Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | Sbr. |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 20 |
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Polytechnische
Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Die 9. Hauptversammlung der Brennkrafttechnischen Gesellschaft
in Dresden am 3. und 4. Dezember 1926. Zum ersten Male hielt die
Brennkraft-technische Gesellschaft ihre Hauptversammlung außerhalb Berlins ab.
Befürchtungen, der Besuch möchte deshalb weniger rege als sonst sein, haben sich als
unbegründet erwiesen, es sei gleich hier festgestellt, daß diese Dresdner Tagung
einen vollen Erfolg bedeutete.
Nachdem am 3. Dezember eine Sitzung des Hauptausschusses den Auftakt gegeben hatte,
begann der 4. Dezember in der Aula der Technischen Hochschule mit einer
geschäftlichen Sitzung, an die sich der wissenschaftlich-technische als öffentlicher
Teil anschloß.
Nach einer kurzen Begrüßungsansprache des Vorsitzenden Generaldirektors Henrich,
eröffnete Dipl.-Ing. M. Biener von der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. Richard
Hartmann, Chemnitz, die Vorträge mit dem Thema: Neuzeitliche Kraft- und Wärmeanlagen
in Textil- und Papierfabriken. Die Nöte der Kriegs- und Nachkriegszeit, so führte
der Redner aus, haben die Industrie zu allergrößter Sparsamkeit gezwungen. Demgemäß
haben viele Firmen bereits ihre Betriebsmittel umgestaltet und verbessert; in
manchen Betrieben allerdings wird auch heut noch sehr unwirtschaftlich verfahren. Es
sind Kohlenkonten zu führen, die über Art, Herkunft, Preis, Verbrauch usw. an Kohle
Aufschluß geben. Das ergibt die Rohbilanz, die eine ständige Kontrolle des
Kohlenverbrauchs im Verhältnis zum Fertigfabrikat nötig macht. In dieser Bilanz sind
zu unterscheiden:
1. Kessel-, d. i. Kohlenverbrauchsanlage,
2. Die Kraftmaschine, das ist die Krafterzeugungsanlage.
3. Die Kraftübertragung, das ist die
Kraftverbrauchsanlage.
4. Die Dampf- bzw. Wärmeübertragungsanlage.
5. Die Abdampfverwertungsanlage.
Der Redner besprach diese Fälle und ging dann zum Schlusse seiner Ausführungen noch
auf die Einzylinder-Gegendruckmaschine, die Verbunddampfmaschine mit
Zwischendampfentnahme und Vakuumheizung, die Zwillingsdampfmaschine mit
Abdampfverwertung sowie auf das Prinzip der Hochdruck-Vorschaltmaschine ein, die
zweckmäßig mit 30–40 at Eintrittsspannung und 12 at Gegendruck ausgeführt wird und
deren nachträgliche Hinzufügung zu älteren Anlagen – abzusehen natürlich von den neu
aufzustellenden Hochdruckkesseln – mit verhältnismäßig geringen Kosten verknüpft
ist.
Für den zweiten Vortrag hatte Dr.-Ing Dolch, Direktor des Universitätsinstitutes für
technische Chemie in Halle (Saale), das Thema gewählt: Die Verschwelung der Kohlen
als wirtschaftliches Problem. In heutiger Zeit hat jede Behandlung der
Kohlenverschwelung noch recht problematischen Charakter, weil die technische
Durchführung noch der festen Form entbehrt und eine Vielheit recht verwickelter
Fragen noch der Lösung harrt, ja, selbst die Grundlagen des Problems in
wirtschaftlicher Beziehung noch sehr umstritten sind. Ausgangspunkt bildet die
Aufgabe, aus der Kohle – zunächst der Braun-, dann aber auch der Steinkohle
– flüssige Brennstoffe herauszuwirtschaften. Die Richtlinien für die weitere
Entwicklung der Verschwelung sind heute ebenfalls noch nicht einheitlich; man hat
vielmehr folgende drei Fälle zu unterscheiden:
1. Die Verschwelung als Fortsetzung der technisch und wirtschaftlich wohl
befriedigenden, aber bis zu einem gewissen Grade überholten Verschwelung der
mitteldeutschen Braunkohle.
2. Die Verschwelung von Braunkohle ganz anderer Art (Lignitkohlen), deren Teergehalt
beträchtlich geringer als derjenige der deutschen Braunkohlen ist und bei denen die
Aufbereitung des Teers neue Fragen aufrollt.
3. Die Verschwelung der Steinkohlen.
In seinen tiefgründigen Ausführungen kam Dolch auch auf die sogenannte
Kohlenverflüssigung zu sprechen. Es sei zweifelhaft, ob sie bessere Ergebnisse als
die Verschwelung liefern kann, die ja als Rückstand noch hochwertigen Schwelkoks
ergibt. Für mitteldeutsche Braunkohle bietet die Verschwelung jedenfalls vorläufig
noch die besseren Aussichten, erst wenn ein Absinken des Teeranfalls eintreten
sollte, bedeutet die Verflüssigung für sie eine Gefahr.
Prof. Dipl.-Ing. Seidenschnur, Direktor des Braunkohlenforschungsinstitutes zu
Freiberg, sprach über den Stand der Schweltechnik nach den neuesten Forschungen.
Anknüpfend an die alte Streitfrage „Retorten oder Spülgasschwelung,“
berichtete er über in Freiberg angestellte Versuche, die diese Streitfrage ihrer
Lösung wohl erheblich näherbringen werden. Ein Mitarbeiter des Vortragenden,
Dipl.-Ing. Raithel, hat sich eingehend mit den „Grundlagen der
Braunkohlenentteerung mittels Spülgasen“ befaßt. Diese Arbeiten lassen die
großen Vorzüge des Spülgasverfahrens erkennen, das 100% Teerausbeute (gemäß Analyse
nach Fischer) ermöglicht. Die Temperatur kann dabei in einfacher Weise geregelt
werden, und da Spülgas den Prozeß beschleunigt, so sind große Durchsätze erzielbar.
Professor Seidenschnur machte auf die Fehler der bisherigen Schnelltrocknung
aufmerksam und zeigte, wie sie z.B. bei einem langsam arbeitenden Bandtrockner
vermieden werden können.
Als nächster Redner sprach Dr.-Ing. W. Anderhub von Escher Wyss u. Cie., Zürich,
über: „Neuzeitliche Dampfturbinenanlagen für hohe und höchste Drücke für
vereinigte Heiz- und Kraftbetriebe, mit besonderer Berücksichtigung der Textil-
und Papierindustrie.“ Der Vortragende behandelte dabei vorzugsweise die
Bedeutung des Hochdruckdampfes für vereinigte Heiz- und Kraftbetriebe. Diese
Bedeutung ist bei Gegendruckbetrieben anders als bei Kondensationsbetrieben zu
beurteilen, denn bei letzteren ist der Hauptzweck die Verbesserung des thermischen
Wirkungsgrades, bei ersterem dagegen Leistungssteigerung. Der Vortragende zeigte in
sehr interessanten Kurvendarstellungen für die verlustlose Turbine die Zusammenhänge
zwischen Druck und Leistung und legte dar, daß der thermische Wirkungsgrad des
Gegendruckbetriebes bei geschlossener Speisung 100% ist, während er bei gesondertem
Heizbetrieb und Krafterzeugung im Kondensationsbetriebe stets kleiner als 100% und
zwar um so kleiner ausfällt, je größer die Leistung wird. Er behandelte sodann
den Einfluß des Turbinenwirkungsgrades auf die Zusammenhänge von Heizfähigkeit,
Leistung und Dampfdruck.
An einem Beispiel aus der Zellstoffabrikation wurde von Dr.-Ing. Anderhub
nachgewiesen, daß mit neuzeitlichen Turbinen in Betrieben mit verhältnismäßig
kleinem Heizdampfverbrauch mit reinem Gegendruckbetrieb auszukommen ist. Am Schlusse
führte der Vortragende im Lichtbilde eine Reihe neuzeitlicher Zoelly-Turbinen vor,
wie sie von der Firma Escher Wyss & Cie. in ihren Werken zu Zürich und
Ravensburg hergestellt worden sind, bzw. werden. Von besonderem Interesse waren
dabei eine bei S.S.W. in Berlin-Siemensstadt bereits in Betrieb befindliche
1000pferdige Turbine für 1000 atm. Betriebsdruck, 15 atm Gegendruck, 400 C
Dampftemperatur, n = 10000/Min., untersetzt auf 3000/Min., ferner eine zurzeit in
der Werkstatt fertiggestellte, in Hoch- und Niederdruck unterteilte Turbine für
3700-PS-Leistung, 180 atm Betriebsdruck und 420 C Dampftemperatur; bei dieser Anlage
beträgt das Druckgefälle des Hochdruckteiles (180–34) atm, das des Niederdruckteiles
(34 bis 6,5) atm.
Oberingenieur Schultz von den S.S.W. Berlin-Siemensstadt besprach nunmehr die
elektrischen Kraftanlagen in Textilfabriken. Die Textilindustrie zeichnet sich durch
die große Zahl und Mannigfaltigkeit der von ihr verwendeten Arbeitsmaschinen aus.
Dementsprechend sind auch die Aufgaben, die sie für den elektrischen Einzelantrieb
stellt, sehr verschieden und umfangreich.
Der elektrische Einzelantrieb hat sich deshalb durchgesetzt, weil die Elektrizität
ein bequemes Energie- und Transportmittel darstellt und die zugeführte Energie mit
Hilfe des Elektromotors in einfachster Weise in mechanische Arbeit umgewandelt
werden kann. Während man bei mechanischen Antrieben an bestimmte Leistungsgrößen
gebunden ist, also bei Überschreitung gewisser Leistungsgrenzen verschiedene
Kraftstellen im Werke anordnen muß, gibt die Elektrizität die erwünschte Möglichkeit
zum Einzelantrieb trotz Zentralisierung der Primärkraftstation. Der Einzelantrieb
aber gibt mannigfache Vorteile. Von den Antrieben für die Spinnerei erläuterte
Schultz die regelbaren Drehstrom-Spinnmotoren und ihre Arbeitsweise. Interessant war
hierbei die Mitteilung, daß neuerdings an Stelle der Reihenschlußmotoren, die
ziemlich drehzahlempfindlich sind, Nebenschlußmotoren verwendet werden, die
dieselben Eigenschaften wie die bekannten Gleichstromnebenschlußmotoren besitzen.
Das ist besondevs wichtig beim Anschluß an Überlandzentralen, in denen größere
Stromschwankungen vorkommen.
Eine große Zahl von Lichtbildern zeigte, wie mannigfaltig die Elektrotechnik heute
bereits in Textilfabriken Verwendung findet und in wie hohem Maße sie sich den
besonderen Anforderungen dieses Gebietes anzupassen verstanden hat. Das gleiche
Urteil läßt sich auch für die elektrischen Kraftanlagen in Papierfabriken abgeben,
die Oberingenieur O. Kessler, ebenfalls von den S.S.W. in Berlin-Siemensstadt, unter
Vorzeigung einer schier erdrückenden Fülle von Lichtbildern eingehend besprach. Die
elektrische Kraftübertragung, so leitete der Redner seinen Vortrag ein, hat sich in
Papierfabriken trotz anfänglicher Widerstände heute auf
der ganzen Linie durchgesetzt, da sie ein unentbehrlich gewordenes Hilfsmittel
zur Rationalisierung der Produktion und Wahrung höchster Wirtschaftlichkeit und
größter Betriebssicherheit ist. Die höchste Wirtschaftlichkeit der elektrischen
Kraftübertragung ist erreichbar, wenn der Elektromotor möglichst in direkter
Kupplung oder mit einer einfachen Riemen- oder Zahnräderübertragung die
Arbeitsmaschine selbst antreibt. Die elektrische Kraftübertragung schafft den großen
produktionstechnischen Vorteil, daß man die Arbeitsmaschine ohne Rücksicht auf ihre
Antriebsverhältnisse so aufstellen kann, wie es der rationelle Produktionsgang
erfordert. Der Vortragende erläuterte nun die Ausführung des elektrischen
Einzelantriebes an den hauptsächlich in Betracht kommenden Arbeitsmaschinen der
Papierfabrikation, und zwar in der Holzschleiferei, bei den Holländern und
Kegelstoffmühlen sowie beim Antrieb des konstanten und variablen Teiles der
Papiermaschine. Am schwierigsten war die Lösung des Problems, den variablen Teil der
Papiermaschine elektrisch anzutreiben. Man verwendet jetzt allgemein hierfür die
Leonard-Schaltung. Die Entwicklung großer schnellaufender Papiermaschinen zur
Massenherstellung von Zeitungspapier war nur durch Verwendung des elektrischen
Einzelantriebes an den einzelnen Gruppen der Papiermaschine selbst möglich. Auch bei
der Beschaffung von Feinpapiermaschinen muß heute die Frage, ob besser
Transmissionsantrieb oder elektrischer Einzelantrieb zu wählen ist, sorgfältig
geprüft werden.
Als letzter Redner erhielt sodann Direktor Lest von der Muskauer Papierfabrik Graf
Arnim, Muskau, das Wort zur Behandlung des Themas: Wärme- und Kraftwirtschaft im
Rahmen der Gesamtwirtschaft.
Die Aussprache wurde von Herrn Direktor Teufer, Berlin, eröffnet, der über die in der
Textilveredlungsindustrie zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ergriffenen Maßnahmen
berichtete.
Über verschiedene Einzelheiten zu den VortѲägen sprachen dann noch Direktor Lösel,
Dipl.-Ing. Strecker und Dipl.-Ing. Vorbrodt.
Der Vorsitzende, Generaldirektor Henrich, schloß hierauf die 9. Hauptversammlung der
Brennkrafttechnischen Gesellschaft mit Worten des Dankes.
Zur Frage der Konzessionen in Rußland. Nach den letzten
russischen Angaben verteilen sich die wichtigsten Konzessionen auf folgende Länder:
Deutschland 20, England 16, Amerika 11, Schweden 4, Frankreich 3 usw.; auf die
Montanindustrie erstrecken sich hiervon am meisten: 20, Verarbeitende Industrie 19,
Baugewerbe 2 usw. In der letzten Zeit ist in Deutschland offenbar ein Abflauen des
Interesses an den Konzessionen in Rußland eingetreten. Die Gründe hierfür sind nicht
schwer zu finden. Die Schaffung von Konzessionsunternehmungen bedingt eine
Aufwendung von neuem in der Produktion anzulegenden Geldkapital, das man dort sicher
nur anlegen wird, wenn man sich eine höhere Verzinsung verspricht als in
Deutschland, abgesehen von Einzelfällen, wo für spätere Interessen auch momentan
Opfer gebracht werden. Da außerdem Konzessionen langfristige Kapitalanlage bedeutet,
konnte bei den zeitweilig sehr hohen Zinssätzen in Deutschland für
langfristiges Geld ein ebenso hoher Gewinn aus Konzessionen in Rußland nicht
vorausgesetzt oder auch nur erhofft werden.
In der Krisenperiode der deutschen Wirtschaft tauchte oft von deutscher Seite der
Gedanke auf, ganze Unternehmungen, für deren Produkte in Deutschland kein Absatz zu
finden war, nach Ruß-Land zu verkaufen bzw. als Konzessions-Unternehmen
hinüberzutransportieren. Von der großen Anzahl dieser Angebote wurde bisher nur eins
von den Sowjetleuten zum Abschluß gebracht (Rheinmetall, Lokomotivfabrik). Die
Gründe hierfür hat man in folgendem zu sehen: Die Bewertung von ganzen
Industrieunternehmungen bei einer Ueberführung in ein anderes Land ist
außerordentlich schwierig. Die Loslösung der ganzen Maschinerie von ihrem Standort,
die Ueberführung derselben nach Rußland, der Verlust des Absatzes und der
Bezugsquellen für Rohstoffe, das alles vermindert natürlich den Wert der Ausrüstung.
Hinzu kommt noch, daß große Kosten durch den notwendigen Bau von Fabrikgebäuden in
Rußland für die Unterbringung der Ausrüstung entstehen. In dem Falle der erwähnten
Lokomotivfabrik kamen noch erschwerend für die Verhandlungen die
Absatzschwierigkeiten hinzu, in denen sich die deutschen Lokomotivfabriken befinden,
was die gegnerische Partei natürlich ausunutzen versuchte.
Nun ist in den letzten Monaten eine Veränderung auf dem Geldmarkt insofern
eingetreten, als er durch das Vorhandensein größerer Mengen freien Geldkapitals
außerordentlich flüssig geworden ist. Dies drückt sich vor allem in der Tatsache
aus, daß die Zinssätze nicht nur für tägliches Geld sanken (3% und darunter),
sondern auch für Monatsgeld (5%) und länger, während der Reichsbankdiskont 5%
beträgt, ein Satz, der nur von den nordischen Ländern und Holland in Europa
unterboten wird. Dies bedeutet, daß, wenn es sich um die Möglichkeit einer neuen
Kapitalanlage in Rußland handelt, der Rentabilitätsvergleich nicht mehr mit dem
Zinssatz für Geldkapital, sondern mit der bei einer industriellen Anlage in
Deutschland selbst erreichbaren Profitrate zu ziehen ist. Man wird sich also bei der
Anlage von Kapital für das Land entscheiden, in welchem man für die Zukunft mit
einem höheren Gewinn rechnen zu können glaubt.
Nun ist anzunehmen, daß nach Beendigung des englischen Bergarbeiterstreiks, wenn auch
nicht sofort, so doch nach einiger Zeit, die Lage der deutschen Industrie wieder
schwieriger werden und der Absatz auf dem Weltmarkte wieder auf größere
Schwierigkeiten stoßen wird. Ferner ist in Betracht zu ziehen, daß nach der
Modernisierung der technischen Einrichtungen der Industrie eine Erhöhung der
Produktion und damit unweigerlich die Notwendigkeit sich ergeben wird, eine noch
größere Menge der Produktion als bisher auf dem Weltmarkt abzusetzen. Da dies nur
unter Preisopfern möglich sein wird, wird die Durchschnittsdividende in Deutschland
nach wie vor eine niedrige sein und es wird wenig aussichtsreich bleiben,
Geldkapital in neu zu schaffenden industriellen Unternehmungen anzulegen. Es scheint
somit die Möglichkeit in Zukunft eher zu bestehen
deutscherseits Kapital im Auslande und auch in Konzessionen in Rußland
anzulegen.
Die Sowjetregierung wird auch in Zukunft aus mehreren Gründen gezwungen sein,
deutschen Konzessionären in jeder Weise entgegenzukommen. Die Ausdehnung, oder
überhaupt das Wiederaufleben der industriellen Produktion war in Rußland nur möglich
durch restlose Ausnutzung der vorhandenen Produktionsanlagen. Da aber
zugegebenermaßen selbst bei der für jeden Industriezweig vorgesehenen Erhöhung der
Produktion für 1926/27 die Aufnahmefähigkeit des bäuerlichen Marktes größer ist und
bleiben wird, so ist die weitere Ausdehnung der industriellen Produktion für die
Sowjetunion eine zwingende Notwendigkeit. Da also die ökonomische Möglichkeit
besteht, deutsches Kapital für Unternehmungen in Rußland bereitzustellen, so kann
man wohl für die Zukunft mit einer Belebung auf dem Gebiete der Konzessionen
rechnen. Was auch immer bisher über die angeblichen Schädigungen, die deutsche
Konzessionäre in Rußland durch amtliche Stellen erfahren haben sollen, in die Presse
gedrungen ist, zahlenmäßig belegte Beispiele hat man nie dafür bisher erhalten
können; wohl aber ist im Gegenteil durchaus einwandfrei festgestellt worden, daß
sich z.B. die Wirthsche Holzkonzession mit ihren Sägewerken, Papierfabriken usw.
weit über den ursprünglich vorgesehenen Rahmen hinaus entwickelt hat.
Aus einer offiziellen russichen Aufstellung, die in einem ganz andern Rahmen
veröffentlicht wurde, sie sollte den Umfang der russischen Industrie darstellen,
geht übrigens hervor:
Der Wert der Produktion betrug pro Arbeiter in Rubel pro
Jahr (1925/26):
Maschinenbau:
staatlich
1940
privat
3710
ein konzessionierter Betrieb
4005
und
Chemische Industrie:
staatlich
5459
privat
8605
ein konzessionierter Betrieb
38400
Woraus wohl hervorgeht, daß das in Konzessionen angelegte Kapital sich wohl ganz gut
verzinsen wird, wenn man außerdem noch beachtet, daß die Produktionszahlen, die oben
für staatliche und private Betriebe angegeben wurden, annähernd den in europäischen
Industrieländern üblichen entsprechen.
Rgl.
Gebrauchserlaubnis für Kraftomnibuslinien? – Eine
Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26.11.26. 78 T 1925. –
1. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat entschieden: An öffentlichen Straßen und
Plätzen steht einer Stadtgemeinde sowohl privatrechtliches Eigentum zu, sowie auch
ein öffentlich-rechtliches Wegeherrschaftsrecht. Da aber die öffentlichen Wege dem
Gemeingebrauch dienen, ist eine gewisse Einschränkung der gemeindlichen Rechte von
selbst gegeben, d.h. die Gemeinde muß sich die Benutzung der Wege in mancherlei
Hinsicht gefallen lassen.
So ist z.B. die Benutzung einer Straße durch Automobile etwas, was die Gemeinde
im Hinblick auf die neuzeitliche Verkehrsentwicklung zu konzedieren hat. Hieran wird
nichts dadurch geändert, daß das Befahren einer Straße in regelmäßigen Zeitabständen
erfolgt. Auch sind die Interessen der Gemeinden durch § 3 des Gesetzes über
Änderungen im Polizeiwesen vom 27. 6. 21 (Rgbl. S. 199) geschützt, wonach die
Polizei im Einvernehmen mit der Gemeinde vorzugehen hat. Will sich eine Gemeinde
gegen übermäßige Abnutzung der Straßenoberfläche schützen, so steht ihr zufolge § 17
des Wegebaugesetzes vom 12. 1. 70 das Recht zu, unter Umständen einen Kostenbeitrag
zu verlangen.
2. In vielen Fällen wird jedoch durch eine örtliche Polizeiverordnung die regelmäßige
Benutzung einer Straße von der Zustimmung der Gemeinde abhängig gemacht werden. Auch
hat sie zufolge § 76 Gewerbeordnung einen Einfluß auf die Tarifgestaltung.
3. Dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht lag ein Fall zur Entscheidung vor, wo
infolge einer Polizeiverordnung ohne Zweifel eine Konzessionspflicht für den
Unternehmer einer solchen Omnibuslinie bestand. In dem Kompetenzstreit, der zwischen
Staat und Gemeinde entbrannt war, entschied das Oberverwaltungsgericht zugunsten des
Staates mit folgender Begründung:
„Wenn im vorliegenden Falle das Sächsische Ministerium des Innern den
Kompetenzstreit selbst zu lösen versucht hat, indem es die Zustimmung des
Staates für erforderlich erklärte, so ist diese Entscheidung zu billigen. Die
Behauptung der Stadt, ihr Wege-Hoheitsrecht sei verletzt worden, ist
unrichtig.“
Zufolge § 97 der Sächsischen Gemeindeordnung gehört die Sicherheits- und
Verkehrspolizei zu den staatlichen Aufgaben, die lediglich den Gemeinden
delegiert werden können. Die Regelung des Kraftlinienwesens ist
verkehrspolizeilicher Natur; somit auch die Konzessionserteilung für ein
derartiges Unternehmen. Es bedarf daher der Zustimmung des Staates, im vor.
Falle also der Zustimmung der Kreishauptmannschaft.“
L. Oppenheimer.
Kennfarben für Rohrleitungen. Der Fachnormenausschuß für
Rohrleitungen, Gruppe Farben für Rohrleitungen, hat der Oeffentlichkeit soeben das
Normblatt über Kennfarben für Rohrleitungen übergeben.Normblatt DIN 2403e „Kennfarben für Rohrleitungen“
Als Grundfarbe wurde festgelegt für
Dampf
rot
Lauge
lila
Wasser
grün
Oel
braun
Luft
blau
Teer
schwarz
Gas
gelb
Vakuum
grau
Säure
orange
Die weitere Unterteilung für die verschiedenen Arten der Leitungsinhalte geschieht
durch farbige Querbänder, deren Tönung in einigen Fällen ebenfalls von der früheren
abweicht. Die Anbringung der Farbkennzeichen ist jedem Betriebe überlassen. Die
obigen Grundfarben sollen möglichst auch bei Rohrplanzeichnungen angewandt werden.
Dem Verwendungszweck entsprechende Unterscheidungen sind durch hellere oder dunklere
Abtönung der Grundfarbe herbeizuführen und in einer Farbtafel auf den Rohrplänen zu
erläutern.
Sbr.