Titel: | Das Hartgußrad in Amerika und auf der Eisenbahntechnischen Tagung in Berlin. |
Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 250 |
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Das Hartgußrad in Amerika und auf der
Eisenbahntechnischen Tagung in Berlin.
Vortrag, gehalten am 7. Dezember 1925 im Oesterr.
Ingenieur- und Architekten-Verein in Wien von Hofrat Ing. Emil
Rüker.
RÜKER, Das Hartgußrad.
1. Vorbemerkungen.
In früheren Vorträgen in den Jahren 1921 und 1923 von dieser Stelle aus habe ich in
allgemeinen Zügen die Erzeugung und Verwendung des Hartgußrades für Eisenbahnwagen
geschildert, sowie die Ergebnisse der exakten technisch-wissenschaftlichen
Untersuchungen auf Grund der eigenen und insbesondere der großzügigen amerikanischen
Forschungen entwickelt. Seither ist es notwendig geworden, das Studium auf den engen
Zusammenhang aller einschlägigen Gebiete auszudehnen und diese der weiteren
Aufklärung zuzuführen, wodurch das Tätigkeitsgebiet nach verschiedenen Richtungen
hin beträchtlich gewachsen ist. Nunmehr sind der Herstellungsgang und die Bauart auf
bestimmte Grundlagen gestellt, die Statistik und Wirtschaftlichkeit ziffernmäßig
nachgewiesen worden und ermöglichen im Verein mit der in den letzten Jahren
zugänglich gewordenen reichhaltigen Auslandliteratur, immer mehr und mehr eine
vollkommen einwandfreie und zuverlässige Beurteilung.
Zunächst sei ein Ueberblick über den in mehreren EinzelarbeitenZeitschrift des Oesterr. Ingenieur- und
Architekten-Vereins, Wien, Heft 22/23 und 26/27, 1921.Zeitung des
Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen, Berlin, Heft 44 vom 3. XI.
1921.Glasers Annalen, Berlin, Nr. 1083 vom 1. August
1922.Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, Berlin. Heft 6
vom 15. Juni 1923.Die Gießerei, München, Heft 35 vom 29. August und
Heft 51 vom 20. Dezember 1924.Verein Deutscher Ingenieure, Berlin,
Sonderband „Eisenbahnwesen“ 1925.Die Lokomotive, Wien, Heft 5,
Mai 1925.Oesterr. Monatsschrift für Eisenbahnbetrieb und Werkstätte,
Wien, Nr. 7 vom 15. Juli 1926.Verlag für Fachliteratur,
Wien-Montan-Zeitung, Wien-Graz, vom 1. August 1926, Tägliche Montan-Berichte
Wien-Berlin vom 27. Juli 1926, Montanistische Rundschau, Wien, vom 1. August
1926. zerstreuten Stoff gegeben, woraus die wesentlichsten
Momente herausgegriffen werden, um solcherart eine vergleichende Darstellung bieten
zu können. Soweit es nötig ist, wird dabei auch das Stahlrad in Gegenüberstellung
gebracht, ja sogar mit diesem begonnen.
Das Stahlrad mit aufgezogenem Reifen macht seit Jahrzehnten fortdauernde Wandlungen
und Veränderungen durch, die von dem Bestreben geleitet sind, es gegen Verschleiß
und Abnutzung und Bruch härter bzw. widerstandsfähiger zu machen; seit einiger Zeit
sind ihm jedoch durch das in einem Stück, Scheibe samt Profil hergestellte Stahlrad,
also sozusagen aus der eigenen Familie, Konkurrenten entstanden, und zwar: das
Rolled steel wheel, Cast steel wheel und das Davis- oder Garywheel; die beiden
ersteren sind nach einem besonderen Walz- bzw. Gußverfahren hergestellt, das
letztere ist ein Gußstahlrad mit 18% Mangangehalt in der Lauffläche, das in einem
Zentrifugalschleuderverfahren auf der in langsamer Drehbewegung befindlichen
Grundplatte besteht, bei dem Mangan in Pulverform in die Gießpfannen eingeblasen
oder in anderer Form eingetragen wird. Solche Räderarten stehen derzeit
versuchsweise in Amerika, England usw. in Erprobung, jedoch sind Beständigkeit,
Zuverlässigkeit und Verhalten noch nicht genügend bewiesen, so daß hinsichtlich der
Lebensdauer und Kosten solcher Räder ein abschließendes Urteil noch längere Zeit
vorbehalten bleiben muß.
Ein anderes Verfahren mit dem auf den Radkörper ohne Ringnut direkt aufgeschweißten
Reifen ist in bezug auf Verhalten gegen Spannungen mit großer Vorsicht zu
beurteilen.
Ob die Erwartungen, bei 5- bis 6fachem Kostenpreis gegen gewöhnliche Stahlräder auf
8- bis 10fache Lebensdauer zutreffen werden, muß daher vorläufig dahingestellt
bleiben.M. J. Servais, Leiter
der metallografischen Versuchsanstalt der Belgischen Staatsbahnen, Bulletin
des internationalen Eisenbahn-Kongreß-Verbandes 1925. Derartige
Räder sollen in Amerika für 70 Tonnen Tragfähigkeit Gebrechen in der Scheibe
aufgewiesen haben und den Anforderungen noch nicht entsprechen.
Wie immer das endgültige Urteil einmal über gepreßte, geschmiedete oder gewalzte
Stern- oder Vollscheibenräder mit Grauguß-Nabe oder mit eigenem aufgezogenem bzw.
aufgeschweißtem Radreifen oder samt Profil in einem Stück hergestellt lauten wird,
so steht nur im voraus fest, daß die Herstellungskosten unbedingt höher sind, je
komplizierter und empfindlicher die Erzeugung ist, wenn diese nicht einstufig,
sondern mehrstufig ist, ja dann um so mehr, wenn es sich um hochwertiges Material
wie Ferromangan, d. i. hoch manganreiches Roheisen 20 bis 50% Mn, handelt. Dessen
Besitz am Weltmarkt wendet Amerika bekanntlich derzeit die größten Anstrengungen zu,
wodurch Europa nur mehr zu einem kleinen, noch dazu bedeutend verteuerten Bruchteil
gelangt.
Der einstufige Erzeugungsvorgang ist nun gerade kennzeichnend für das Hartgußrad, bei
dem es sich um einen einfachen glatten Gußprozeß handelt, der allerdings nach allen
Erfordernissen und Erfahrungen der neuzeitlichen Praxis, in Verbindung mit den
Bedingungen der Statik und Dynamik, nach physikalischen und chemischen Methoden in
höchster Vollkommenheit ausgebildet und durch vieljähriges Studium auf das denkbar
weitestgehende gesichert worden ist. Hierzu gehören die Festigkeitsproben im
Vergleich mit Probestäben, ferner die Untersuchungen der Materialspannungen und zwar
sowohl der inneren oder Gußspannungen, als auch jene Spannungen, die vom Aufpressen
und von der Belastung, sowie vom Spurkranz- und Bremsdruck herrühren und die sich in
Druck- und Zugspannungen, Tangential- und Radialspannungen äußern. Nähere
Mitteilungen hierüber sind im „Organ für die Fortschritte des
Eisenbahnwesens“ vom 15. VI. 1923 und in der Zeitschrift „Die
Gießerei“ vom 29. August 1924 enthalten.
2. Amerika.
Was die Verhältnisse in Amerika im speziellen betrifft, so haben dortselbst die
Kriegszeit und ihre Folgen die Erzeugung der Hartgußräder keineswegs unbeeinflußt
gelassen, was sich gerade in der Entwicklung des Großgüterwagens von 100 Tonnen
Ladegewicht fühlbar gemacht und zu Klagen geführt hat. Der große Verband der
amerikanischen Hartgußräderfabrikanten (Association of Manufacturers of Chilled
Car-Wheels A. M. C. C. W.) darunter die Griffin-Wheel Company, haben deshalb im
Jahre 1920/21 gemeinsam mit der American Railway Association (A. R. A.) und der
Master Car Builders Association (M. C. B. A.) eine großzügige Aktion unternommen, um
durch genaueste technologische Versuche und Proben in der Prüfstation der
Universität in Illinois, bei Zugrundelegung der Vorarbeiten von Prof. Goss an der Purdue Universität in Lafayette (Ind.),
ferner im Regierungslaboratorium des Bureau of Standards in Washington und unter
Mitwirkung der Brems-Kommissionen und -Gesellschaften Veranlassung und Ursachen
feststellen, Verbesserungsvorschläge prüfen zu lassen. Die Bedeutung dieser
Arbeiten, die aus solchen Instituten von Weltruf hervorgegangen sind, ist ganz
unbestritten und vorbildlich und es bürgen dafür die Namen der leitenden
Persönlichkeiten auf dem Gebiet des Gießereiwesens und der Materialprüfung, der
Professoren und Fachgelehrten, wie Moldenke und Sauveur (Verbands-Präsident bzw. Professor), Burgess, Quick und Woodward
(Bureau of Standards), Stratton, Snodgrass und Guldner (Universität Illinois), Griffin, Lyndon, Vial und West (A. M. C. C. W,
und M. C. B. A.), die mit einem Stab von Chemikern, Physikern und Ingenieuren
jahrelang dieses Thema studiert haben. Einzelheiten würden zu weit führen.
Textabbildung Bd. 341, S. 250
Abb. 1. Radbruchstück. (Gießerei Heft 51 vom 20. 10. 1924.)
Zur Erklärung ist Abb. 1, ein Radbruchstück,
beigegeben, d. i. Profil und Scheibe mit Ansatz zur Rippe, wo die Hartschicht
weißes Gußeisen ist, das strahlenförmig gegen das Graueisen verläuft. Der Uebergang
von der Hartschicht zum weichen Graueisen von großer Zähigkeit vollzieht sich nur
allmählich, die Bruchfläche zeigt homogenes Gefüge. Die Lagerung der beiden
Bestandteile der Hartschicht, d. s. Zementit und Perlit, ist eine derartige, daß der
Verschleiß durch Reibung, Gleiten oder Schleifen (also auch in der Bremsung) am
geringsten, die Verschleißfestigkeit am größten ist.
Die Ergebnisse und Schlüsse aus den vorangegebenen Untersuchungen lassen sich in 3
Hauptpunkten zusammenfassen:
1. Das Hartgußrad ist je nach seiner Bauart, hinsichtlich Geschwindigkeit, Belastung
und Bremsung den stärksten Beanspruchungen gewachsen.
2. Der Konkurrenzkampf der Großgießereien hat zu außerordentlich niedrigen Preisen
geführt, dadurch hat natürlich die Qualität der Räder gelitten.
3. Das Herstellungsverfahren selbst und die neuzeitlichen Prüfungsmethoden bieten
unter allen Umständen die Möglichkeit einer vollkommen klag- und tadellosen
Erzeugung und es trifft diese grundsätzlich keine Schuld an etwa vorkommenden
Versagern. –
Diese Worte sprechen besonders eindringlich und es wirft sich naturgemäß die Frage
auf, wenn die Umstände derart festgestellt sind, in welcher Weise den im Punkt 2
erkannten Momenten entgegengetreten wurde; hierüber gibt uns der Gußprozeß selbst
die Aufklärung.
Solange in Amerika vorwiegend schwefelfreies Holzkohleneisen und angemessene Mengen
von Radbruch verwendet wurden, hat man haltbare Räder erzeugt, die allen
Anforderungen entsprochen haben; erst mit dem Uebergang zur vorzugsweisen, in
manchen Gießereien sogar ausschließlichen Verwendung von Koksroheisen, bei
gleichzeitiger Steigerung des Rad-und Gußbruches auf 80%, ja sogar bis 90% ist der
Schwefelgehalt derart gestiegen und hat die Güte des Rades in Punkto Haltbarkeit und
Widerstandsfähigkeit herabgesetzt, daß es geraten schien, die Fortsetzung des
eingeschlagenen Weges gut zu überlegen.
Abb. 2 ist einer der einschlägigen amerikanischen
AbhandlungenThe Chilled Iron Car
Wheel, Lyndon-Vial, Chicago III. Juni 1924, Seite 62. entnommen
und wegen seiner Charakteristik bereits in diesem Frühjahr in der Fachgruppe für
Materialprüfung gezeigt worden. Der Einfluß der verschiedenen Elemente an
Probestäben aus grauem Gußeisen und deren Verhalten bei den Festigkeitsproben, wobei
von einem 3prozentigen Kohlenstoffgehalt ausgegangen wurde, tritt deutlich hervor.
Die Elemente werden variiert bzw. konstant gehalten und zeigen den beträchtlich
verschiedenen Einfluß auf die Festigkeitsziffern. Schwefel ganz besonders bis etwa
0,20% gibt allerdings Festigkeit zu 45000 Lb/p. i. = 3400 kg/cm2, dabei ist aber der bedenkliche Umstand in Kauf
zu nehmen, daß im Guß die nachteiligen Eisensulfidverbindungen aufreten und sich
unreine Stellen, Nester bilden, die wegen ihrer Porosität zu Defekten führen und die
Lebensdauer verkürzen können. Uebrigens ist die Erreichung solch hoher
Festigkeitsziffern mit Probestäben auf andere Weise gegenwärtig schon nicht mehr
selten, da wir an gewöhnlichem Grauguß im allgemeinen 2000 bis 2400 kg/cm2, an Qualitätsguß bis 2800 kg/cm2 kennen.
Der hohe Schwefelgehalt bewirkt zwar höhere Festigkeit, bringt aber sonst nicht
gering zu veranschlagende Nachteile mit sich.Tamann, Direktor des Instituts für physikalische Chemie in Göttingen,
spricht in seinem Werk: „Metallografie“ 1914, über Fe S Verbindungen
und die diesen innewohnende „Sprengkraft“.
Es war also eine kritische Zeit, als in den Vereinigten Staaten zufolge der
Massenerzeugung an Hartgußrädern, die ja auch ihren Absatz in vielen
Hunderttausenden nach Europa, und zwar Belgien, Frankreich, Rußland gefunden haben,
das Verlangen nach Sicherstellung und Verbesserung erhoben wurde. Wie dies
angestrebt wird, das erklären uns die Normen der amerikanischen
Material-Prüfungs-Gesellschaft (A. S. T. M.) A 46 für Hartgußräder; es sind nur drei
Jahrgänge der Standardvorschriften herangezogen, was aber für den Zweck hinreichend
ist. Die bezüglichen Daten zeigen bei sonst unverändertem Prozentgehalt für die
anderen Elemente einen zulässigen Schwefelgehalt:
1905
0,08 %
1921 T (versuchsweise)
0,18%
1924
0,17%
1923–1924
0,16%
1925–1926
0,15%
1927–1928
0,14%
1929 und später.
Textabbildung Bd. 341, S. 251
Abb. 2. Einfluß von Mangan Phosphor und Schwefel auf die Zugfestigkeit des
Gußeisens. (Chilled Car Wheel. Lyndon-Vial, Chicago. Juni 1924, S. 62.)
In den Anschauungen ist also ein Wechsel eingetreten, die Verirrungen der Kriegszeit
werden, nachdem die Konjunktur vorüber ist, ohne weiteres einbekannt und der
Amerikaner ist jetzt bemüht, wieder auf die größere Dauerhaftigkeit hinzuarbeiten,
indem er sich in der laufenden Jahreserzeugung den Friedensbedingungen nähert.
Bei dieser Gelegenheit ist an meinen Ausspruch zu erinnern, den ich im Verein
Deutscher Eisengießereien, Gießereiverband Düsseldorf, anläßlich des Vortrages bei
der Hauptversammlung in Breslau 1924 getan habe; er hat wörtlich gelautet: „Die
hohen Schwefelgehalte sind die wundeste Stelle des amerikanischen
Hartgußrades...“ Die Berechtigung hierzu entnehme ich meiner Kenntnis und
Ueberzeugung über die einschlägigen Verhältnisse mit Hartgußrädern bester Qualität,
in denen seit Jahrzehnten der Schwefelgehalt auf 0,08% beschränkt ist, ja sogar
noch tiefer herabgeht, was einerseits nur der ausschließlichen Verwendung von
erstklassigem Holzkohleneisen und dem mäßigen Anteil von Radbruch zwischen 50 bis
60%, anderseits der besonderen Sorgfalt und Geschicklichkeit bei der Erzeugung
zuzuschreiben ist.
Es kann nun der Einwurf gemacht werden, sowie damals z.B. von Geheimrat Osann in Clausthal: „Ja, woher soll denn
Holzkohleneisen genommen werden?“. Die Antwort darauf hat sofort gelautet:
„Ich habe stets die beste Erzeugung vor Augen, weshalb ich auf jene,
vielleicht nicht überall anzutreffenden Verhältnisse hingewiesen habe, wo eben
Holzkohleneisen noch zugänglich ist.“ Hierzu ist kein maßgebenderer
Gewährsmann anzuführen, als Geiger in Düsseldorf, der in
seinem „Handbuch der Eisen- und Stahlgießerei“, 2. Auflage 1925, den Schwefel
wegen seiner Neigung zum Rotbruch kurzweg als den gefährlichen Feind des Gußeisens
bezeichnet, der bis zu einem gewissen Grad wie für Hartguß erwünscht, zwar die Härte
vergrößert, aber auch die Sprödigkeit, ebenso wie die Schwindung, Lunkerbildung und
das Auftreten von Rissen begünstigt.
Was nun die Beschaffung von Holzkohleneisen betrifft, so ist selbstverständlich, daß
dessen Preis für die Fabrikation je nach Lage maßgebend ist; daß Holzkohleneisen,
schon vermöge der Einfachheit und Reinheit des Ganges des Kuppelofens und wegen der
hohen Festigkeitsziffern des Gusses vorzuziehen ist, muß also begreiflich sein.
Dort, wo dieses erstklassig nur in verhältnismäßig geringen Mengen vorhanden und
sehr begehrt ist, demnach hoch im Preis steht – so z.B. bezieht Italien steirisches
Holzkohleneisen – oder wo ein Massenbetrieb eingerichtet ist, wird eben anteilig
oder vorzugsweise zu Koksroheisen gegriffen werden, ob dieses nun in bester oder
minder guter Qualität ist. Letztere wird von Kühnel
(Eisenbahnzentralamt Berlin) anläßlich der Erörterung dieses Gegenstandes bei der
Eisenbahntechnischen Tagung Berlin, 1924, für künftige Zeiten in Deutschland ebenso
wie von anderen Fachmännern angenommen. Jedenfalls werden z.B. die russischen
Rädergießereien im südlichen Uralkreis Slatoust mit anderem Roheisen arbeiten als
Odessa und das livländische Riga. Bemühungen auf Einführung einer verbessernden
Zusatzfeuerung im Kuppelofen mit Rohöl sind zwar bekannt, deren Bewährung soll aber
fraglich sein.
Inwieweit und wann auch in dieser Richtung die Voraussage von Joh. Mehrtens sich erfüllen wird, der zur äußersten Schonung
der Vorräte an Holzkohleneisen die Anwendung von Elektroeisen empfiehlt, dürfte
derzeit im Hinblick auf die Betriebskosten und Gestehungspreise kaum spruchreif,
aber immerhin ein bemerkenswerter Fingerzeig sein.
Keinesfalls aber ist deshalb das geringste Hindernis zu erblicken in der
unausgesetzten Fortentwicklung, Ausbildung und Anwendung des Gußverfahrens, denn die
neuzeitlichen Gießereien können sich ebensogut des hochwertigen Koksroheisens, als
auch eines minderwertigen Holzkohleneisens bedienen und haben sich in der
Gattierungskunde, Auswägung auf Grund der chemischen Analysen und in den
Entschwefelungs- und ReinigungsverfahrenSiehe:
Stahl und Eisen 1925 Nr. 13. Joh. Mehrtens: „Entschwefelungs-,
Entgasungs- und Desoxydationsverfahren für hochwertiges Gußeisen“.
The Foundry vom 1. März 1926, Geo S. Evans „Reinigung des Gußeisens durch
Alkalizusatz“ (Gießereizeitung 1. Mai 1926, Stahl und Eisen
u.a.m.)., sowie in der jüngsten Schwesterwissenschaft, der
Metallurgie, d. i. in der Metallographie alle Neuerungen und Forschungen zunutze
gemacht, von denen vor 30 bzw. noch vor 20 Jahren kaum unbestimmte Vorstellungen vorhanden
gewesen sind. Mit solchen Hilfsmitteln und Erkennungsbehelfen zur Beeinflussung
jedes Einzelstadiums der Herstellung ist es eben möglich geworden, z.B. nicht nur
die dichtesten und hochwertigsten Hartgußwalzen bis zu 50 mm Hartschicht zu erzeugen
– Bauer-Deiss führt bis 90 mm an –, sondern es gelingt
auch, allerdings unter Einschlagung besonderer Wege und Arbeitsmethoden mit
Koksroheisen die Lösung der gewiß schwierigen Doppelaufgabe, im Profil des
Hartgußrades die größte gleichbleibende Härte zu erreichen und im allmählichen
Uebergang zu dem darunter liegenden Graueisenteil der Scheibe die größte Zähigkeit
zu erhalten (vgl. Abb. 1).
In Amerika werden für die Beschickung des Kuppelofens, also für die Gattierung wohl
die Einhaltung von allgemeinen Vorschriften, d. s. die Standardnormen der A. S. T.
M. empfohlen, wenn auch durchaus nicht streng danach gearbeitet wird, was seinen
Grund ganz selbstverständlich darin hat, daß die über ungeheure Entfernungen
verteilten 50 Rädergroßgießereien in U. S. A. und in Kanada das Roheisen aus den
zunächst liegenden Distrikten entnehmen, worunter auch solche in Urwaldgebieten mit
Holzkohlenproduktion liegen. So arbeiten z.B. nach den Angaben von Prof. L. Martens (Erzeugung von Gußrädern in Amerika –
Staatlich-technischer Verlag, Moskau 1923)Das
Werk bietet mit seinen 170 Seiten, 150 Abbildungen, zahlreichen Tafeln und
Berechnungen wegen seiner objektiven Vergleiche und Beurteilung eine
wertvolle Ergänzung zu West-Schott „Amerikanische Gießerei-Praxis“
Berlin, Verlag Meußer 1910, weil es sich vollständig spezialisiert hat auf
das gegossene Rad und zwar: Hartguß- und Stahlrad. Martens berechnet
daselbst (Seite 160) ohne Regie, Verzinsung und Tilgung für das Griffinrad
die halben Kosten vom Stahlrad. Siehe auch Bulletin de la Société des
Ingenieurs et des Industriels, Brüssel, Band 6, 1925, Nr. 3 Vortrag Paul
Ropsy, Brüssel, am 4. März 1925, „La roue de wagon en Amérique“;
Annales des Mines, 1906/7, Marc. Japiot, „Les chemins de fer américains,
Materiél et traction“. Revue de Métallurgie, Paris Nov./Dez. 1920.
Jänner 1921. M. Polushkin (vom American Institute of Mining and
Metallurgical Engineers) „La fabrication des roues en fonte trempé en
Amérique“, desgl. Cournot „Le Genie civil“ Febr.
1921. Lenoir Car works (Erzeugung seit 1919 500 Räder pro Tag) ebenso
wie Griffin Wheel Company in 15 Gießereien zusammen täglich bis 6000 Räder (Iron
Age, März 1922) darunter Kansas City allein mit 700 Stück in 8stündiger Arbeitszeit
1919 fast ausschließlich mit Koksroheisen und Zusatz von Ferromangan; manche Werke
nehmen jedoch 15, ja sogar bis 35% Holzkohleneisen bzw. 5 bis 8% Stahlabfälle.
Die Herstellung von erstklassigem Hartguß im allgemeinen hat ja schon genug
Schwierigkeiten mit Erfolg überwunden, insbesondere seit viele Betriebe mit den
chemisch genau bestimmten Spanbriketts arbeiten und damit Güsse erreichen, die
solchen aus Holzkohleneisen gleichwertig sind. Ist die Erzeugung von Hartgußwalzen
der größten und schwierigsten Kaliber von höchster Vollkommenheit erreichbar, so ist
auch an der Herstellung eben solcher Hartgußräder in Massenerzeugung nicht zu
zweifeln, wie Beispiele bereits genügend bewiesen haben.
Die Anregungen und Studien aus den wissenschaftlichen Instituten, Vereinigungen und
Hochschulen, wo erste Persönlichkeiten wirken, ebenso wie die
Gießerei-Fachausstellungen und der lebhafte Meinungsaustausch bei Versammlungen und
Kongressen fördern diese Entwicklung unausgesetzt und auch unsere heimischen
Fachmänner tragen dazu bei; unsere jüngste Industrieschöpfung, die Eisenhütte
Oesterreich in Leoben, wird zweifellos auch in dieser Richtung die in sie gesetzten
Erwartungen erfüllen.
Im Zusammenhang mit den verschiedenen Beanspruchungen des Rades im Eisenbahnbetrieb
ist nun noch eine Angelegenheit hervorzuheben, die den Eisenbahn-Ingenieur ganz
besonders beschäftigt, und das ist der Wagenlauf in Eisenbahnzügen mit hohen
Geschwindigkeiten, über den ja jeder Reisende, und um so mehr der Fachmann, schon
seine Erfahrungen gesammelt und sich eigene Gedanken gemacht hat und die dahin
gehen, daß manche Personenwagen in rasch laufenden Zügen in derselben Bahnstrecke,
bei gleicher Bauart und demselben Erhaltungszustand der Fahrzeuge, bedeutend ruhiger
laufen als andere. Von sehr maßgeblicher Seite, wird dieser Umstand auf Grund
persönlicher Erfahrungen bestätigt, mit dem Hinweis auf englische Eisenbahnen, wo
solche beträchtliche Unterschiede im Wagenlauf ebenso zu beobachten seien. wie
anderwärts in Europa. Hier haben wir es mit Reifenrädern zu tun, die anscheinend im
Betrieb wesentlich verschiedenes Verhalten zeigen können.
In Amerika sind in Personenwagen Hartgußräder eingebaut, die mit unbeschränkter
Geschwindigkeit laufen. Die an tagelange Fahrten über mehrere tausend Kilometer
gewöhnten Reisenden, die nicht nur die größte Bequemlichkeit, sondern auch die
äußerste Ruhe verlangen, würden sich ein Stoßen, Schlagen, Wiegen, Schütteln,
Schlingern usw. des Wagens keineswegs gefallen lassen, ja solche Linien würden
alsbald boykottiert werden. Es ist also Tatsache, daß dort die Drehgestellwagen mit
Hartgußrädern äußerst ruhig laufen, indes nach unseren europäischen Erfahrungen
ebensolche Fahrzeuge mit Reifenrädern sich häufig unangenehm bemerkbar machen. Was
kann also da die Ursache sein? Es liegt nahe, daß die Ueberlegung – ganz abgesehen
von anderen Momenten – auch zu einer nicht entsprechenden Schwerpunktslage führen
kann und damit die Gleichgewichtsfrage und das Auswuchtproblem aufrollt. Bei
Stabilmaschinen ist die sorgfältigste Verfolgung des Gleichmäßigkeitsgrades der
bewegten Schwungmassen etwas Selbstverständliches, der den Einbau der
empfindlichsten und kompliziertesten Regulator-Einrichtungen erforderlich macht. Bei
Eisenbahnwagenrädern hat man bisher zumeist angenommen, diesen Umstand
vernachlässigen zu können, nun aber werden Ansichten laut, daß ein Grund für
unruhigen Lauf auch in einer ungleichen Massenverteilung im Rad selbst, also in den
daraus zu folgernden vorerwähnten Umständen gelegen sein kann.
Ungleiche Massenverteilung am Rad, und wenn es sich örtlich nur um wenige Dekagramme
handelt, kann sich in verschiedenen Umfangsgeschwindigkeiten äußern und in unserem
Fall, wenn die Umdrehungszahlen im Maximum bis 700 in der Minute betragen (also bei
einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 130 km/h) in das Bestreben umsetzen, als ein
Zurückbleiben bzw. Vorauseilen des Rades. Die Wirkung ist also einerseits der
unruhige Gang, anderseits ungleicher Lauf, der beiden an einer Achse aufgekeilten
Räder bzw. die Abwicklung verschiedener Ablauf-Kurven von der Kegelfläche des
Profiles am Schienenkopf und erhöhte Abnützung.
Welchem Umstand kann die ungleiche Massenverteilung zuzuschreiben sein? Antwort:
Exzentrizität des Rades in der Bohrung, Unrundsein im Laufkreis infolge
verschiedener Stärke des Radreifens von Haus aus, sowie aus Ungleichheiten beim
periodischen Abdrehen desselben u.a.m. An beiden Rädergattungen ist die Herstellung
der Nabenbohrung und das erste Abschleifen bzw. Abdrehen des Radkranzes gemeinsam,
für das Stahlrad kommen jedoch durch das Aufziehen des Reifens, sowie infolge des
Ausdrehens der Ringnut und wegen des mehrmaligen Abdrehens des Reifens während der
ganzen Verwendungszeit und insbesondere wegen der geringeren Härte des Materials
Momente in Betracht, welche das Auftreten der vorerwähnten Begleiterscheinungen in der
Massenverteilung begreiflich erscheinen lassen. Damit ist aber für die
Eisenbahn-Wagenräder das Auswuchtproblem ganz ernstlich zur Erörterung gestellt,
welchem schon derzeit angeblich die englische Great Western Railway und die
holländischen Staatsbahnen in der Direktion Utrecht durch Prof. Franko insoferne Beachtung zuwenden sollen, als die
Wagenräder, wenn auch nur auf primitive Weise, dynamisch ausbalanciert werden. Auch
das Eisenbahn-Zentralamt der Deutschen Reichsbahngesellschaft in Berlin beschäftigt
sich dem Vernehmen nach in neuester Zeit gerade mit dieser Frage und beabsichtigt
eine eigene Auswuchtmaschine zu Versuchszwecken für Wagenräder aufzustellen.
3. Eisenbahntechnische Tagung Berlin 1924.
Ich komme nun zum eigentlichen zweiten Teil meiner Ausführungen, und das ist die
Aufnahme, welche das Thema „Hartgußrad“ auf der Eisenbahntechnischen Tagung
in Berlin 1924 gefunden hat. Daß dieses unter den mehr als 40 fachwissenschaftlichen
Vorträgen und Sonderberichten überhaupt zur Erörterung gelangt ist, muß zweifellos
seiner Aktualität und hervorragenden Bedeutung zugeschrieben werden. Inhaltlich habe
ich dasselbe geboten, was ich im österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein
in Wien zu verschiedenen Zeiten bereits vorgebracht habe. Meine Ausführungen haben
zum Teil Widerspruch erfahren, auf den ich wegen der damaligen Zeitbeschränktheit –
die Versammlung dauerte an jenem Abend ungewöhnlich lang – in meinem Schlußwort nur
allzu knapp erwidern konnte. Der Verlauf ist im Sonderband des Vereins Deutscher
Ingenieure, Eisenbahnwesen 1925, auszugsweise wiedergegeben, woraus ich nur die
wesentlichsten Gegenmeinungen hervorhebe und die entsprechenden Berichtigungen
beifüge. Die einzelnen Punkte werden zur besseren Uebersichtlichkeit absatzweise
besprochen.
Unruhiger Gang infolge Abnützung. Das Maß der Abnützung im
Radprofil ist durch die Vorschriften in der Technischen Einheit und des Vereins
Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen (V. D. E. V.) ganz allgemein mit 5 mm begrenzt. Die
geringere Abnützung des. Hartgußrades ist rundweg anerkannt worden, während bei den
Schäden am Radreifen abgenützte Stellen, Aus- und Anbrüche, manchmal beinahe Wunder
schlimmster Art vorkommen, die zuweilen sehr unruhigen Lauf zur Folge haben. Ein
Vergleich in der Statistik, auf die später noch näher zurückgekommen wird, bringt
alljährlich Radreifenbrüche in beträchtlicher Zahl, aber seit Jahrzehnten keinen
Bruch von Hartgußrädern. Hierüber kennen auch die amerikanischen Eisenbahnen keine
Fälle, wo sie im Vollbahnbetrieb stehen; würde nicht auf solche Vorkommnisse, wenn
sie sich bieten würden, besonders hingewiesen werden? Unbewiesene Annahme von
Brüchen an Hartgußrädern seit 1898 sind also ganz hinfällig, wenn von einem Vorfall
vor kurzer Zeit gesprochen wird, daß ein Ausbruch wegen ungewöhnlich scharfer
Abnützung erfolgt ist, so sagt schon dieser Umstand allein, daß dieses Rad
voraussichtlich überhaupt schon längst hätte aus dem Betrieb entfernt werden sollen
und ganz einfach bei der technischen Wagenuntersuchung im Betrieb und bei der
Werkstatt-Revision übersehen wurde. Nach der einheitlichen Gebrechenbenennung ist
übrigens ein Ausbruch kein Bruch und braucht durchaus nicht gerade mit einer
Betriebsgefahr verbunden zu sein.
Betriebssicherheit. Zur Schaffung größerer
Betriebssicherheit hat der V. D. E. V. die Bestimmungen der Technischen Einheit
weiter ausgebaut (richtig eingeengt), weil ihn damals angeblich ein gewisses Gefühl
beherrschte, welches das Verbot der Bremsung für Hartgußräder zur Folge hatte; für
Güterzüge wurde die Grenze der Fahrgeschwindigkeit mit 50 km/h gezogen (von den Kgl.
ungarischen Staatsbahnen auf 60 km/h erweitert). Die internationalen
Eisenbahnverwaltungen haben seinerzeit bei der Verfassung der „Technischen
Einheit“ diese Ansicht nicht geteilt und noch vor kurzer Zeit weitergehende
Einschränkungsvorschläge abgelehnt. Die amerikanischen Eisenbahnverwaltungen haben
hingegen nicht das geringste Bedenken gegen die Bremsung; Geschwindigkeit und
Belastung sind nicht begrenzt.
Lebensdauer. Die für nichtgebremste Hartgußräder mit 16
Jahren angegebene Lebensdauer wurde wegen der Einbeziehung des Gesamtstandes an
Ersatz-Räderpaaren aus dem Reservestand in die Rentabilitätsberechnung in Frage
gestellt. Nun wird aber eine sparsame und umsichtige Eisenbahnverwaltung an Rädern
keinen so großen Reservestand halten, als daß vereinzelt auch längere Zeit
unverwendet stehende Räder in der Berechnung einen Ausschlag oder eine Aenderung
ergeben. In dieser Richtung sind also auch diese Ziffern vollkommen zutreffend und
ist eine Nachprüfung nicht erforderlich.
Wie vorhin erwähnt, haben die amerikanischen Güterwagen mit Hartgußrädern während der
Kriegszeit in vielen Hunderttausenden in Frankreich, Belgien, Rußland usw. Eingang
gefunden, die sich aber angeblich nicht bewährt haben, weshalb sie entfernt werden
sollen. Das ist indes nur halbe Wahrheit und um so bedenklicher, weil hieraus leicht
zu Fehlschlüssen veranlaßt werden kann. Es ist ja bekannt, daß Europa und Amerika in
manchen Anschauungen über Bau und Einzelheiten von Eisenbahnfahrzeugen grundsätzlich
verschieden sind, so z.B. Feuerbüchsen, Temperguß, Walzen- und Rollenlager usw.,
aber es erscheint mehr als gewagt, irgendeine Ueberlegenheit in einer oder andrer
Richtung ableiten zu wollen, ganz besonders dann, wenn ja doch ausschließlich nur
die Haltbarkeit und Wirtschaftlichkeit maßgebend sind. Im vorliegenden Fall genügt
also nicht nur die Anführung der Tatsache, sondern es gehört auch die offene
Erklärung dazu, daß die Wagen mit den für das amerikanische Schienenprofil, für
dortige Kreuzungen und Herzstücke entsprechenden Rädern geliefert wurden, weil die
amerikanischen Gießereien für Europa nicht nach einer anderen Bauart gearbeitet,
sondern Formen und Kokillen nach den bei ihnen üblichen Typen beibehalten haben. Das
europäische Radprofil weicht vom amerikanischen Profil ganz beträchtlich ab, es ist
schon der Schienenkopf anders geformt, die Lauffläche des Radprofils hat eine
geringere Neigung (1 : 20) als in Amerika (1 : 13), der Spurkranz ist im Gegensatz
zum europäischen Profil stärker nach auswärts gezogen usw. Da ist es doch nicht
erstaunlich, wenn die Lebensdauer nicht durchaus entspricht, allein für die
Kriegszeit war eben der Bedarf vorhanden und man hat genommen, was geboten wurde.
Abb. 3 zeigt den amerikanischen Radkranz in
seiner ganz eigenartigen und konsequenten Entwicklung.
Einheitsbauart. Es verlautete, die Verwendung von
zweierlei Rädergattungen, Hartgußrad und Reifenrad, könnte Schwierigkeiten bei der
Vorratshaltung mit sich bringen. Wir haben an Lokomotiven, Personen- und Güterwagen
reichlich Verschiedenheiten, die bei der Anlage der Vorratsräume und Lagerplätze für
die Ersatzteile berücksichtigt werden müssen, was ja die Normungs-Bestrebungen
erklärlich macht. Allein solche Verschiedenheiten und getrennte Lagerungen müssen
dort in Kauf genommen werden, wo es sich um tatsächliche Ersparnisse an Anlage- und
Betriebskosten handelt.
Verschleißfestigkeit des Baustoffes. Diese wird für
Stahlreifen in besonderer Höhe entweder nur mit großen Kosten oder nur mit schweren
Bedenken erreicht, die sich in anderen Eigenschaften ausdrücken. Einwandfreie
Erfahrungen liegen hierüber aus der Praxis nicht vor. Der Kampf zwischen
Stahlschiene und Stahlrad ist uralt und auch heute noch aktuell. Es muß aber
jedenfalls allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, daß in dem erst kürzlich, nach
amerikanischer Quelle erschienenen Aufsatz: „Hartguß- und Stahlrad mit Beziehung
zur Reibung und Abnützung“, Verkehrstechnik, Heft 49/50, Dezember 1925,
nachgewiesen ist, daß nicht nur der Verschleiß zwischen Hartgußrad und Stahlschiene
bedeutend kleiner ist, als zwischen Stahlrad und Stahlschiene, sondern daß auch der
Zugwiderstand im ersteren Falle ebenfalls kleiner ist.
Textabbildung Bd. 341, S. 254
Abb. 3. Amerikanisches Radprofil
A. Veränderung bei einem Radgewicht
von 525 bis 940 lbs. Das Radgewicht mit 840 lbs ist nahezu gleich mit der von
den Österreichischen und ungarischen Eisenbahnen seit 1896 eingeführten
Type.B. Entwicklung 1896–1909.(L. Martens, Moskau 1923, S. 97.)
Härteim Profil. Beim Hartgußrad sind 700 BH normal. Die
Ergebnisse der Versuche in der Leobersdorfer Maschinenfabrik A. G., Leobersdorf bei
Wien, ebenso wie Lage und Anordnung der Druckstellen, sind aus der Abb. 4 ersichtlich.
Lauffläche außen, innen C
= 3,5%
BH 726–810
Zone I (Tiefe 4 mm)
= 3,3%
„ 714
„ II ( „ 12 „ )
= 3,1%
„ 515
„ III ( „ 20 „ )
= 1,5%
„ 336 (Ueber-gang vom Weiß- zum Graueisen)
Solche Abnützung auch nur bis 12 mm ist im normalen Betrieb ganz ausgeschlossen
und kommt überhaupt nicht vor; es bleibt also nur Zone I, welche an der Grenze der
zulässigen Abnützung immer noch eine etwa 3–3 ½fach höhere Härte aufweist als der
heutige Stahlreifen. (Näheres enthält Organ 15. VI. 1923.)
Martens (Moskau) erwähnt in dem bereits angeführten Werk
S. 150 für das frisch gegossene Davis-Manganrad im Laufkreis 395 BH. Das Rolled
Steel Wheel hat gleichmäßig 250 BH, das Cast steel wheel (Abb. 5) zeigt bedeutenden Härteabfall vom Profil gegen die Nabe und zwar
von 330 auf 150 BH.Technologie Papers of
the Bureau of Standards, Washington, Nr. 235, Band 17 „Thermal Stresses
in Steel Car Wheels“ 24. März 1923, S. 388.
Radreifenbefestigung an Stahlrädern. Sie ist ungeachtet
aller Verbesserungen und dahingehender Bestrebungen für jeden Fachmann immer ein
äußerst unzulänglicher Konstruktionsteil des Rades, von dem stets direkte
Betriebsgefahr ausgehen kann. Wenn von sonst maßgeblicher Seite die
Radreifenbefestigung als eine ziemlich vollkommene Einrichtung bezeichnet wurde, so
ist das vieldeutig und mag Ansichtssache sein.
Statistik. Soweit die Daten des V. D. E. V. vorliegen und
die Ziffern aus den Nachweisen der ehem. österr.-ungar. Staatsbahnen, so beziehen
sie sich stets auf die gleiche, jeweilige Einheit.
Wenn es somit heißt, in einer mehrjährigen Betriebszeit (1892–1897) entfallen auf
1000 Räder (derselben Gattung) ½ bis ⅕ Brüche an Hartgußrädern gegenüber der Anzahl
der Brüche an Radreifen, so ist dieser Quotient unabhängig von dem betreffenden
Gesamtstand jeder Gattung. Dabei ist zu bemerken, daß dieser Vergleich noch aus
einer Zeit mit sogenannten altartigen Hartgußrädern stammt, also aus einer längst
verlassenen und inzwischen von Grund aus geänderten Herstellung. Siehe hierüber die
aus gleichen Quellen schöpfenden Mitteilungen und den Vortrag von Günther in der Deutschen Maschinentechnischen
Gesellschaft in Berlin am 21. Oktober 1924 über „Eisenbahnunfälle“ (Glasers
Annalen, Berlin 1925, Band 96, Heft 1–3), worin auf Grund der vorausgegangenen
Arbeiten von Ludwig Stockert, Technische Hochschule Wien,
1920, den Radreifenbrüchen eine eingehende Betrachtung zugewendet und ausführlich
über diesen Gegenstand gesprochen wird. In der umfassenden Abhandlung kommen, wie
bereits früher hervorgehoben, irgendwelche Brüche bei Hartgußrädern seit Jahrzehnten
nicht vor, indes Radreifenbrüche ziffernmäßig alljährlich in beträchtlicher Zahl ausgewiesen
werden.
Kriegserfahrungen. Es ist nicht erklärlich, warum hierüber
nicht gesprochen werden soll, ist doch nichts zu verbergen oder zu entschuldigen und
aus deren Bekanntwerden sind schon in vielen Beziehungen gute Lehren und
Nutzanwendungen gezogen worden. Nachdem positive Beweise über Unfälle oder
Betriebsanstände, die auf den Lauf von Hartgußrädern zurückzuführen sind, nicht
vorliegen, so berechtigt eben das Fehlen solcher Daten zur Annahme, daß dieser
Umstand nicht gegen sie, sondern auch deshalb für sie spricht, weil Einschränkungen
hinsichtlich Belastung, Wagenlauf, Zuggeschwindigkeit, Wagenübergangsdienst,
Instandhaltung usw. unter dem Zwang der Verhältnisse vielfach nicht eingehalten
wurden, die Güterwagen welcher Bauart und Ausrüstung immer vielmehr ganz freizügig
verkehrt haben. Im übrigen haben die militärischen Dienstbücher für den
Eisenbahnverkehr irgend welche Einschränkungen für den Wagenumlauf auch nicht
vorgesehen.
Textabbildung Bd. 341, S. 255
Abb. 4. Querschnittsplatte aus einem Griffinrad mit Lage der Prüfstellen für
die Kugeldruckprobe.
4. Folgerungen.
Damit sollte ein gedrängter Ueberblick über den Stoff und die gegensätzlichen
Anschauungen gegeben und zur Aufklärung und Ueberzeugung beigetragen werden, daß die
vorgebrachten Einwendungen der bestimmten Nachweise und der ziffernmäßigen Belege
entbehren, ja von positiven Erfahrungen aus der Gegenwart, die auf der Gegenseite
gar nicht vorhanden sind, ganz zu schweigen, und es ist von Vermutungen und
Annahmen, Anschauungen und persönlichem Empfinden die Rede, die nicht als
beweiskräftig anzusehen sind. Begreiflicherweise mußten die Ausführungen nur
auszugsweise gehalten bleiben; immer aber ist dabei von der festen Grundlage der
positiven Nachweise und vom Rahmen der technisch – wissenschaftlichen Forschung
ausgegangen worden, die schon eingangs in den Vordergrund gesteht wurde. Die Grenzen
hierfür sind bei uns viel zu eng und klein gezogen, weshalb wir dorthin blicken
müssen, wo kräftige Impulse vorhanden sind.Siehe
„La Fonderie Moderne“. Paris, Sept./Okt. 1925, Hubert Gil: Sur
l'avantage résultant de l'application des méthodes scientifiques en
fonderie“. Bis in die jüngste Zeit hinein hat die
Industrieforschung in ihrem eigenen Interessengebiet zwar planmäßig gearbeitet, sie
hat aber die speziellen, der Erkenntnis aller besonderen, der Industrie dienenden
Zwecke verfolgt.
Wie ernst die Lage von mancher Seite angesehen wird, das zeigt der Ausspruch von
Prof. Nägel (Dresden) auf der 64. Hauptversammlung des V.
D. I. in Augsburg 1925, der gelautet hat:
„Die Vereinigten Staaten in Amerika sind die unbestrittenen Lehrmeister auf dem
Gebiet der wirtschaftlichen Befriedigung des Massenbedarfs eines Volkes und
verbinden diese Meisterschaft mit dem gleichfalls unbestrittenen Erfolg, den
Gliedern ihres Volkes eine freiere, gehobenere Lebenshaltung zu sichern, als sie
in Europa gegenwärtig erreichbar ist. Nun ist Amerika offenkundig auch bestrebt,
sich auf dem Gebiet der technisch-wissenschaftlichen Forschung in den Sattel zu
schwingen und unter Aufwendung von unermeßlichen Summen dieser die beste
Aufnahme und Heimstätte zu bereiten. Angesichts. des Reichtums, der sich in der
verschwenderischen Ausstattung vieler Forschungsinstitute ausspricht (General
Electric Co. Schenectady, American Telegraph and Telephon Co., Western Electric
Comp New York, Mellon Institute Pittsburg, Zentrallaboratorium des Bureau of
Standards Washington u. v. a.) und der weiteren Förderung durch die ungeheuren
Stiftungen (Carnegie, Rockfeller, Smithsonian usw.) ist es oft schwer, die
Klarheit des Blickes zu behaupten und nicht dem niederschmetternden Eindruck des
Augenblickes zu unterliegen, den uns in unserer Armut und Isoliertheit oft die
Resignation aufzuzwingen und die demütigende Vorstellung abzuringen sucht, daß
der Schwerpunkt von wissenschaftlicher Forschungsarbeit unweigerlich und
unabänderlich seinen Lauf von der alten Welt zur neuen Welt angetreten
habe.“
Das ist auch für uns ein wichtiges Bekenntnis, das zu denken gibt, wodurch deshalb
keineswegs die eigenen Leistungen verkleinert werden sollen, das aber vielleicht
nicht immer das volle Verständnis findet und aus verschiedenen Gründen nicht gerne
beachtet wird. Wie sehr diese Worte für unsere eigenen Verhältnisse zutreffen, das
darf ohne Sentimentalität einer vorurteilsfreien Betrachtung überlassen bleiben.
Aber es stellt sich von selbst die Frage, ob wir nicht allen Grund haben, solchen
Erkenntnissen, wie sie das Hartgußrad betreffen, nachzuforschen, ihnen das Tor zu
öffnen, sie zu prüfen und sie zu eigen zu machen?
Textabbildung Bd. 341, S. 255
Abb. 5. Verlauf der Härtelinien (Brinell) vom Spurkranz zur Nabe für Rolled
und Cast Steel Wheel.
(Technol. Papers of the Bureau of
Standards, Nr. 235, 1923, S. 388.)Abstand engl. Zoll vom Spurkranz.
In Amerika stehen 26 Millionen Hartgußräder, d. s. 90% des Gesamtstandes an
Wagenrädern in Betrieb, indes nur 10% an Stahlrädern vorhanden sind. Ein solches
Verhältnis wäre ganz undenkbar, wenn nicht nur die Betriebssicherheit und ihre
Voraussetzungen, sondern auch die eminente Wirtschaftlichkeit und Ueberlegenheit
dieser Rädergattung einwandfrei bewiesen wären. Ueber den Kostenvergleich, und zwar
getrennt nach Anschaffung und laufender Erhaltung wurde schon in mehreren Vorträgen,
darunter auch in Budapest, Breslau, Berlin, Leoben usw. gesprochen, sie betragen
nach welcher Aufstellung immer, für Oesterreich, Ungarn, Belgien, Frankreich,
Italien, Rußland oder Amerika kaum die Hälfte bzw. den vierten Teil beim Hartgußrad,
im Vergleich zum Stahlrad, sowie auch Martens nachrechnet und sie sind also von
einer Bedeutung, die sich im Eisenbahnbetrieb in Millionen pro Jahr ausdrücken, um
welche derselbe ohne Grund zu teuer geworden ist und zu verbilligen sein wird.
Solche Ersparnismöglichkeiten sind zu ernst und weittragend, als daß man glauben
dürfte, sie auch noch weiterhin, vielleicht aus Bequemlichkeit mit überlegener
Handbewegung abzutun; sie verdienen die gewissenhafteste Beachtung und sachgemäße
Ueberlegung.
Uebrigens selbst dann, wenn die Ersparnisse unter geänderten Voraussetzungen nicht
die angegebene Höhe erreichen, also für den Fall, als sie geringer wären, so darf
bei der gerade im Eisenbahnbetrieb gebieterisch zu verlangenden äußersten
Sparsamkeit auch nicht ein einziges Prozent vernachlässigt werden.
Speziell dem öffentlichen Dienst, wo immer obliegt nicht nur die Pflicht von der
Kenntnis jeglichen technischen Fortschrittes und von den Forschungen der Neuzeit,
sondern er trägt auch die volle Verantwortung für die Gebarung mit dem
Volksvermögen.
Nichtsdestoweniger begegnet das Thema noch häufig schwer erklärlicher Zurückhaltung
und konservativer Beurteilung, ja sogar Fachmäner von besonderem Rang wie Mr. Acworth (Herold-Bern) haben bedauerlicherweise
verabsäumt, in ihrem Bericht über die „Reorganisation der Oesterreichischen
Bundesbahnen“, Wien 1923, wo doch die internationalen Verhältnisse im
Eisenbahnbetrieb zum Vergleich herangezogen werden, des gewaltigen Unterschiedes in
der Frage des verschiedenen Rädermaterials und der Bauart zu gedenken und gerade in
diesem Sinne auf die Möglichkeit zur Erzielung von bedeutenden Ersparnissen und
einer rationellen Räderwirtschaft einzugehen, wofür ohne Befangenheit der Meinung,
mehr als genügend Anhaltspunkte zu gewinnen waren. Bei den ehem. k. k.
österreichischen Staatsbahnen und kgl. ungarischen Staatsbahnen, sowie
seinerzeit bei den größten, vormals österreichischen Privateisenbahnen sind auch
derzeit noch eine beträchtliche Anzahl von Hartgußrädern, z. T. bei den
österreichischen Sukzessionsstaaten in anstandslosem und ökonomischem Betrieb seit
30–40 Jahren, bzw. sogar noch länger, womit ein vielverheißender Anfang gemacht
worden ist. Müssen da nicht die weiteren Beweise, die von dem riesenhaften Betrieb
auf den amerikanischen Eisenbahnen ausgehen, eindringlich und vollends überzeugend
wirken? Dem Vernehmen nach sollen gegenwärtig Verhandlungen im Zug sein und
Erörterungen geführt werden, die sich mit den auf die Freizügigkeit abzielenden
internationalen Vorschriften der U. I. C. (Union Internationale des Chemins de fer)
und des V. D. E. V. befassen, wie z.B. die Nutzanwendung von der Aufhebung der
Geschwindigkeitsgrenze von 50 km/St, Verwendung der Hartgußräder in
personenführenden Zügen, Aenderungen in den Bestimmungen für die technische
Untersuchung und den Wagenübergang. Das Thema ist in jüngster Zeit in die
Verhandlungen der U. I. C. und des V. D. E. V. einbezogen worden und hat wegen
seiner Bedeutung für die Bremsfrage noch weiter an Aktualität gewonnen.
Wenn ich hiermit auch nur ein flüchtiges Bild über die Beurteilung des Hartgußrades
entwerfen konnte, so glaube ich doch die Grundlagen hervorgehoben zu haben, auf
denen sich seine Entwicklung unter Vereinigung aller Kenntnisse und Kräfte gegen
etwa noch bestehende Meinungsverschiedenheiten und Zweifel unausgesetzt und
bestimmtest ebenso weiter vollziehen wird, wie es der Fortschritt der Wissenschaften
auf allen Gebieten bisher bewiesen hat.