Titel: | Hundert Jahre Brom. |
Autor: | Landgraeber |
Fundstelle: | Band 342, Jahrgang 1927, S. 268 |
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Hundert Jahre Brom.
Hundert Jahre Brom.
Die Verwendung von Brom und seine Erzeugung hat in der Neuzeit erhebliche
Bedeutung erlangt. Brom gehört zu den wichtigeren Erzeugnissen der Kaliindustrie.
Seine fabrikmäßige Herstellung gelangte erst durch diese Industrie zu ihrer heutigen
Blüte. In Deutschland bestehen 12 Bromfabriken, die Chlorkaliumfabriken angegliedert
sind. Sie sind alle in dem neugebildeten Bromsyndikat vereinigt. Die größte
Erzeugung weist der Salzdetfurth-Westeregeln-Aschersleben-Konzern auf, der mit 25%
am Verkauf des Syndikats beteiligt ist. Es folgen alsdann der Wintershall-Konzern
mit einer Quote von 11%, Burbach-Konzern mit 10,75%,
Solvay-Werke mit 8,75%, Anhaltische Salzwerke mit 8,0%, Preussag mit 7,5%,
Neustaßfurt-Friedrichshall mit 6,75%, Hallesche Kaliwerke mit 6,75% und Conow mit
4,5%. Diese Zahlen sind die Beteiligungsziffern für 1925.
Die Bedeutung des Broms wird noch dadurch erhöht, daß das neuerfundene sog.
„Antiklopfmittel“ für Automobile als Hauptbestandteil Brom enthält. In
Amerika werden hierfür neuerdings größere Mengen verbraucht, um das Schlagen des
Motores zu verhüten. Weiter findet Brom Verwendung in der Photographie zur
Herstellung von Trockenplatten, Bromsilberpapieren, photographischen Präparaten
sowie als Verzögerer. In der analytischen Chemie wird es wegen seiner bequemeren
Handhabung und besseren Wirkung gegenüber dem Chlor bevorzugt. In der Mineralanalyse
dient es zum Aufschließen von Chrom-Eisenstein, zur Trennung von Nickel, Kobalt
u.a.m., Zinnfolie und Phosphorbronze. Bei der Goldextraktion kommt Bromcyan in
Anwendung. Große Mengen verbraucht die Farbstoffindustrie für Teerfarben sowie für
verschiedene Farbstoffe anstelle von Jod. Eosinfarbstoff ist reich an Brom. Zur
Herstellung von Berliner Blau- und bei der Permanganatfabrikation wird es wegen
seiner Oxidationsfähigkeit angewandt. Auch als Desinfektionsmittel in Form von
Bromkieselgur kommt es in Frage. 4 gr Brom genügen, um 1 cbm Raum zu desinfizieren.
In der Arznei hat es sich als Antiseptikum bei Wundbehandlung sowie zum Einpinseln
als sehr wertvoll erwiesen.
Brom ist eine dunkelbraunrote, schwere, ätzend wirkende Flüssigkeit von stehendem
Geruch. In festem Zustande (es erstarrt bei – 7,3° C) zeigt es bleigraue,
graphitähnliche Farbe. Obwohl es bereits von Liebig beobachtet aber nicht erkannt
worden war, wurde es vor hundert Jahren 1826 von Balard, chemischem Präparator an
der Akademie Montpellier, im Wasser des Mittelmeeres entdeckt. Balard hat es damals.
„Murid“ genannt. Als Gay Lussac, Vauquelin und Thenard den Vorschlag
machten, ihm den Namen Brom zu geben, erklärte er sich damit einverstanden. Im
Meerwasser ist es in Form von Magnesiumbromid enthalten. Das Tote Meer weist in 1000
g 37 g Brom auf. Im mittleren Meerwasser sind rund 0,06% enthalten. Im Kriege hat
Amerika versucht, Bromfabriken zur Darstellung aus Meerwasser zu errichten. Erst
neuerdings hat man dort ein Schiff ausgerüstet, das in der Nähe des Golfstromes die
Gewinnung von Brom aus Seewasser betreiben soll. Für die Verlegung des Betriebes auf
die hohe See war ausschlaggebend, daß der Bromgehalt dort verhältnismäßig höher ist,
als im küstennahen Wasser. Auch das Problem der Abwasserbeseitigung war maßgebend
für die Erstellung einer schwimmenden Bromfabrik. Dieses Ereignis ist einzigartig,
sowohl in der Geschichte der chemischen Industrie als auch in der der Schiffahrt.
Früher, seit 1846 stellte man in Amerika Brom aus Salzsolen der Salinen in Ohio,
Michigan, West-Virginia und Pennsylvanien her. Die dortigen Solen enthalten zwei bis
fünf Prozent. In jenem Gebiete kommt außerdem Brom als Bromargyrit, Mikrobromit
und Embolit vor. Auch in Steinkohlen ist es vielenorts in Spuren
anzutreffen.
Die reichsten Bromquellen der Welt sind jedoch die deutschen Kalisalzlager. Ihr
Gehalt an diesem wichtigen Stoff ist nur geringen Schwankungen unterworfen. In den
Zentren der Salzbecken wird er durchwegs etwas größer gefunden als in den
Randgebieten. In der Kieseritregion ist er stellenweise etwas höher als im
eigentlichen Carnallit, dem Hauptlieferanten für Brom. Der Bromgehalt der im
Carnallitbetrieb anfallenden Endlaugen wurde bereits frühzeitig erkannt. Er bildet
ein Endglied des Stammbaumzweiges im Fabrikationsprozeß der Kaliindustrie. Schon im
Jahre 1865, also vier Jahre nach Eröffnung der ersten Chlorkaliumfabrik, stellte es
Frank im Großbetriebe her. Brom wird durch Chlor aus seinen Verbindungen
freigemacht. Als Rohmaterial dient, wie gesagt, heute vornehmlich Carnallit, der als
Rohcarnallit 0,15 bis 0,25% enthält. Mengenmäßig geht fast alles Brom der
Chlorkaliumfabriken in die Endlaugen über, die durchschnittlich 0,2 bis 0,3%
aufweisen. Durch Einleiten von Chlor in bromhaltige Lösungen findet ein
Energieaustausch nach folgender Gleichung statt: MgBr2 + Cl2 = MgCl2 + Br2. Bei der ersten Apparatur von
Frank, die periodisch arbeitete, lieferte jede Charge 2 bis 2,5 kg Brom.
Durchschnittlich wurden hierbei nur 0,1% der in der Endlauge vorhandenen Mengen
gewonnen. Rationell war demnach das Verfahren nicht. Mit der Zeit wurde die
Leistungsfähigkeit infolge der Bedeutung, die Brom gewann, immer mehr
vervollkommnet. Der sogenannte Chlorierungsturm war der erste kontinuierlich
arbeitende Apparat. Anfangs dieses Jahrhunderts kamen zwei neue Verfahren, das von
Wünsche-Sauerbrey und das von Kubierschky in Anwendung, wodurch die Bromausbeute auf
90 bis 95% gesteigert werden konnte. Die Herstellung von Brom durch Elektrolyse der
Endlaugen konnte sich nicht durchsetzen.
Da Rohbrom 1–4% Chlor und andere unerwünschte Bestandteile enthält und deswegen
höchst selten im Handel verlangt wird, muß es noch einer Raffinierung unterzogen
werden. Entweder muß die Handelsware technisch rein, d.h. garantiert chlorfrei sein,
oder es darf höchstens mit einem Chlorgehalt von 0,3% verkauft werden. Die
Entchlorung geschah einst durch Schütteln mit Bromkalium oder Bromeisenlösung,
später nahm man die Reinigung durch Redestillation mittels Eisenbromid oder
Calciumbromid vor. Die Solvay-Werke destillieren Rohbrom ohne Anwendung von
Bromverbindungen durch langsame und vorsichtige Temperaturerhöhung innerhalb eines
gewissen Zeitraumes bis annähernd 59 Grad C. Das ist fast bis zum Siedepunkt des
reinen Broms, der bei 60 bis 61° C liegt.
Aus 6000 dz normalen Carnallits können bei einer wirtschaftlichen Ausbeute rund 350
kg flüssigen Broms gewonnen werden. Diese Menge entspricht etwa einer täglichen
Leistung. Ein großer Teil des in der Kaliindustrie gewonnenen Broms wird als
Bromeisen Fe3Br8 mit
einem Gehalt von nicht mehr als 0,5% Chlor in Holzfässern verpackt, in den Handel
gebracht. Die Ware enthält
65–70% Brorn. Mit Ausnahme des „Bromsalzes“ zur Extrahierung von
Golderzen befaßt sich die Kaliindustrie im allgemeinen nicht mit der
Weiterverarbeitung von Bromeisen. Diese geschieht vornehmlich in Fabriken chemischer
Präparate. Bromeisen bildet dort (das Ausgangsmaterial für Brom-Kalium, -Natrium und
-Ammonium. In den Handel gelangt Brom in starkwandigen Flaschen. Bei
Auslandsendungen werden diese in Kisten mit Kieselgur eingebettet, damit beim
Auslaufen einer zerbrochenen Flasche der Inhalt von der Infusorienerde aufgesaugt
wird. Das Hauptabsatzgebiet ist das Ausland, England und Frankreich und besonders
Amerika.
Was nun die Brompreise betrifft, so dürfte wohl kaum ein anderes Erzeugnis seit
seiner Entdeckung einen ähnlichen Preissturz aufzuweisen haben wie Brom.
Anfangs kostete ein Kilogramm fast 100 Mark. Nach Erstellung der ersten deutschen
Bromfabrik im Jahre 1865, die nur 750 kg jährlich herstellte, nach zwei Jahren aber
schon die zehnfache Menge lieferte, sank der Preis um mehr als die Hälfte. Er
stellte sich 1867 auf 40 bis 45 Mark und nicht lange danach auf 12 Mark. Infolge
Ueberproduktion nach dem Jahre 1870 fiel er von 3.60 Mark auf 1,20 Mark. Zeitweise
waren infolge Uneinigkeit der Produzenten sogar Preisstürze bis auf 50 Pf. zu
verzeichnen. Seit 1909 ist eine Erhöhung der Preise eingetreten, die kurz vor dem
Kriege nach einer Verständigung unter den Erzeugern bis auf etwa 3 Mark pro Kilo
anstiegen.
Landgraeber.