Titel: | Betriebserfahrungen der Fernwarmwasserheizungs- und Lüftungsanlagen im neuen Rathause zu Dresden. |
Autor: | Bernsdorf |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 29 |
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Betriebserfahrungen der Fernwarmwasserheizungs-
und Lüftungsanlagen im neuen Rathause zu Dresden.
Von Oberwerkmeister Bernsdorf, Dresden.
Betriebserfahrungen der Fernwarmwasserheizungs- und Lüftungsanlagen
im neuen Rathause zu Dresden.
Nachdem sich die Fernwarmwasserheizungs- und Lüftungsanlagen des neuen Rathauses
in 15jähriger Tätigkeit bewährt haben, gebe ich in folgendem einen Ueberblick über
die in dieser Zeit gewonnenen Betriebserfahrungen. Zwecks besserer Uebersicht möchte
ich einen kurzen Abriß über den Umfang des Baues, sowie der technischen Anlagen
vorausschicken.
Das in den Jahren 1905 bis 1910 erbaute Rathaus nimmt einen Flächenraum von 14000
m2 ein. Der gesamte stündliche Wärmebedarf der
über 700 zu beheizenden Räume mit einem Inhalte von 176000 m3 betragt rd. 2800000 W. E. je m3, also rd. 16 W.E. Als Wärmeerzeuger dienen 10
Flammrohr-Heizröhrenkessel von je 41 m2
Heizfläche. Untergebracht sind 1070 Stück Radiatoren mit zusammen 5700 m2 Heizfläche, sowie 400 m2 Luftröhrenkessel und Radiatoren zur
Lufterwärmung für Säle usw. Zur Verbrennung gelangt Dresdner Gaskoks.
Der Brennmaterialverbrauch, der in den ersten Betriebsjahren 22 bis 24000 hl betrug,
sank in den folgenden Jahren infolge größerer Trockenheit des Gebäudes, sowie durch
wirtschaftlicheren Betrieb auf 18 bis 20000 hl herab. Hierbei hat sich der Einbau
von Verengungsplatten in die Füllschächte der Heizkessel außerordentlich gut
bewährt. Besonders aber hat folgende Maßnahme zur Verbesserung geführt: Bisher mußte wegen einer
Anzahl ungenügend beheizter Räume die Vorlauftemperatur übermäßig hoch gehalten
werden. Nachdem die Heizflächen dieser Zimmer entsprechend vergrößert wurden, konnte
ein Zurücknehmen der Vorlauftemperatur stattfinden. Gleichzeitig wurden die
Zimmerinsassen verpflichtet, die Stellung eines jeden Heizkörpergriffes, sowie die
Zimmertemperatur in einem ihnen zugestellten Vordruck einzutragen. Dies ermöglichte,
nachdem hierauf in einer weiteren Anzahl von Zimmern die Heizflächen vergrößert
wurden, eine feine Abstimmung der ganzen Anlage. Die Verbrauchseinheit, welche in
den ersten Betriebsjahren die Höhe von 8,5 hl für 1° C Wärmeunterschied erreichte,
fiel infolge vorgenannter Maßnahmen nach Verlauf der ersten drei Betriebsjahre auf
5,8 hl.
Hinsichtlich der generellen Regelung der Heizungsanlage haben sich die von de Grahl
in seinem Buche: „Wirtschaftlichkeit der Zentralheizungen“ niedergelegten
wissenschaftlichen Beobachtungen als sehr beachtenswert erwiesen. De Grahl gibt an,
daß die 9-Uhr-Abend-Außentemperatur diejenige Temperatur ist, welche das Tagesmittel
des kommenden Tages darstellt. Eine vorhandene Tabelle (s. die Zahlentafel
„Dauerbetrieb“) ermöglicht eine einfache Handhabung und Einstellung des
Heizbetriebes.
Dauerbetrieb.
Außen-temp.nach9 Uhrabends
Vorlauf-temp.
ZahlderKessel
Koks-ver-brauchhl
Außen-temp.nach9 Uhrabends
Vorlauf-temp.
ZahlderKessel
Koks-ver-brauchhl
+ 15
37
2
36
– 1
59
6
153
14
38
2
43
2
61
6
161
13
40
2
50
3
62
6
168
12
42
2
58
4
63
6
175
11
43
3
66
5
64
7
182
10
44
3
73
6
65
7
190
9
45
3
80
7
66
7
197
8
47
3
88
8
67
7
204
7
48
4
95
9
68
8
211
6
49
4
102
10
69
8
218
5
51
4
109
11
71
8
225
4
53
4
116
12
72
8
233
3
54
5
124
13
73
9
240
2
55
5
131
14
74
9
247
1
57
5
138
15
75
9
254
+ 0
58
5
146
Die Regelung des Heizbetriebes geschieht in folgender Weise: Der diensthabende Heizer
hat nach Feststellung der 9-Uhr-Außentemperatur die betreffende Vorlauftemperatur
laut Zahlentafel einzustellen und 24 h hindurch zu halten. Infolge des großen
Aufspeicherungsvermögens des Gebäudes sind auftretende Wetterstürze von keinem
Einfluß auf die Raumtemperaturen. Als vorteilhaft hat es sich gezeigt, vom Oktober
bis Anfang April Dauerbetrieb anzuwenden.
Der Dauerbetrieb ermöglicht:
1. Stets gleichmäßige Raumtemperaturen zu allen Zeiten.
2. Wegfall des unangenehmen Hochheizens und der hiermit im
Zusammenhange stehenden starken Beanspruchung der Kessel und besonders der
Roststäbe.
3. Herabsetzung der Schornsteinverluste auf ein Minimum.
Der durchschnittliche Wirkungsgrad der Kesselanlage beträgt 83 vH bei einer
spezifischen Leistung der Heizflächen von 12500 W. E. Sämtliche Kessel sind mit
Schrägrost-Innenfeuerung ausgerüstet. An Mänteln und Flammrohren haben sich bisher
noch keine Schäden gezeigt. Die Heizrohre erreichten eine durchschnittliche
Lebensdauer von 7 Jahren.
Dauernde, mittels der Kohlensäureapparate „Ados“ und „Unograph“
ausgeführte Messungen ergeben durchschnittlich 13 vH CO2. Zu bemerken ist, daß die Vorlauftemperatur ebenfalls dauernd
registriert wird. Das Hochheizen besonderer Gruppen, wie Sitzungs- und Festsäle,
kann durch einen oder mehrere von der Anlage abgetrennten Kessel erfolgen. Hierzu
dient eine besondere Pumpe. Jeder Kessel ist mit einer 50 mm 1. D. betragenden
Sicherheits- und Ueberlaufleitung versehen. Der Ueberwurfprozeß tritt bei 135° ein
und vollzieht sich in ruhigster Weise.
Hinsichtlich der Entlüftung der Anlage ist folgendes zu berichten: Die Anlage, welche
eine der ersten größten Pumpenheizungen mit oberer Verteilung darstellt, weist
teilweise die Rohrverlegungen auf, wie sie für Schwerkraftheizungen angewandt
werden, das heißt, die Hauptverteilungsleitungen auf den Dachböden laufen mit
Gefälle nach den Endsträngen zu. Hierbei ergab sich aber, daß Luftansammlungen an
den tiefsten Stellen, also am äußersten Strang, einsetzten und damit diese Stränge
abschnitten. Angebrachte Entlüftungsvorrichtungen verschiedenster Art hatten nur
teilweise Erfolg. Von Hand aus betätigte Entlüftungshähne erforderten eine ständige
Bedienung. Hierbei war das Entlüften mit erheblichem Wasserverlust verbunden. Es
machte sich die Verlegung einer besonderen Luftleitung zum Ausdehnungsgefäß nötig.
Die hierdurch auftretende Druckverschiebung innerhalb des Systemes blieb ohne
nachteiligen Einfluß auf die Zirkulation.
Ueber die Erfahrungen hinsichtlich der Rohrleitungen kann folgendes berichtet
werden:
Durchrostungen sind bis jetzt noch nicht aufgetreten, dagegen haben sich im Verlaufe
der letzten; Jahre Verstopfungen mannigfachster Art gezeigt. Sie wurden
hauptsächlich durch Rostschalengebilde hervorgerufen. Diese lagern sich besonders an
den Verbindungsstücken ab und verursachen dann vielfach bei schwächeren Leitungen (⅜
und ½") Verengungen. Mit Strang- und Absperrschiebern
sind durchweg, wie ja überall, nicht die besten Erfahrungen gemacht worden. Die
Schieber bilden besonders geeignete Stellen für Ablagerungen und ein vollständig
dichtes Schließen wird dann nicht mehr erreicht. Die von Schmidt konstruierten,
widerstandslosen „Koswa“-Ventile dürften einen nicht zu unterschätzenden
Fortschritt auf diesem Gebiete bedeuten.
Eine vorhandene elektrische Widerstands-Fernthermometeranlage System „Schulze“
Berlin mit 49 Meßstellen ermöglicht weitgehende Kontrolle der Temperaturen.
In folgendem wäre nur noch auf die Erfahrungen mit den vorhandenen
Lüftungseinrichtungen einzugehen. Vier besondere Luftkammern mit 7 Ventilatoren mit
einer Stundenleistung von zus. 98000 m3 vermögen
den Sitzungs- und Festsälen, sowie dem Ratsweinkeller die erforderliche Luft
zuzuführen. Die Reinigung der Luft für Sitzungs- und Festsäle erfolgt durch
Möllersche Stoffilter.
Bisher war die Aufstellung von Luftfiltern für die Lüftungsanlage des Ratsweinkellers
infolge beschränkten Raumes unmöglich.
Ein von obiger Firma hergestelltes „Phönix-Metall-Umlauffilter“, dessen
geringer Platzbedarf eine Aufstellung ohne weiteres gestattete, ist unlängst in
Betrieb genommen worden.
Die bisherigen Beobachtungen zeigten sehr befriedigende Ergebnisse.
Die Vorwärmung der Luft erfolgt durch Luftröhrenkessel und Radiatoren. Mangels Raum
sei hier nur die Lüftung des Ratsweinkellers erwähnt. Es werden diesem stündlich 30000 m3 ozonisierte Luft zugeführt. Dies entspricht
einem fünffachen Luftwechsel. Die Luftzufuhr in die Räume des Ratsweinkellers
erfolgt in weitgehendster Verteilung an etwa 35 Stellen, meist hinter Heizkörpern.
Durch besonders feinmaschige Gitter wird eine gute Druckverteilung erzielt. Die
Regelung der Lüftungsanlagen geschieht durch übersichtliche Schalttafeln in jeder
Luftkammer, in denen sich außerdem Mikromanometer, elektrische, als auch von Hand
betätigte Fernstellklappenanlagen, sowie Fernthermometeranlagen befinden. Für den
Ratsweinkeller ist die Lüftungsanlage ein unbedingtes Erfordernis. Sie war infolge
baulicher Veränderungen während der 15-jährigen Betriebstätigkeit nur an fünf Tagen
außer Betrieb. Es zeigte sich hier sofort, wie dringend die Lüftung benötigt wird,
da die schlechten Lüftungsverhältnisse einen längeren Aufenthalt in den Lokalen
unmöglich machte. An besonders starken Betriebstagen, an denen der Ratsweinkeller
bisweilen von über 1000 Personen besucht wurde, ist festgestellt worden, daß der
Feuchtigkeitsgehalt der Luft trotz fünffachen Luftwechsels innerhalb 6 h von 42 auf
73 vH stieg. Zu derartig starken Betriebsstunden wird noch ein vorhandener, 30000
m3 leistender Abluftventilator in Tätigkeit
gesetzt. Ein so zahlreicher Besuch und der Umstand, daß am letzten Silvester über
1000 Abendessen verabreicht und weit über 2000 Flaschen Wein getrunken wurden, gibt
Zeugnis davon, daß sich Dresdens Bürger im Ratsweinkeller wohl fühlen. Meist jedoch
wohl unbewußt dessen, weil ihnen der Aufenthalt durch die vorzüglich arbeitende
Ventilationsanlage zu einem angenehmen gemacht wird. („Gesundheits-Ingenieur“
Nr. 43.)