Titel: | Neue Apparate für den Ueberspannungsschutz in Niederspannungsanlagen. |
Autor: | F. A. Förster |
Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 133 |
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Neue Apparate für den Ueberspannungsschutz in
Niederspannungsanlagen.
Von Oberingenieur F. A. Förster -
Berlin.
FÖRSTER, Neue Apparate für den Ueberspannungsschutz
Früher, d.h. solange wir. in der jungen, aufstrebenden Elektrotechnik in den
Freileitungen der größeren elektrischen Einzelanlagen und in den Freileitungsnetzen
der kommunalen Elektrizitätswerke es mit dem Gleichstrom zu tun hatten – etwa bis
ums Jahr 1895 – da kannten wir nur eine Ueberspannung, nämlich die durch den Blitz
verursachte, die sich bei Gewittern mit schweren atmosphärischen Entladungen
bisweilen recht unangenehm und störend in den elektrischen Anlagen mit größeren
Freileitungsnetzen auswirkte. Oft wurden nur die Schmelzsicherungen an den
Verteilungspunkten des Freileitungsnetzes zerstört, so daß ein Teil der Stadt oder
eine Ortschaft stromlos wurde, wenigstens solange, bis der Schaden wieder behoben
werden konnte. Oft genug aber wurden auch die Maschinen und die Schaltanlagen in der
Stromerzeugungszentrale beschädigt oder sonst ernstere Zerstörungen im Leitungsnetz
durch Blitzschlag angerichtet. Gegen diese Störungen und Zerstörungen suchte man das
Leitungsnetz mitsamt der elektrischen Zentrale und der Anschlußanlagen durch
Blitzschutzapparate zu sichern, die an geeigneten Punkten des Freileitungsnetzes und
in der Zentrale oder an der Einführung der Hauptleitungen in die Zentrale, an der
Außenwand des Zentralgebäudes, eingebaut wurden. Da es sich in den meisten Fällen
bei Gewittern glücklicherweise nur um atmosphärische Teilentladungen handelte, vom
denen das Freileitungsnetz betroffen wurde, so erfüllten diese
Blitzschutzeinrichtungen im allgemeinen auch schlecht und recht ihren Zweck. Wo aber
eine atmosphärische Vollentladung mit der ganzen elementaren Gewalt im Blitzschlag
niederging, da gab und gibt es auch heute noch keinen absolut sicheren und
zuverlässigen Schutz gegen die ungeheuren Energien der in solchen Schlägen wirkenden
Naturkräfte.
Als wir dann späterhin aber in der Elektrotechnik nach der Ausführung der ersten
Versuchsanlage (Laufen-Frankfurt) auf der Frankfurter Ausstellung (1891) allmählich
mehr und mehr zur Ausführung von Kraftübertragungsanlagen auf weite Entfernungen und
für diese zum Wechsel- und Drehstromsystem übergingen und damit allmählich zu
höheren und immer höheren Spannungen gelangten, eine Entwicklung, in der wir heute
bereits in den Freileitungen unserer Hoch-und Höchstspannungsstraßen bis auf 220 und
380 kV (Kilovolt) angelangt sind (R.W.E.), da zeigten sich sehr bald noch andere
Ueberspannungen, deren Entstehungsursachen außer auf atmosphärische Einflüsse
(Blitzschlag, Influenz, Induktion etc.) auf Vorgänge im Leitungsnetz, in der
Zentrale oder in den größeren Anschlußanlagen (Kurzschlüsse, Schalt- und
Abschaltvorgänge etc.) zurückzuführen sind.
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Abb. 1.SBIK- Blitzwart.
Wir lernten die so gefährlichen sogenannten Wanderwellen kennen, deren Auswirkungen dazu zwang, die
gesamten Hochspannungsanlagen in der Erzeugungszentrale, in den
Transformatorenstationen, in den Umspannungs- und Schaltwerken mit einem mehr oder
minder kostspieligen Ueberspannungsschutz (Erdungsdrosseln, Funkenstrecken,
Wasserstrahlerder, Durchschlagssicherungen u.a.m.) auszubauen. Daneben durften aber
auch natürlich die gegen atmosphärische Störungen (Gewitter etc.) erforderlichen
Schutzvorrichtungen (Hörnerableiter, Erdseil etc.) nicht außer acht gelassen
werden.
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Abb. 2.Blasmagnet und Begrenzungswiderstand
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Abb. 3.Funkens trecke.
Inwieweit dieser Hochspannungs-Ueberspannungsschutz in den
Hochspannungs-Freileitungsnetzen sich in praxi bewährt hat, darüber sind die
Ansichten der Gelehrten und Praktiker heute sehr geteilt. Es gibt eine große Anzahl
sehr ernst zu nehmender, hervorragender Fachleute auf diesem umstrittenen Gebiete,
die sich nicht nur sehr skeptisch, sondern direkt ablehnend gegen jede Art von
Hochspannungs-Ueberspannungsschutz aussprechen. Ein weiteres Eingehen auf diese
Materie an dieser Stelle würde den diesem Aufsatz gesteckten Rahmen überschreiten.
Es sei deshalb hier nur auf die einschlägige Literatur hingewiesen.G. Klingenberg
„Bau großer Elektrizitätswerke“ (Verlag J. Springer Berlin 1926.)H. Kyser. Elektrische Kraftübertragung“ Band I-III. (Verlag J.
Springer, Berlin).
Was sich in der Praxis in Hochspannungsanlagen nicht bewährt oder sich als
unerwünscht und unzweckmäßig erwiesen hat, das ist für Niederspannungsanlagen sehr
oft von Vorteil. So ist z.B. auch der Ueberspannungsschutz für unsere
Niederspannungsanlagen, zu denen unsere Installationen im Haushalte, in den
Werkbetrieben und in der Landwirtschaft etc. gehören (vgl. § 2 a der
V.D.E.-Vorschriften), keineswegs entbehrlich, und zwar sowohl was den Schutz gegen
die durch atmosphärische Entladungen, als auch gegen die durch andere Ursachen im
Leitungsnetz (Induktion, Kapazität, Resonanz, Kurzschluß, Zu- und Abschaltung?
größerer Energiemengen etc.) hervorgerufene Ueberspannung anbetrifft.
Aus dem Vorschriftenbuch des V.D.E. (15. Auflage/1929, Seite 100) ist Folgendes zu
entnehmen:
„II. Maßnahmen zur Verhütung von Ueberspannungsschäden in
Niederspannungsanlagen (2. Schutzmaßnahmen).
Gegen direkte Blitzentladungen mit großer Energie gibt es kein Schutzmittel.
Induzierte Ueberspannungen und statische Aufladungen können durch richtig
gebaute und richtig eingestellte Schutzapparate abgeführt werden.
a) Verteilung der Schutzapparate.
Jedes Niederspannungsnetz soll mindestens mit einem Ueberspannungsschutz
ausgerüstet sein, der in der Nähe der Transformatorenstation eingebaut wird. Bei
größeren Netzen werden als Einbaustellen zweckmäßig gewählt: Zentral gelegene
Punkte mit längeren Ausläufern. Als ungefährer Anhaltspunkt für die Zahl der
einzubauenden Schutzapparate kann angenommen werden, daß auf 2–3 km
Streckenlänge des Netzes mindestens ein Ueberspannungsschutzapparat entfällt, in
gewitterreichen Gegenden möglichst schon auf 1 km.“
Ein zweckmäßiger Apparat, der den vom V.D.E, angegebenen Maßnahmen entspricht, ist
unter anderen, dem gleichen Zweck dienenden Ueberspannungsgeräten für
Niederspannungsanlagen der in Abb. 1–3 dargestellte einpolige SBIK - Blitzwart, der sowohl für Gleichstrom, wie auch für Wechsel- und Drehstrom
und für alle Spannungen bis zu 500 V. geliefert wird.
Der SBIK-Blitzwart (Abb. 1) kann sowohl am
Leitungsnetz als auch an der Wand befestigt werden. Die Kopf klemme wird an der
Leitung, die Armklemme an „Erde“ angeschlossen. Im oberen Teil der aus
Porzellan hergestellten Haube ist der in Abb. 2
abgebildete Blasmagnet untergebracht, der den induktionsfreien Begrenzungswiderstand
und die Blaswicklung trägt. Die nach unten gerichteten Magnetschenkel umschließen
einen Hohlkörper aus Porzellan, der die beiden in Abb.
3 erkennbaren Funkenstrecken gegen eindringenden Staub schützt und
außerdem einen direkten Ueberschlag zur Erde verhindert. Die Hauptfunkenstrecke
liegt in Serie mit dem Begrenzungswiderstand und der Blaswicklung, während die
Schutzfunkenstrecke parallel zu der Blaswicklung geschaltet ist. Durch die
Kopfklemme wird das Magnetgestell mit dem Gehäuse verschraubt, dessen unterer Teil,
als der eigentliche Träger des Apparates, aus Gußeisen besteht. Hierbei werden die
im unteren Träger befindlichen Leisten bajonettartig in den Porzellan-Hohlkörper
eingeschoben, womit die ganze Montage erledigt ist. Sämtliche Verbindungsklemmen und
die metallischen Teile der Funkenstrecken bestehen aus reinem Kupfer.
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Abb. 4.Kathodenfall-Ableiter.
Die Wirkungsweise wird wie folgt angegeben:
Der Apparat entlädt die Leitungen von der Ueberspannung über die Haupt- und
Schutz-Funkenstrecke zur Erde. Die parallel zur Blaswicklung liegende
Schutzfunkenstrecke schützt diese gegen Steilwellen. Der dem Ueberschlag
nachfolgende Netzstrom wird durch den induktionsfreien Metallwiderstand auf etwa 10
bis 15 Amp. begrenzt. Er durchläuft die Löschwicklung, wodurch sich zwischen den
beiden Magnetschenkeln ein starkes Magnetfeld bildet, durch dessen Blaswirkung der Lichtbogen sofort
und sicher gelöscht wird.
Die in ihrer gefährlichen Wirkung schwer abschätzbaren atmosphärischen Entladungen
richten einen weit größeren Schaden an, als man gemeinhin anzunehmen geneigt ist.-
Die vagabundierenden Energien des Blitzes wandern oft über weite Leitungsstrecken in
entfernte Gebäude, in denen sie Schaden anrichten, der sehr häufig nicht sogleich
bemerkt wird. Die normal vorgeschriebene Isolation der Leitungen, Lampen, Zähler,
Schalter, Elektromotoren, Heiz- und Kochgeräte und aller sonstigen Anschluß- und
Gebrauchsapparate ist gegenüber solchen Ausläuferentladungen in der Regel viel zu
schwach, so daß sie durch die auftretende Ueberspannung an der schwächsten Stelle
durchschlagen wird. So ist mancher Kurzschluß und mancher verbrannte Motor in seinen
Ursachen auf die Auswirkung einer in weiter Entfernung von der eigentlichen
Unfallstelle entstandenen Ueberspannung zurückzuführen.
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Abb. 5. Kathodenfall-Ableiter (geöffnet)
a) Zu- und Ableitung; b)
Ableiterelement; c) Porzellangehause; d) Dichtungszwischenlage.
Ein anderer neuerer Ueberspannungsschutz-Apparat ist der nur für Wechsel- und
Drehstromnetze bis 220/380 Volt verwendbare, in Abb.
4–6 dargestellte einpolige Kathodenfall-Ableiter. Der
Ausgleich der Ueberspannungen und ihre Ableitung zur Erde erfolgt bei diesem Apparat
als stromstarke Glimmentladung zwischen den planparallelen Flächen mehrerer in
Reihe geschalteter Widerstandsscheiben aus kohlehaltigem Material. Ueber den
Kathodenfall-Ableiter können sich kurzzeitig sehr hohe Stromstärken (mehrere tausend
Amp.) nach Erde ausgleichen. Der Ausgleichsstrom fließt nur solange, wie die
Ueberspannung andauert. Betriebsstrom kann nicht nachfolgen. Die Sperrspannung wird
durch den Kathodenfall der Glimmentladung zwischen den Platten bestimmt. Sie ist
größer als die Betriebsspannung. Der Entladeverzug des Apparates ist gering, weil
die Entladung in einem Homogenfeld vor sich geht. Der Apparat kann in gleicher
Weise, wie der vorher beschriebene, am Leitungsmast (vgl. Abb. 6) oder an der Wand befestigt werden. Als seine Vorteile werden
besonders hervorgehoben: Ausgleichsfähigkeit ohne Bildung von Lichtbögen, hohe
Stromaufnahme, keine Wartung, einfache und wetterfeste Bauart, leichte Montage,
geringer Platzbedarf und geringes Gewicht.
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Abb. 6.Kathodenfall-Ableiter am Mast.