Titel: | Schutz der Wegeübergänge. |
Autor: | C. Guillery |
Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 216 |
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Schutz der Wegeübergänge.
Von C. Guillery, Baurat
a. D.
GUILLERY, Schutz der Wegeübergänge.
Die Unfälle an bewachten und unbewachten Wegeübergängen der Haupt- und
Nebeneisenbahnen haben sich in letzter Zeit auch bei uns, mit der gesteigerten
Lebhaftigkeit des Verkehrs der Landstraßen stetig an Zahl und Schwere wachsend,
derart gehäuft, daß wohl jeder die Empfindung der Notwendigkeit baldiger und
durchgreifender Abhilfe hat. Letztere ist auf diesem Gebiete verhältnismäßig leicht
zu schaffen. Bei sonstigen schweren Eisenbahnunfällen ist durchweg höhere Gewalt
oder das Versagen menschlicher Tätigkeit mit im Spiele, zwei Gefahrquellen, die sich
im Eisenbahnbetriebe nie ganz werden ausschalten lassen. Grundsätzliche Mängel der
Einrichtungen tragen bei Entgleisungen und Zusammenstößen selten mehr die
Hauptschuld am Entstehen des Unfalles. Die großen Gefahren der Wegeübergänge wären
dagegen durch sachgemäße Einrichtungen, vom technischen Standpunkte aus
verhältnismäßig leicht, mit den heute verfügbaren Mitteln auf ein Mindestmaß
herabzudrücken.
Von den unbewachten Wegeübergängen von Neben- und Kleinbahnen werden jetzt wohl
die üblichen festen Warnzeichen für Kraftfahrzeuge aufgestellt und außerdem sollen
Glockenzeichen der Lokomotiven die Fahrzeuge warnen. Die fest aufgestellten
sichtbaren Zeichen geben aber keinen. Aufschluß über einen etwa herannahenden Zug
und die Glockenzeichen der herankommenden Lokomotiven verhallen leicht auf der
Strecke und werden von dem Lärm der Fuhrwerke übertönt; auch unterbleiben diese
Zeichen oft gänzlich. Die Wegeschranken der Hauptbahnen werden bei Staub, Nebel und
Schneegestöber, ebenso wie die festen Warnzeichen der Nebenbahnen, übersehen; die
Schranken werden von Kraftfahrzeugen angerannt und durchbrochen. Deshalb sind
sichtbare und hörbare, recht deutliche Zeichen erforderlich, die von dem nahenden
Zuge aus selbsttätig in Wirksamkeit gesetzt werden und sich dem mit großer
Geschwindigkeit, mit Lärm und Staubentwickelung ankommenden Kraftfahrer in
genügender Entfernung
vor dem Uebergang bemerkbar machen. Es sei aber vorweg bemerkt, daß die
Eisenbahnverwaltungen keineswegs in erster Linie für die Kosten der erforderlichen
Neueinrichtungen zuständig sind.
Was zunächst die Anzahl der Unglücksfälle an Wegeübergängen der Eisenbahnen betrifft,
so ist diese heute kaum geringer als die Zahl der durch Entgleisungen und
Zugzusammenstöße verursachten Todesfälle und schweren Verletzungen. Nach der im
Reichsverkehrsministerium bearbeiteten Statistik (E. S. Mittler & Sohn, Berlin
1920/21) sind im Jahre 1919 allein bei der preußisch-hessischen Staatsbahn 138 und
im Jahre 1918 143 Fuhrwerke überfahren worden, ohne die nicht mitgezählten
Handkarren, Hundefuhrwerke u. dgl. Die Anzahl der dabei getöteten und verletzten
Personen ist in der Statistik nicht angegeben. Nehmen wir an, daß durchschnittlich
nur eine Person beim Ueberfahren eines größeren Fuhrwerks getötet wird, so wäre die
Zahl der Toten für 1919 schon erheblich größer als die Zahl der bei Entgleisungen
und Zugzusammenstößen tötlich Verunglückten: 138 gegen 15 + 52 = 67; für 1918
betragen die Zahlen 143 gegen 48 + 136 = 184. Außerdem wird in der amtlichen
Statistik der Betriebsunfälle die Zahl der überfahrenen Fußgänger und Reiter nicht
besonders aufgeführt, sie ist vielmehr nur In der Gesamtzahl der Betriebsunfälle mit
enthalten.
Es ist nicht angängig, die mir in den letzten Monaten mehr zufällig zu Gesicht
gekommenen Zeitungsmeldungen über 35 Unfälle an Wegeübergängen, mit insgesamt 19
Toten und 46 Schwerverletzten, hier näher zu erörtern. Erwähnt sei nur der schwere
Unfall vom August bei Walkenried im Südharz, der für sich allein schon überzeugend
genug wäre, weil er sich täglich wiederholen kann. Ein mit Angehörigen von
Schulkindern besetzter Kraftwagen vollständig zertrümmert, Lokomotive abgestürzt,
Gleis zerstört; neun Tote, 28 Schwerverletzte. Der vorausfahrende, mit 20
Schulkindern besetzte Wagen wurde von der Lokomotive gestreift, das Nummerschild
abgerissen; noch weit schwererer Unfall also mit knapper Not verhütet. Ursache
starker Staub, schlecht übersichtlicher Uebergang. Bei einem Unfall in der Nähe von
Sonthofen (1 Toter, 1 Schwerverletzter) wurden Lokomotiv- und Kraftwagenführer vom
Gericht im Juni freigesprochen. Da von höherer Gewalt keine Rede sein konnte, liegt
also nach Ansicht des Gerichtes die Schuld an den mangelnden Einrichtungen. Allein
die Gefährdung von Menschenleben, die immer mit solchen Unfällen verbunden ist, wäre
schon zu vermeiden. Darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit.
Daß es im Auslande (außer Großbritannien) hinsichtlich der Gefährlichkeit der
Wegeübergänge nicht viel anders aussieht als bei uns, zeigen schon die schweren
Unfälle von Cotmine bei Lorient (Morbihan, Bretagne), von Altenstadt, Vorarlberg,
Strecke Feldkirch–Buchs und von Curia, nördlich Lissabon, aus Juli und August und
die noch neueren Unfälle von Westerloo (Belgien), Tild (Slowakei), Elfsby
(Nordschweden), Ung.-Hradisch, Ujvidek (Neusatz, Ungarn) u.a. Im europäischen
Auslande herrscht aber nicht allenthalben der lebhafte, dichte Verkehr, wie durchweg
auf unseren Landstraßen. Es wäre deshalb nicht mehr wie recht und billig, wenn
Deutschland auch auf diesem Gebiete mit gutem Beispiele voranginge. Großbritannien
kommt nicht in Betracht, weil dort von Anfang an alle Wege unterführt wurden.
Die vorliegenden Meldungen neuerer Unglücksfälle an Wegeübergängen von Haupt- und
Nebenbahnen lassen deren Anlaß und Zustandekommen klar genug erkennen. Einesteils
fehlen bei Nebenbahnen Sperren und wirksame Warnzeichen überhaupt, auch an jetzt
sehr verkehrreichen Uebergängen, andrerseits bilden die starren Wegeschranken der
Hauptbahnen heute eine Gefahr für den Straßenverkehr und doch kein unüberwindliches
Hindernis für Kraftfahrzeuge aller Art, Kraftwagen, wie Motorräder, sie sind also
nicht einmal mehr imstande, die Eisenbahnzüge gegen gefährliche Begegnungen mit
Straßenfahrzeugen zu schützen.
Es fragt sich nun, welche Mittel anzuwenden sind, um eine zeitgemäße Besserung
einzuleiten. Das allerwirksamste Mittel, die Gefahr durch Unterführung der Straßen
unter den Eisenbahnen hindurch vollständig zu beseitigen, ist bei unserer trostlosen
wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit nicht in größerem Umfange anwendbar. Wir
können nur, mehr wie jemals vorher, bedauern, daß unsere berufenen Vertreter nicht
so weitblickend waren, wie ihre Zeitgenossen jenseits des Kanals, um die Unter- oder
Ueberführung aller die Eisenbahnstrecken kreuzenden Wege durch Parlamentsakte
vorzuschreiben.
In der deutschen Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung sind für die Wegeübergänge bei
Hauptbahnen allgemein „Schranken“ vorgeschrieben; nur für Fußwege können
Drehkreuze oder „ähnlich wirkende Abschlüsse“ zugelassen werden. Bei
Nebenbahnen bestimmt die Aufsichtsbehörde, inwieweit die Wegeübergänge mit Schranken
zu versehen sind. Ueber die Bauart der Wegeschranken besteht keine genauere
gesetzliche Vorschrift. Es ist nur bestimmt, daß Zugschranken, d.h. Wegeschranken,
die von einem mehr oder weniger entfernten Standort aus mittels Drahtzugs- bedient
werden, so einzurichten sind, daß sie am Wegeübergange selbst von Hand geöffnet und
wieder geschlossen werden können und daß sie mit einer Glocke zu versehen sind, die
ebenfalls von dem Standorte des Wärters aus bedient werden kann. Meist sind auf
deutschen Hauptbahnen und, wenn dort Wegeschranken ausnahmsweise überhaupt vorhanden
sind, auch auf Nebenbahnen, die Wegeschranken als Schlagbäume ausgeführt. Dem Geiste
der Vorschriften würde es gewiß nicht widersprechen, wenn diese jetzt bei uns
üblichen, von den Zeiten des Zolleinnehmers auf der Landstraße übriggebliebenen
Schlagbäume durch etwas Besseres ersetzt würden. Schließlich ist doch auch bei
diesen das dem Schlusse der Schranken vorangehende kurze Glockenzeichen die
Hauptsache. Wer dieses nicht beachtet, wird sich kaum abhalten lassen, die seiner
Ansicht nach zu früh geschlossenen Schranken eigenmächtig zu öffnen, in der Annahme,
daß der zu erwartende Zug noch, nicht in gefährlicher Nähe ist. Bei den
fernbedienten Wegeschranken entsteht für ein Fuhrwerk häufig die Gefahr,
eingeschlossen und auf dem Gleise festgehalten
zu werden. Für ein Pferdefuhrwerk mag diese Gefahr noch verhältnismäßig gering
sein, Geistesgegenwart des Wagenführers bei unerwartet schnellem Herabgehen des
fernbedienten Schlagbaums vorausgesetzt. Einem Kraftwagenführer wird aber nicht
immer die erforderliche Zeit zur Verfügung bleiben, um abzuspringen, die Schranke zu
öffnen, wieder aufzusteigen und den Wagen in Gang zu bringen. Die Zugschranken so
weit von dem Gleis abzurücken, daß für ein eingeschlossenes Fuhrwerk beiderseits
genügend Raum neben dem Gleise verbleibt, geht meist nicht an, weil die
fernbedienten Schranken von dem Standorte des Wärters müssen übersehen werden
können. In den Bestimmungen ist deshalb nur ein Abstand von 0,5 m, zwischen der
Schranke und der Umgrenzung des lichten Raumes für das benachbarte Gleis,
vorgesehen. Es sei noch erwähnt, daß der Schrankenwärterdienst ganz ungewöhnlich
eintönig, bei starkem Verkehr oft recht beschwerlich und immer sehr verantwortlich
ist. Unregelmäßigkeiten in der Bedienung kommen leicht vor und haben schon häufig
gerichtliche Bestrafung zur Folge gehabt.
Textabbildung Bd. 343, S. 218
Abbildung 1. Hauptwarngerät mit rot leuchtendem Pendelwerk und
Allgemeinbeleuchtung (Tagesaufnahme).
In Frankreich hat man schon vor dem Kriege stellenweise, aber ohne durchgreifenden
Erfolg, versucht, die Wegeschranken, dort Rollschranken, das sind seitlich, parallel
zum Gleis, verschiebbare, auf Bodenschienen rollende Gitter, durch Vermittelung
einer dicht neben dem Gleis in Schienenhöhe liegenden, von dem fahrenden
Eisenbahnzuge aus niedergedrückten Pedal-(Druck-)schiene elektrisch schließen zu
lassen. Die Oeffnung erfolgte mittels einer zweiten, jenseits des Wegeüberganges in
gleicher Art eingebauten Druckschiene. Zu solcher selbsttätiger Bedienung von
Wegeschranken ist die Auslösung erheblicher Kräfte erforderlich, auch stellen sich
der Bewegung von Rollschranken leicht Hindernisse in den Weg, die Einrichtung wird
sehr verwickelt und kann selbst gefährlich werden für die den Wegeübergang
Benutzenden. Schlagbäume selbsttätig durch Maschinenkraft auf Entfernung schließen
zu lassen, wäre noch gefährlicher und keineswegs einfacher. Stets wären dabei
außerdem deutliche, den Führern schnell und mit erheblichem Geräusch, auch unter
Staubentwicklung, herankommender Kraftwagen aus genügender Entfernung, vom Wege aus,
sichtbare und hörbare Warnzeichen erforderlich. Es fragt sich, ob die, dem heutigen
Verkehr, wie der Erfolg zeigt, sehr gefährlichen Schranken, alsdann nicht vielleicht
besser ganz in Fortfall kämen. Bedingung hierfür sind ganz zuverlässige, gut
ausgeprobte elektrische Schaltungen.
Allen Anforderungen entsprechende, seit Jahresfrist im eigenen Betriebe gut
durchgeprüfte, unter Patentschutz stehende selbsttätige Warnanlagen benötigter Art
sind seitens der Allgemeinen Elektroindustrie, Heinrich Winkler in Dortmund
(Westfalen) ausgearbeitet und harren der Durchführung eingehender Erprobung im
Eisenbahnbetriebe, die schon eingeleitet ist. Zunächst wären solche
Probeausführungen wohl an verkehrsreichen, bisher ungeschützten Wegeübergängen von
Nebenbahnen anzuordnen. Als sichtbare Zeichen sind durchscheinende, von der
Rückseite her beleuchtete Glastafeln mit warnender Aufschrift, langsam pendelnde
kleine Tafeln mit den international vereinbarten Warnzeichen und farbige
Lichtsignale mit Erfolg versucht worden. Starklichtsignale, wie sie im Betriebe der
Berliner Stadt- und Ringbahn, wie auch der Norwegischen Staatsbahn, als Bahnhof- und
Streckensignale bei Tag und Nacht bewährt sind, wären auch für selbstättige
Warnanlagen an Wegeübergängen mit Nutzen zu verwenden. Solche Starklichtsignale, mit
passenden Sammel- und Streulinsen versehen, sind erfahrungsmäßig auch bei hellstem
Sonnenschein auf genügende Entfernung sichtbar, wenn sie auf dunklem Hintergrunde
eingebaut und mit Sonnen- und Schneeblenden umkleidet sind. Ihr Hauptvorzug ist das
stets gleiche Signalbild für Tag und Nacht. Auch Blinklicht ist in Aussicht
genommen. Es wird Sache längerer Erprobung im Betriebe sein, hier das Beste vom
Guten ausfindig zu machen. Mit den sichtbaren Signalzeichen werden gleichzeitig
betätigte, der Oertlichkeit angepaßte hörbare Zeichen verbunden, die durch Hupen,
Glocken, Sirenen oder Wecker erzeugt werden. Für den ziemlich unwahrscheinlichen
Fall eines Versagens der im Grunde verhältnismäßig einfachen und deshalb sehr
betriebssicheren Anlagen sind, in der Richtung der Bahnstrecke, dem herankommenden
Zuge entgegen, leuchtende Kontrollampen vorgesehen, deren Verlöschen dem
Lokomotivführer anzeigen würde, daß die Warnanlage gestört ist. In diesem
Ausnahmefalle müßte der Führer vor dem Uebergange halten und dürfte erst
weiterfahren, nachdem der Weg gesichert ist. Das hauptsächlich Neue in den
Einrichtungen sind die später ausführlich zu erörternden Schaltungen.
In Abb. 1 ist zunächst ein am Ende eines Auslegers
oberhalb des Weges angehängter Signalkasten mit durchscheinenden, in der Richtung
des Weges leuchtenden und mit entsprechender Aufschrift
zu versehenden Glasscheiben zu erkennen; darüber ist außerdem ein rotes
Signallicht angeordnet. Auch Einrichtungen für pendelnde Signale an gleicher Stelle
sind ausgearbeitet. Auf dem vorderen Ende eines die Fahrdrahtleitung der elektrisch
betriebenen Bahn tragenden Auslegers sitzt die Kontrollampe. Alle Lampen sind mit
großen Schnee- und Sonnenblenden versehen.
Die Stromzuleitung zu den Signallichtern und den
Schaltvorrichtungen ist verschiedenartig auszuführen, je nachdem die betreffende
Bahnstrecke mit elektrischem Gleichstrom, mit elektrischem Wechselstrom, oder mit
Dampf betrieben wird. Im letzteren Falle wird der zum Betriebe der
Sicherungseinrichtungen erforderliche Strom, wie jetzt fast allerorts tunlich ist,
aus einer mit hochgespanntem Wechselstrom gespeisten Ueberlandleitung entnommen. Für
alle diese Fälle sind neue Schaltanordnungen erfunden, die aber aus
patentrechtlichen Gründen hier nur möglichst genau beschrieben werden können.
Am einfachsten gestalten sich die Schaltungen und die
sämtlichen Einrichtungen der selbsttätigen Warnanlagen für elektrische
Gleichstrombahnen, weil bei diesen der Betriebsstrom der Bahn ohne weiteres auch für
die Warnanlagen benutzt werden kann. Bei Bahnen mit hochgespanntem Wechselstrom ist Herabspannung des Stromes und dessen
Umformung durch eine (Quecksilberdampf-) Gleichrichteranlage, bei Dampfbahnen außerdem besondere Stromzuleitung von
auswärts erforderlich. In jedem Falle werden die selbsttätigen Warnvorrichtungen
mittels zweier Differenzial-Hilfsrelais, für jede Fahrrichtung ein besonderes, in
und außer Betrieb gesetzt. Diese Relais sind, wie alle Relais, in der Telegraphie
und sonst überall, nur Vermittler; sie liefern selbst keinen Strom, schalten
vielmehr nur den Strom irgend einer Hilfsquelle ein, indem sie den Anschluß an eine
mit elektrischem Strom gespeiste Leitung vermitteln. Die Differenzial-Relais, zu
deren Ein- und Ausschaltung nur verhältnismäßig schwache Stromzuleitung erforderlich
ist, sind einerseits an die Stromquelle, bei Gleichstrombahnen unmittelbar an die
Fahrdrahtleitung, angeschlossen. Diese Verbindung kann durch einen
Hochleistungskontakt besonderer Bauart unterbrochen und wieder hergestellt werden.
Andrerseits sind je zwei Spulen jedes Relais, eine jede für sich, mit einem von zwei
Lamellen-Schleifkontakten (Abb. 2) aus gut leitendem
Metall verbunden, deren einer vor, der andere hinter dem zu schützenden
Wegeübergange stromdicht an die Fahrdrahtleitung des Bahngleises angeklemmt ist. Für
den kurzen Augenblick der Durchfahrt unter dem ersten, vor dem zu schützenden
Wegeübergang angebrachten Schleifkontakt wird, mittels des Bügel- oder
Rollenstromabnehmers der elektrischen Lokomotive oder des Triebwagens eines
herannahenden Zuges, leitende Verbindung zwischen dem Fahrdraht und den Lamellen des
Schleifkontaktes und dadurch auch mit der Einschaltspule des betreffenden
Relais hergestellt. Der Unterbrechungskontakt der Verbindungsleitung zwischen
Stromquelle (Fahrdraht) und Warnvorrichtung wird infolgedessen elektromagnetisch
geschlossen. Die Warnanlage bleibt alsdann im Betriebe, bis die Stromzuleitung durch
Erregung der zweiten Spule des Relais, von dem jenseits des Ueberweges an die
Fahrdrahtleitung angeklemmten Schleifkontakt aus wieder unterbrochen wird. Bei
eingleisigen Bahnen werden ebenfalls zwei getrennte Differenzial-Relais, für jede
Fahrrichtung eines, verwendet, die durch eine besondere Schaltung so miteinander
verbunden sind, daß eines den Betrieb des andern nicht stört. Der Abstand des ersten
Schleifkontaktes, vor dem zu schützenden Wegeübergange, ist jeweils durch die
Fahrgeschwindigkeit des schnellsten, auf der betreffenden Strecke verkehrenden Zuges
bedingt, damit die Warngeräte hinreichend früh, etwa eine Minute vor Ankunft des
Zuges, in Tätigkeit treten. Der Abstand des zweiten Schleifkontaktes, für
Außerbetriebsetzung der Warnanlage, jenseits des Wegeüberganges, richtet sich nach
der größten Länge der Züge, damit der Ueberweg erst wieder freigegeben wird, indem
die Warngeräte außer Tätigkeit treten, wenn der letzte Wagen des längsten Zuges
hinüber ist.
Textabbildung Bd. 343, S. 219
Abb. 2. Hauptwarngerät mit Pendelwerk und Allgemeinbeleuchtung-
(Nachtaufnahme).
Bei Dampfbahnen muß der Strom für Ein- und Ausrückung und für den ganzen Betrieb der
Warngeräte aus einer mit hoch gespanntem Wechselstrom gespeisten Ueberlandleitung
entnommen werden, wenn nicht zufällig Gelegenheit zur Benutzung von Gleichstrom aus
irgend einem entsprechenden, in der Nähe vorhandenen Licht- oder Kraftbetrieb
geboten ist. In der Regel wird dann eine mehr oder weniger lange Stromzuleitung von
der Ueberlandleitung zu der Warnanlage erforderlich. Länger anhaltende Störungen in
einer Ueberlandleitung für hochgespannten Wechselstrom sind zwar kaum mehr zu
befürchten, indem diese Leitungen meist doppelt ausgeführt und in jeder erdenklichen
Art gegen Störungen geschützt werden. Trotzdem ist der Sicherheit halber für
Dampfbahnen eine Speicherbatterie vorgesehen, die im Notfalle mehrere Tage lang den
für die Warngeräte
erforderlichen Strom liefern kann. In absehbarer Zeit wird bei den Eisenbahnen
der elektrische Betrieb Alleinherrscher sein, nachdem der erforderliche Strom mehr
und mehr durch Erschließung neuer Wasserkräfte zur Verfügung gestellt wird.
Textabbildung Bd. 343, S. 220
Abb. 3. Vorsignal (Tagesaufnahme).
Bei Bahnen, die mit stets hochgespanntem Wechselstrom betrieben werden, kann der
Strom zum Betriebe der Warnanlagen mittels der Stromabnehmer der elektrischen
Triebwagen oder Lokomotiven aus dem Fahrdraht oder aus der den Fahrdraht speisenden
Zuleitung entnommen werden. Die Speicherbatterie ist bei solchen Bahnen entbehrlich,
vorausgesetzt, daß ein Befahren der Bahn mit Dampflokomotiven ganz ausgeschlossen
ist. Auch entfallen bei Wechselstrombahnen stets die längeren Leitungen, die bei
Dampfbahnen für die Zuleitung des Betriebsstromes der Warnanlagen erforderlich
werden können, immer vorausgesetzt, daß die Wechselstrombahnen nie von
Dampflokomotiven befahren werden, die in der Regel weder Speicherbatterien noch
Stromzuleitung von auswärts entbehren können. Für die Warnanlagen einer
Wechselstrombahn kommt Betriebsstörung durch Störung der Leitungen nicht in
Betracht, weil in solchem Falle der ganze Bahnbetrieb für die Dauer der Störung
stilliegen würde.
In jedem Falle, bei Dampfbahnen, wie bei Wechselstrombahnen, wird der hochgespannte
Betriebsstrom der Warnanlagen mittels eines Quecksilberdampf-Gleichrichters auf
Gleichstrom von 110 Volt Spannung umgeformt. Die Differenzial-Hilfsrelais werden bei
Dampfbahnen und bei Wechselstrombahnen mittells eines Schienenkontaktes, an Stelle
des an den Fahrdraht von Gleichstrombahnen angeklemmten
Lamellen-Schleifkontaktes, betätigt. Im übrigen sind die Einrichtungen ganz ähnlich
wie bei Gleichstrombahnen. Der aus Spezialstahl gefertigte Stößel des
Schienenkontaktes (Abb. 3) wird durch ein Vorderrad
der Zuglokomotive niedergedrückt, infolge dadurch bewirkten Stromschlusses
elektromagnetisch in seine tiefste Lage gezogen und in dieser Stellung festgehalten,
bis wieder Auslösung von dem zweiten, jenseits des Ueberweges eingebauten Kontakt
aus erfolgt. Das obere Ende des Stößels kommt also nur mit dem Spurkranze der ersten
Achse des Zuges in Berührung; alle folgenden Spurkränze rollen in einigem Abstande
darüber hinweg. Auch diese Einrichtung steht unter Patentschutz. Ein durch den
Stößel des Schienenkontaktes gesteuertes drehbares Kontaktelement vermittelt hier
die Einschaltung des Relais. Die elektrische Speicherbatterie kann entweder in
längeren Betriebspausen bei Nacht, oder selbsttätig während des Betriebes aufgeladen
werden.
Nach einem möglichst genauen Kostenvergleiche, der auf einen bestimmten, nicht einmal
für eine selbsttätige Warnanlage besonders günstig liegenden Fall zugeschnitten ist,
betragen die gesamten Baukosten der selbsttätigen Warnanlage für eine mit Dampf
betriebene Nebenbahn 10300 Reichsmark, wenn alle elektrischen Leitungen der
Sicherheit halber als bewehrte Kabel ausgeführt werden, gegen etwa 3000 RM. für eine
Schrankenanlage der Regelbauart. Dabei ist aber zu bemerken, daß die
Schrankenanlagen gegenüber der jetzt üblichen Bauart erheblich verstärkt werden
müßten, um ihre Aufgabe vollkommen zu erfüllen, also schwere und schnell fahrende
Kraftwagen mit Sicherheit aufhalten und die Eisenbahnzüge schützen zu können. Bei
Annahme einer Lebensdauer von 15 Jahren in beiden Fällen und dementsprechend rund 7
vH. Tilgung, und für einen Zinsfuß von 8 vH. berechnen sich die gesamten jährlichen
Ausgaben für die Warnanlage auf 1850 RM. einschließlich aller Betriebskosten, gegen
rund 8000 RM. für eine bediente Wegeschranke der Regelbauart; Tag- und Nachtdienst
der betreffenden Bahnstrecke, also dreifache Besetzung des Wärterpostens
vorausgesetzt. Es ist nun auch noch zu berücksichtigen, daß für den heutigen Verkehr
Wegeschranken allein nicht mehr genügen, weil sie bei unübersichtlicher
Oertlichkeit, bei Staub, Nebel oder Schneegestöber gar nicht oder zu spät von den
Führern der Kraftfahrzeuge wahrgenommen werden. Hörbare Warnzeichen fehlen bei
Hauptbahnen gänzlich, abgesehen von den kurzen Glockenzeichen vor Schluß der
Schranken; die Glockenzeichen der Lokomotiven der Nebenbahnen sind für Kraftfahrer
meist bei weitem nicht deutlich genug. Warnzeichen, die an geeigneter Stelle der
Uebergänge, für den schnell und mit Geräusch und Staubentwicklung Herankommenden
frühzeitig genug wahrnehmbar, aufgestellt werden, können dagegen ihren Zweck immer
erfüllen, wenn sie selbsttätig, durch Vermittlung des den Wegeübergang kreuzenden
Zuges, in und außer Betrieb gesetzt werden. Jeder, der durch solche Warnzeichen
nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht ist, daß ein Eisenbahnzug
innerhalb spätestens einer Minute mit Sicherheit ankommt, und daß dann der Weg
alsbald wieder frei wird, wartet gern die kurze Zeit, während eine, vermeintlich
oder wirklich, zu früh geschlossene Schranke zur Ungeduld und eigenmächtigem
Eingreifen reizt.
Die Eisenbahnverwaltungen können nun keineswegs für die heutigen Verkehrszustände an
den Kreuzungen von Landstraße und Eisenbahn verantwortlich gemacht werden. Als die
Eisenbahnen, Haupt- und Nebenbahnen, gebaut wurden, war alles in schönster Ordnung.
Kraftfahrzeuge waren nicht vorhanden und für den damaligen schwachen Verkehr mit
sonstigem Fuhrwerk genügten die Einrichtungen vollständig. Die spätere Entwicklung
war nicht vorauszusehen. Unter heutigen Verkehrsverhältnissen hätte man sich
leicht, wie in dem damals schon sehr gewerbereichen Großbritannien, bei dem Bau der
Bahnen auf Unterführung, wenigstens der wichtigeren Straßen geeinigt. Man hat damals
nicht voraussehen können, daß die Landstraßen einmal, wie heute täglich zu
beobachten ist, als Rennbahn zu Wettfahrten zwischen Auto und Motorrad dienen
würden. Die Sicherung der Wege ist in erster Linie eine Angelegenheit des
Straßenverkehrs. Deshalb sind die Eigentümer und Unterhaltungspflichtigen der
Straßen, sowie die den Verkehr Betreibenden hier in erster Reihe zuständig. Bei der
heutigen Entwickelung wird es geradezu nötig, die Eisenbahnen gegen den
Straßenverkehr zu sichern.