Titel: | Neue Wege im Dieselmaschinenbau. |
Autor: | Parey |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 27 |
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Neue Wege im Dieselmaschinenbau.
PAREY, Neue Wege im Dieselmaschinenbau.
In dem Streben nach größerer Einfachheit und Wirtschaftlichkeit der
Dieselmaschinen ist in den letzten Jahren eine Anzahl neuer Arten von Maschinen
geschaffen worden, deren gemeinsames Kennzeichen es ist, daß die Einführung des
Brennstoffes in den Zylinder ohne Druckluft erfolgt. Fast die gesamte Literatur über
Dieselmaschinen ist beherrscht von der luftlosen Brennstoff-Einspritzung, ein
Zeichen dafür, wieviel man von dieser Ausführung erhofft. Die bisherigen Erfolge
lassen allerdings dieses Verfahren als sehr günstig und zweckmäßig erscheinen.
Fs ist interessant daß bereits Diesel selbst bei seinen ersten Versuchen die luftlose
Einspritzung anwenden wollte, daß er aber davon abkam, als ihm die
Brennstoffzerstäubung mittels Druckluft gelang. Die Versuche allerdings, die
Luftpumpe zu vermeiden, haben nie aufgehört. Von wie verschiedenen Seiten man die
Aufgabe angepackt hat, zeigen die mannigfachen Bauarten, die wir heute für die
Brennstoffeinspritzung ohne Druckluft haben.
Als Dieselmaschine soll im nachstehenden entsprechend der Begriffsbestimmung von
Prof. Nägel eine Verbrennungsmaschine bezeichnet werden, deren Zylinderluft ohne
Brennstoff so hoch verdichtet wird, daß die hierbei auftretende Erwärmung genügt,
den erst kurz vor dem Totpunkt eingeführten Brennstoff zu entzünden, gleichviel auf
welche Weise er in den eigentlichen Brennraum gelangt.
Diesels Arbeiten fußten bekanntlich auf der Erkenntnis, daß der Wirkungsgrad einer
Verbrennungsmaschine mit steigendem Verdichtungs-Enddruck zunimmt. Bei den
Verbrennungsmaschinen, die ein Gemisch aus Luft und Brennstoff im Zylinder
verdichten, ist diesem Druck eine ziemlich enge Grenze gesetzt. Denn die bei der
Verdichtung auftretende Temperatursteigerung, unterstützt durch die
Wärmestrahlung der Zylinderwand, muß unterhalb der Grenzen bleiben, die zur
Selbstzündung des Gemisches führen. Diesel ging nun folgerichtig einen neuen Weg,
indem er im Zylinder nur Luft verdichtete und den Brennstoff erst kurz vor dem
Totpunkt des Verdichtungshubes einführte. Er konnte bei dieser Arbeitsweise
gleichzeitig ein besonderes Zündorgan für den Brennstoff ersparen, da die Temperatur
der hochgespannten Zylinderluft ausreicht, den Brennstoff zu entzünden.
Die ersten Versuche, die Diesel mit gasförmigem Brennstoff machte, waren nicht
befriedigend. Die kinetische Energie des Gasstrahles, war zu gering, die
Diffusionsgeschwindigkeit zwischen Luft und Gas viel zu klein, als daß die für eine
gute Verbrennung erforderliche innige Mischung von Luft und Gas in der kurzen Zeit
am Hubende hätte erfolgen können. Die Verbrennung verteilte sich über einen großen
Teil des Hubes, fand also nicht bei höchstem Druck statt. Infolgedessen war der
Wirkungsgrad der Maschine schlecht.
Im Gegensatz zu der schleichenden Verbrennung bei gasförmigen Brennstoffen ergaben
die Versuche mit Benzin und anderen leichtflüchtigen Betriebsstoffen zu heftige
Verbrennungen mit ungleichmäßigen Zündungen, so daß man auch von der Verwendung
dieser Stoffe absah. Die Entwicklung führte so allmählich zum Gebrauch schwer
entzündlicher, billiger Oele, die noch heute den Betriebsstoff der Dieselmaschinen
bilden.
Allerdings verlangen diese Brennstoffe eine besonders innige Mischung mit Luft, um
eine gründliche und gleichmäßige Verbrennung zu erzielen. Den Weg hierzu fand Diesel
in der Einspritzung mittels hochgespannter Druckluft, wobei der Brennstoff fein
zerstäubt und
gleichzeitig mit der Einblaseluft innig gemischt wurde. So kam es, daß die Luftpumpe
bis vor kurzem einen unbedingt erforderlichen Bestandteil der Dieselmaschinen
bildete.
Für viele Betriebsverhältnisse, bei denen weniger Wert auf geringen
Brennstoffverbrauch als auf Einfachheit und Billigkeit des Motors gelegt wurde,
erwies sich die Dieselmaschine als zu verwickelt und ziu teuer. Hier trat in
Wettbewerb der Glühkopfmotor, bei welchem der Brennstoff durch Aufspritzen auf die
heiße Wandung des Glühkopfes zur Entzündung gebracht wird. Dies Verfahren ist zwar
unwirtschaftlich; es konnte sich jedoch überall da leicht einführen, wo die
Bedienung der Maschine wenig geschulten Kräften oblag. Daß die
Dieselmaschinen-Industrie daran ging, nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Motoren
zu erhöhen, sondern auch die Bauart einfacher und übersichtlicher zu gestalten,
entsprang also nicht allein technischen Erwägungen. Vielmehr war das wirtschaftliche
Bedürfnis nach gleichzeitig möglichst einfachen und möglichst sparsamen Motoren
bestimmend.
Den Weg hierzu fand man in der luftlosen Brennstoffeinspritzung, für die es heute
eine Anzahl verschiedener Arbeitsverfahren gibt. Die Aufgaben, die gelöst werden
mußten, bis brauchbare Ergebnisse erzielt wurden, waren nicht leicht. Wie wir oben
bereits ausführten, ist Vorbedingung für eine gute Verbrennung, also für sparsames
Arbeiten der Maschine, daß der Brennstoff mit der im Zylinder vorhandenen
Verbrennungsluft innig gemischt und möglichst gleichmäßig im Verbrennungsraum
verteilt wird. Die hierfür zur Verfügung stehende Zeit am Hubende ist aber
außerordentlich kurz, so daß die Brennstoff-Einspritzung und -Verteilung sehr rasch
vor sich gehen muß. Die Brennstoffmengen andererseits sind außerordentlich klein;
sie betragen z.B. bei Maschinen von etwa 300 PS, 200 Umdr./Min., nur wenige Gramm in
der einzelnen Verbrennung, und natürlich um so weniger, je größer bei gleicher
Leistung und gleichem spezifischen Brennstoffverbrauch die Zahl der Zylinder ist.
Bei raschlaufenden, mehrzylindigen Klein-Dieselmaschinen ergeben sich
Brennstoffmengen bis herunter zu 0,07 g je Zündung oder teilweise noch weniger. Man
kann daraus die Schwierigkeiten ersehen, die sich bei der Brennstoffzuführung und
namentlich bei der Regelung ergeben.
Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Form des Brennstoffstrahles, der in den Zylinder
eintritt. Sind die einzelnen Tropfen groß, so dringen sie infolge ihrer lebendigen
Kraft zwar tief in die hochgespannte Zylinderluft ein, ja sie fliegen sogar bis auf
den Kolbenboden, wenn sie nicht vorher schon verbrennen. Dies ist aber gerade bei
großen Tropfen unwahrscheinlich. Denn während des Fluges ziehen sie hinter sich
einer Abgaskegel, so daß ihnen nicht auf allen Seiten die zur Verbrennung
erforderliche Luft zur Verfügung steht. Außerdem bedarf natürlich die größere
Brennstoffmenge eines großen Tropfens längerer Zeit zur Verbrennung als die eines
kleinen, so daß bei grober Zerstäubung meistens ein Teil der Tropfen auf den
Kolbenboden aufstößt. Hier ist die Verbrennung aber besonders schlecht, denn der
Brennstoff ist auf der einen Seite von Eisen, auf der anderen von seinem eigenem
Abgas umgeben. Die Verbrennung kann also nur langsam vor sich gehen; sie erfolgt
nicht in der Nähe des Totpunktes, sondern erstreckt sich über einen größeren
Kolbenweg; der Wirkungsgrad der Maschine nimmt ab. Es könnte hiernach nun zweckmäßig
erscheinen, die Zerstäubung des Brennstoffes sehr weit zu treiben; doch auch
dem sind enge Grenzen gesetzt. Denn Wenn die Tropfen zu klein sind, ist selbst bei
hohen Geschwindigkeiten ihre lebendige Kraft zu gering, als daß sie die
Bewegungswiderstände in der hoch verdichteten Luft überwinden könnten. Es bildet
sich vor der Oeffnung der Brennstoffzuführung eine Art Brennstoffnebel, der nur
langsam verbrennt, da er nicht genügend mit Sauerstoff gemischt ist. Die Verbrennung
erfolgt also auch hier schleichend, wodurch der Wirkungsgrad verschlechtert
wird.
Es bedurfte eingehender Versuche, bis die erforderlichen Maßnahmen für die
Brennstoff-Einspritzung untersucht waren und bis die kompressorlosen Dieselmaschinen
einwandfrei arbeiteten. Bei der Schwierigkeit der Aufgabe ist es nur zu
verständlich, daß die Lösung von ganz verschiedenen Seiten angepackt wurde.
Drei Hauptarten der Brennstoffeinführung kann man bei den verschiedenen
Konstruktionen kompressorloser Dieselmaschinen unterscheiden:
Das Vorkammerverfahren, wobei der Brennstoff infolge des bei einer Vorkammerzündung
entstehenden Druckes meistens durch Düsen zerstäubt in den eigentlichen Brennraum
gelangt;
das Wirbelverfahren, wobei der Brennstoff durch mehrere aufeinander treffende
Brennstoffstrahlen oder durch Wirbelung der Zylinderluft zerstäubt und in der Luft
verteilt wird; schließlich
das Druckverfahren, bei dem die Zerstäubung unter hohem Druck durch Düsen
erfolgt.
Das Vorkammerverfahren lehnt sich in seinen Grundzügen etwas an die Glühkopfmaschine
an, ist jedoch von deren Arbeitsverfahren wohl verschieden. Während bei der
Glühkopfmaschine die überhitzten Wandungen die Zündung des ganzen Brennstoffes
bewirken, wird bei der Vorkammer-Dieselmaschine nur ein kleiner Teil des
Brennstoffes in der Vorkammer verbrannt. Der größere Teil wird durch den Druck, der
bei der Vorkammerzündung entsteht, in den Arbeitszylinder geschleudert. Zur
Zerstäubung des Brennstoffes dienen in den meisten Fällen Düsen, die vor der Mündung
der Vorkammer in den Arbeitszylinder angeordnet sind. Die Zündung des Brennstoffs in
der Vorkammer erfolgt bei mehreren Ausführungen nach dem reinen Dieselverfahren,
also durch die hohe Temperatur der verdichteten Zylinderluft. Verschiedene Firmen
unterstützen jedoch die Zündung dadurch, daß sie in der Vorkammer eine Glühfläche
vorsehen. Derartige Maschinen bilden also eigentlich eine Zwischenstufe zwischen
Glühkopf- und Dieselmotor; ihr Arbeitsverfahren steht jedoch dem Dieselverfahren
wesentlich näher als dem der Glühkopfmaschine, so daß sie mit Recht zu den
Dieselmaschinen gezählt werden.
Bei der Betrachtung des Wirbelverfahrens muß man unterscheiden zwischen der
Wirbelwirkung der Brennstoffstrahlen und der Wirbelwirkung der Zylinderluft. Beide
Verfahren kommen getrennt, aber auch mit einander vereinigt vor.
Beim reinen Brennstoffwirbelverfahren, dem sogenannten Price-Verfahren, treffen zwei
unter mäßigem Druck eingespitzte Brennstoffstrahlen aufeinander und zerstäuben sich.
Das setzt allerdings voraus, daß die Brennstoffstrahlen gut aufeinander abgestimmt
sind, da sonst die Zerstäubung schlecht, die Verbrennung also unvollkommen und
unwirtschaftlich ist.
Beim Luftwirbelverfahren wird ein Luftkegel, der vom Kolben durch Abschnürung erzeugt
wird, gegen den unter mäßigem Druck in eine Art Vorkammer eingespritzten Brennstoff
getrieben. Die Ausbildung der Kolbenböden zur Erzielung der Wirbelung ist
mannigfaltig.
Dem vorstehend geschilderten Verfahren, sowohl dem Vorkammer- wie dem
Wirbelverfahren, ist eigentümlich, daß der Brennstoff unter geringem Druck, etwa 50
at, eingespritzt wird. Der Brennstoffstrahl braucht nur den im Zylinder herrschenden
Verdichtungsdruck von etwa 35 bis 40 at zu überwinden, bedarf aber weiter keiner
größeren lebendigen Kraft zur Zerstäubung, da diese durch die Vorkammerzündtung bzw.
durch die Wirbelung erfolgt. Infolgedessen braucht der Brennstoffpumpendruck nicht
wesentlich höher zu sein als der Verdichtungsdruck.
Im Druckverfahren wird der Brennstoff direkt in den Verbrennungsraum eingespritzt.
Die Zerstäubung erfolgt durch eine Einspritzdüse, die Verteilung des Brennstoffes in
der Zylinderluft geschieht durch die kinetische Energie des Brennstoffstrahles. Aus
diesem Grunde sind Drücke von etwa 200 at und mehr an der Brennstoffpumpe
erforderlich. Die Düsen müssen so eingerichtet sein, daß sie gestatten, den
Brennstoff in einer bestimmten, eng beschränkten Zeit in den Zylinder einzuführen,
ihn in der gewünschten Feinheit zu zerstäuben und möglichst gleichmäßig im
Verbrennungsraum zu verteilen. Sie erhalten Bohrungen von etwa 0,5 mm
Durchmesser.
Man unterscheidet offene und geschlossene Düsen. Die offenen Düsen haben kein
Abschlußglied zwischen Brennstoffleitung und Zylinder. Man rühmt dieser Anordnung
nach, daß sie bei allen Motordrehzahlen sehr sanfte Zündungen erreichen lasse, da
nur die Düsenbohrungen dem Brennstoffstrahl Widerstand entgegensetzen, so daß der
Strahl gleichmäßig und stoßfrei in den Zylinder eintritt. Die Gefahr des
Nachtropfens und des dadurch hervorgerufenen Verkokens des Brennstoffes scheint im
Betrieb nicht so groß zu sein, wie man erwartet hatte. In dem Bericht über die
Abnahme einer MAN-Schiffsdieselmaschine mit offenen Düsen (Z. d. V. d. J. Nr.
40/1925) durch Min.-Rat Laudahn wird beispielsweise besonders hervorgehoben, daß
keinerlei Verstopfungen der Düsenbohrungen aufgetreten sind.
Immerhin scheint ein großer Teil, man kann wohl fast sagen der größere Teil der
Firmen, die ihre Maschinen nach dem Druckverfahren bauen, das Verkrusten der
Düsenbohrungen durch Verkoken des nachtropfenden Brennstoffs zu befürchten. Man
findet infolgedessen die geschlossene Düse sehr zahlreich vertreten.
Bei dieser Bauart schließt eine durch Federkraft angepreßte Nadel die
Brennstoffleitung kurz hinter der Düse gegen den Zylinder ab. Diese
Einspritznadel wird in fast allen Fällen – nur Vickers macht eine Ausnahme – durch
den Brennstoffdruck geöffnet. Die Brennstoffpumpe bestimmt also den Zeitpunkt und
die Dauer der Einspritzung. Der Regler braucht infolgedessen nur auf die
Brennstoffpumpe einzuwirken und den Druckverlauf entsprechend zu beeinflussen. Das
erfolgt teilweise durch Aenderung des Pumpenhubes mittels Schrägnocken, teilweise
durch Veränderung einer Ueberlauföffnung, die mehr oder weniger geschlossen wird,
oder durch plötzliches Abschneiden des Druckes bei Oeffnung eines Ueberströmventils
mittels eines Schleppgliedes.
Welche Art der Regelung und welche Ausführung der Düsen die zweckmäßigste ist, läßt
sich heute noch nicht übersehen, da jede Ausführung besondere Vorzüge und besondere
Nachteile hat, deren Einfluß sich erst nach längerer Betriebsdauer abwägen läßt.
Das eine läßt sich jedoch über alle kompressor-losen Dieselmaschinen heute schon
sagen, daß sie in bezug auf den Brennstoffverbrauch sparsamer sind als die Maschinen
mit Luftpumpe. Das tritt besonders dann in Erscheinung, wenn die Maschine häufig
nicht voll belastet wird, denn die Kurve des spezifischen Brennstoffverbrauchs (g/PS
h) verläuft in sehr weiten Grenzen fast unabhängig von der Belastung, im Gegensatz
zur Dieselmaschine mit Lufteinspritzung, bei der der Einfluß der Luftpumpen-Arbeit
mit sinkender Belastung zunimmt. Ferner sind die kompressorlosen Dieselmaschinen
höher überlastbar als die Luft-Dieselmaschinen; sie ertragen z. T. Ueberlastungen
bis zu 50 v. H. Außerdem zeigen sie auch bei starker Drehzahlminderung, sogar im
Leerlauf, sichere Zündungen und ruhigen Gang. Dazu tritt der Vorteil, daß die
Luftpumpe wegfällt, die ganze Anlage also vereinfacht wird.
Ob die verschiedenen Arten der luftlosen Brennstoffeinführung dauernd gleichwertig
nebeneinander bestehen werden oder ob eine davon sich als die technisch und
wirtschaftlich beste erweisen wird, kann man heute noch nicht sagen. Jedenfalls aber
bedeutet die Schaffung der kompressorlosen Dieselmaschine einen großen Schritt
vorwärts in der Entwicklung, deren Ziel es ist, eine einfache Dieselmaschine zu
bauen, die nicht nur im Laboratorium, sondern vor allem unter den wechselvollen
Verhältnissen des praktischen Betriebes zuverlässig und wirtschaftlich arbeitet.
Parey.