Titel: | Neuerungen im Fernsprechleitungsbau. |
Autor: | O. Fulda |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 111 |
Download: | XML |
Neuerungen im Fernsprechleitungsbau.
Neuerungen im Fernsprechleitungsbau.
mf. 1. Die Verkabelung der Ortnetze. (Nachdruck
verboten.) Vor aller Augen und doch ganz unbeachtet vollzieht sich in den
Großstädten ein Umbau der Fernsprechnetze. Die Massen von Fernsprechdrähten, die
noch vor einem Jahrzehnt den Himmel des Großstädters verfinsterten, sind in Berlin
bereits verschwunden, die schweren Dachgestänge sind abgebaut und die früher fast
täglichen Besuche des Telegraphenarbeiters auf dem Dachboden haben aufgehört: So ist
eine fühlbare Entlastung des Hauses eingetreten.
Der Grund für diese Maßnahme ist weniger in der Menschenfreundlichkeit der Deutschen
Reichspost zu suchen, als in der Unmöglichkeit, die immer wachsende Zahl von Drähten
noch auf den Dächern unterzubringen. Betrug doch allein das Drahtgewicht der
Anschlußleitungen eines mittleren Berliner Fernsprechamts mit 5000 Anschlüssen, also
10000 Drähten, für die ersten 100 Meter vom Amt ab schon über 17000 Kilogramm. Dazu
kam noch mehr als das doppelte Gewicht an Isolatoren und Dachgestängen, ferner
Winddruck und im Winter Schneelast und Rauhreif. So große Lasten trägt kein Berliner
Dachstuhl. Auch der Raumbedarf der Gestänge führt zu unmöglichen Zahlen, da bei
Verteilung dieser Leitungen auf 20 Querträger (also 7 Meter Gestängehöhe über dem
Dach) jeder Querträger über 70 Meter lang werden müßte, wobei durch die Drähte eine
Himmelsfläche von 1500 Quadratmeter verdunkelt und eine ebensogroße Segelfläche dem
Angriff des Sturmwindes ausgesetzt worden wäre.
So mußte also die Reichspost andere Wege zur Unterbringung der Anschlußleitungen
suchen: sie fand sie in der Anwendung unterirdischer Kabel, der sogenannten
Verkabelung der Netze. Die mit Gummi oder Guttapercha isolierten Kabel, wie sie seit
Siemens Zeiten für Telegraphenzwecke verwendet werden, waren freilich für
Fernsprecherei nicht brauchbar, weil die Gummihüllen zu viel Strom verschluckten: Da
wurde das „Luftpapierkabel“ erfunden, bei dem jeder Draht lose in einer aus
Papier gewickelten oder gefalteten
Röhre liegt und fast ringsherum von Luft umgeben ist. Immer bessere
Faltungsarten wurden erfunden, so daß man schließlich 500 bis 700 Aderpaare, also
1000 bis 1400 Drähte in einem Kabel von 8,4 Zentimeter Dicke unterbrachte und jetzt
sogar tausendpaarige Kabel bauen will. Die guten Sprecheigenschaften des Kabels
beruhen darauf, daß das die Drähte umgebende vollkommen trockene Papier sich fast so
wie Luft verhält: es kommt nun nur darauf an, dauernd jede Spur von Feuchtigkeit
fern zu halten. Dies ist durch Umpressen des Kabels mit einem nahtlosen und völlig
wasserdichten Bleimantel von 1,5 bis 3 Millimeter Stärke gelungen, der nach
anfänglichen üblen Erfahrungen jetzt durch einen Zinnzusatz haltbar gemacht worden
ist. So ist das Bleikabel oder Röhrenkabel entstanden. Gegen mechanische Angriffe
leistet allerdings die dünne Bleischicht nicht viel Widerstand und verträgt weder
Knicke noch unsanfte Berührung mit Spaten und Kreuzhacke: das kleinste Loch des
Bleimantels hat bei den unterirdisch verlegten Kabeln unweigerlich ein
„Ersaufen“ des Kabels und damit seine völlige Unbrauchbarkeit zur Folge.
Man schützt daher die Bleikabel dort, wo sie frei in der Erde verlegt werden sollen,
durch eine Bewehrung, meist einer Bandeisenumwicklung mit Jutepolsterung, und nennt
sie „Erdkabel“.
In den Großstädten, wo oft in einer Straße eine große Anzahl solcher Kabel
unterzubringen ist, verlegt man die blanken Röhrenkabel in Kabelkanäle, die unter
den Bürgersteigen aus Zementsteinen, an Straßenkreuzungen aus Eisenröhren
hergestellt sind. Die gebräuchlichsten Kabelsteine haben 4 röhrenförmige Oeffnungen
von je 10 Zentimeter Durchmesser, stellen also gleichzeitig 4 Einzelkanäle für je
ein Kabel her. Durch Ueber-einander- oder Nebeneinanderpacken solcher Steine baut
man in den Hauptstraßen Kanalbündel von 24 und mehr Oeffnungen. In diese Kanäle
ziehen die Bautrupps die blanken Bleikabel mit Motorwinden von Kabelbrunnen aus ein,
wobei sie große Sorgfalt und Kunstfertigkeit darauf verwenden, jede Verletzung des
Bleimantels zu verhindern. So können jetzt unter einem Bürgersteig bequem und ohne
jede dauernde Beeinträchtigung des Verkehrs zehntausende von Anschlußleitungen
untergebracht werden.
Die großen Verteilungskabel verzweigen sich in den Großstädten weiter durch
fingerstarke unterirdische Verteilungskabel in die Häuser, wo sie in Endverzweiger
auslaufen, die an den Hofseiten der Häuser oder in den Treppenhäusern angebracht
sind, Topfform haben und meist für 5 oder 10 Anschlüsse eingerichtet sind. Von ihnen
aus führt zu jedem Fernsprechanschluß im Hause ein besonderes dünnes zweiadriges
Bleikabel. Eine solche rein unterirdische Verteilung lohnt sich aber nur dort, wo
fast in jedem Haus mehrere Fernsprechanschlüsse sind. In unseren Mittel- und
Kleinstädten ist dies noch nicht der Fall. Daher finden wir dort eine gemischte
Verteilung, indem wohl die Hauptverteilung vom Amt aus zu den verschiedenen
Stadtvierteln durch vielpaarige Kabel bewirkt wird, die weitere Einzelverteilung
aber von Kabelaufführungspunkten aus noch oberirdisch durch Freileitungen über die
Dächer erfolgt.
Ein wichtiger Vorteil der unterirdischen Verteilung ist die sichere Lage der
Leitungen, die verhindert, daß der Fernsprecher bei jedem schweren Sturm für ganze
Stadtviertel gestört wird. Aber auch gegen eine andere Witterungserscheinung ist der
Fernsprecher jetzt gesichert: Das Gewitter, das früher zum Ausschalten der Leitungen
zwang, hat jetzt an den unterirdischen Kabelleitungen keinen Angriffspunkt mehr, so
daß vielfach sogar während des Gewitters gesprochen werden kann. Die verhältnismäßig
geringen Knallgeräusche, die jeder Blitz jetzt noch erzeugt, kommen hauptsächlich
von der Gewittereinwirkung auf die in den Höfen an den äußeren Hauswänden
hochgeführten Enden der Anschlußleitungen: sie verringern sich bedeutend in solchen
Häusern, in denen vorausschauende Bauherren und Baumeister aufsteigende Kabelkanäle
oder Isolierrohre in den Treppenhäusern für die Zuleitungen in die Wohnungen haben
aussparen lassen. Diese Rohranlagen, für die jedes Telegraphenbauamt bereitwilligst
die nötigen Abmessungen angibt, ersparen zugleich auch alle Außenarbeiten an den
Wänden und beschleunigen und verbilligen die Anlegung der Anschlüsse. Es kann daher
dringend empfohlen werden, beim Bau von großstädtischen Mietshäusern immer solche
Rohranlagen herstellen zu lassen.
O. Fulda.
2. Der Luftkabelbau. Die immer mehr zunehmende Ausbreitung
des Fernsprechers ließ in mittleren und kleineren Städten, ja selbst stellenweise
auf dem Lande, groeß Schwierigkeiten bei der Unterbringung der zahlreichen
Anschlußleitungen auf den Gestängen entstehen. Vielfach mußten längs einer Straße 30
bis 60 Anschlußleitungen untergebracht werden, so daß schwere Gestänge entstanden,
die als Dachgestänge nur von gut gebauten Häusern getragen werden konnten, als
Bodengestänge aber durch die notwendige schwere Ausführung viel Raum in den Straßen
wegnahmen und starke Ausästungen der Straßenbäume erforderten. In ihren Drähten
blieben herabfallende Zweige leicht hängen und verursachten Kurzschlüsse, ferner
brachen in jedem Winter durch Rauhreif und Schneelast einzelne solcher
schwerbelasteten Gestänge zusammen. Das gab dann Massenstörungen, die oft mehrere
Tage lang jeden Verkehr lahmlegten.
In den Ortschaften hatte man die schweren oberirdischen Linien durch unterirdische
Kabel ersetzt: Es lag nahe, das gleiche Mittel auch zur Entlastung der ländlichen
Anschlußgestänge zu versuchen. Indessen zeigte es sich, daß der Fernsprecher auf dem
Lande noch zu sehr in der Entwicklung begriffen ist: Wo heute ein Gestänge mit 40
Leitungen war, können in 3 Jahren vielleicht 50, vielleicht aber auch 100 bis 200
Leitungen nötig sein. Andererseits ist zurzeit im Zusammenhang mit der Einführung
des Selbstanschlußbetriebes eine Neuordnung der Fernsprechnetze im Gange, durch die
vielfach mehrere kleinere ländliche Vermittlungen zu einer größeren zusammengefaßt
werden: So kann es auch umgekehrt zu einer Verminderung der auf irgend einer Straße
notwendigen Leitungszahl kommen.
Bei so unsicheren Zukunftsaussichten ist es meist nicht wirtschaftlich, nach dem
Muster der
Großstadt unterirdische Kabel zu verlegen, weil Veränderungen an den in den
Kunststraßen verlegten Erdkabeln durch die Erdarbeiten sehr teuer werden. Man
versuchte daher, die Vorteile des Kabels mit den Vorteilen der Freileitung zu
vereinigen und hängte dünne bleiummantelte Kabel von 10 bis 100 Aderpaaren, also 2
bis 4 Zentimeter Dicke, mit einem stählernen Trageseil an gewöhnlichen
Fernsprechgestängen auf. Versuchsbauten dieser Art, die schon eine Reihe von Jahren
im Betriebe waren, hatten sich im allgemeinen bewährt. Auch im Kriege hatten
einzelne Fernsprechabteilungen in den Krtsunterkünften höherer Stäbe solche
vielpaarigen Luftkabel mit Nutzen angewendet und stellenweise bei Quartierwechsel
sogar mehrfach abgebaut und wieder neu eingebaut. Da auch im Auslande, besonders in
Schweden und Amerika, diese Bauart zunahm, führte das Reichspostministerium durch
die im Jahre 1921 erschienene „Telegraphenbauordnung“ das Luftkabel als
planmäßige Bauform ein.
Schwer war es allerdings, das anfängliche Mißtrauen der für die
Leitungsinstandhaltung verantwortlichen Stellen der Verwaltung gegen die neue Bauart
zu überwinden, zumal tatsächlich auf solchen Linien, wo noch Bleimäntel ohne den
zähigkeitserhöhenden Zinnzusatz eingebaut waren, einzelne Kabelbrüche vorkamen. Doch
bald wurde diese Fehlerquelle verstopft, und es wurden auch noch andere
Verbesserungen eingeführt, die in der neuen „Luftkabelbauvorschrift“ von 1925
zusammengefaßt sind. Für die Fernsprechteilnehmer brachte der Ersatz der blanken
Leitungen durch Luftkabel eine große Verbesserung der Verständigung. Namentlich
verringerte der schützende Bleimantel in Verbindung mit der unveränderlich genauen
Anordnung der Einzeldrähte zueinander die Induktionsstörungen von benachbarten
Starkstrom-und Telegraphenleitungen sehr, schränkte auch das lästige Mitsprechen
anderer Leitungen stark ein.
Einen mächtigen Antrieb erhielt das neue Bauverfahren dann noch durch das Vordringen
des Selbstanschlußbetriebes. Bei dieser Betriebsart werden die Verbindungen vom
Teilnehmer selbst mit der bekannten Nummerscheibe hergestellt, indem diese bei ihrer
Rückdrehung Stromstöße zum Amt sendet; diese Stromstöße setzen die Wähler auf dem
Amt so in Bewegung, daß diese auf die gewünschte Nummer rücken. Ganz ähnliche
Stromstöße kommen aber in die Leitungen, wenn draußen an der Straße ein Draht der
Freileitung durch den Wind gegen einen Nachbardraht geschlagen wird. Geschieht dies
während des Wählens, so rückt der Wähler eine Nummer zu weit, und der Teilnehmer
erhält statt der gewünschten Nummer 331 vielleicht die Nummer 431, mit der ihm wenig
gedient ist. Geschieht die Drahtberührung aber, nachdem die Verbindung bereits
hergestellt ist, so wirkt sie ebenso, wie wenn der Teilnehmer aufgelegt hätte: die
Wähler trennen die Verbindung. Beides ist gleich unangenehm und führt zu Beschwerden
der Teilnehmer, kann auch, wenn es öfter vorkommt, den ganzen Verkehr lahmlegen.
Daher mußten die blanken Leitungen für den Selbstanschlußbetrieb durch Verdoppelung
der Drahtabstände gänzlich umgebaut werden, so daß jeder Querträger nur noch
halb so viele Leitungen tragen konnte wie früher. Nun war man vielfach in großer
Verlegenheit, wenn das Gestänge nicht zur Verdoppelung der Querträgerzahl
ausreichte.
Hier trat helfend das Luftkabel ein. Es schließt solche Drahtberührungen aus, wird
von darauf-fallenden Baumzweigen und Rauhreif kaum gefährdet, belastet das Gestänge
weniger und ist überhaupt kleineren Störungen viel weniger ausgesetzt als eine
blanke Leitung. Außerdem ist es schnell an jedem gutgebauten Fernsprechgestänge
verlegbar und wird bei größeren Drahtzahlen sogar billiger als blanke Leitungen. Die
Luftkabelverwendung hat daher im letzten Jahre außerordentlich zugenommen: in jedem
Baubezirk sieht man die neuen Luftkabel, ganz besonders dort, wo der Uebergang zum
Selbstanschlußbetrieb bevorsteht.
Meist werden vorhandene Gestänge so umgebaut, daß die daran geführten
Anschlußfreileitungen durch ein Luftkabel ersetzt werden oder so, daß am Gestänge
unter den Freileitungen noch ein oder mehrere Luftkabel aufgehängt werden.
Stellenweise werden aber auch neue Gestänge für Luftkabel errichtet.
Die Anbringung des Luftkabels wird durch das Auslegen des Trageseiles eingeleitet,
für das je nach Spannweite und Luftkabelgewicht drei Sorten von Stahlseilen in
Stärke von 7 bis 10 Millimeter zur Auswahl stehen. Es wird an den Stangen sehr
sorgfältig mit Seilschellen und Bolzen, an Querträgern mit Hakenschrauben
aufgehängt. Sein Durchhang wird erheblich größer gemacht als der Durchhang von
Eisen- und Bronzedrähten. Dann erst wird das eigentliche Luftkabel mit Haken alle 50
bis 75 Zentimeter am Tragseil so aufgehakt, daß es überall locker hängt, damit die
mechanische Beanspruchung überall allein vom Trageseil aufgenommen wird. Namentlich
an Fest- und Winkelpunkten muß das Kabel ganz lose in leichtem Bogen hängen und darf
nirgends die Stangen berühren oder sich gar an ihnen scheuern können. Zu den
schwierigsten Stücken des ganzen Luftkabelbaues gehörten die Tragehaken, mit denen
das Kabel aufgehängt ist. Sie haben sehr eingehende Versuche nötig gemacht, da
anfänglich der dünne Bleimantel des Kabels zu oft an den Aufhängestellen brach. Die
Tragevorrichtungen werden jetzt zweiteilig hergestellt; für den das Kabel
berührenden Teil haben sich breite Bänder aus weichem verbleitem Kupferblech, die
das Kabel fest umschließen, als die zweckmäßigste Form bewährt, während diese mit
Oesen versehenen Bänder an die Tragseile durch kräftige Doppelhaken aus Bronzedraht
angehängt werden.
So ist in dem Luftkabel eine gänzlich neue Bauart von Fernsprechleitungen entstanden,
die die Unterbringung von viel mehr Leitungen an einem Gestänge ermöglicht und in
den Städten meist als Verlauf er eines unterirdischen Netzausbaues, auf dem Lande
aber, besonders in waldreichen und rauhreifgefährdeten Gegenden, auch als
Dauereinrichtung des Ueberlandnetzes anzusehen ist.
O. Fulda.