Titel: | Die Sulzer-Gleichstrom-Dampfmaschine für den Salondampfer „Helvétie“. |
Autor: | C. Züblin |
Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 21 |
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Die Sulzer-Gleichstrom-Dampfmaschine für den
Salondampfer „Helvétie“.
Dipl.-Ing. C. Züblin.
ZÜBLIN, Die Sulzer-Gleichstrom-Dampfmaschine für den Salondampfer
„Helvétie“.
Diese Maschinenanlage beansprucht aus zwei Gründen die Aufmerksamkeit der
Fachleute. Einmal, weil eine Gleichstrom-Dampfmaschine in einen Raddampfer eingebaut
und ferner, zum erstenmal eine hydraulische Steuerung für eine Schiffsmaschine
verwendet wurde.
Textabbildung Bd. 343, S. 21
Abb. 1. Ansicht der Maschine
Der von der Firma Gebr. Sulzer, Winterthur, für die Comp. Générale de Navigation sur
le Lac Léman gebaute Salondampfer „Helvétie“ erhielt nach eingehenden
Vorarbeiten und Untersuchungen eine 3-Zylinder-Gleichstrom-Dampfmaschine. Ihre
Leistung beträgt bei 40–50 Umdr. i. d. Min. 1500 PSe. Diese Leistung ist eine
außergewöhnliche, wenn man bedenkt, daß Gleichstrom-Schiffsmaschinen dieser Art und
solcher Größe noch nicht zum Einbau gelangt sind.
Die Gleichstrom-Dampfmaschine ist in der Schiffahrt nur in wenigen Ausführungen zu
finden. Nach den wenigen Erstlings-Ausführungen von den Firmen J. Frerichs &
Co., Vulcanwerke, Stettin, und Gebr. Sachsenberg, Roßlau,Ausführliche Angaben: s. Stumpf: „Die Gleichstrom
Dampfmaschine“. sind beachtenswerte Anlagen auf Schiffen
nicht zu verzeichnen. Die Weiterentwicklung dieser Maschinenart ist im
Schiffsbetriebe leider stehen geblieben, obwohl gerade diese Maschinenart
hervorragende Eigenschaften besitzt, die für den Seebetrieb besonders wertvoll sind.
Merkwürdig!, denn im Landmaschinenbau hat sich die Gleichstrom-Dampfmaschine auf den
verschiedensten Gebieten, in Hunderten von Ausführungen vorzüglich bewährt.
Die Eigenschaften, die die Gleichstrom-Dampfmaschine für die Schiffahrt besonders
geeignet machen sind:
Größte Einfachheit. Es sind nur 2 Einströmventile
vorhanden, wodurch die Maschine noch einfacher als die Ventilmaschine wird.
Bessere thermische Dampfausnutzung. Dies liegt wesentlich
im Prinzip des Gleichstromes begründet. Es sind geringere schädliche Räume
vorhanden. Der Wirkungsgrad
ist ebenso gut, wie derjenige einer guten Drei- oder
Vierfach-Expansionsmaschine. Der Dampfverbrauch nähert sich demjenigen guter
Dampfturbinen. Die Zylinderkondensation ist beseitigt, wodurch die Überhitzung nicht
mehr die Rolle, wie bei den üblichen Dampfmaschinen spielt. Bekanntlich müssen auf
Schiffen wegen der Überhitzung besondere Armaturen, Ölabscheider,
Temperatur-Meßvorrichtungen verwendet werden. Diese Einrichtungen können bei
Gleichstrommaschinen gespart werden, wodurch der Seebetrieb wesentlich vereinfacht
wird.
Wenn auch die genannte Gleichstrommaschine bis jetzt die stärkste ihrer Art ist, so
muß darauf hingewiesen werden, daß im Landmaschinenbau Einheiten von 5000–8000 PSi
Zylinderleistung in Dauerbetrieb erprobt sind.
Die Firma Ehrhardt & Sehmer lieferte beispielsweise eine Maschine mit 1700 mm
Zylinder-Durchmesser und 1400 mm Hub. Die Zylinderleistung betrug bei 8 at.
Eintrittsspannung und n = 110, 6300 PSi. Der Dampfverbrauch betrug 6,35 kg und 5,2
kg bei Heißdampf von 300° C.
Es ist also ersichtlich, daß nach solchen Erfahrungen die
Gleichstromdampfmaschine auch für große Schiffsanlagen brauchbar ist.
Beachtet man, daß eine Leistung von 20000 PSi ohne konstruktive Schwierigkeiten in 2
Gleichstrommaschinen (ohne Überhitzung), bestehend aus je 2 Zylindern obiger
Abmessungen, bei n ~ 80 und etwa 12 at, untergebracht werden kann, so würde man den
weitaus größten Teil der Schiffsanlagen mit geringerem Gewicht, Kosten und mit
erheblich größerer Wirtschaftlichkeit ausführen können.
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Abb. 1a. Seitenansicht der Gleichstromdampfmaschine.
Die nachfolgend beschriebene Gleichstrom-Schiffsmaschine verdient ihre besondere
Würdigung, weil sie auf eine Maschinengattung aufmerksam macht, die zu Unrecht im
Schiffsbetrieb in Vergessenheit geraten ist.
Textabbildung Bd. 343, S. 22
Abb. 2. Längsschnitt durch den Zylinder.
Die in Abb. 1 und 1a
dargestellte Gleichstrom-Schiffsmaschine besteht aus 3 gleichen nebeneinander
liegenden Zylindern von 850 mm Durchmesser. Der Hub beträgt 1200 mm. Einen Schnitt
durch den Zylinder zeigt Abb. 2. Der vordere und
hintere Teil der Laufbüchse greifen wellenförmig ineinander. Sie werden an einem
gemeinsamen Mittelstück, das zugleich als Abdampfsammler dient, festgeschraubt.
Durch den Spielraum zwischen den wellenförmigen Ausschnitten strömt der Abdampf nach
dem Kondensator. Die Maschine
arbeitet mit hohem Vakuum, 90–92 %, daher ist eine besonders konstruierte
Stopfbüchse, Abb. 3, mit 2 Metallpackungen
vorgesehen, die sowohl gegen Überdruck als auch gegen Vakuum dichten muß. Die beiden
äußeren Dichtungsringe dichten gegen Vakuum, die beiden inneren gegen Druck. Die
Schmierung erfolgt durchwegs automatisch durch eine Schmierpresse.
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Abb. 3. Kolbenstangen-Stopfbüchse.
Der Kolben, Abb. 4, besteht
aus 4 Stücken, dem vorderen und hinteren Kolbenboden, dem Mittelstück und dem
Gleitschuh. Das Mittelstück ist in dem Gleitschuh kugelig gelagert, der das Gewicht
der Kolbenstange aufnehmen muß. Diese Konstruktion soll gefährliche Beanspruchungen,
die durch ungleiche Wärmeausdehnungen entstehen können, verhindern.
Textabbildung Bd. 343, S. 23
Abb. 4. Dampfkolben.
Der Kreuzkopf, Abb. 5, ist
ebenfalls kugelig auf den Gleitschuh, der 2 Vorwärts- und 2 Rückwärtslaufflächen
besitzt, gelagert. Ebenfalls um unerwartete Materialbelastungen und Formänderungen
zu verhüten. Das Schmieröl wird durch die Bohrung der Schubstange und des
Kreuzkopfzapfens dem Lager und den Gleitflächen zugeführt.
Die Radlager, Abb. 6,
zeigen eine neue Konstruktion. Der Lagerkörper ist auf Kugelflächen gestützt. Gegen
Eindringen von Spritzwasser ist das Lager auf beiden Seiten durch eine sorgfältige
Abdichtung geschützt, wobei gleichzeitig verhindert wird, daß das ablaufende Öl mit
dem Wasser sich verbindet. Das Ablauföl wird durch besondere Leitungen nach der
gemeinsamen Ölsammelstelle zurückgeführt. Die Schmierung der Lager erfolgt ebenfalls
durch Drucköl.
Die hydraulische Steuerung ist für Schiffsmaschinen, wo
Raum, Lage und Gewicht von besonderem Einfluß sind, sehr vorteilhaft, weil die
Steuerungsorgane fast in jeder beliebigen Lage angeordnet werden können, und die
üblichen Gestänge fortfallen.
Ein Gesamtbild der Steuerung zeigt Abb. 7. Der Dampf
gelangt aus dem Kessel in das Hauptabsperrventil V und aus diesem durch die Leitung
D2 in das Eintrittsventil. Jede Zylinderseite
hat ein solches Einlaßventil.
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Abb. 5. Kreuzkopf.
Das Einlaßventil, Abb. 8, trägt auf seiner Spindel
einen Steuerkolben K und eine Schraubenfeder F. Auf dem Kolben K stützen sich
beidseitig 2 Schraubenfedern, die die Tellerventile W und W2 gegen den Sitz drücken. Der Kolben K läuft in
einem Zylinder M, der schraubenförmig angeordnete Bohrungen besitzt. Der Zylinder M
ist in dem Gehäuse eingeschraubt. Der Kolben K schließt nacheinander eine Reihe der
Zylinderbohrungen ab, bis schließlich eine gewisse Ölmenge abgeschlossen wird. Um
die Schlußstellung des Dampfeinlaßventiles genau in Übereinstimmung mit der
genannten Bremsstellung des Kolbens in Einklang zu bringen, kann man den Zylinder M
durch die Schnecke und dem an dem Zylinder befindlichen Schneckenrad in achsialer
Richtung verstellen. Die beiden Einlaßventile sind durch die Leitungen O1 und O2 mit einem
Verteilungsschieber S, Abb. 9, verbunden. Das Drucköl
wird durch eine besondere Pumpe in den Raum A des Verteilungs-Schieberkastens
gedrückt. Von A gelangt es in den Raum R1. Je nach
der Stellung des Schiebers S wird das Öl von R1 nach
R2 oder R3, bzw.
O1 oder O2
gefördert. Anderseits fließt das Öl vom Raum R2 bzw.
R3 durch den äußeren Schieberraum nach R4 oder R5. An den
Raum A sind 2 Ölspeicher, s. Abb. 10, angeordnet, die
allzu große Druckschwankungen verhindern sollen.
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Abb. 6. Rad-Außenlager.
Die Räume R4 und R5 stehen in Verbindung mit den Pufferräumen P1 und P2. An
latztere sind je ein Ölpuffer nach Abb. 11
angeflanscht. Dieser soll nach Abschluß des Einlaßventils die Ölsäule in der
Druckleitung O1 bzw. O2 abbremsen. Um während des
Abbremsens zu verhindern, daß die Ölsäule abreißt, ist in dem Bremszylinder,
Abb. 8, ein Ventil U angeordnet, das sofort Öl
aus dem Raum R nachfließen läßt, sobald in der Leitung O ein Unterdruck entsteht.
Dieses Öl wird während der Öffnungszeit des Ventils V, in welcher unter dem Kolben
Druck herrscht, durch die Bohrungen L ersetzt. Überschüssiges Öl gelangt über die
Überlaufkante T in die Ablaufleitung. Die Umsteuerung der Maschine, also die
Umsteuerung der Schieberbewegung von S, Abb. 2 und
9, erfolgt durch ein Exzenter, dessen
Voreilwinkel durch ein Vierradgetriebe verstellt werden kann.
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Abb. 7. Gesamtanordnung der hydraulischen Steuerung.
Das erste Rad ist auf der Hauptwelle aufgekeilt, während das
zweite Rad in einem Schwinghebel H1, Abb. 12, gelagert ist, der durch einen ölgesteuerten
Kolben K um ± 15° gedreht wird. Der Steuerhebel G bewegt mittels des Zahnsegmentes Z
des Zahnrades Z2 und des Exzenters X den zweiarmigen
Hebel H6. Dieser ist am Ende mit dem Rückführhebel
H5 verbunden. Das andere Ende bewegt den
Schieber S, der entweder Drucköl unter den Kolben K gibt oder das Öl durch O3 ablaufen läßt. Das Drucköl drückt K und den
Umsteuerschieberhebel H1 nach oben, solange bis die
Stange H5 den Hebel H6 und damit den Schieber S in seine Mittellage zurückführt.
Das Hauptabsperrventil V, Abb. 7, wird ebenfalls durch
ein hydraulisches Getriebe geöffnet und geschlossen. Auf der Welle des Steuerhebels
G, Abb. 12, mit dem auch die Umsteuerung vorgenommen
wird, ist eine Steuerscheibe C aufgekeilt. Diese Scheibe drückt je nach der Stellung
des Hebels G mehr oder weniger auf die darunter liegende Feder. Je nach der
eingestellten Federspannung gibt der Schieber Si den Eintritt des Drucköls durch
R0 oder den Abfluß aus dem Raum I nach R1 frei. Auf diese Weise wird der Öldruck in
Raum I und in der Leitung L1 reguliert, die mit dem
Steuermotor O2 in Verbindung stehen. Mit letzterem
wird das Arbeitsöl für den Steuermotor O3 gesteuert.
Der Steuerschieber S2 des Steuermotors O2 stellt unter dem Einfluß der Ölleitung L, und des
Dampfdruckes im Zuleitungsrohr D2. Der vor dem
Einlaßventil herrschende Druck wirkt durch L2 auf
den unter Schieber S2 befindlichen Kolben. Je
nachdem der Schieber S2 sich über oder unter der
Mittellage befindet, wird der Ringraum R4 und damit
Leitung L4 nach dem Servomotor O3 entweder mit der Öldruckleitung R5 oder mit der Ablaufleitung R6 verbunden, wodurch der Kolben K und mit ihm das
Ventil V nach oben oder unten geht. In der Stopp-Stellung des Steuerhebels G ist in
der Leitung L1 der niedrigste Druck eingestellt. Die
Kraft der Feder R7 unter dein Steuerschieber S2 vermag nun diesen hoch zu drücken, wodurch die
Leitung R6 frei wird und das Öl unter dem Kolben
K1 des Hauptabsperrventils ablaufen kann. Das
Ventil V wird alsdann geschlossen. In der Schlußstellung drückt die Ventilspindel
den Schieber S8 herunter und öffnet damit den Ablauf
R9, der das Öl aus dem Abblaseventil O4 durch die Leitung L6 abläßt. Sollte noch in der Leitung D2
Druck herrschen, so kann nun dieser durch die Leitung D3 und das Abblaseventil ins Freie durch D4
entweichen. Es ist dann in D2 und vor dem
Eintrittsventil kein Überdruck mehr vorhanden. Da die Maschine nur mit geringem
Druck und großer Füllung anfahren kann, ist die Steuerscheibe C (Abb. 7) so geformt, daß sie in Anfahrstellung I
vorwärts und rückwärts die Feder nur ganz wenig spannt und nur einen geringen Druck
in der Leitung L1 und im Raum R2 erzeugt. Sie kann also nur einem geringen
Dampfdruck unter dem Empfängerkolben bzw. in Leitung L2 das Gleichgewicht halten. Es wird somit der Empfängerkolben
und mit ihm Schieber S2 hochgehoben, sobald in
D2 ein höherer Dampfdruck sich einstellt.
Alsdann fließt das Öl aus dem Steuermotor O3 ab. Das
Ventil V schließt sich wieder, bis durch L3 in R3 ein Gleichgewichtszustand sich eingestellt
hat.
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Abb. 8. Einlaßventil.
In der gleichen Anfahrstellung I muß aber, um ein sicheres
Anlaufen der Maschine zu sichern, das Vierrad-Getriebe auf höchste Füllung für
vorwärts bzw. rückwärts gestellt werden. In den nachfolgenden Stellungen des
Steuerhebels G wird allmählich steigend ein größerer Öldruck in der Leitung L1 und damit auch ein größerer Dampfdruck in der
Einlaßleitung D2 eingestellt, während die Füllung
von dem Höchstwert auf den Mindestwert sinkt.
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Abb. 9. Verteilungsschieber.
Auf die Einlaßventile wirken: auf die Rückfläche des Ventils
der Druck des einströmenden Dampfes und der Federdruck, auf der andern Seite des
Ventils der Steueröldruck aus der Leitung O3 auf den
Kolben K der Kompressionsdruck im Dampfzylinder Z. Das Ventil beginnt erst zu
öffnen, wenn der Kompressionsdruck seinem Höchstwert zustrebt. Der Öldruck allein
vermag nicht das Ventil zu öffnen. Es wird hierdurch bezweckt, daß während der
Normalfahrt der Ölsteuerschieber nur den Füllungsabschluß zu steuern braucht,
während das Voröffnen durch die Kompression im Zylinder gesteuert wird.
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Abb. 10. Oelspeicher.
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Abb. 11. Oelpulfer.
Beim Anfahren ist jedoch der Kompressionsdruck nur gering,
daher ist es notwendig, den Einlaßdruck soweit zu verkleinern, daß der Öldruck
allein genügt, das Einlaßventil aufzuheben. Hat die Maschine einige Umdrehungen
gemacht und ist die normale Kompression erreicht, dann kann der volle Kesseldruck
eingelassen werden. Es ist zu beachten, daß durch den Steuerhebel G gleichzeitig das
Hauptventil und die Umsteuerung eingestellt werden.
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Abb. 12. Manövriervorrichtung.
Diese Einrichtung erleichtert außerordentlich die Bedienung der Maschine während des
Manövrierens. Die bei der Ein- und Ausfahrt oder während des Anlegens rasch
hintereinander folgenden Kommandos können schneller, ruhiger und ohne Anstrengung
befolgt werden. Die beschriebene Steuerung hat sich auch während des bisherigen
Betriebes sehr gut bewährt.