Titel: | Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben und der Intensitätssatz. |
Autor: | K. Schreber |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 24 |
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Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben
und der Intensitätssatz.
Von Professor Dr. K. Schreber, Aachen.
(Fortsetzung von Seite 14 d. Bds.)
SCHREBER, Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben und der
Intensitätssatz.
4) Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben.
Aus den angeführten Beispielen, welche sich noch beliebig vermehren lassen, erkennt
man, daß alle zweiseitigen VorgängeZweiseitig sind
alle Vorgänge mit Ausnahme der Lebens- und Verwesungsvorgänge und der als
Atomzerfall bezeichneten. Vergl. Schreber: Das Leben, Natur 1925.
377. sich selbst ein Ende bereiten. Dieses Ende wird in den beiden
Gruppen von Beispielen verschieden herbeigeführt. Es ist deshalb vorteilhaft, beide
Gruppen getrennt zu behandeln.
In den unter 2 angeführten Beispielen beobachten wir, daß in dem Energie aufnehmenden
Teil eine bestimmte Größe durch die Energieaufnahme selbst immer größer und größer
wird und dadurch, in demselben Maße wie sie größer wird, der Energiebewegung einen
größer werdenden Widerstand entgegensetzt, der schließlich diese zum Stillstand
bringt.
Ebenso wird im Energie abgebenden Teil, wenn dieser nicht ein Energievorrat ist,
welcher für die im Beispiel stattfindende Energiebewegung als ∞ groß angesehen
werden darf, eine bestimmte Größe immer kleiner und kleiner und setzt durch diese
Minderung ihres Betrages der weiteren Energiebewegung einen immer größer werdenden
Widerstand entgegen, der schließlich das Ende der Energiebewegung herbeiführt.
Beachtet man beide am Vorgang beteiligten Teile, den Energie abgebenden und den
Energie aufnehmenden, gleichzeitig, so erkennt man, daß diese der Energiebewegung
Widerstand entgegensetzenden Größen in beiden Teilen von gleicher, der bewegten
Energie eigentümlicher Art, sind. Das Ende der Energiebewegung ist erreicht, wenn
diese Größen in beiden Teilen den gleichen Betrag erreicht haben.
Im Beispiel 2b wird die Geschwindigkeit der Flintenkugel als des Energie abgebenden
Teiles langsamer, die der Kanonenkugel als des Energie aufnehmenden Teiles
schneller, bis beide ursprünglich verschiedenen Geschwindigkeiten einander gleich
geworden sind; dann hört eine weitere Energiebewegung auf.
Diese Folgerung aus den angeführten Beispielen ist eine Tatsache, welche wir als
einen allgemeinen Erfahrungssatz aussprechen dürfen. Um diesem Satz einen
bequem zu behaltenden Namen zu geben, vermenschlichen wir uns die beiden Seiten des
Vorganges. Wir denken sie uns mit menschlichen Gefühlen versehen. Wie nun jeder
erwachsene Mensch, soweit er nicht durch Gefühle des Neides und ähnliche, welche die
unbelebte Natur nicht kennt, daran gehindert wird, jeder Aenderung seiner
augenblicklichen Lage widerstrebt, so dürfen wir auch den beiden einander
gegenüberstehenden Teilen der den Vorgang durchmachenden Gegenstände ein
Widerstreben gegen die Aenderung ihres Besitzstandes an Energie zuschreiben: der
eine will keine Energie abgeben, der andere will keine aufnehmen, und dieses
Widerstreben wird ganz von selbst immer stärker, je mehr die Energiebewegung
fortschreitet. Deshalb bezeichnen wir den Satz als den Satz vom selbsttätig
wachsenden Widerstreben. Aus den unter 2 angeführten Beispielen erhalten wir für ihn
den Ausdruck: Bei jedem zweiseitigen Vorgang wird durch die Energiebewegung selbst
im Energie abgebenden Teil eine Minderung, im Energie aufnehmenden Teil eine Mehrung
des Betrages einer bestimmten, der bewegten Energie eigentümlichen Größe veranlaßt,
welche durch diese ihre Aenderung der weiteren Energiebewegung mehr und mehr
widerstrebt und ihr schließlich ein Ende bereitet, welches eintritt, sobald diese
Größe in beiden Teilen des Vorganges den gleichen Betrag erreicht hat.
In der unter 3 aufgeführten Gruppe von Beispielen bleibt dieser Satz zunächst
bestätigt: Auch hier finden wir, daß bei jeder Energiebewegung eine der bewegten
Energieart eigentümliche Größe sich so ändert, daß durch diese Aenderung ein
wachsendes Widerstreben die Energiebewegung eintritt, bis schließlich deren Ende
überhaupt herbeigeführt ist. Aber wir können hier noch weiter gehen: Die Beispiele
unter 3 zeigen, daß diese, die Energie kennzeichnende Größe nicht allein der
weiteren Energiebewegung widerstrebt, sondern daß sie vielmehr ihrer eigenen
Aenderung Widerstand entgegen zu setzen versucht, und erst, soweit ihr das nicht
gelingt, die Energiebewegung selbst zum Ende bringt. Ist es ihr möglich, die bewegte
Energie zu einer Umwandlung in eine andere Art zu veranlassen, wodurch sie ihre
eigene Aenderung vermeiden oder wenigstens verlangsamen kann, so tritt Umwandlung der Energie ein.
Hierdurch tritt nun für die dieser durch Umwandlung entstandenen Energieart
eigentümliche Größe der Zwang ein, sich zu ändern. Auch sie widerstrebt dieser
Aenderung und wirkt dadurch auf die der ersten Energieart eigentümliche Größe
zurück, welche sich nun doch zur Aenderung bequemen muß. So erreichen wir wieder
dasselbe Ende wie in der ersten Gruppe von Beispielen, aber langsamer.
In 3c würde durch die Wärmezuführung die Temperatur des Aethers wärmer werden wie in
2e die des Quecksilbers; sie sträubt sich dagegen, indem sie einen Teil des
flüssigen Aethers zum Verdampfen zwingt. Dadurch wird die zugeführte Wärme als
Verdampfungswärme verbraucht und der Aether unmittelbar nicht wärmer. Die
Dampfentwicklung im geschlossenen Raum bedingt aber eine Druckverstärkung; dieser
wiederum widerstrebt der Druck und er wehrt sich dagegen, indem er die
Siedetemperatur zwingt, wärmer zu werden. Sie wird auf diese Weise schließlich so
warm, daß sie der weiteren Wärmebewegung überhaupt ein Ende bereitet, weil sie
gleich der der Heizleitung geworden ist.
Unter Berücksichtigung dieser aus den Beispielen unter 3 gewonnenen Erfahrung müssen
wir den Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben umändern und erweitern: Bei
jedem zweiseitigen Vorgang wird durch die Energiebewegung selbst im Energie
abgebenden Teil eine Minderung, im Energie aufnehmenden Teil eine Mehrung des
Betrages einer bestimmten, der bewegten Energie eigentümlichen Größe veranlaßt,
welche ihrer Aenderung so viel wie möglich widerstrebt, indem sie, wenn möglich,
eine Umwandlung der bewegten Energieart in eine andere veranlaßt, wodurch eine
dieser entstandenen Energieart eigentümliche Größe zur Aenderung ihres Betrages
gezwungen wird, gegen welche wiederum sie sich sträubt, so daß auch die der
ursprünglichen Energieart eigentümliche Größe gezwungen wird, sich zu ändern, bis
ihr Betrag so geworden ist, daß sie der weiteren Energiebewegung ein Ende macht.
Wir dürfen diesen allgemeinen Ausdruck des Satzes vom selbstätig wachsenden
Widerstreben als den von Chwolson gesuchten Satz A betrachten. Er ist aus keinem
allgemeineren Satz abzuleiten; er ist nur aus Beobachtungen an der Natur, wofür wir
eine hinreichende Zahl von Beispielen gegeben haben, erschlossen worden. Die Zahl
der angeführten Beispiele ist aus Rücksicht auf Raum und Zeit beschränkt; es liegt
aber nirgends ein Hindernis vor, die Zahl der Beispiele beliebig zu vermehren. Man
erkennt jedoch aus den angeführten, daß eine weitere Vermehrung nicht nötig ist: der
aus ihnen erschlossene Satz hat allgemeine Gültigkeit.
5) Begriff der Intensität und der Intensitätssatz in
vorläufiger Fassung. Ich bezeichne diese der bewegten Energieart
eigentümliche Größe, welche sowohl ihrer eigenen Aenderung wie auch der weiteren
Energiebewegung widerstrebt und durch ihre infolge der Energiebewegung erlittene
Aenderung der Energiebewegung ein Ende bereitet, als die Intensität der bewegten
Energie.
Mit diesem neu eingeführten Begriff der Intensität kann man dem Satz vom selbsttätig
wachsenden Widerstreben einen anderen Ausdruck geben: Die Intensität der aus dem
Energie abgebenden Teil abströmenden Energie wird schwächer und die Intensität der
dem Energie aufnehmenden Teil zuströmenden Energie wird stärker, bis beide
gleich geworden sind und dadurch die weitere Energiebewegung ein Ende findet. Ist in
einem der beiden den Vorgang umfassenden Teile eine Energieumwandlung möglich, so
tritt sie ein und verlangsamt die Aenderung der Intensität der bewegten Energie, die
aber durch die Aenderung der umgewandelten Energie schließlich doch zur Aenderung
gezwungen wird, bis sie in beiden Teilen gleich geworden ist und damit das Ende der
Energiebewegung eintritt.
Dieser aus dem Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben gefundene Begriff der
Intensität ermöglicht uns, aus den angeführten Beispielen noch einen anderen Satz
abzuleiten:
Es bewegt sich die Energie stets von den Teilen fort, in welchen sie die stärkere
Intensität hat, und nach den Teilen 'hin, wo sie die schwächere Intensität hat, denn
die schwächere Intensität muß stärker und die stärkere muß schwächer werden, damit
beide schließlich einander gleich werden können.
Diese aus den angeführten Beispielen erschlossene Tatsache findet man überall
bestätigt und man kann also kurz sagen:
Energie bewegt sich freiwillig nur von stärkerer nach schwächerer Intensität.
Ich nenne diesen Satz den Intensitätssatz. Er wird weiter unten noch einen
umfassenderen Ausdruck erhalten.
6) Zur Geschichte des Satzes vom selbsttätig wachsenden
Widerstreben und des Intensitätssatzes. Der Satz vom selbstätig wachsenden
Widerstreben hat in den Beispielen, aus welchen er erschlossen worden ist, eine sehr
große Aehnlichkeit mit dem Prinzip von le Chatelier-Braun. Aber auch nur in den
Beispielen.
Dieses Prinzip wird von den verschiedenen Lehrern, welche es mitteilen, verschieden
dargestellt. Häufig wird es von Chemikern herangezogen, bei denen es meist eine
Fassung erhält ähnlich der folgenden: „Wird auf ein im Gleichgewicht befindliches
System ein Zwang ausgeübt, so tritt von den möglichen Aenderungen diejenige ein,
welche den Zwang verringert.“ Vergleicht man diesen Satz mit dem von mir
aufgestellten, so erkennt man, daß aus den Beispielen nur die Hälfte der Folgerungen
gezogen worden ist, welche man ziehen kann. In 2a übt das Gas mit stärkerem Druck
einen Zwang auf das andere Gas aus; infolge dieses Zwanges dehnt es sich aus und
dadurch wird sein Druck schwächer. Daß aber gleichzeitig im zusammengedrückten Gas
der Druck stärker wird, bis die Drucke in beiden Gasen gleich geworden sind und
damit der Zwang überhaupt verschwunden ist, davon ist im Prinzip von le
Chatelier-Braun weder in dieser noch in anderen Fassungen die Rede.
Andere Forscher, ich erwähne da namentlich EhrenfestEhrenfest: Das Prinzip von le Chatelier-Braun
usw. Z. f. Physik. Chemie 77, 1911, 227., haben sich bemüht, für
dieses Prinzip einen mathematischen Ausdruck zu finden und haben gar nicht daran
gedacht, zu untersuchen, welche Begriffe eigentlich die wichtigsten für diesen Satz
sind. Sie sind mehr Mathematiker als Naturwissenschaftler und haben die
naturwissenschaftliche Seite der Beispiele nicht ausgenutzt.
Dadurch, daß ich mit ungefähr denselben Beispielen, welche auch alle diese Forscher
verwendeten, den Begriff der Intensität schaffen konnte, haben diese Beispiele eine
viel umfassendere Bedeutung gewonnen.
Uebrigens hat mein Satz noch einen Vorfahren, welcher viel älter ist als das le
Chatelier-Braunsche Prinzip, ja, viel älter als die Physik als Wissenschaft, denn er
findet sich in dem Sprüchwort: Druck erzeugt Gegendruck. Man darf sogar sagen, daß
dieses Sprüchwort die Sache viel besser erfaßt, als das le Chatelier-Braunsche
Prinzip. Dieses kümmert sich nur um den einen Teil des Vorganges, während das
Sprüchwort beide Teile beachtet. Es steht meinem Satz viel näher als jenes so viel
behandelte Prinzip, welches man geradezu als einen Rückschritt gegen die im
Sprüchwort niedergelegte Erfahrung bezeichnen muß.
Die erste Anwendung des Intensitätssatzes findet man bei Carnot, obgleich dieser dem
Satz noch keinen bestimmten Ausdruck gegeben hat. Er beschränkt sich auf die Angabe:
Ueberall, wo ein Temperaturunterschied besteht, kann Erzeugung von bewegender Kraft
stattfinden.Carnot: Bewegende
Kraft des Feuers. Ostwalds Klassiker, 37, 11.
In seiner ersten Arbeit zur Wärmelehre kommt Clausius auch nicht viel weiter. Erst in
der Arbeit, welche hauptsächlich diesem Satz gewidmet ist: „Ueber eine veränderte
Form des zweiten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie“Pogg Ann. 93 1854, 481; Ges. Abhandl. I 1864,
134. findet man den Ausdruck: „Es kann nie Wärme aus einem
kälteren in einen wärmeren Körper übergehen, wenn nicht gleichzeitig eine andere
damit zusammenhängende Aenderung eintritt.“ In der ersten Ausgabe der
gesammelten Abhandlungen (aaO 50) kürzt er in einer Anmerkung diesen Satz noch ab
zu: „Die Wärme kann nicht von selbst aus einem kälteren in einen wärmeren Körper
übergehen.“
Beim HelmHeim: Lehre von der
Energie 1887, 62. findet man den Satz mit ungefähr denselben
Worten, welche ich gebraucht habe: „Jede Energieform hat das Bestreben von
Stellen, in welchen sie in höherer Intensität vorhanden ist, zu Stellen von
niederer Intensität überzugehen.“ Helm hat aber keine Regeln gegeben, wie
man die Intensität einer Energieart erkennt; infolge dessen ist die Anwendung dieses
Satzes sehr unsicher. Erst dadurch, daß mit Hülfe des Satzes vom selbsttätig
wachsenden Widerstreben der Begriff der Intensität eindeutig festgelegt ist, kann
man den Intensitätssatz fehlerfrei anwenden. Ehrenfest schreibt (aaO 237): „Eine
mich völlig befriedigende Definition des Begriffes Intensitätsparameter habe ich
weder in der Literatur finden können, noch auch selber zustande gebracht.“
Dieser Satz zeigt besser als alles andere die Bedeutung des Satzes vom selbsttätig
wachsenden Widerstreben.
7) Sich selbst verstärkende Vorgänge. Dem Satz vom
selbsttätig wachsenden Widerstreben scheinen die Vorgänge zu widersprechen, welche
sich selbst verstärken.
Der bekannteste dieser Vorgänge ist die Anlauferscheinung einer Dynamomaschine.
Selbstverständlich ist dieser Widerspruch nur scheinbar. Die Selbstverstärkung geht
auch nur bis zu eine gewissen Grenze und hört dann auf, weil die in Frage kommende
Intensität inzwischen so stark geworden ist, daß sie sich einer weiteren Verstärkung
erfolgreich widersetzen kann.
Der Querschnitt eines Magnetes kann bei gegebener Stromstärke eine bestimmte Anzahl
von Kraftlinien aufnehmen. Bei Beginn des Anlaufens sind nur wenige vorhanden,
welche aber genügen, in dem durch äußere Arbeit am Pol vorbeigedrehten Anken einen
elektrischen Strom zu erzeugen. Dieser Strom bewirkt das Entstehen neuer
Kraftlinien, welche zu den vorhandenen hinzukommen und so den Strom verstärken, aber
auch gleichzeitig den für die Aufnahme weiterer Kraftlinien noch vorhandenen
Querschnitt des Ankers mindern. Die vorhandenen Kraftlinien setzen dem Entstehen
neuer einen immer stärkeren Widerstand entgegen, bis schließlich der Querschnitt des
Eisens bei der vorhandenen Umdrehungsgeschwindigkeit mit Kraftlinien gesättigt ist
und eine weitere Verstärkung aufhört.
Die Kraftlinienzahl widerstrebt von Anfang an ihrer Vermehrung. Sie ist also die
Intensität der elektromagnetischen Energie.
8) Scheinbare Widersprüche mit dem Intensitätssatz. In
vielen Fällen gelingt es, mit Hülfe besonderer Vorrichtungen, Maschinen, Energie
einer bestimmten Art auf eine viel stärkere Intensität zu bringen, als sie von Natur
aus hat: Sie ist scheinbar von schwächerer zu stärkerer Intensität übergegangen.
8a. Mit Hülfe der hydraulischen Presse kann man Kräfte erzeugen, welche viel stärker
sind als alle von der Natur zur Verfügung stehenden: Es ist also Energie von
schwacher nach starker Intensität übergegangen; aber nicht von selbst, sondern mit
Hülfe der hydraulischen Presse.
Wir haben bei diesem Uebergang eine zweimalige Umwandlung der Energie. Zuerst wird
die mechanische Arbeit, deren Intensität wie 3a gezeigt hatte, die Kraft ist, in
Druckenergie des Wassers verwandelt; nachher wird die Druckenergie wieder in Arbeit
zurückverwandelt. Beide Male wird die Umwandlung; verschieden geleitet. Zuerst haben
wir einen kleinen Zylinder mit einem Kolben von der Fläche f, welcher mit Hilfe der
Kraft k den Druck p = k/f erzeugt. Nachher haben wir einen großen Zylinder mit einem
Kolben von der Fläche F, welcher mit Hülfe des Druckes p die Kraft K = Fp erzeugt.
Vereinigen wir beide Gleichungen, indem wir aus beiden den uns gleichgültigen Druck
p herausschaffen, so erhalten wir K = k F/f; d.h. die neue Intensität ist F/f mal
stärker als die alte.
Dieser Uebergang zur stärkeren Intensität ist nur durch die Brahmasche-Presse
ermöglicht und steht deshalb in keinem Gegensatz zum Intensitätssatz.
Alle Hebel- und verwandten Einrichtungen, welche die Mechanik der Römer und Griechen
schon kannte und als Maschinen bezeichnete, gehören hierher. Die neuzeitliche
Technik hat eine große Zahl derartiger Einrichtungen geschaffen. Ich erinnere nur an
die Induktorien und Transformatoren der Elektrotechnik. Bei allen besteht zwischen
den beiden Intensitäten eine durch die zweimalige Umwandlung bedingte Gleichung von
grundsätzlich gleicher Art, wenn sie auch in diesen wie in vielen anderen Fällen
nicht eine mathematisch so einfache Gestalt erhält.
Ich nenne diese Gleichung, indem ich die alte Bezeichnung für Hebel und ähnliche
Vorrichtungen benutze, Maschinengleichung.
8b) In den genannten Beispielen wird dieselbe Energiemenge durch die Maschine von
schwächerer auf stärkere Intensität gebracht. Es ist aber zum Begriff der
Maschinengleichung durchaus nicht nötig, daß eine bestimmte Energiemenge durch die
ganze Maschine läuft. Es gibt viele Fälle, in denen eine Energiemenge durch die
Minderung ihres Intensitätsunterschiedes den Intensitätsunterschied einer anderen
Energiemenge, welche gleicher oder anderer Art sein kann, vergrößert.
Alle Kältemaschinen und verwandte Maschinenarten arbeiten in dieser Weise. Wir
können uns durch eine Abdampfturbine, welche zwischen 80° und 40° arbeitet, eine
Kältemaschine betrieben denken, welche z.B. beim Eindampfen von Lösungen Wärme von
80° auf 100° erwärmt. Zwischen beiden Intensitätsunterschieden besteht eine ganz
bestimmte durch die Maschinenanordnung- gegebene Gleichung, welche grundsätzlich
wieder von genau derselben Art ist wie die Hebelgleichung der Brahmaschen Presse.
Während aber dort dieselbe Energiemenge durch die ganzen Maschine läuft, und dabei
eine Vergrößerung ihres Intensitätsunterschiedes erfährt, haben wir hier zwei
verschiedene Energiemengen. Die eine geht durch die Kraftmaschine in der Richtung
ihres Intensitätsunterschiedes, die andere geht durch die angekuppelte
Arbeitsmaschine entgegen ihrem Intensitätsunterschied.
Die elektrischen Kraftanlagen sind große Beispiele für diesen Fall: Die Lagenenergie
des Wassers bewegt sich in der Richtung ihres Intensitätsunterschiedes und zwingt
dadurch die elektrische Energie, ihrem Intensitätsunterschied entgegen zu
fließen.
8c. Schließlich brauchen wir die Maschinengleichung nicht immer so weit zu verfolgen,
wie es in den bisher angeführten Beispielen geschehen ist. Wir dürfen die
Maschinengleichung schon auf einer früheren Stelle der Energiebewegung
abbrechen.
Denken wir uns z.B. den Stempel eines mit einem Gas gefüllten aufrecht stehenden
Zylinders mit einem Gewicht G belastet, so ist der Druck im Zylinder um Δp = G/F
stärker als draußen; d.h. wir haben pi = pa + Δp = pa + G/F.
Stellen wir über das Ganze eine druckfeste Glocke und ändern unter dieser den Druck,
so ändert sich der Druck pi um genau denselben
Betrag, wie der Druck pa unter der Glocke geändert
wird. Mit Hülfe des sich senkenden Gewichtes G ist also Druckenergie von der
schwächeren Intensität pa auf die stärkere pi übergegangen. Die Bewegung der Druckenergie in den
Zylinder hinein und aus ihm heraus geschieht so, als ob der Druckunterschied Δp =
G/F gar nicht vorhanden wäre.
Solcher Maschinengleichungen gibt es so viele, wie Energieumwandlungen möglich
sind.
In einer Seifenblase haben wir den Druckunterschied Δp = 2α/ρ, wo α die
Oberflächenspannung und ρ der Krümmungsradius ist. Rein
mathematisch betrachtet sind die beiden Gleichungen für den Druckunterschied
vollkommen gleich und doch sind sie in ihre Auswirkung verschieden! Aendert sich
unter der Glocke der Druck pa so verschiebt sich
einfach der Kolben und es bleibt Δp = G/F ungeändert. Bei der Seifenblase ändert
sich aber mit der Aenderung des Druckes pa auch der
Krümmungsradius, so daß sich auch Δp ändert.
An der Oberfläche eines in seinem Dampf schwebenden Tropfen einer Flüssigkeit haben
wir den Temperatursprung
\Delta\,t=\frac{2\,\alpha}{\rho}\,\frac{A\,T}{r\,s} wo α die Oberflächenspannung, ρ der Krümmungsradius, T die Temperatur, A die Mayersche Umrechnungszahl,
r die Verdampfungswärme und s das Eigengewicht der Flüssigkeit ist.
(Schluß folgt.)