Titel: | Die elektrischen Kessel der Firma Gebrüder Sulzer A. G. Winterthur |
Autor: | Carl Züblin |
Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 78 |
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Die elektrischen Kessel der Firma Gebrüder Sulzer
A. G. Winterthur
Von Dipl.-Ing. Carl
Züblin.
ZÜBLIN, Die elektrischen Kessel der Firma Gebrüder Sulzer A. G.
Winterthur.
Die Verwendung der elektrischen Kessel ist heute nicht mehr ein bloßer Behelf
für kohlenarme Gegenden. Die guten Erfahrungen, die man mit den ersten Ausführungen
machte, haben den elektrischen Kessel überall da eingeführt, wo die Elektrizität
billig ist und überschüssige elektrische Kraft zur Verfügung steht. Die wachsende
Erkenntnis von den Vorteilen und der Notwendigkeit einer wohlüberlegten
Wärmeverwertung und Kraftausnützung hat bald die Vorzüge der elektrischen Kessel
technisch verwertet und dadurch nicht nur Ersparnisse im Kohlenverbrauch erzielt,
sondern auch den Wirkungsgrad der elektrischen Generator-Anlage durch die
Einschaltung elektrischer Kessel erhöht.
Als Dampf- und Warmwasser-Versorger ist der elektrische Kessel in sehr vielen Werken
der chemischen und Nahrungsmittel-Industrie, in Spinnereien, Wäschereien, in der
Landwirtschaft usw. schon vielfach verwendet worden. Es ist daher natürlich, daß
namhafte Firmen mit der Fabrikation dieser Kessel sich befassen.
Es haben sich zwei Systeme der elektrischen Beheizung entwickelt, deren Verwendung
durch die Stromart und die erforderliche Belastung begrenzt ist. Doch muß man je
nach dem Zweck, für den die elektrischen Kessel gebaut werden, und je nach der Zeit,
in der der Strom für sie zur Verfügung steht, unterscheiden zwischen elektrischen
Heißwasser-Kesseln und elektrischen Heißwasser-Akkumulatoren und zwischen
elektrischen Dampfkesseln und elektrischen Dampf-Akkumulatoren.
Kleinere elektrische Dampf- und Warmwasser-Kessel von kleiner Kilowatt-Leistung für
Gleich- oder Wechselstrom und Kessel nur für Gleichstrom, werden von der Firma
Sulzer gebaut, nach dem Prinzip des indirekten Widerstandes, das heißt, man
verwendet hierfür Widerstandsspulen oder Bänder aus hochgradig Wärme
widerstandsfähigem Material, die auf Isolatoren befestigt und in Heizröhren
eingesetzt sind. Abb. 1 zeigt einen solchen Kessel.
Die einzelnen Heizrohrgruppen sind ausschaltbar und regulierbar. Für größere
Anlagen über 10 kW und besonders über 500 Volt wird das Elektroden-System mit
Wechselstrom verwendet, indem man das Wasser als Widerstand benutzt. Für Gleichstrom
ist dieses System wegen der Zersetzung des Wassers nicht brauchbar. Die Gasbildung
ist bei Verwendung von Wechselstrom, selbst bei 15 Perioden so gering, daß
Wechselstrom unbedenklich bis zu 16000 Volt, ohne Transformierung, in solchen
Kesseln benutzt werden kann.
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Abb. 1. Elektrischer Kessel mit Widerstandsheizung.
Deshalb ist das Elektroden-System besser und wirtschaftlicher,
als dasjenige mit Metall-Heizwiderständen. Gebr. Sulzer haben bis jetzt nach diesem
System elektrische Kessel von 10 bis 6000 kW gebaut. Bei der Konstruktion der
elektrischen Kessel ist die Leitfähigkeit des Wassers zu beachten, doch darf diesem
Faktor nicht die Bedeutung beigemessen werden, die ihm oft zuteil wird. Die
Leitfähigkeit kann man durch Zusatz von Chemikalien und Erneuerung des Wassers fast
konstant halten. Es empfiehlt sich aber, den Widerstand so hoch wie möglich zu
wählen, weil dann der Abstand der Elektroden und ihr Querschnitt groß genommen
werden kann, wodurch die spezifische Belastung je Flächen- und Volumeneinheit klein
ausfällt und die Kessel dadurch zuverlässiger sind. Andernfalls müssen die
Elektroden zu häufig ausgewechselt
werden. Dieser Gesichtspunkt ist bei den Sulzer-Kesseln besonders beachtet
worden, so daß Kessel im Betriebe sind, die dauernd bis 350 % überlastet wurden.
Bei der Verwendung von hohen Spannungen sollte, der Sicherheit wegen, für eine jede
Spannung ein bestimmtes Minimum der Belastung nicht überschritten werden, aus diesem
Grunde liefert Gebr. Sulzer die Kessel für eine Minimal-Leistung bei einer
bestimmten Spannung, z.B.
Minim. Leistung:
50
kW
f.
eine
Spannung
v.
3000
Volt
„
100
„
„
„
„
„
5000
„
„
200
„
„
„
„
„
8000
„
„
500
„
„
„
„
„
10000
„
3 Phasenstrom.
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Abb. 2. Elektrischer Kessel für niedrige Spannungen.
A = Kesselmantel; B = Deckel; C =
Stopfbüchse; D = Belastungsregler; E = Regulierspindel; F = Stromzuführung; G =
Isolierrohr; H = Elektrode; I = Gegenelektrode; K = Abfluß; L = Mittlerer
Wasserspiegel
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Abb. 3. Elektrischer Kessel für hohe Spannungen.
A = Elektrischer Kessel; B =
Stromzuführung; C = Elektroden; D = Verdampferrohre; E = Regulier-Servomotor; F
= Regulierhahn für E; G = Wasser-Druckrohr; H = Entwässerungsrohr; I =
Wasserstand; K = Manometer; M = Speisewasser-Ventil; O = Entwässerungshahn
Ferner lassen Gebr. Sulzer die Elektroden immer vollständig in das Wasser tauchen,
damit keine Funkenbildung auf der Wasser-Oberfläche entsteht, die die Elektroden
vorzeitig zerstört.
Ein Elektroden-Kessel für niedrige Spannung ist in Abb.
2 dargestellt. In der Abbildung ist nur eine Phase gezeichnet. Das
Elektrodensystem bestellt in der Hauptsache aus den Stromzuführungsteilen, den
festen Elektroden, den beweglichen Gegen-Elektroden und der Regulierung. Die
gezeichnete Lage der Gegen-Elektroden entspricht der maximalen Belastung. Der Strom
fließt von den Elektroden-Zylindern H nach den Gegen-Elektroden-Zylindern I. Bei
geringster Belastung sind die Gegen-Elektroden aus den Elektroden-Zylindern
vollständig herausgezogen. In dieser Stellung ist die stromabgebende Fläche klein
und die Stromweglänge groß. Durch Heben der Gegen-Elektroden wird somit die
stromabgebende Fläche verkleinert und die Stromweglänge vergrößert. Nach dieser
Grundidee sind Sulzer-Kessel für Belastungen bis zu 2500 kW für niedrige Spannungen
mit sehr gutem Erfolg geliefert worden.
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Abb. 4. Stellung der Elektroden bei verschiedenen Belastungen.
I minimum; II mittel; III maximum;
A = Inneres einstellb. Verdampferrohr; B = Äußeres; C = feststehendes
Verdampferrohr; D = Isolierrohr; E = Elektrode; F = geerdete Gegenelektrode; G =
Wasserdüse; H = Niedrigster Wasserstand
Den Patent-Elektro-Kessel für hohe Spannung zeigt Abb.
3. Die Elektroden C sind von beweglichen Isolierrohren D, Verdampferrohre
genannt, die bei jeder Regulierstellung immer unter Wasser liegen, umgeben. Die
gezeichnete Lage entspricht der geringsten Belastung. Der Strom fließt von C nach
oben und unten durch das Verdampferrohr D nach den geerdeten Teilen des Kessels und
erwärmt auf diesem Wege das in D befindliche Wasser.
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Abb. 5. Elektrischer Kessel für 6000 kW.
A = Kesselmantel; B = Mannloch; C =
Stopfbuchse; D = Regulierspindel; E = Reguliersäule mit Motor; F =
Stromeinführung; G = Schutzrohr; H = Elektrode; I = oberes Verdampferrohr; K =
unteres; L = festes; M = Wasser-Zuführungsrohr; N = Düse; O = Zirkulationspumpe;
P = Druckrohr von O; Q = Mittlerer Wasserspiegel
Hebt man das Verdampferrohr, dann wird der Weg des Stromes von
dem unteren Ende von C nach dem unteren Ende von D kürzer, damit der Widerstand
geringer und infolge
dessen die Belastung größer.
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Abb. 6. Elektrische Kesselanlage mit Dampfakkumulator.
A = Oelschalter; B = Schaltbrett; C
= Transformator für die Schaltbrettapparate; D =
Elektr. Dampfkessel; E = Sicherheitsventile; F = Stromzuführung; G = Hydraul.
Regulierung für die Elektroden; H = Kontrollventil dazu; I = Druckwasser; K =
Entwässerungsrohr; L = Absperrventil; M = Wärme-Akkumulator; N = Manometer; O =
Wasserstand; P = Reduzierventil; Q = Automatisches Dampfventil; R = Vorhandener
Dampfkessel, als Wärmeakkumulator; S = Düse; T = Dampfverteiler; U =
Speisewasser-Ventil; V = Speisewasserbehälter; W = Speisewasserpumpe; X =
Elektromotor; Y = Entwässerungshähne; Z = Erdung
Diese erreicht ihr Maximum, wenn die Elektroden noch 50 mm
tief im Verdampferrohr stecken. Bei dieser Anordnung sind verhältnismäßig kleine
Belastungen bis zu etwa 150 kW je Elektrode und bis zu etwa 8000 Volt zulässig. Bei
höheren Spannungen ist ein regelmäßiges Ablösen der Dampfblasen von den Elektroden
durch die natürliche Wasserzirkulation nicht mehr sicher zu erwarten. Die
Dampfblasen wirken dann isolierend auf die Elektroden. Für solche Fälle wird bei
hohen Spannungen eine künstliche Wasserzirkulation (patentiert) bewirkt, die das
Wasser durch die Elektroden drückt. Um eine gleichmäßige Verdampfung bzw. Belastung
zu erzielen, wird für hohe Spannungen und Belastungen das in Abb. 4 dargestellte System verwendet. Das Schema I
zeigt die Lage der Elektroden bei günstigster Belastung, II bei mittlerer und III
bei höchster Belastung. Der elektrische Strom fließt von der Elektrode auf- und
abwärts durch die Wassersäule in den Verdampferrohren nach den geerdeten
Kesselteilen oder nach den Gegen-Elektroden F. Anstatt die Belastung zu erhöhen,
werden die beiden Verdampferrohre A und B durch eine Reguliervorrichtung gehoben,
bis sie in die Stellung Schema II gelangen, bei der die Belastung erfolgt. In den
drei verschiedenen Stellungen wird der größte Teil der elektrischen Energie im
Raum unterhalb der Elektroden in Wärme umgewandelt.
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Abb. 7. Elektr. Heißwasserkessel verbunden mit einer Zentralheizung ohne
Wärmespeicher.
A = Elektrischer Heißwasserkessel;
B = Heizelement; C = Temperatur-Relais; D = Automatischer Ausschalter mit
Temperaturregler; E = Handschalter; F = Amperemeter; G = Schalttafel; H = Kabel;
I = Kessel; K = Kokskessel; L = Thermometer; N = Heißwasserleitung nach d.
Zentrallheizung; O = Rückleitung von der Zentralheizung; Q = Entwässerungshahn;
R = Heizkörper; S = Ausdehnungsbehälter; T = Überlauf
Infolge der verschiedenen Stellungen der Verdampferrohre gelangt bei Schema I am
wenigsten, bei III am meisten Wasser zu den Elektroden, so daß die mittlere
spezifische
Belastung je Volumeneinheit Wasser, nahezu für alle Kesselbelastungen, konstant
bleibt. Die Zunahme der Belastung ist annähernd proportional der eingestellten
Rohrlage.
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Abb. 8. Warmwasserversorgung mit elektr. Kessel und Wärmeakkumulator.
A = Elektr. Heißwasser-Kessel; B =
Heizkörper; C = Temperatur-Relais; D = Automatischer Ausschalter mit
Temperaturregler; E = Schalter; F = Amperemeter; H = Kabel; I =
Kessel-Isolierung; K = Kaltwasserleitung; L = Heißwasserleitung; M =
Rückleitung; N = Entwässerungshahn; O = Heißwasserhähne; P = Kaltwasserbehälter
mit Schwimmerventil; Q = Wasserzulauf; R = Überlauf; S = Luftventil
Zu diesen Kesseln werden nur glatte, zylindrische, isolierte
Rohre benutzt, wodurch die Wärmespannungen infolge der Temperatur-Aenderungen viel
kleiner ausfallen. Dies ist ein beachtenswerter Fortschritt gegenüber anderen
Ausführungen.
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Abb. 9. Elektrische Kesselanlage.3phasen-Strom, 8000 V, Belastung 500 bis
2500 kW, Kesseldruck 12 kg/cm2.
Nach diesem System sind Kessel bis zu 6000 kW und 16 000 V, 3 Phasen gebaut worden.
Ein Kessel für 6000 kW zeigt Abb. 5. Die
Verdampferrohre J und K hängen an dem dreiarmigen Gestell, das an der
Regulier-Spindel D befestigt ist. Die einzelnen Stellungen der Regulier-Spindel
werden durch Anschlag bestimmt. Die Umstellung von D kann entweder von Hand,
durch eine Gewindestange mit Hebel, s. Abb. 2 durch
elektrischen Motor und Schneckengetriebe, s. Abb. 5
durch einen hydraulischen Servomotor, der von Hand oder durch ein Regulierventil
betätigt wird, s. Abb. 3, oder durch einen
Servomotor, der durch einen vom Kesseldruck oder der augenblicklichen Belastung
reguliert wird, geschehen.
Einen elektrischen Kessel von 1830 mm Durchmesser und 3050 mm Höhe hat das Bauamt der
Stadt Basel für das Säuglingsheim „Friedmatt“ erhalten. Der Kessel ist nach
Abb. 5 gebaut, deren Elektroden für eine
Belastung von 2400 kW und 6400 Volt, 3 Phasen berechnet sind. Die Anlage erhielt
eine künstliche Wasserzirkulation, Servomotor und automatische Regulierung der
Belastung, des Drucks und des Wasserspiegels, elektrische Speisewasserpumpe und
Speisewasserfilter. Der Kessel stand in Verbindung mit den drei vorhandenen großen
Kohlekesseln. Die Anlage arbeitete entweder bei konstantem Druck oder bei konstanter
Belastung. Die Versuche ergaben bei einer Belastung von 1033 kW einen Wirkungsgrad
96,05 %. Die Verluste in einem elektrischen Kessel sind bei allen Belastungen
dieselben, so daß der Wirkungsgrad bei einer Belastung von 2400 kW auf 98,3 %
steigt.
Wegen der allmählichen Anreicherung des Speisewassers durch die ausscheidenden Salze,
die den elektrischen Widerstand herabsetzen, ist es notwendig, den Kessel bei
niedrigen Belastungen wenigstens einmal im Tag, bei großen Kesseln dauernd
abzublasen. Dieses Wasser wird in einem Wärme-Austauschapparat wieder verwertet.
Abb. 6 zeigt eine normale elektrische Kesselanlage mit
Wärmespeicher. Mit Nachtstrom wird der Kessel D geheizt bis zu einer Temperatur, die
etwas höher als diejenige des Wassers in R ist. Das Gemisch von Dampf und Wasser
gelangt nach dem Wärme-Akkumulator M. Der hier entwickelte Dampf strömt durch die
Düse S in den Kessel R, der mit Kohle gefeuert wird. Der Dampf, der in M entsteht,
wird durch das Ventil P auf den Druck von R reduziert und gelangt nach dem
Verteilstutzen T, in den auch der Dampf von R strömt.
Die außerordentliche Einfachheit und der reinliche Betrieb des elektrischen Kessels
macht ihn für alle Anlagen der Nahrungsmittelindustrie und für hygienische Anlagen
ganz besonders geeignet Ebenso gut eignet er sich für Heizungsanlagen Abb. 7 und Warmwasserversorgung Abb. 8, obwohl
hier der Wärmebedarf recht schwankend ist. Die beste und wirtschaftlichste
Verwendungsart ist die Parallelschaltung des elektrischen Kessels mit dem üblichen
Kohlekessel. Im Frühjahr und Herbst wird der elektrische Kessel, in den kalten
Wintermonaten oder wenn der elektrische Strom versagen sollte, der Kohlekessel
benutzt. Die Vorteile der beschriebenen Kessel sind: günstige Verwertung von
überschüssiger elektrischer Energie, zurzeit bis zu 16000 Volt verwendbar, hoher
Wirkungsgrad, große Regulierbarkeit und Sicherheit, geringer Raumbedarf, keine
Belästigung durch Rauch, Ruß und Asche, keine Explosionsgefahr, große Reinlichkeit,
geringe Anschaffungs- und Bedienungskosten. Daß diese genannten Vorteile auch im
Dauerbetrieb nachzuweisen sind, hängt nicht zuletzt von der Konstruktion und der
Ausführung ab. Diese Vorteile zeigen deutlich die beiden Abb. 9 und 10, die eine der vielen
Lieferungen der Firma Sulzer darstellen.
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Abb. 10. Elektrischer Sulzer-Dampfkessel in der Utzenstorf Papier Kesseldruck
10,55 kg/cm2 3500 kW, 10000 V, 3phasen-Strom,
automatische Regulierung des Wasserstandes.