Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | S. |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 17 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Ausdehnung und Formveränderung von Temperguß. Die
Ausdehnung von Temperguß während des Glühfrischens ist unvermeidlich, während die
Formveränderung eingeschränkt, wenn nicht gar vollständig vermieden werden kann.
Die Formveränderung wird durch eine Reihe von Umständen hervorgerufen, von denen die
wichtigsten sind:
1. Fließrichtung des Metalls innerhalb der Form,
2. zu ausgeprägte Ungleichmäßigkeit der Querschnitte,
3. zu schnelle Erhitzung,
4. zu hohe Glühtemperatur,
5. zu lange Glühzeit,
6. zu hoher Phosphorgehalt.
Eine besondere Würdigung verdient die erste der aufgeführten Ursachen, während alle
anderen Umstände sich doch immer wiederholen und einen nur verhältnismäßig geringen
Einfluß auf die Formveränderung ausüben. Bevor praktische Schlüsse hinsichtlich der
Fließrichtung gezogen werden, empfiehlt es sich, den Vorgang von der theoretischen
Seite aus zu betrachten.
Bekanntlich enthält das weiße Roheisen gebundenen Kohlenstoff und keinen Graphit. Der
Kohlenstoff befindet sich also in Verbindung mit dem Eisen, um ein Eisenkarbid zu
bilden. Dieses Eisenkarbid zeigt sich bei der mikroskopischen Untersuchung in Form
von ziemlich breiten Feldern, die parallel zu der dem Metall gegebenen Richtung
verlaufen oder vielmehr zu der Richtung, die sich durch die
Abkühlungsgeschwindigkeit ergibt. Nachdem wir nun diese parallelen Streifen von
Eisenkarbid erkannt haben, bemerken wir weiter zwischen diesen Streifen noch einen
andern Bestandteil, nämlich Perlit, ein Gemenge von Eisenkarbid und reinem Eisen.
Das Eisenkarbid ist sehr hart im Gegensatz zum Perlit, der eine bedeutend geringere
Härte aufweist und sich feilen läßt.
Nachdem nun die Struktur des weißen Eisens bekannt ist, wird die Erklärung nicht
schwierig sein, wie sich seine Bestandteile unter der Einwirkung des Glühvorganges
in oxydierender Atmosphäre verhalten. Das Eisenkarbid wird übergeführt in:
1. Perlit und ausgeschiedenen Kohlenstoff und Graphit,
2. Graphit, Perlit und reines Eisen nahe und auf der Oberfläche des Gußstückes.
Der zwischen den parallelen Streifen von Eisenkarbid vorhandene Perlit wird in
Graphit und reines Eisen zersetzt. All diese Umwandlungen werden von
Volumenveränderungen begleitet, die unabhängig von der spezifischen Ausdehnung der
einzelnen Bestandteile sind. Bei einer gleichen Temperatur und innerhalb einer
gleichen Zeit wird also das Eisenkarbid infolge seiner Zersetzung in Perlit eine
geringere Volumenänderung hervorrufen als der Perlit bei seiner Zersetzung in
Graphit und reines Eisen.
Dies sind physikalisch-chemische Erscheinungen, die man als „Ausdehnung“
bezeichnet.
Was die Formveränderung anbetrifft, so ist sie auf diese Ausdehnung zurückzuführen,
die auf unregelmäßige Art entstanden ist; und gerade diese Unregelmäßigkeit rührt
von der Lage eines jeden Bestandteiles im Gußstück her. Haben wir beispielsweise
eine Anhäufung von Perlit, umgeben von Eisenkarbid, so erzeugt dieser Perlit eine
bestimmte Menge Graphit, während das Eisenkarbid die Bildung von Perlit, Graphit und
reinem Eisen begünstigt. Dieser Graphit übt dann einen Druck auf den in Entstehung
befindlichen Perlit aus, und da jeder Druck mit einer Versetzung verbunden ist,
tritt notwendigerweise als Folge Veränderung oder Bruch ein. Diese Perlitanhäufungen
sind also zu vermeiden. Man muß sich daher darüber klar sein, wo sie entstehen und
wie sie entstehen. In der Regel treten sie bei Querschnittsveränderungen des
Formstückes auf oder vielmehr bei Aenderungen der Fließrichtung, die eine Folge der
schlechten Anordnung der Eingußtrichter und Steiger ist.
Ein geeignetes Beispiel bietet das Gießen eines Stückes mit T-förmigem Querschnitt. Erfolgt der Guß in der Richtung der beiden
gestreckt zueinander liegenden Schenkel, so tritt, nachdem der zweite dieser
Schenkel mit Metall gefüllt ist, von diesem aus ein Gegenströmen nach dem dritten zu
diesem senkrechten Schenkel ein. Dieser Umstand hat eine Anhäufung von Perlit zur
Folge, die dann nicht etwa genau in der Mitte des Querschnittüberganges, sondern
mehr nach außen zu stattfindet und einen Druck auf den Uebergangswinkel ausübt.
Wird dagegen vom dritten senkrechten Schenkel aus nach den beiden gestreckt
zueinander liegenden Schenkeln gegossen, so findet eine gleichmäßige Verteilung des
Metalls nach beiden Richtungen statt; weiter befindet sich dann der Mittelpunkt der
Gegenströmung genau in der Mitte, so daß eine etwaige Ausdehnung in regelmäßiger
Weise nach allen Richtungen hin vonstatten gehen wird.
Es ist leicht, sich von der Richtigkeit dieser Angaben dadurch zu überzeugen, daß man
auf die beiden genannten Arten gießt, die Gußstücke bricht und die Querschnitte vor
dem Glühen miteinander vergleicht. Die lamellenartige Natur des weißen Eisens zeigt
dann die Erstarrung und die Richtung, die das Metall eingeschlagen hat, zur
Genüge.
Um einen weiteren Beweis zu erhalten, genügt es, das Verbindungsstück des T-Stückes mit einer ziemlich feinen Schleifscheibe zu
schleifen, und es dann mit 10-prozentiger Salpetersäure zu behandeln. Die
Wasserstoffentwicklung erfolgt dabei in stärkerem Maße bei den Perlitnestern, die
eine braunere Farbe annehmen werden.
Als letzter Beweis genügt schließlich eine mikroskopische Untersuchung. Um nun von
der Theorie auf die Praxis zu schließen, empfiehlt es sich also, die Eingußtrichter,
Steiger usw. so anzuordnen, daß das Metall in die Form gelangt und sich verteilt,
ohne unregelmäßige Gegenströmungen bei den Richtungsänderungen hervorzurufen, die
Veranlassung zu außerordentlichen Ausdehnungen geben und Formveränderungen, ja sogar
Brüche zur Folge haben würden. (La fonderie moderne.)
Dr. Ka.
Dickteer und Vorlagenpech. Die Entstehung, Behandlung und
Verwertung von Dickteer und Vorlagenpech, die bisher als lästige Abfallstoffe des
Gaswerkbetriebes angesehen werden, unterzieht Ing. L. Rodde einer näheren
Betrachtung, wobei er auch Mittel und Wege angibt, um die Bildung dieser beiden
unerwünschten Stoffe nach Möglichkeit zu verhüten. Dickteer und Vorlagenpech sind
Zersetzungprodukte des Teers und des Gases auf dem Wege zwischen dem
Gaserzeugungsofen und der Gasabkühlung in der Vorlage. Dabei findet auch noch eine
Verunreinigung durch Kohlenstaub, Asche, Pech und Pechkoks statt. Außer der
Beschaffenheit der Kohle und der Stärke der Saugung spielen bei der Abscheidung von
Dickteer noch die
Ofen-, Steigrohr- und Vorlagetemperaturen eine Hauptrolle, wie schon die koksartigen
Beimengungen beweisen. Daß sich bei hoher Vorlagetemperatur aus den Teernebeln nur
die festen und zähflüssigen Teerbestandteile in der Vorlage verdichten, ist bekannt.
Wenn man in einzelne Steigrohre Thermometer einsetzt, so wird man beobachten können,
daß an dieser Stelle je nach der Ofenbauart ein oder mehrere Male am Tage die
Temperatur von 400° überschritten wird. Bei dieser Temperatur zersetzen sich aber
nicht nur wertvolle Gasbestandteile, sondern es trennt sich bereits das Pech aus dem
Teer ab, das bei noch höherer Temperatur schon zu verkoken beginnt. Aus diesem
Grunde ist man in Teerdestillationen, wo Inkrustierungen von Destillierblasen und
Erhitzerschlangen sehr gefürchtet werden, bemüht, die Temperatur des Teers stets
unterhalb 400° zu halten, und auch bei neueren Gaserzeugungsöfen sucht man nach
Möglichkeit das heiße Gas unter Vermeidung langer Steig- und Liegerohre auf dem
kürzesten Wege durch die abkühlende Vorlage zu führen, wodurch Menge und Güte des
Teers erhöht werden.
Zur Bekämpfung der Bildung von Dickteer und Vorlagenpech muß man also einmal zu
starke Saugung vermeiden, ferner die Temperatur des Gases möglichst niedrig halten.
Hierfür hat sich die Berieselung der Steig- und Liegerohre durch Gaswasser bewährt,
und zwar wird das Gaswasser am vorteilhaftesten unter Druck zerstäubt derart, daß
der ganze Rohrquerschnitt durch einen Wassernebelschleier abgeschlossen erscheint,
den alle Gasteilchen durchdringen müssen. Es ist dafür zu sorgen, daß das
überschüssige, sich wieder verdichtende Gaswasser in die Vorlage abläuft und
jedenfalls nicht in den Entgasungraum gelangen kann. Die Einspritzdüsen werden
zweckmäßig in die Klappdeckel eingebaut und müssen sorgfältig überwacht werden.
Falls bei sehr hoch liegenden Vorlagen der Wasserdruck nicht ausreicht, um mit
Sicherheit den Zerstäuberdruck an der Düse aufrechtzuerhalten, ist die Aufstellung
einer Zwischenreserve mit Zerstäuberdruckpumpe erforderlich. Einfaches Berieseln hat
eine weit geringere Wirkung als die Zerstäubung des Gaswassers. Auch das Durchspülen
der Vorlage mit heißem Teer vermag nicht die oben erwähnten Zersetzungen von Gas und
Teer zu verhindern, ob-schon durch dieses Schwemmverfahren die Vorlage relativ rein
gehalten wird. Die mitgeführten Sinkstoffe werden zweckmäßig durch Einlegsiebe
zurückgehalten; das Festbrennen dieser Verunreinigungen am Boden der Vorlage ist
unbedingt zu vermeiden.
Der meist mittels Kratzern oder Rechen aus der unter Tauchung stehenden
Vorlagenarmatur herausgeholte und in untergestellten Gefäßen oder Kippkübeln
aufgefangene Dickteer kann im Ofenhaus selbst beseitigt werden, indem man ihn heiß
auf die zur Entgasung bestimmte Kohle ausschüttet. Man erhält dadurch eine erhöhte
Gasausbeute, doch wird zugleich die Verbrennlichkeit des Kokses durch den Zusatz des
Dickteers zur Kohle ungünstig beeinflußt. Eine andere Möglichkeit der Verwertung des
Dickteers ist seine Beimischung zum Koksgrus im Kesselhaus; er erfordert hier jedoch
dauernde Schürarbeit, da er zum Verkrusten neigt, und beeinträchtigt ferner die
Sauberkeit des Betriebes.
Durch längeres Lagern im Freien wird der Dickteer trocken und hart. Soll er verkauft
werden, so muß er durch Sieben von beigemengten Koksbrocken, Steinen usw. befreit
und in Fässer abgefüllt werden, wobei eine nochmalige Erwärmung notwendig ist. Der
Versand der Fässer bedingt weitere Kosten, so daß es vorteilhafter ist, den
Dickteer am Orte selbst abzusetzen. Als Vergußmasse für Straßenpflaster läßt sich
der Dickteer nur schlecht verwenden, da er nur geringe Bindekraft besitzt,
austrocknet und abbröckelt. Die Gesamtmenge an erzeugtem Dickteer schätzt Verfasser
auf 0,5 v. H. der insgesamt in Gaswerken verarbeiteten Kohlenmenge. (Wasser und Gas,
15. Jahrg., Sp. 53–57.)
Sander.
Was ist Technik? (Nachdruck verboten.) (Vom Geheimen
Regierungsrat Max Geitel.) Bei der Beantwortung der Frage „Was ist Technik?“
müssen wir unterscheiden zwischen dem, was die Vorzeit unter Technik verstand, und
dem, wozu sich der Begriff entwickelt hat, seitdem, um mit Max Maria von Weber zu
reden, die Symphonie der in der Technik verkörperten induktiven Wissenschaften
anhob.
Das Altertum verstand unter τέχνη die schönen oder
freien Künste und Wissenschaften, das Handwerk, die Kunstfertigkeit, die mechanische
Geschicklichkeit, den Kunstgriff, die kunstgemäße Herstellung, also die gesamte
Kunst- oder Gewerbetätigkeit, den Inbegriff der Erfahrungen, Regeln, Grundsätze und
Handgriffe, nach denen bei der Ausführung einer Kunst oder eines Gewerbes verfahren
wird.
Als sich um die Wende des achtzehnten zum neunzehnten Jahrhundert das Gewerbe
wissenschaftlich vertiefte, sich von den aus der Väter Zeit überkommenen
handwerksmäßigen Gepflogenheiten, von der Anwendung der reinen Erfahrung losmachte,
vollzog sich eine wesentliche Einschränkung des Begriffs Technik. Zugleich trat in
Gestalt des neuzeitlichen Technikers ein neues Mitglied der menschlichen
Gesellschaft auf, das berufen war, gemeinsam mit den Angehörigen der geheiligten
altem vier Fakultäten, als Vertreter der technischen Wissenschaften dem Fortschritt
der Menschheit zu dienen. Die Eigenart des Vertreters der fünften Fakultät wirkt
sich darin aus, daß dieser nicht nur 'im Getriebe der Werkstatt, der Baustelle,
sondern nicht minder in den mathematischen, naturwissenschaftlichen,
nationalökonomischen und Rechtswissenschaften heimisch sein muß. Bei zahlreichen
hervorragenden Technikern ist schwer zu entscheiden, ob in ihnen der Gelehrte oder
der Kenner gewerblicher Arbeit überwiegt.
Unter der Einwirkung dieser Wandlung der gewerblichen Tätigkeit änderte sich bereits
im Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, im Zeitalter des Dampfes, die sprachübliche
Bedeutung des Wortes Technik dahin, daß man hierunter hinfort in erster Linie nicht
die künstlerische, sondern die gewerbliche, nicht auf die Erzielung des Schönen,
sondern auf die des Nützlichen gerichtete Tätigkeit verstand, die darauf abzielt,
die Naturkräfte und die von der Natur dargebotenen Stoffe in den Dienst der
Menschheit zu stellen. Zwar spricht man auch heute noch von einer Technik des
Schauspielers, des Sängers, des Musikers, des Malers; nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch gehören diese Glieder der menschlichen Gesellschaft aber nicht zu den
Technikern.
Die vorstehend wiedergegebene Antwort auf die Frage „Was ist Technik?“ habe
ich bereits in meinem im Jahre 1911 erschienenen Buche „Entlegene Spuren
Goethes“ dargelegt. Sie deckt sich im wesentlichen mit Weyrauchs Auffassung:
„Technik im heutigen industriellen Sinn ist der Inbegriff alles Könnens,
aller Leistungen, Vorrichtungen und Verfahren, mit denen auf
mathematisch-naturwissenschaftlicher Grundlage nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten Naturkräfte und Rohstoffe in den Dienst des Menschen gestellt
werden.“ M. Schneider erklärt den Begriff Technik wie folgt: „Technik ist
Gestaltung durch kunstmäßiges Handeln an den natürlichen Formen und Stoffen zu
menschlichen Zwecken.“ Der Verein Deutschösterreichischer Ingenieure
beantwortet die Frage „Was ist Technik?“ durch die Begriffsbestimmung:
„Die Technik ist die planmäßige Fortführung des Schöpfungswerkes.“
„Techniker aber“, so führt Weyrauch im Anschluß an seine vorstehend
wiedergegebene Erklärung des Begriffs Technik aus, „sind geistige Arbeiter mit
der Aufgabe, die der Erzeugung und Nutzung vom Kräften und Stoffen dienenden
Arbeitsvorgänge zu planen, anzuordnen oder leitend zusammenzufassen.“
Goethe, der durch seine amtliche Tätigkeit in engste Beziehungen zu der damals im
Zeichen der vervollkommneten Dampfmaschine stehenden Technik trat, hat das Wort
Technik bereits wiederholt in dem neuzeitlichen, engeren Sinne verwendet und mit der
Gabe des Sehers die Gefahren vorausgeahnt, die sich aus dem Gegensatz von Technik
und Kunst ergeben können. So äußerte er im November 1810 zu Riemer: „Die
Vollkommenheit der Technik könnte man beinahe sagen, schließt die Kunst aus in
allem, was zum Lebensgenuß, zum Komfort usw. gehört, weil sie auf das
Mathematische, d.h. auf das Notwendige geht.“ Noch schärfer bringt er diese
Befürchtung an anderer Stelle zum Ausdruck: „Es ist eine Tradition, Dädalus, der
erste Plastiker“ – nach der Sage des Altertums war Dädalus der Vertreter der
mannigfachsten Kunstfertigkeit, der Erbauer des Labyrinths und des ersten Flugzeugs
–, „habe die Erfindung der Drehscheibe des Töpfers beneidet; von Neid möchte hier
wohl nichts vorgekommen sein, aber der große Mann hat wahrscheinlich
vorempfunden, daß die Technik zuletzt in der Kunst verderblich werden
müsse.“ Dagegen begegnen wir in den „Tag- und Jahresheften“ von 1818
folgendem Lob der Technik: „Eine jede Technik ist merkwürdig, wenn sie sich an
vorzügliche Gegenstände, ja wohl gar an solche heranwagt, die über ihr Vermögen
hinausreichen.“ Für die technische Tätigkeit schuf Goethe das in den
deutschen Sprachgebrauch nicht übergegangene Wort „technizieren“. Im März
1807 äußerte er zu Riemer: „In dem, was der Mensch techniziert, nicht bloß in den
mechanischen, auch in den plastischen Kunstproduktionen, ist die Form nicht mit
dem Inhalt verbunden, die Form ist dem Stoff nur auf- oder abgerungen.“
Auch eine Personifikation der Technik rührt von Goethe her, und zwar in einem kleinen
Festspiel, mit dem er am 30. Januar 1828 die von dem Salinendirektor Glenk in
Stotternheim mit Erfolg ausgeführten Bohrversuche auf Steinsalz begrüßte. Nachdem
ein Gnom und die Geognosie gesprochen haben, bringt die Technik den
„Götterschwestern“ Physik und Geometrie ihren Dank für die ihr zuteil
gewordene Belehrung dar. Von der „Allbeherrscherin Geometrie“ rühmt sie:
Sie schaut das All durch ein Gesetz belebt,
Sie mißt den Raum und was im Räume schwebt;
Sie regelt streng die Kreise der Natur,
Hiernach die Pulse Deiner Taschenuhr.
– – – – – –
Aus Füll' und Leere bildet sie Bewegung,
Bis mannigfaltigst endlich unbezirkt
Nun Kraft zu Kräften überschwenglich wirkt.
Dieses Gedicht übersandte Goethe an Zelter mit den Worten „Die Kunstgriffe der
Mechanik, die auch immer gescheidter und pfiffiger werden, erreichen das
Wundersame in diesen liberalen Tagen, daß man das Salz sowie die Luft allgemein
genießbar machen will, Üa es den guten Menschen fast ebenso unentbehrlich
ist.“
Leitsätze für TWL-Lichtbilder (TWL-Blatt 1143).
Herausgegeben von der Technisch-Wissenschaftlichen Lehrmittelzentrale, Berlin NW. 7,
Dorotheenstraße 40. 4. Ausgabe, September 1925. Preis 0,40 Mk.
Die neue Ausgabe der „Leitsätze“, die in den früheren Ausgaben bereits weite
Verbreitung gefunden und einen sehr günstigen Einfluß auf das Vortragswesen ausgeübt
haben, enthält als Neuerung besonders Hinweise auf verschiedene häufig begangene
Fehler. Es wird davor gewarnt, negative Bilder (weiße Linien auf schwarzem Grund)
anzuwenden, wenn bezüglich der Strichstärke, Buchstabengröße usw. die Vorschriften
nach TWL-Blatt 1143 nicht genau befolgt sind, oder wenn es sich um verwickelte
Darstellungen handelt. Ferner wird empfohlen, die Farben nicht zu dunkel zu wählen
und in erster Linie Kreß (Orange), Rot und Grün zu nehmen.
Auf einem besonderen von der TWL herausgegebenen Blatt sind eine Anzahl wichtige neue
TWL-Diapositivreihen, darunter solche, die der Deutsche Ausschuß für Technisches
Schulwesen ausgearbeitet hat, angekündigt.
Von der Massenfertigung in amerikanischen Fabriken. In
amerikanischen Automobilfabriken mit Massenerzeugung sieht man u.a., wie die Nr. 42
der VDI-Nachrichten berichtet, eine Reihe großer Ziehpressen, die Schmutzflügel für
Kraftwagen aus großen Blechscheiben zurechtschneiden und in mehreren Stufen in die
endgültige Form bringen, sieht, wie fertig zusammengestellte Untergestelle von
Kraftwagen mittels einer endlosen Kette nacheinander unter einer Deckenöffnung
weggezogen werden, durch die aus dem oberen Stockwerk eine fertig lackierte und
fertig ausgerüstete Karosserie nach der anderen heruntergelassen wird, sie sind in
wenigen Minuten auf dem Untergestell befestigt und der Wagen kann zum Probefahren
das Werk verlassen. In einer anderen Abteilung, dem Prüfraum einer großen
Automobilfabrik, haben die Motoren längere Zeit zu laufen und dazu sind mehrere Prüf
stände nötig; alle zwei oder drei Minuten ist ein Motor fertig geprüft und wird auf
das in der Mitte des Raumes angeordnete Transportband abgesetzt und dann zum Einbau
in den Rahmen fortgeschafft. Auf den Prüfständen laufen die Motoren nicht aus
eigener Kraft, sondern durch Antrieb von Elektromotoren und an deren Stromverbrauch
erkennt der die Aufsicht Führende sofort, ob die inneren Widerstände im Motor
ungewöhnlich hoch sind und daher die Lager noch einmal nachgesehen werden
müssen.
Das amerikanische Arbeitsverfahren erfordert nur einen verhältnismäßig geringen
Aufwand an menschlichen Kräften, wird doch in einem solchen Prüfsaal für Motoren die
Bedienung von etwa sechs Motoren nur von einem Mann ausgeführt. Ferner ist der
Hauptgedanke bei der amerikanischen Massenfertigung die ständige Inbewegunghaltung
von Menschen und Materialien und dadurch ist es denn möglich, den auf einen
Kraftwagen entfallenden Anteil an Ausgaben und Lohn so zu verringern, die Verluste
an Zinsen zu vermeiden, die durch überflüssiges Lagern von den nötigen Teilen
entstehen, daß trotz der niedrigen Preise für die Fertigfabrikate noch die
Wirtschaftlichkeit der ganzen Fabrik bestehen bleibt.
Interessant sind in dieser Richtung die Ausführungen in Heft 11 der Schriften der
Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, welches über „Sozialpolitische
Reiseeindrücke in den Vereinigten Staaten“ handelt und die Kennzeichen der
für unsere Verhältnisse noch unerreichten Massenfertigung kurz und übersichtlich skizziert.
Die sogen. große Massenanfertigung, heißt es dort, ist vor allem auf dem Gebiete des
Automobilbaues zu finden, ferner im landwirtschaftlichen Maschinenbau und in den
großen Stahlgießereien, die Drehgestellrahmen für Waggons usw. in ungeheuren Massen
herstellen. Zur Ausführung dieser Arbeitsverfahren sind die Arbeitsvorgänge in
weitgehendstem Maße aufgeteilt, zur Verwendung kommen Spezialmaschinen und
-Werkzeuge, besondere Transporteinrichtungen (Rollbahnen, endlose Transportbänder
und Ketten usw.), besondere Einrichtekolonnen richten getrennt von den
Arbeitskolonnen die Maschinen her und der Arbeitsmann hat dann nur noch rein
mechanische, von jedem ungelernten Menschen ausführbare Arbeiten und Handbewegungen
zu verrichten; der Arbeitsmann an der Maschine besorgt sich gar nichts, er hilft
nicht einmal der Einrichtekolonne und wartet, wenn eine Betriebsstörung eingetreten
ist. Der relativ große Werkzeug- und Maschinenpark sichert zudem die pro Tag zu
leistende Zahl an Arbeitsstücken.
Auf diese Weise läßt sich in solchem Werke jegliche Arbeitskraft verwenden und stark
ausnützen und so ungelernte und untergeordnete Arbeitskräfte verwerten, die in ihrer
ungeheuren Menge immer noch hohe Verdienste erzielen (bis 7 Dollar pro Tag bei Ford)
und bei ihrer fortlaufenden rein mechanischen und einförmigen Arbeit eine zu ihrem
Verdienst noch nützliche Arbeit verrichten, sind sie doch durch den Weiterlauf der
Arbeitsstücke, durch die Abhängigkeit jedes einzelnen vom nachfolgenden und
vorhergehenden Mann, durch den Zwang einer genau vorgeschriebenen Arbeit gezwungen,
das Mehrfache von dem zu leisten, was ein mancher sonst ohne den Zwang des
Transportbandes bzw. ohne Aufsicht bei Einzel-Lohnarbeit leisten würde. In dem
Mehrfachen an Arbeitsmenge, die der einzelne Arbeitnehmer leistet, liegt ein großer
Teil der Leistungsfähigkeit der Fordschen Werke.
Wenig grundsächlich Verschiedenes und Neuartiges bietet dagegen die „kleine
Massenanfertigung“, die Reihen- und Einzelanfertigung, hier dürfte nur die
Arbeitsvorbereitung an allen Stellen besser sein als bei uns; doch ist auch hier der
amerikanische Arbeiter leichter an seinem Arbeitsplatz zu halten als bei uns, hat er
doch bei uns immer die Neigung, sich irgendwo etwas zu schaffen zu machen, das mit
einer Entfernung vom Arbeitsplatz verbunden ist.
Dr. Bl.
Oelschiefer und ihre Verwertung. Hierüber hielt Dr.-Ing.
A. Sander (Bad Nauheim) auf der Hauptversammlung des
Vereins Deutscher Chemiker in Nürnberg einen Vortrag, dem wir folgendes entnehmen:
Der Ruf nach Oel und nach der Nutzbarmachung aller Oel liefernden Rohstoffe ertönt
heute nicht nur bei uns, sondern in fast allen Ländern der Welt. Hierbei spielen die
Oelschiefer eine wichtige Rolle, und selbst in Amerika, dem bedeutendsten Erdölland
der Welt, setzt man auf die Oelgewinnung aus bituminösen Schiefern für die Zukunft
große Hoffnung. Oelschiefervorkommen finden sich nahezu in allen Ländern der Welt,
doch sind ihre Ausdehnung und ihr Bitumengehalt oft zu gering, um eine
wirtschaftliche Verwertung zu ermöglichen.
Vortragender zeigte vier verschiedene Schieferproben, die aus drei Erdteilen stammten
und die sich ebenso sehr durch ihr Aeußeres, wie durch ihren Bitumengehalt
unterscheiden:
1. Württembergischen Oelschiefer mit 5% Oelausbeute,
2. Oelschiefer aus der Mandschurei mit 12%
Oelausbeute,
3. Südafrikanischen Oelschiefer mit über 18% Oelausbeute und
schließlich
4. Estnischen Oelschiefer mit rund 24% Oelausbeute.
Der estnische Oelschiefer ist auf Grund seines hohen Bitumengehaltes zweifellos zu
den wertvollsten Oelschiefern der ganzen Welt zu zählen. Sein Bitumen ist
pflanzlichen Ursprungs, und zwar offenbar aus Meeresalgen entstanden, in denen aber
auch, wie die eingebetteten Muscheln beweisen, zahlreiche kleine Seetiere enthalten
waren. Ueber die geologischen Verhältnisse der estnischen Oelschieferlager hat Ende
1922 Prof. von Antropoff ausführlich in der Zeitschrift für angewandte Chemie
berichtet. Danach unterscheidet man acht übereinandergelagerte Schieferflöze von
verschiedener Mächtigkeit, die durch Kalksteinschichten getrennt sind; stellenweise
tritt der Kalkstein in schönen kristallen auf. Das estnische Oelschiefervorkommen
umfaßt nach neuesten Schätzungen 2500–3000 qkm und birgt etwa 5,5 Milliarden t
Oelschiefer. Nimmt man, gering gerechnet, nur eine Oelausbeute von 20% an, so
ergeben sich über eine Milliarde t Oel; man hat es hier also mit einem Naturschatz
zu tun, dessen Hebung sich zweifellos verlohnt. Die ersten Versuche zur
Nutzbarmachung der estnischen Schiefer wurden 1916 von den Russen gemacht und dann
von deutscher Seite nach der Besetzung dieses Gebietes fortgesetzt. Aber erst, als
der Krieg zu Ende und der neue Staat Estland geschaffen war, begann eine planmäßige
Arbeit. Die estnische Regierung selbst eröffnete zwei Schiefergruben und vergab in
der Folge an ausländische Interessenten eine Reihe von Konzessionen, so daß die
Schiefergewinnung von 1919 bis 1924 von 10 000 auf über 230000 t gestiegen ist. Die
Gewinnung erfolgt vorwiegend im Tagebau. Verwertet wird der Oelschiefer bisher in
der Hauptsache als Brennstoff, was bei dem völligen Fehlen von Kohle in Estland
begreiflich ist. Der Schiefer hat einen unteren Heizwert Von 2600–2900 WE/kg. Er
brennt leicht an und liefert eine lange Flamme. Sein Wassergehalt betragt 12–18%,
sein Aschegehalt 40–45%, so daß man mit großen Mengen von Feuerungsrückständen zu
rechnen hat. Trotzdem wird der Oelschiefer in Estland nicht nur von der Industrie,
sondern auch auf Lokomotiven in ziemlich großem Umfang verfeuert. Besonders findet
er aber in den dortigen Zementfabriken Anwendung, weil die ausgebrannten Rückstände
selbst nach Zusatz von Kalk sich gut als Rohstoff für die Zementfabrikation
eignen.
Man hat auch in den Gaswerken Reval und Dorpat versucht, den Oelschiefer in Retorten
zu entgasen, wobei zwar ein brauchbares Gas erhalten wurde, die Hauptmenge des Oeles
aber verloren ging, denn es fielen hierbei nur 3–5% Teer an. Da auch der
Entgasungsrückstand nahezu wertlos ist, kann hierbei keine Wirtschaftlichkeit
herauskommen. Will man das Schieferöl in möglichst guter Ausbeute gewinnen, so muß
man den Oelschiefer sehr schonend behandeln, da das Bitumen sehr empfindlich ist.
Hieraus erklärt es sich auch, daß der Versuch des estnischen Staates, den Schiefer
in Schwelgeneratoren zu vergasen, nicht den gewünschten Erfolg hatte. Dagegen wurden
bei der Verschwelung des estnischen Oelschiefers im stehenden Drehofen, Bauart
Meguin, recht günstige Ergebnisse erzielt. Ein Schiefer mit 14% Wassergehalt, der
bei der Schwelanalyse 20,9% Oel ergab, lieferte bei der Verschwelung im Großen 18%
Oel neben 1% Gasbenzin, so daß sich die Oelausbeute auf 91% der Schwelanalyse stellt
Das gewonnene Oel war praktisch wasserfrei und enthielt unter 0,3% Staub. Bemerkenswert ist der
hohe Gehalt des Oeles an niedrigsiedenden, benzinartigen Bestandteilen, so daß sich
einschließlich des Gasbenzins 4,4% auf das Gewicht des verschwelten Schiefers
bezogen, an Leichtöl ergeben. Die Versuche über die zweckmäßigste Aufarbeitung sowie
über die Brauchbarkeit der Oele sind noch nicht abgeschlossen. Das Schwelgas fiel in
einer Menge von etwa 90 cbm je t Schiefer an und hatte einen oberen Heizwert
von 5800 WE/cbm. Der Schwelrückstand schließlich enthielt nur noch sehr wenig
brennbare Bestandteile und hatte dementsprechend den sehr niedrigen Heizwert von 900
WE/kg, so daß er als Brennstoff kaum mehr in Frage kommen kann. Alles in Allem kann
man sagen, daß die Verschwelung des estnischen Schiefers im stehenden Drehofen recht
günstige Aussichten für die Nutzbarmachung dieses hochwertigen Materials bietet.
S.