Titel: | Fortschritte in der Flußschiffahrt. |
Autor: | O. Back |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 99 |
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Fortschritte in der Flußschiffahrt.
Fortschritte in der Flußschiffahrt.
Die Erkenntnis, daß nur das Streben nach höchster Rentabilität die
wirtschaftliche Gesundung eines jeden Betriebes ermöglicht, führt auch in der
Flußschiffahrt zur Anwendung technischer Neuerungen, die erhöhte Sparsamkeit im
Betriebe, Vergrößerung des Nutzeffektes und somit größere Leistungsfähigkeit bei
Aufwand geringerer Mittel verbürgen. Während in der Seeschiffahrt jede technische
Neuerung, soferne sie zur Verminderung der Betriebskosten beitragen kann, rasche
Aufnahme findet, hat sich die Flußschiffahrt seit Jahrzehnten ein gemächliches Tempo
zurechtgelegt, welches zu beschleunigen erst der wirtschaftlichen Not der
Nachkriegszeit vorbehalten scheint. Die Radschlepper, die heute auf den europäischen
Binnenschiffahrtswegen verkehren, sind noch von der gleichen Bauart und Ausstattung,
wie jene der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, vielfach sind sogar
solche alterwürdige „Kohlenfresser“ aus dieser Zeit noch heute in
Diensten.
Obwohl der Erfolg, den der Oelmotor in der Seeschiffahrt zu verzeichnen hat,
beispiellos dasteht und am besten in trockenen Ziffern vorgeführt, zum Ausdrucke
kommt – am 30. September v. J. waren von 626 im Bau befindlichen Schiffsmaschinen
mit insgesamt 1523405 Pferdestärken, 287 Anlagen mit 726845 Pferdestärken Oelmotoren
– konnte er bis nun in der Flußschiffahrt keinen rechten Eingang finden. Merkwürdig
daß bei der hohen industriellen Entwicklung und technisch fortschrittlichen
Gesinnung des heutigen Mitteleuropas, die Anfänge der Großölmotoren
-Binnenschiffahrt nicht dort, sondern auf der – Wolga zu suchen sind.
Der Einführung des Oelmotors in der Flußschifffahrt stehen Bedenken gegenüber, die
sich früher in geringerem Maße auch in der Seeschiffahrt geltend machten, die aber
durch jahrelange Betriebsbeobachtungen zerstreut wurden. Ein Haupteinwand, der
vorgebracht wurde, war, daß die Manövrierfähigkeit des Dieselmotors für die
Flußschiffahrt zu gering erachtet wird. Es bleibt unbestritten, daß die vorzügliche
Umsteuerbarkeit der Kolbendampfmaschine von keiner anderen Antriebsmaschine erreicht
wird und daß der Oelmotor den Nachteil hat, zum Anlassen und Umsteuern viel Preßluft
zu benötigen, weshalb unter Umständen die rasche Aufeinanderfolge einzelner
Maschinenmanöver beschränkt ist. Allein die zunehmende Verwendung von
kompressorlosen Dieselmotoren in Verbindung mit hydromechanischen Getrieben, welche
die Maschinenmanöver ohne Beeinflussung des Motorganges durchführen, hat auch
in dieser Beziehung Abhilfe geschaffen.
Das mangelnde Vertrauen in die hinreichende Manövrierfähigkeit der Oelmotoren hat
deshalb durch längere Zeit die Verwendung derselben zum Antriebe von
Flußschleppschiffen verzögert. Bloß der Antrieb vereinzelter Warenboote wurde durch
Einbau von Glühkopfmotoren und (kleinen, kompressorlosen Dieselmaschinen
versucht.
Erst im Jahre 1922 gab die Reederei Franz Haniel & Cie in Duisburg-Ruhrort den
ersten Bauauftrag auf einen Motorschlepper normaler Größe. Dieses Fahrzeug wurde von
der Werft der Gutehoffnungshütte in Walsum erbaut und mit zwei einfachwirkenden,
direkt umsteuerbaren Viertakt-Dieselmotoren der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg
ausgestattet. Jeder dieser Motoren besitzt sechs Zylinder und überträgt auf je eine
direkt gekuppelte Schiffschraube 770 Pferdestärken bei 180 Umdrehungen in der
Minute. Seit seiner im Oktober 1922 erfolgten Indienststellung ist dieser
Dieselschlepper „Franz Haniel XXVIII“ benannt, unausgesetzt auf der Strecke
Ruhrort-Mannheim im Schleppdienste und hat nicht nur den üblichen Anforderungen
vollauf entsprochen, sondern auch seine wirtschaftliche Ueberlegenheit gegenüber den
bisherigen Schleppertypen seines Besitzers bewiesen.
Nebst vorzüglicher Schleppfähigkeit bei jedem Wasserstande, guter Steuerfähigkeit und
Manövrierbarkeit, namentlich beim Aufnehmen eines auf Strom liegenden Schleppzuges
und beim Anlaufen eines Hafens war es hauptsächlichst das verläßliche Arbeiten
seiner Dieselmotoren, das den erstmalig betretenen Weg als richtig erkennen ließ und
die technische und wirtschaftliche Eignung des Dieselschleppers bewies. Die
Umdrehungszahl der Motoren läßt sich von normal 180 auf 30 an der Minute
herabsetzen, damit ist der bei Flußfahrzeugen verlangten Regulierfähigkeit der
Maschinen genügend entsprochen. Auch die Umsteuerung in sechs Sekunden leistet für
die vollkommen sichere Manövrierfähigkeit Gewähr. Zu den bereits bekannten Vorzügen
der Dieselmotoren, wie stete Betriebsbereitschaft, weil kein Anheizen von Kesseln
und kein Vorwärmen von Rohrleitungen und Maschinen notwendig ist; sparsamer
Verbrauch des Brennstoffes und Unabhängigkeit seines Verbrauches von der
Aufmerksamkeit und Geschicklichkeit der Bedienungsmannschaft, weil der Brennstoff
den Motoren automatisch zugemessen wird; dauernde Betriebssicherheit durch
selbsttätige Druckschmierung aller Lager und weitgehendste Kühlung aller stark erwärmten
Teile; kein Verbrauch an Betriebsstoffen bei Stilliegen des Schiffes; saubere,
leichte und billige Uebernahme des Brennstoffes an Bord und dessen höchste
kalorische Ausnutzung durch vollkommene Verbrennung; verminderte
Bedienungsmannschaft – kommen noch bei der Flußschiffahrt; die Vorteile, daß der
Auspuff der Verbrennungsgase mittels Schalldämpfer das Schiff vollkommen geräusch-
und geruchlos auf der Seite verläßt. Hiedurch kommen Schornsteine in Wegfall, ein
Umstand, der in Gegenden, wo viele Brücken ein oftmaliges Umlegen der Schornsteine
bedingen, durch Ausbleiben der Verqualmung angenehm zur Geltung kommt.
Der wirtschaftliche Effekt – und nur dieser kann vom Standpunkte des Reeders für
Neueinführungen in Betracht kommen – entspricht vollkommen den technischen Vorzügen.
Im April 1923, als hohen Kohlenpreisen verhältnismäßig niedrige Oelpreise
gegenüberstanden, stellten sich die Kosten der Beförderung einer geschleppten Tonne
beim Dieselschlepper auf etwa nur die Hälfte jener bei einem Dampfschlepper gleicher
Schleppleistung. Gegenwärtig, da sich durch Verbilligung der Kohlenpreise das
Preisverhältnis zwischen Kohle und Oel wesentlich zugunsten der ersteren geändert
hat, betragen die Betriebsunkosten des Dieselschleppers noch immer bloß 78 Prozent
jener des Dampfschleppers.
Wenn sich auch so die Verwendbarkeit des Dieselmotors in der Flußschiffahrt erwiesen
hat, so stellen sich einer allgemeinen Einführung noch immerr Schwierigkeiten
entgegen, die dadurch entstehen, daß die Mittel- und Oberläufe der meisten
mitteleuropäischen Ströme infolge der unregelmäßigen Fahrwassertiefen
hauptsächlichst von Raddampfern befahren werden. Es können aber die Schaufelräder
eines Raddampfers, infolge ihrer niedrigen Umdrehungszahl – etwa vierzig in der
Minute – durch Oelmotoren, deren Wirtschaftlichkeit durch möglichst konstante und
hohe Tourenzahl bedingt ist, nicht direkt angetrieben werden. Die Zwischenschaltung
eines normalen, mechanischen Zwischengetriebes ohne genügend elastische
Zwischenglieder ist nicht ratsam, weil die Zahnräder durch die von den Dieselmotoren
kommenden Stöße bzw. Schwingungsimpulse zu sehr in Mitleidenschaft gezogen
werden. Hingegen lassen sich hydromechanische Getriebe, von denen die bekannteste
Ausführung das Vulcan-Getriebe nach dem Föttinger-Prinzip ist, sehr vorteilhaft als
elastische und schwingungs-dämpfende Flüssigkeitskupplungen verwenden. Mit Hilfe
derartiger Getriebe ist der Antrieb von Schaufelrädern durch kleinere,
kompressorlose Dieselmotoen und auch Glühkopfmotoren möglich, da ein entsprechendes
Uebersetzungsverhältnis zwischen der Tourenzahl der Motoren und jener der
Schaufelradwellen leicht erzielbar ist und nebst dem sämtliche Manöver des
Schleppers durch die Flüssigkeitskupplung allein besorgt werden, somit der Betrieb
der Motoren, die nicht umsteuerbar sind, von den Schleppmanövern unabhängig bleibt.
Es kann das Ab- und Zuschalten einzelner Motoren während der Fahrt in beliebiger
Folge vorgenommen werden, es kann auch bei geringerem Kraftbedarf – z.B. bei der
Talfahrt – die an einer Kupplung angehängte Maschine, durch Leerlauf des Getriebes
vollkommen stillgesetzt werden. Der mechanische Wirkungsgrad des Vulcan-Getriebes
wurde praktisch mit 97 Prozent ermittelt.
Eine weitere Verwendungsmöglichkeit der Oelmotoren in der Flußschiffahrt ist durch
ein neues Antriebsystem, dem sogenannten Lloyd-Antriebe, gegeben. Ihm liegt der
Gedanke zugrunde, durch eine am Heck des Schiffes getroffene Anordnung eines
Heckrades und mehrerer Seitenräder, einen bis über die Schliffsbreite hinaus in
ganzer, nutzbarer Breite geschlossenen Treibwasserstrom zu erzeugen. Hiedurch wird
es möglich, bei gleicher Schiffsbreite die Eintauchtiefe der Schaufelräder zu
vermindern und somit besonders flachgehende Schiffe zu verwenden. Der besondere
Vorteil des Lloyd-Antriebes ist aber, daß bei gleicher Breite und gleichem Tiefgang
die Zugleistung bis zu zwanzig Prozent gegenüber dem normalen Seitenradantrieb
erhöht wird, bzw. daß bei gleichbleibender Zugleistung mit einer entsprechend
niedrigen Maschinenleistung das Auslangen gefunden wird. Der Lloyd-Antrieb eignet
sich zur Verbindung mit jeder Art von Antriebsmaschinen, besonders aber mit dem
Oelmotor, in welchem Falle eine Ersparnis von etwa dreißig Prozent an Betriebskosten
für die geschleppte Tonne gegenüber Seitenrad-Dampfschleppern erzielt werden
können.
Ziv.-Ing. O. Back, Wien.