Titel: | Polytechnische Schau. |
Autor: | K. |
Fundstelle: | Band 343, Jahrgang 1928, S. 246 |
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Polytechnische Schau.
(Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge
– nur mit Quellenangabe gestattet.)
Polytechnische Schau.
Besteht eine unmittelbare Gefahr der Ueberfremdung des Marktes
mit amerikanischen Wagen?
Wenn man den ungeheuren Vorsprung in Betracht zieht, den die amerikanische
Kraftfahrzeug-Industrie infolge des Krieges und seiner Nachwirkungen vor der
europäischen hat, ist es eigentlich zu verwundern, daß trotz aller Zollschranken der
europäische Bedarf an Kraftwagen nicht vollkommen von den Amerikanern befriedigt
wird. Denn es bestehen vorläufig keine Aussichten für Europa, eine
Kraftfahrzeug-Industrie von der Größe zu entwickeln, wie sie in Amerika in den
letzten 15 Jahren entstanden ist – die eigentliche Ursache der ungeheuren
Verbilligung der Erzeugung. Wenn trotz diesen uns verschlossenen Möglichkeiten der
amerikanische Wagen keineswegs in Europa vorherrschend geworden ist, so liegt das
zum nicht geringen Teil an den anders gearteten Anforderungen, die der europäische
Markt im Gegensatz zum amerikanischen stellt, Anforderungen, die zum Teil die
Entwicklung drüben und hier verschieden beeinflußt haben.
Eine Ursache dieser verschiedenen Entwicklung ist die Frage des Brennstoffes, der
genau so ein Element des Kraftfahrzeuges ist, und vielleicht ein ebenso wichtiges,
wie etwa der Zylinder oder die Bremse oder der Reifen. Es darf nicht vergessen
werden, daß Amerika das Land des Benzinüberflusses ist, des billigen Brennstoffes
und nebenbei der niedrigen Fahrzeugsteuern. Die Wirtschaftlichkeit des
Motorenbetriebes spielt also, mit unseren Verhältnissen verglichen, eine
untergeordnete Rolle. Motoren mit hohem Benzinverbrauch und großem Zylinderinhalt
können durchaus leistungsfähig sein, aber sie sind nicht wirtschaftlich in unserem
Sinne; der amerikanische Automobilmotor, wenn auch entstanden aus einer ungeheuren
Praxis heraus, ist durchaus nicht ideal für europäische Verhältnisse, und der
Brennstoffmarkt übt zweifellos in noch viel größerem Maße seinen Einfluß auf die
Bauart des Motors aus, als etwa die bessere Straßenbeschaffenheit in den
Vereinigten Staaten auf die Konstruktion des ganzen Wagens. Hinzu kommt, daß drüben
die Steuergesetzgebung nicht zur Entwicklung von Maschinen mit kleinem
Zylinderinhalt bei hohen Leistungen gezwungen hat.
Wir sind darauf angewiesen, den Brennstoff in unseren Motoren so weit wie möglich
auszunutzen; denn seine Kosten machen normalerweise ein Drittel der Betriebskosten
überhaupt aus. Diese Notwendigkeit ist der Grund, weshalb man bei unseren Motoren
immer mehr zu höherer Verdichtung übergeht und damit zur Möglichkeit der wirklichen
Ausnutzung von Kraftstoffen, die eine höhere Verdichtung vertragen, Kraftstoffen,
die bei uns, im Gegensatz zu Amerika, in ausreichender Menge und Güte vorhanden
sind.
Natürlich hat sich die amerikanische Industrie in ihrem Kampf um die europäischen
Märkte dieser Forderung anzupassen versucht, die in ihrer Bedeutung in den letzten
Jahren auch in Amerika selbst immer mehr an Einfluß gewinnt. Und wenn noch vor
kurzer Zeit der amerikanische Motor durchschnittlich ein Verdichtungsverhältnis von
1 : 4 hatte, so sind in diesem Jahr eine ganze Reihe von Firmen dazu übergegangen,
hochverdichtende Motoren bzw. Motoren mit Hochverdichtungs-Zylinderköpfen,
serienmäßig zu bauen. So hat der neue Acht-Zylinder-Marmon einen Verdichtungsgrad
von 1 : 5,25 erhalten, Stutz baut Spezial-Zylinderköpfe mit Verdichtungsgraden von 1
: 6 und 1 : 6,25, Auburn liefert Zylinderköpfe für 6,2-fache Verdichtung und
Chrysler baut serienmäßig Zylinderköpfe für eine Verdichtung von 1:6,1, unter
gleichzeitiger Empfehlung des „Ethyl-Gasoline“ als Brennstoff, eines Benzins,
das durch Zusatz von (giftigem) Tetra-Ethyl-Blei kompressionsfest gemacht ist und
infolgedessen nicht schon bei verhältnismäßig geringer Verdichtungserhöhung den
Motor durch starkes Klopfen beansprucht. Es ist interessant, daß beim Vergleich der
amerikanischen Typentafeln von 1926, 1927 und 1928 man erkennen kann, daß die
Anzahl der Motoren mit höheren Verdichtungsgraden gegenüber der Gesamttypenzahl von
3 auf 16 und schließlich auf 21 % gestiegen ist (in Deutschland bauen nach der
Typentafel des RDA. 1928 75 % unserer Automobilfabriken Motoren mit einer
Verdichtung von über 1:5), obgleich, wie oben angeführt, die Verhältnisse auf dem
amerikanischen Brennstoffmarkt nicht unbedingt diese Entwicklung gefördert haben.
Aber auch der Amerikaner hat die zuerst von deutschen Ingenieuren erkannten großen
wirtschaftlichen und fahrtechnischen Vorteile der Hochverdichtung anerkannt (höhere
Leistung, geringeren Brennstoffverbrauch, weniger Schalten u.a.m.) und hat, im Sinne
dieser Entwicklung, künstlich erzeugte, nicht klopfende, hochverdichtungsfähige
Brennstoffe, wie das genannte „Ethyl-Gasoline“, trotz seiner Gefährlichkeit
weitgehend eingeführt, weil in Amerika natürlich kompressionsfeste Brennstoffe, wie
Benzol, Spiritus und deren Gemische mit Benzin, nicht in ausreichender Menge
vorhanden sind.
Es hat also zweifellos gerade im letzten Jahr eine weitgehende Anpassung der
amerikanischen Kraftfahrzeugmotoren – Konstruktionen an die Erfordernisse des
europäischen Marktes stattgefunden, eine Entwicklung, die durchaus beachtlich ist,
wenn man auch vorläufig nicht sagen kann, daß eine unmittelbare Gefahr der Eroberung
der europäischen Märkte durch amerikanische Wagen vorliegt.
Dipl.-Ing. A. Lion (Berlin).
Was bedeutet Klopffestigkeit? Das Klopfen ist eine der
unangenehmsten Krankheiten des Motors im praktischen Fahrbetrieb. Es kommt natürlich
vor, daß Lager und Bolzen nach einer langen Betriebszeit ausgeleiert sind, oder auch
der Kolben im Zylinder Spiel bekommt und infolgedessen ein Klopfen eintritt. Dieses
Klopfen ist aber leicht zu beheben durch Auswechselung der betreffenden schadhaften
Teile. Viel gefährlicher ist das Klopfen, das während des Verbrennungsvorganges
auftritt und durch die ungünstigen Eigenschaften des Brennstoffes hervorgerufen
wird, und dessen Folgen unter Umständen erst die eingangs genannten Schäden und die
erste Art des Klopfens sein können.
Diese zweite Art des Klopfens, die weniger leicht zu beheben ist, als die
erstgenannte, tritt oft dann auf, wenn nicht der geeignete Brennstoff im Motor
verwandt wird, wenn der Brennstoff die im Zylinder erzeugte Kompression nicht
verträgt und bestimmte Werte von Druck und Temperatur überschritten werden, die dann
zu einer Selbstzündung des Kraftstoffes führen. Dann wird die
Verbrennungsgeschwindigkeit im Motor außerordentlich gesteigert, und es entsteht
eine sogenannte Druckwelle, die sich innerhalb außerordentlich kleiner Zeit mit
großer Geschwindigkeit fortpflanzt, einen plötzlichen Druckstoß erzeugt und die
Ursache des deutlich hörbaren Klopfens oder, in anderen Fällen, Klingeins des Motors
wird.
Im Einzelnen soll hier nicht auf die verschiedenen Erscheinungen beim Klopfen
eingegangen werden. Es kann ohne weiteres gesagt werden, daß theoretisch die Frage
des Klopfens, so lange bekannt diese unangenehme Erscheinung auch schon ist,
noch nicht recht geklärt ist. Andererseits kennt man wohl die Mittel zur Abhilfe
dieser Erscheinung, die man am besten an der Wurzel packt. Es wäre falsch, wegen der
auftretenden Klopferscheinungen etwa die Verdichtung des Motors herabzusetzen und
auf die großen Vorteile der höheren Kompression einfach zu verzichten. Vor allem
ersetzt man die Zündkerzen, falls sie die Ursache besonderer Wärmeansammlungen und
damit zu früher Zündungen sind, durch kompressionsfeste Kerzen. Auch ein Ersatz des
gußeisernen Kolbens durch einen Leichtmetallkolben hilft in vielen Fällen.
Meist liegt aber, wie gesagt, die Ursache des Klopfens nicht im Motor, sondern im
Brennstoff, der sich zu früh entzündet und nicht das „Kommando“ des
Zündfunkens abwartet. Um die Klopffestigkeit vieler Brennstoffe zu erhöhen, gibt es
bekanntlich zwei Arten von Zusätzen, einmal die Beimengung sogenannter
„chemischer Bremsen“, wie des im amerikanischen Ethyl-Gasoline
enthaltenen Tetra-Ethyl-Bleis oder des im deutschen Motalin zu findenden
Eisenkarbonyls. Leider ist gerade das Tetra-Ethyl-Blei sehr giftig und auch
unbeständig, während das Eisenkarbonyl ungiftig ist. Das andere Mittel ist ein
Zusatz von Benzol oder auch Toluol oder Spiritus, die sich bis heute als die besten
„Antidetonantia“ erwiesen haben. Natürlich sind derartige Brennstoffe mit
kompressionsfesten Zusätzen nicht als unbedingt klopffest zu bezeichnen. Ihre
Klopffestigkeit ist nur erhöht, und jeder Erhöhung der Kompression sind sie
naturgemäß nicht gewachsen, während andererseits die hohe Klopffestigkeit des
Benzols in der Praxis nicht einmal voll ausgenutzt werden kann, man also gar nicht
die Möglichkeit hat, aus diesem Brennstoff den vollen Ertrag herauszuholen. Man ist
z.B. ohne Schwierigkeiten in einem gewöhnlichen BMW-Motor mit Benzolbetrieb auf
11fache Verdichtung gegangen. Mit Benzinen mit Benzolzusätzen kann man im
allgemeinen nicht über eine Verdichtung von 5 bis 5½ hinausgehen, abgesehen
vielleicht vom Aral, das Verdichtungen bis zu 1 : 6 ohne weiteres aushält. Hat man
Benzol zur Verfügung, kann man in der Praxis Verdichtungsgrade bis zu 1 : 8 ohne
weiteres anwenden.
Zweierlei muß hier unterschieden werden, nämlich die eigentlichen
Benzin-Benzol-Gemische von den Benzinen mit geringem Benzol-Zusatz. Es ist irrig,
anzunehmen, daß Benzine mit ganz geringem Benzol-Zusatz eine wesentliche Erhöhung
ihrer Klopffestigkeit erfahren. Praktisch ist eine beträchtliche Erhöhung der
Klopffestigkeit nur durch einwandfreie Gemische zu erzielen, die außerdem
zweckmäßiger nicht vom Fahrer selbst hergestellt, sondern fertig bezogen werden, da
eine vollkommene Mischung durch einfaches Zusammengießen und -schütteln nicht zu
erzielen ist.
Dipl.-Ing. A. Lion, Berlin.
Planwirtschaft bei Kraftwagenausbesserungen. Die vielen
Klagen über zu. hohe Aufwendungen für größere Ausbesserungen und laufende
Instandhaltung der Kraftwagen entspringen nicht selten der Unkenntnis der Besitzer
über die notwendigen Voraussetzungen für den Betrieb einer Autowerkstatt. Doch auch
die Leiter solcher Betriebe können
durch planmäßige Führung der Arbeiten zur Verbilligung ihrer Kosten wesentlich
beitragen.
Eine Schrift, die ein vom Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung, von der
Arbeitsgemeinschaft deutscher Betriebsingenieure im Verein deutscher Ingenieure
(ADB), vom Reichsverband des Kraftfahrzeughandels und -gewerbes und vom
Reichsverband der Automobil-Industrie eingesetzter Ausschuß verfaßt hat und die von
Dipl.-Ing. Kreide in dem Fachheft „Kraftfahrwesen“ der VDI -Zeitschrift Nr. 44 in einem Aufsatz „Wirtschaftliche Kraftwagenausbesserung“ besprochen wird, soll
insbesondere den Kreisen der kleinen Werkstättenbesitzer Anregungen bieten, ihre
Betriebe nach neuzeitlichen Grundsätzen wirtschaftlich zu führen. Die Wirtschaft
solcher Betriebe beginnt schon mit der Ausrüstung, deren Umfang durch die Erwägungen
bestimmt sein soll, daß sich der kleinere Betrieb auch auf kleinere Arbeiten
beschränken muß. Im Bereich der Arbeitsvorbereitung kann durch rechtzeitige
Beschaffung notwendiger Ersatzteile zweifellos noch viel zur Vereinfachung und
Beschleunigung der Wageninstandhaltung getan werden. Gleiches gilt von einer
übersichtlicheren Gestaltung des Rechnungswesens, das auch im Kleinbetrieb bei einem
Mindestaufwand an Schreibtätigkeit eine Nachprüfung der geleisteten Arbeit und des
verbrauchten Materials noch nach längerer Zeit ermöglichen soll. Bereitwilligkeit zu
klarer Rechnungslegung würde viel dazu beitragen, um das Vertrauen zwischen
Bestellern und Ausführenden zu fördern.
Außer dem genannten Beitrag enthält das Fachheft „Kraftfahrwesen“ der
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure weitere Aufsätze über Oeltriebwagen,
Fahrzeugdieselmotoren, Tankanlagen, Unfälle im Kraftwagenbetrieb u.a.m. aus der
Feder namhafter Autoren.
VDI.
Unfälle im Betrieb und Verkehr mit Kraftwagen. In der
anläßlich der Internationalen Automobil-Ausstellung Berlin 1928 als Fachheft
„Kraftfahrwesen“ erschienenen Nr. 44 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure gibt Ziv.-Ing. Ad. König zum ersten Mal eine umfassende Uebersicht über die
Unfallmöglichkeiten im Kraftwagenbetrieb und die Mittel zu ihrer Verhinderung. Er
unterscheidet hierbei zwischen den Gefahren, die der an sich fehlerlose Wagen allein
durch seine überlegene Geschwindigkeit und Wendigkeit oder durch die bei den
heutigen Motoren noch unvermeidlichen Geräusche und Gerüche hervorrufen kann, und
den Gefahren, die am fehlerhaften Wagen auftreten und sich im Gleiten oder
Schleudern, im Versagen einzelner Teile, im Entstehen von Bränden u. dergl.
äußern.
Mit Recht wird hervorgehoben, daß bei der Beurteilung aller Unfallmöglichkeiten die
Erfahrung und Vorsicht des Wagenführers in erster Linie in Betracht zu ziehen ist,
und daß der zuverlässigste Wagen in der Hand eines leichtsinnigen Fahrers gefährlich
werden kann. In diesem Zusammenhang verdient besonders der Gedanke Erwähnung, der
Neigung zur Entfaltung übermäßig hoher Geschwindigkeiten im Straßenverkehr mit
Kraftdroschken durch neue Fahrpreisanzeiger entgegenzuwirken, die bei
Ueberschreitung der Höchstgeschwindigkeit selbsttätig einen ständig abnehmenden
Fahrpreis einstellen. Die Betrachtungen über das Verhältnis zwischen Motorleistung
und Wagengewicht zeigen die Irrigkeit der vielverbreiteten Anschauung, daß im
Stadtverkehr die sogen. starken Wagen gefährlicher seien als die schwachen;
schließlich wird darauf hingewiesen, daß die heutigen Fahrvorschriften hinsichtlich
des Vorfahrtsrechts der auf Hauptverkehrsstraßen fahrenden Wagen bei der
Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Haupt- und anderen Straßen mancherlei
Gefahrenmöglichkeiten in sich bergen und einer Revision bedürfen.
Schließlich dürfte der vorliegende Beitrag, der mit einer ausführlichen Uebersicht
über die wesentlichsten Unfallmöglichkeiten auch eine eingehende Darstellung der zu
ihrer Herabsetzung vorgesehenen Maßnahmen verbindet, wirksam zur Erkenntnis und
somit zur Vermeidung der mannigfachen Gefahren des heutigen Kraftwagenbetriebes
beitragen.
Über Wirtschaft und Technik der Steinkohlenveredlung
machte Generaldirektor Dr.-Ing. e. h. A. Pott (Essen) auf
der Tagung der Bergleute in Berlin interessante Mitteilungen. Er wies darauf hin,
daß dank der weitgehenden Mechanisierung des Kokereibetriebes bei der Errichtung der
neuen Zentralkokereien im Ruhrgebiete eine erhebliche Senkung der Betriebskosten und
eine Steigerung der Leistung je Mann und Schicht von z.B. 4 t Koks bei den früheren
Normalkokereien mit etwa 60 Öfen auf heute 11-18 t gelungen ist. In den
neuzeitlichen Verbundöfen, die wahlweise mit Stark- oder Schwachgas beheizt werden
können, werde heute ein Drittel, bis zum Jahresende voraussichtlich die Hälfte der
gesamten Kokserzeugung des Ruhrgebietes gewonnen. Auch auf dem Gebiete der
Schwelerei sind bemerkenswerte Fortschritte zu verzeichnen. Die Einhaltung der
optimalen Schwelbedingungen auf Grund neuerer Erkenntnisse gelingt in den
Doppeldrehöfen. Auch bei der Aufarbeitung der Nebenprodukte der
Steinkohlenschwelerei sind wichtige Verbesserungen gelungen; so ist heute das in
einer Menge von 10–12 kg je t Kohle anfallende Schwelbenzin ein vorzüglicher,
klopffester Motorbrennstoff, ebenso ist es gelungen, die Urteerphenole weitgehend zu
reinigen und zur Herstellung ganz neuer Desinfektionmittel zu verwenden. Auch die
Fortschritte auf dem Gebiete der Braunkohlenveredlung wurden in diesem Zusammenhang
kurz gestreift.
Der Steinkohlenbergbau schenkt der Gewinnung von synthetischem Ammoniak besondere
Beachtung und hat sich neuerdings dazu entschlossen, auch selbst derartige Anlagen
zu errichten, vornehmlich deshalb, weil die Gewinnung von 1 kg gebundenem Stickstoff
außer Wasser und Luft etwa 5 kg Steinkohle erfordert. Im Hinblick darauf, daß bis
zum Jahresende die Gesamterzeugung an Stickstoff in Deutschland etwa 1 Mill. t
gegenüber einem Inlandverbrauch von nur etwa 400000 t erreichen wird, sowie unter
Berücksichtigung der heutigen niedrigen Stickstoffpreise muß vor einer hemmungslosen
Stickstofferzeugung gewarnt und beim Bau neuer Anlagen eine weise Mäßigung dringend
empfohlen werden. Bei der Herstellung von synthetischem Ammoniak spielt die Wasser-
Stoffgewinnung eine ausschlaggebende Rolle bezüglich der Wirtschaftlichkeit.
Aus Wassergas gewonnener Wasserstoff kostet je cbm etwa 7 Pf., während nach dem
Verfahren von Bronn-Concordia-Linde, das vom Koksofengas ausgeht, 1 cbm sich auf
etwa 4,5 Pf. stellt. Bei einem Bedarf von 2,5 cbm Wasserstoff zur Bindung von 1 kg
Stickstoff in Form von Ammoniak bedeutet dies, daß die Ausgaben für den Wasserstoff
in 1 kg Ammoniakstickstoff im ersten Falle 17,5 und im zweiten Falle 11,25 Pf.
betragen. Technische Verbesserungen werden es ermöglichen, den Preis für den
Wasserstoff noch weiter zu senken. Nicht minder wichtig als für die
Stickstoffbindung ist die Frage der billigen Wasserstofferzeugung für die Gewinnung
von Ölen aus Kohle nach dem Verfahren von Bergius oder von Fischer. Letzteres
Verfahren bezeichnete Dr. Pott als durchaus gangbar und auch als wirtschaftlich
erfolgversprechend, sofern es gelinge, hinreichend aktive Katalysatoren
aufzufinden.
Zum Schluß ging der Vortragende noch näher auf das Sortenproblem und die
Gasfernversorgung ein, die dem Ruhrbergbau die Möglichkeit geben soll, seinen
edelsten Brennstoff, das Koksofengas, das bisher unter den Koksöfen und Dampfkesseln
im eigenen Betriebe verfeuert werden mußte, zu verkaufen und an seiner Stelle die
schwer absetzbaren Kohlensorten selbst zu verfeuern. Die Beschaffenheit des
Koksofengases stehe der des heutigen Stadtgases in keiner Weise nach, im Gegenteil
können zur Reinigung und Verbesserung des Kokereigases wegen der gewaltigen Mengen,
in denen es zur Verfügung steht, Verfahren angewandt werden, die zur Reinigung der
kleinen Mengen dezentralisiert erzeugten Stadtgases wirtschaftlich nicht
durchführbar wären. Es sei heute möglich, das Koksofengas praktisch restlos von
Naphthalin zu befreien sowie das aus verschiedenen Kokereien stammende Gas in bezug
auf Heizwert und Gasdichte so gleichmäßig einzustellen, daß das gesamte Ferngas in
vollkommener Reinheit und Gleichmäßigkeit zur Verfügung stehe.
Sander.
Ueber die feuerfesten Stoffe für Hochöfen. Um zu einer
Beurteilung der für Hochöfen am besten geeigneten feuerfesten Stoffe zu gelangen,
muß man zuerst den Gründen nachgehen, die ihre Zerstörung während des Ofenbetriebes
verursacht haben. Man wird dabei die verschiedenen horizontalen Zonen des Hochofens
zu berücksichtigen haben, nämlich die Gicht, den Schacht, den Kohlensack, die Rast,
den Herd und die Herdsohle. Es wäre nicht möglich, innerhalb einer einzigen
Uebersicht die vielfachen Ursachen, die bei dem Verfall der feuerfesten Stoffe
mitspielen, aufzustellen, da alle Hochöfen nicht das gleiche Roheisen erzeugen und
auch nicht gleich geführt werden. Bedingen doch die verschiedenen Roheisensorten
auch verschiedene Ofentemperaturen und erfordern keineswegs die Verwendung der
gleichen Eisenerze. Es ist praktisch unmöglich, eine normale Ofenreise des Hochofens
anzugeben, die 2, aber auch 20 Jahre betragen kann. Man wird daher auch von dem
Lieferer feuerfester Steine keine bestimmte Gewähr in dieser Beziehung verlangen
können. Dagegen sind die Abnahmevorschriften über die Eigenschaften der
feuerfesten Stoffe während ihrer Lieferung selbstverständlich und auch notwendig. An
der Gicht und im oberen Teil des Gestells ist die Wirkung der Temperatur gering;
besteht an der Gicht doch eine Temperatur von nicht mehr als 150 bis 300°, so daß
die feuerfesten Stoffe hier nicht Gefahr laufen, durch Einschmelzen zugrunde zu
gehen. Auf der anderen Seite sind sie aber heftigen Stößen durch das Einführen der
Möller ausgesetzt, ferner auch einer anderen zerstörenden Wirkung, die man nicht
verkennen sollte, nämlich den mit Kohlenoxyd beladenen Gasen, die die Steine ständig
baden und in sie einzudringen versuchen. Der durch die Reaktion: 2 CO = CO2 + C frei werdende Kohlenstoff lagert sich in
pulverförmigem Zustand auf den Stein ab und führt seine Zersplitterung herbei. Es
ist daher selbstverständlich, daß die für den oberen Teil des Gestells verwendeten
Steine in erster Linie gegen Stöße und Verschleiß widerstandsfähig sind. Die
Druckfestigkeit der Steine spielt also hier die vorherrschende Rolle. Dann muß die
Porosität dieser Steine zwecks Vermeidung des Eindringens von Gasen gering sein. Die
chemische Zusammensetzung ist von untergeordneter Bedeutung, während die
Schmelztemperatur der Steine verhätnismäßig niedrig sein kann. Im mittleren Teil des
Schachtes sind die Steine hauptsächlich den mechanischen Einflüssen der Einsätze
ausgesetzt, die bei ihrem Fallen die Auskleidung abnutzen. Für diesen Teil sind
Steine zu wählen, die genügend feuerfest, aber gleichzeitig auch sehr verschleißfest
sind. Auch diese Steine sollen möglichst wenig porös sein. Im Kohlensack fangen die
Schwierigkeiten an, da hier die Einsätze anfangen, in den teigigen Zustand
überzugehen, und da hier die ersten chemischen Angriffe auf die Auskleidung
erfolgen. Für diesen Teil wird man demnach Steine von genügend hohem Schmelzpunkt,
von geringer Porosität und von hohen Erweichungstemperaturen nehmen, so daß die
chemische Zusammensetzung der Steine einen möglichst geringen Angriff gewährleistet.
Den empfindlichsten Teil des Hochofens stellen die Rast und der Herd dar, für die
man die Steine mit besonderer Sorgfalt zu wählen hat. Die Steine müssen hier dem
starken chemischen Angriff der Einsätze und der Schlacke widerstehen und müssen
daher neben einer geringen Porosität eine hohe Schmelztemperatur und eine hohe
Erweichungstemperatur unter Last besitzen. Bei dem Herd und der Herdsohle ist ferner
mit der Gefahr zu rechnen, daß das Metall durch die Auskleidung durchdringt. Dieser
Gefahr versucht man durch Kühlung des Kohlensacks und des Herdes vorzubeugen. Im
Kohlensack sind die Steine noch einer besonderen Ursache für ihre Zerstörung
ausgesetzt: ist eine der Düsen nicht genau ausgerichtet, so könnte sie, besonders
nach dem Abstich, den Gebläsewind unmittelbar auf einen Teil der Auskleidung
aufblasen und hierdurch eine plötzliche Abkühlung hervorrufen, die den Steinen
nachteilig werden könnte, wenn man bei ihrer Auswahl nicht mit dieser Gefahr
gerechnet hat. Für diese Zonen sind demnach Steine zu wählen, die gegen
Temperaturwechsel beständig sind. Manche Hüttenleute sind
auch der Ansicht, daß die Auskleidung besonders leidet, wenn der Herd nach
jedem Abstich ganz geleert wird; über diesen Punkt herrscht jedoch keine
Uebereinstimmung.
Was die Höchsttemperatur im Hochofen anbetrifft, so ist es gewiß, daß sie sich etwas
oberhalb der Düsen befindet, wo die Verbrennung am eifrigsten ist. Die Höhe dieser
Temperatur wird in den einen Fällen mit höchstens 1400° angegeben, in den anderen
mit 1800°. Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß die Verhältnisse von einem Werk
zum anderen und von einem Hochofen zum anderen verschieden sind. Man dürfte aber
doch immer mit einer Temperatur von mindestens 1500° rechnen, die auch 1700°
erreichen kann. Dann nimmt man an, daß die Temperatur, wenn sie auf Düsenhöhe stark
ist, sehr schnell nach oben zu abnimmt und daß sie etwa in der Höhe des Kohlensacks
1000° nicht übersteigt. Trotz dieser geringeren Temperatur ist der Kohlensack doch
als eine besonders ausgesetzte Zone zu bezeichnen, da hier das gefürchtete Hängen
der Gichten eintreten kann. Oberhalb des Kohlensacks leidet das Futter sehr durch
den mechanischen Einfluß der niedergehenden Einsätze und des aufsteigenden
Staubes.
Bei der Herstellung von Hämatitroheisen ist die Frage der Erhaltung und der
Lebensdauer der Steine nicht so schwer zu lösen als bei der Verhüttung von
phosphorreichen Eisenerzen für die Herstellung von Thomas-Roheisen oder gar bei der
Herstellung von manganreichem Roheisen. Der Wechsel im Gang eines Hochofens wirkt
sich nachteilig aus, und zwar aus folgendem Grunde: während eines gleichmäßigen
Betriebes wird zwar die Auskleidung zum Teil in einer gewissen Dicke angenagt, doch
überzieht sie. sich mit einem gewissen Magma, daß durch Koks, Erz und Staub in
agglomerierter Form gebildet die Auskleidung überzieht und dadurch schützt; wird nun
der Ofengang geändert, so verschwindet dieses Magma und das Futter wird wiederum bis
zur. Bildung einer neuen Schutzschicht abgenagt. Man beobachtet diese Erscheinung
z.B. bei der Umstellung eines Hochofens von grauem Roheisen auf weißes Roheisen. Die
Entstehung dieser Schutzschicht kann man übrigens in vielen Oefen wahrnehmen, u.a.
auch bei den Drehöfen der Zementwerke. Man ist daher auf den Gedanken gekommen, die
Auskleidung überhaupt der Zusammensetzung des Ueberzugs entsprechend zu wählen.
Infolgedessen hat man im Hochofenbetrieb auch Versuche mit Kohlenstoffsteinen
angestellt, doch dürften diese nicht zu einer praktischen Entwicklung geführt haben.
Man wird daher einem der jeweiligen Verwendung und Beanspruchung angepaßten Stein in
bezug auf die Sicherheit und Lebensdauer stets den Vorzug zu geben haben.
Bei der Auswahl der feuerfesten Stoffe für den Hochofen gibt man oft den Steinen von
weißer Farbe den Vorzug, weil diese wenig Eisen, viel Tonerde enthalten und sehr
dicht und widerstandsfähig sein sollen. Im folgenden seien die Mindest- und
Höchstgehalte auf 9 verschiedenen Werken an Tonerde in den Steinen für die
verschiedenen Hochofenteile aufgeführt:
Tonerdegehalt in %
mindestens
höchstens
durchschnittlich
Ofenboden
36
43
40
Gestell-Unterteil
34
45
41
Gestell
34
45
41
Rast
34
45
39
Kohlensack
32
45
38
Schacht „ „
in den ver-schiedenenTeilen
302222
393535
343130
Die Unterschiede zwischen den Mindest- und den Höchstgehalten
bringen die verschiedenen Ansichten zum Ausdruck, die von einem Werk zum anderen
herrschen. In der Regel wird man bei der Abnahme der feuerfesten Steine die Angabe
der Schmelztemperatur verlangen, dann der Bruchfestigkeit, auch des Verhaltens bei
1000 bis 1200° und des Porositätsgrades.
Eigenschaften einer Hochofenauskleidung
erster
Steine
vonzweiterBeschaffenheit
dritter
Al2O3 mindestens
40 %
39 %
32 %
Fe2O3 höchstens
1,60
2,20
2,25
CaO höchstens
0,10
0,10
0,50
MgO höchstens
0,15
0,15
0,30
Alkali höchstens
1,85
1,95
3,70
Schmelztemperatur
1770° bis1970°
1730° bis 1750°
1690°
Bruchfestigkeit bei ge- wöhnlicher Tempe- ratur
in kg/cm2
95
150
180
Porosität in %:
nach ½ Stunde
7,5
3,0
1,60
nach 1 „
9,5
3,9
2,15
nach 2 Stunden
10,5
4,5
2,50
nach 3 „
–
4,9
2,85
nach 4 „
–
5,1
3,00
nach 5 „
–
5,25
3,20
nach 6 „
–
–
3,25
Die Sprödigkeit prüft man dadurch, daß man die Steine eine Stunde lang in einem
Schmiedeofen erwärmt und plötzlich in kaltes Wasser eintaucht: die Steine dürfen
dabei keine Risse erhalten. Im großen und ganzen genügt es, wenn man folgende
Anforderungen an die Steine stelle, wobei man von allen Steinen eine geringe
Porosität und lineare Veränderungen entsprechend der Verwendungsstelle verlangt, die
in vernünftigen Grenzen und ohne Uebertreibungen festgelegt worden sind. Außerdem
wird man verlangen:
1. für die Steine des Schachtes
eine Mindestverschleiß- und Schlagfestigkeit und ein einwandfreies Verhalten in einem
Kohlenoxydstrom;
2. für die Steine des Kohlensacks
eine hohe Schmelztemperatur, hohe Erweichungstemperaturen unter Last und einen guten
Widerstand gegen den chemischen Angriff der Einsätze bestimmter Zusammensetzung;
3. für die Steine der Rast und des Herdes eine hohe Schmelztemperatur, hohe
Erweichungstemperaturen unter Last, hohe Widerstandsfähigkeit gegen Schlacken und
geschmolzenes Metall, Widerstand gegen plötzlichen Temperaturwechsel. (Chimie et
Industrie, 1928, S. 444/53.)
Dr.-Ing. K.