesaufgaben sich noch mit allen Fragen dieses
Gebietes vertraut macht. Wo also in kleineren Betrieben die Verhältnisse nicht
ermöglichen, einen besonderen Ingenieur ausschließlich mit den Fragen der Einführung
der Normen in die Praxis zu betreuen, hat sich wiederholt als zweckmäßig erwiesen,
diese Aufgaben einem der Zivilingenieure zu übertragen, die sich neuerdings dieser
Sonderaufgabe zugewandt haben.
Am Schluß seines Vortrages wies der Vortragende darauf hin, welche Fortschritte die
Anwendung der Dinormen bei einigen von ihm besuchten Firmen des Auslandes gemacht
hat und daß die Gefahr besteht, daß die auf dem Gebiet der Normung geleistete
gründliche deutsche Arbeit wie in so vielen anderen Fällen dem Auslande eher zum
Nutzen gereicht als der deutschen Industrie, wenn diese nicht ziebewußt die Wege
beschreitet, die zur Einführung der Normen notwendig sind.
Herr Dr. Scholz sprach über die „Normung im
Kraftfahrbau“ und führte folgendes aus: Der Fachnormenausschuß der
Kraftfahrindustrie (Fakra) gliedert sich dem Normenausschuß der Deutschen Industrie
als Fachverband an. Er unterteilt sich in die Ausschüsse für allgemeine Normung,
Werkstoffe, Räder, Reifen, Zubehör, Karosserieteile und Kraftradteile. Die
Veröffentlichung der Normen erfolgt in der RdA-Zeitschrift: „Mitteilungen des
Fakra“. Nebenden bereits seit längerer Zeit vorliegenden Kraftfahrbaunormen
sind in letzter Zeit eine große Reihe Normen neu hinzugekommen, die insgesamt bis 1.
1. 1927 von der Automobil-Industrie eingeführt werden. In letzter Zeit hat der Fakra
die Einrichtung der Vornormen geschaffen, um für Teile, deren Entwicklung noch nicht
abgeschlossen ist, Richtlinien zu schaffen, damit der Konstrukteur weiß, in welcher
Richtung sich die späteren endgültigen Normen voraussichtlich bewegen. Für den
Kraftfahrbau kommen neben den reinen Dinormen die Werkstoffe und Maschinenteile,
erweiterte Dinormen, z.B. Schrauben aus hochwertigem Werkstoff und besondere
Fachnormen in Frage. Die weiteren Aufgaben des Fakra erstrecken sich schon mehr nach
der Seite der Typisierung hin, indem z.B. Kolben, Pleuelstangen, Anschlußmasse für
Getriebe, Vorderachsaggregate usw. ebenfalls in das Bereich der Normung aufgenommen
werden sollen. Die Einführung der Normen soll von Seiten der Zentralstelle des Fakra
weiterhin gefördert werden durch Bestellkarten, die den Bezug von Normteilen
nachweisen sollen. Ferner ist eine Zusammenlegung des Bedarfs an Normteilen auf
einzelne lieferungsfähige Firmen geplant, um neben einer Verbilligung gleichzeitig'
eine Qualitätssteigerung zu erzielen.
Herr Oberbaurat Voß sprach über „Die Arbeiten des
Reichsverdingungsausschusses“ und führte folgendes aus: Für die
Beschaffungen bei öffentlichen Arbeiten bestanden früher keine einheitlichen
Richtlinien, vielmehr wurden Aufträge vorwiegend auf dem Wege des Wettbewerbs
vergeben. Hierdurch ergaben sich Mißstände, deren Beseitigung sich im Laufe der Zeit
als dringend notwendig erwies. Die Arbeiten des Reichsverdingungsausschusses, die
soeben ihren Abschluß erreicht haben, sollen hier Wandlung schaffen. Mit dieser
Arbeit wurde bereits vor dem Kriege eine Fünfzehner-Kommission des Reichtages
beauftragt, doch wurde die Bearbeitung durch den Kriegsausbruch unterbrochen. Die
geschäftsführende Leitung des nach dem Kriege eingesetzten Ausschusses, der sonst
selbständig und ehrenamtlich tätig war, liegt bei der Reichsbauverwaltung (Abt. IV
des Reichs-Finanzministerium). Der Ausschuß ist zusammengesetzt aus den Vertretern
der in Frage kommenden Reichsressorts, der Länderregierungen, des Deutschen
Städtetages, des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (Fachgruppe Bauindustrie),
des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks, der Arbeitnehmer-Gewerkschaften, des
Verbandes der Deutschen Architekten- und Ingenieur-Vereine und des Bundes Deutscher
Architekten. Die von diesem Ausschuß behandelten technischen Vorschriften für
Barleistungen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Normenausschuß der Deutschen
Industrie aufgestellt. Die Arbeiten des Reichsverdingungsauschusses, die sämtliche
Zweige des Bauwesens und Bauhandwerks, der Klempner-, Tischler-, Schlosser-, Maler-,
Töpfer-, Installations-, Brunnenbau-, Steinsetzer- bis zu den Gärtnerarbeiten
umfassen, sind auf 23 Normblättern niedergelegt.
Durch die allgemeine Zustimmung, die die technischen Vorschriften für Bauleistungen
finden, ist anzunehmen, daß sie bald Allgemeingut aller behördlichen und privaten
Kreise werden. Da sie von maßgebenden Sachverständigen aller Kreise als
Gemeinschaftsarbeit durchgeführt wurden, ist zu erwarten, daß hierdurch eine Norm
auf dem Gebiete des Verdingungswesens geschaffen ist.