Titel: | Kraftwasserspeicheranlagen. |
Autor: | R. W. Müller |
Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 153 |
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Kraftwasserspeicheranlagen.
Von Regierungsbaumeister a. D. R. W. Müller, Witten.
MÜLLER, Kraftwasserspeicheranlagen.
In früheren Zeiten, wo Anlagen mit Wasserrädern und Wasserturbinen verwendet
wurden, dachte niemand jemals daran, die überschüssige Menge Wasser bei Gelegenheit
zu verwerten.
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Abb. 1.Modell eines Großkraftwerkes für Deckung der Spitzenleistung- und
zur Erzeugung- von Energie.
Das Bild zeigt links ein
Wasserkraftwerk von 20000 KW, mit Sulzer-Speichenpumpen ausgerustet. Rechts
befindet sich ein Werk mit gleicher Leistung, mit Sulzer-Dieselmotoren
ausgestattet. Im Hintergrunde befinden sich das Speicherbecken und die
Kraftleitungen, die im Pumpenhaus links auslaufen. Die Stirnwände der Gebäude
sind weggelassen, um einen Blick in das Innere des Maschinenhauses zu
gestatten.
Nur später, als große Wasserkraftwerke gebaut wurden, wurde die Anlage von
künstlichen Teichen und Seen, in welche das Wasser durch Gefäll floß, aufgenommen,
um die verfügbare Energie möglichst weitgehend und zu jeder Zeit ausnützen zu
können, um eine Reserve zu schaffen, um die Schwankungen in der Belastung zu
bewältigen. Nachdem sich Kraftwerke mit natürlicher Wasserspeicherung als
vorteilhaft im wirklichen Betrieb erwiesen hatten, wurde ein weiterer Schritt
vorwärts getan, Wasserkraftspeicheranlagen wurden gebaut, die mit besonderen Pumpen
zum Heben des Wassers in die oberen Becken ausgerüstet wurden. Bei diesen Anlagen
wird je nach den Verhältnissen das Wasser aus dem Abflußkanal oder aus dem
Sammelbecken gepumpt, welches unmittelbar unterhalb des Pumpwerkes liegt und von einem
Fluß seine Wässer erhält. In vielen Fällen wird das von den Turbinen kommende Wasser
nach dem unteren Sammelbecken gelenkt und dann in das obere Speicherbecken zu Zeiten
gepumpt, wo die Nachfrage an Kraft gering ist. Dieses Wiederauffüllen des oberen
Sees wird in regelmäßigen Zeitabständen wiederholt, je nachdem hier der
Wasserspiegel schwankt. Diese Zeitabstände können sehr beträchtlich schwanken, was
von den Verhältnissen abhängt, unter welchen die Anlage arbeitet. Bei den meisten
Wasserkraftspeicheranlagen handelt es sich gewöhnlich darum, genügend Wasser
hinaufzupumpen, um die verfügbare Menge zu ergänzen.
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Abb. 2.Leistungszunahme der von Sulzer gebauten Speicherpumpen von 1894
bis 1928.
In vielen Fällen dienen auch die Speicheranlagen zum Ausgleich der Wassermenge, die
zu den verschiedenen Jahreszeiten verfügbar ist. Zum Beispiel ist eine solche
Speicheranlage, die mit vier 5000-PS-Sulzer-Pumpen ausgerüstet ist, seit 1924 beim
Wäggital-Kraftwerk in der Schweiz in Betrieb.
Bei den Anlagen, die gegenwärtig im Bau begriffen sind, müssen enorme Wassermengen
bewältigt werden, zum Beispiel wird die Wasserkraftspeicheranlage in Herdecke
(Westfalen) mit drei 34000-PS-Pumpen ausgestattet, die von Gebr. Sulzer in
Zusammenarbeit mit J. M. Voith geliefert werden. Diese Pumpen liefern insgesamt 2160
m3 in der Minute auf eine Höhe von 163 m und
sind die größten bis jetzt gebauten Pumpen.
Die Abbildung 2 zeigt die Zunahme an Stärke der
Pumpen, die für Wasserkraftspeicheranlagen Von Sulzer geliefert wurden. Die erste
Anlage dieser Beschreibung – sie war auch die erste Wasserkraftspeicheranlage der
Welt – wurde im Jahre 1894 errichtet und benötigte 71 PS zum Treiben der Pumpen.
Als paradox mag es erscheinen, zunächst eine enorme Wassermenge in ein höher
gelegenes Becken zu pumpen, um es später zur Krafterzeugung zu verwenden,
nichtsdestoweniger besitzt die Wasserkraftspeicherung bedeutende Vorteile. Das im
oberen Sammelbecken gespeicherte Wasser wird durch die Wassermenge erhöht, die mit
billigem, verfügbarem elektrischen Strom hinaufpumpt wird, zum Beispiel während der
Nacht, so daß das Elektrizitätswerk in der Lage ist, nicht nur mehr Strom zu Zeiten
großer Nachfrage zu liefern, sondern auch die Spitzenleistungen zu bewältigen und so
den Vorteil des hohen Tarifpreises zu haben, der dann in Kraft tritt. Als ein
strikter Geschäftsvorschlag betrachtet findet die Kraftwasserspeicherung
völlige Berechtigung, zum Beispiel Preisunterschied zwischen Nachtstrom und Strom
bei Spitzenbelastung; der Preis des letzteren ist immer um das Vielfache höher als
der des ersteren. Unter gewissen Umständen können die Preise sogar im Verhältnis von
35: 1 stehen.
Ein weiterer Vorteil der Wasserkraftspeicherung liegt in der wirksameren Ausnutzung
der Hauptmotoren. Je höher die durchschnittliche Belastung der letzteren ist, desto
günstiger sind die Kosten des elektrischen Stromes, da die Summen, die für
Abschreibung und Kapitalzinsen erforderlich sind, über eine größere Anzahl von
Kilowattstunden verteilt werden. Auch die Unterhaltungskosten sind günstiger, je
gleichmäßiger das Werk belastet ist und je näher die wirkliche Belastung der
normalen Belastung kommt, für welche die Maschinen gebaut sind.
Die zulässigen Kosten der Anlage, um ein nutzbringendes Arbeiten zu gewährleisten,
hängen von den Kosten der Pumpenanlageneinrichtung und des Baues der unteren und
oberen Staubecken und der Verbindungsrohrleitungen ab, vom Preisunterschied für,
elektrischen Strom während des Tages und während der Nacht und ebenfalls von der
Kilowattstundenzahl, die im Jahre abgegeben werden und durch das aufgespeicherte
Wasser erzeugt werden wird.
Interessant ist die Feststellung, daß Kraftwasserspeicheranlagen vorteilhaft nicht
nur in Verbindung mit Wasserkraft, sondern auch mit Dampfkraftwerken verwendet
werden können. Gegenwärtig sind mehrere große Kraftwasserspeicheranlagen in der
Entstehung, die in Verbindung mit Dampfkraftwerken arbeiten werden. Das von den
Pumpen in die Staubecken gehobene Wasser, welches durch Ueberschußstrom erfolgt,
wird zum Treiben von Wasserturbinen zu Zeiten der größten Stromnachfrage verwendet
werden. Die Turbinen sind mit elektrischen Generatoren gekuppelt und die durch diese
gelieferte Energie dient zur Ablösung der Belastung im Dampfkraftwerk. Hier handelt
es sich aber nur um Wasserkraft, die künstlich mit Hilfe von Dampfmaschinen
geschaffen wurde.
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Abb. 3.Belastungsdiagramm einer elektrischen Zentrale im Ruhrgebiet an
einem Wintertage.
Um sich ein Bild von der Wirtschaftlichkeit einer Kraftwasserspeicheranlage
machen zu können, die mit einem Dampfkraftwerk zusammenarbeitet, genügt es, die
Schwankung, im Dampfverbrauch eines Turbogenerators bei verschiedener Belastung zu
betrachten. Es ist allgemein bekannt, daß der spezifische Dampfverbrauch, d.h. die
erforderliche Dampfmenge, zur Erzeugung der Arbeitseinheit steigt, wenn die
Belastung der Maschine sinkt und zwar in dem Maße, daß unter Umständen eine Grenze
erreicht wird, wo die Dampferzeugung in den großen Kesseln und das Laufen des
Turbogenerators Verluste bringen würde. Infolgedessen wird es wirtschaftlicher sein,
mit einer höheren Belastung zu arbeiten, wenn die Ueberschußenergie in dieser oder
jener Form aufgespeichert werden kann, um über sie später zu verfügen, wenn der zu
erzielende Preis höher ist.
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Abb. 4.Belastungsdiagramm eines Elektrizitätswerkes einer Großstadt
(Berlin) an einem Wintertage.
Obere Kurve: Belastung an
Wochentagen; Untere Kurve: Belastung an Sonntagen.
Je einheitlicher und gleichmäßiger die Belastung eines Dampfkraftwerkes ist, desto
höher ist der Wirkungsgra dder Kessel sowohl als der Maschinen, weniger Unkosten
sind dann erforderlich und die Unterhaltung der Anlage ist einfacher.
Abb. 3 zeigt eine charakteristische Belastungskurve
eines elektrischen Kraftwerkes im Ruhrgebiet während 24 Stunden im Winter. Um den
Unterschied zwischen Tag- und Nachtbelastung klarer zu machen, ist die Kurve bis zu
einem gewissen Grade vereinfacht worden, kleine augenblickliche Schwankungen sind
fortgelassen. Der Beginn der Arbeit in den Fabriken, die Einwirkung der
Hauptbeleuchtung sowie die stärkere Inanspruchnahme der Straßenbahn zeigen sich
Zwischen 6 und 8 Uhr, ein Minimum, der Mittagspause entsprechend, zeigt sich
zwischen 12 und 13 Uhr, von 13 bis 14 Uhr steigt die Belastung bei der
Wiederaufnahme der Arbeit in den Fabriken, und dann wieder um 16 Uhr infolge des
Lichtbedarfes, ein absolutes Maximum wird um 17 Uhr 30 erreicht. Ungefähr um 18 Uhr
hören die Fabriken auf und schließen die Werkstätten. Nachdem die Arbeiter und
Angestellten heimgekehrt sind, läßt der Verkehr auf den Straßenbahnen nach und es
erfolgt infolgedessen ein großes Fallen der Kurve bis auf ein Minimum ungefähr
um 20 Uhr 30, dann folgt ein leichtes Ansteigen wahrscheinlich infolge größeren
Bedarfs an Beleuchtung in Restaurants, Theatern, Kinos etc. Schließlich fällt die
Kurve ständig bis zu einem absoluten Minimum um 1 Uhr. Das verhältnismäßig leichte
Ansteigen zwischen 2 und 3 Uhr ist zufällig, es kann die Folge von Nachtarbeit in
einer Fabrik sein oder vom Akkumulatorladen. Die Kurve zeigt, daß die Belastung des
Elektrizitätswerkes im Laufe von 24 Stunden zwischen 8000 und 30000 KW schwankt,
d.h. fast um 300 %. Die mittlere Belastung (Linie AB) ist etwa 16000 KW und das
absolute Maximum 30000 KW ist beinahe doppelt so groß. Die Maschinen müssen groß
genug sein, diese maximale Belastung auszuhalten. Aus der Kurve kann ersehen werden,
daß die effektive Belastung während der Nacht, und während mehrerer Stunden am Tage
beträchtlich unter dem Durchschnitt liegt, es ist daher klar, daß die Belastung im
Elektrizitätskraftwerk sehr unregelmäßig ist und daß die Maschinen, die groß genug
für die Maximalbelastung sein müssen, unwirtschaftlich ausgenutzt werden.
Der Verbrauch an elektrischer Energie für die Speicherarbeit, eine Arbeit, die in der
Hauptsache durch billige Ueberschußenergie ausgeführt wird, ist in der Kurve durch
einfache Schraffierung gezeichnet. Die doppelt schraffierten Flächen zeigen den
Betrag an Energie, der durch Speicherung gewonnen wurde, ein Betrag, der zu einem
hohen Preis geliefert werden kann zur Zeit der Spitzenbelastung. Die einfach
schraffierte Fläche ist größer als die doppelt schraffierte, was dadurch sich
erklärt, daß bei Umwandlung von Energie von der einen Art in eine andere, als in
Wasserspeicherarbeit, Verluste eintreten, die vom Wirkungsgrad der Pumpen und
Turbinen und ebenfalls von der Höhe der Reibungsverluste in den Rohrleitungen
abhängen.
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Abb. 5.
1 – – – –Winterkurve einer
Kleinstadt (15000 Einwohner) ohne Industrie-Stromverbrauch hauptsächlich für
Beleuchtung; 2 –.–.– Winterkurve einer Kleinstadt (18500 Einwohner) mit
Industrie3 .–––––Herbstkurve einer Zentrale für Landabsatz (Kraft u.
Beleuchtung).
Die Linie CD gibt die mittlere Belastung des Kraftwerkes an, wenn auch eine
Kraftwasserspeicheranlage verwendet wird. Die Kosten der Stromerzeugung für die
KW-Stunde sind indessen niedriger, da vor allem der Wirkungsgrad der ganzen Anlage
bei höherer Belastung ein besserer ist, und weil auch die Maschinen und Generatoren
gleichmäßiger belastet sind.
Mit anderen Kraftspeichersystemen verglichen, wie Ruth-Speicher, elektrische
Akkumulatoren usw., zeigen Kraftwasserspeicherwerke nicht unbeträchtliche Verluste.
Von der für den Antrieb der Pumpen verbrauchten Energie werden nur etwa 50 bis 65 %
in Form von elektrischer Energie wiedergewonnen. Trotzdem haben sich solche Anlagen
als wirtschaftlich erfolgreich bewiesen, da die Methode der Wasserspeicherung nur
für Anlagen von großen Ausmaßen geeignet ist.
Abb. 4 zeigt zwei typische Tagesbelastungskurven des
Elektrizitätswerkes einer großen Stadt (Berlin). Die obere Kurve ist die Belastung
an einem Werktage und die untere die an einem Sonntage, beide im Winter. Der
Unterschied zwischen den Belastungen an einem Werktage und an einem Sonntage und
zwischen dem maximalen und minimalen Strombedarf ist überwältigend groß.
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Abb. 6.Sulzer-Speicherpumpe von 4500 PS (zweistufig) für das
Wasserkraftwerk Viverone der Società Anonima Elettricità Alta Italia,
Turin.
Abb. 5 ist ein weiteres Beispiel von
charakteristischen Belastungskurven. Kurve 1 zeigt den Verbrauch an elektrischer
Kraft im Winter in einer kleinen Stadt (15000 Einwohner), in der es praktisch keine
Industrie gibt, der Bedarf ist daher hauptsächlich für häusliche Zwecke, und zwar
für Beleuchtung. Kurve 2 ist ebenfalls im Winter aufgenommen und zeigt den Verbrauch
an elektrischer Kraft in einer kleinen Stadt (18500 Einwohner), wo schon mehr
Industrie vorhanden ist. Der große Unterschied im Charakter der beiden Kurven tritt
klar zutage. Zum Schlusse gibt die Kurve 3 den Absatz im Herbst in einem kleinen
Kraftwerk an, welches seine elektrische Energie auf das Land abgibt, an Güter usw.
Wegen der besonderen Verhältnisse bei landwirtschaftlichen Arbeiten sind die Zeiten
der höchsten Belastung von denen der Kurven 1 und 2 verschieden. Da nur ein sehr
gerinder Bedarf an Energie für Beleuchtung auf den Gütern benötigt wird, fällt die
Kurve scharf zwischen 16 und 16.30 Uhr, wenn die Dunkelheit einsetzt.
Alle diese Belastungskurven jedoch, sie mögen in anderen Beziehungen differieren,
haben ein Charakteristikum gemeinsam, d.h. einen großen Unterschied zwischen
Maximal- und Minimalbelastung, und dies rechtfertigt die Annahme der
Kraftspeicheranlagen.
Der Hauptgegenstand einer Speicheranlage ist, wie bereits erwähnt, Energie
aufzuspeichern während der Stunden des Minimalbedarfs und Zusatzstrom zur Zeit der
Spitzenbelastung zu liefern und so die Belastung des Elektrizitätskraftwerkes
auszugleichen.
Die erste Kraftwasserspeicheranlage in Verbindung mit einem Wasserkraftwerk wurde von
Gebr. Sulzer im Jahre 1894 für die Textilfabrik in Creva Luino (Nord-Italien)
gebaut. Die Pumpe wurde von einer Wasserturbine durch Riemen getrieben und lieferte
Wasser abwechselnd in zwei Staubecken, ein Becken lag 34 m hoch und das andere 64 m
hoch über der Pumpe. Wenn die Webstühle im Werk normal liefen, wurde Wasser in das
untere Becken gepumpt, nachts und an Sonntagen wurde es in das obere Becken gepumpt.
Die von der Pumpe verbrauchte Kraft betrug im ersten Falle 30 PS, im zweiten 71 PS,
die Turbine entwickelte 75 PS bei 100 Umdrehungen in der Minute. Die
Zentrifugalpumpe war eine dreistufige Vertikalhochdruckpumpe und war die erste
mehrstufige Pumpe, die von Gebr. Sulzer gebaut wurde.
Dieser bescheidenen Anlage folgten bald weitere von größerer Leistung. Im Jahre 1904
wurde eine Wasserkraftspeicheranlage mit einer vierstufigen Sulzer-Zentrifugalpumpe
für die Ölten – Aarburg – Elektrizitätswerke gebaut, die 133 l/sec Wasser liefert
auf eine Höhe von 325 m und 800 PS verbraucht. Das Fassungsvermögen des
Speicherbeckens beträgt 12000 m3. Mittlerweile ist
diese Anlage verändert und bedeutend vergrößert worden. Jetzt ist eine
2700-PS-Sulzer-Pumpe aufgestellt worden, die 458 1/sec auf 349 m fördert.
Im Jahre 1907 bis 1909 wurde eine Kraftspeicheranlage mit zwei Sulzer –
Hochdruckzentrifugalpumpen, jede für 350 l/sec, für eine Höhe von 161 m für das
Schaffhausener Städtische Elektrizitätswerk gebaut. Es sind zwei Maschinensätze in
der Kraftspeicheranlage vorhanden, jeder bestehend aus einem 1000-PS-Motorgenerator
mit einer 1000-PS-Wasserturbine auf der einen Seite und einer Zentrifugalpumpe auf
der anderen Seite; Kupplungen sind vorgesehen, so daß der Motorgenerator die Pumpe
treiben kann oder selbst von der Turbine getrieben wird. Die Pumpen hatten damals
schon einen Wirkungsgrad von 78 %. Die Motorgeneratoren als Dreiphasen –
Synchronmaschinen entwickeln je 1000 PS, wenn sie als Motoren arbeiten, und liefern
1000 KVA, wenn sie als Dreiphasengeneratoren laufen. Die Hochdruckwasserturbinen
entwickeln normal 1000 PS, wenn sie mit 100 Umdrehungen in der Minute laufen bei
einem Nutzgefäll von 130 m.
Die Anlage arbeitet folgendermaßen: Die Pumpen werden mit Hilfe von billiger
Ueberschußenergie getrieben und zwar hauptsächlich während der Nacht und füllen das obere
Becken, die Wasserturbinen sind dann abgekuppelt. Während des Tages, wenn der Bedarf
an Strom steigt, werden die Motorgeneratoren mit den Wasserturbinen gekuppelt und
liefern elektrische Energie, die Turbinen werden von dem Wasser getrieben, das
vorher in das Speicherbecken gepumpt worden ist.
Eine weitere Speicheranlage mit Sulzer-Pumpen wurde im Jahre 1909/10 von der
Elektrizitätsgesellschaft Oberitalien (Turin) errichtet, um in Verbindung mit dem
Wasserkraftwerk Stura di Viù Funghera zu arbeiten. Die Pumpe (Abb. 6) verbraucht 4000 PS, das obere Becken, welches
143 m höher liegt und ein Fassungsvermögen von 50 000 m3 besitzt, kann in 8½ Stunden gefüllt werden.
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Abb. 7.Übersichtskarte des Speicherwerkes Niederwartha (Dresden) und der
Dampfkraftwerke Bohlen und Hirschfelde.
Die Speicheranlage zu Viverone in der Provinz Novare in Italien wurde im Jahre
1912/13 gebaut und verfügt über zwei Seen, die als natürliche und künstliche
Speicherbecken dienen; das Fassungsvermögen jeden Sees beträgt 300000 m3, welches noch durch Errichtung von Staudämmen
verdreifacht werden kann. Vier-Sulzer-Pumpen, die insgesamt 7750 PS verbrauchen,
füllen den oberen See in 21 Stunden. Das aufgespeicherte Wasser wird mit einem
Nutzgefäll von 140 bis 150 m verbraucht für Erzeugung von elektrischer Energie,
hauptsächlich zur Deckung von Spitzenbelastungen.
Außer den bereits erwähnten Speicheranlagen sind noch weitere Speicheranlagen mit
Sulzer-Pumpen in Betrieb, so zu Chevenoz (Savoyen), Brunnenmühle (Württemberg),
Belleville (Savoyen), Neckartenzlingen (Württemberg), Münster (Elsaß), Urdiceto
(Spanien), Clenezzo (Italien). Die Speicheranlage des Waggitalwerkes in der Schweiz
enthält vier 5100-PS-Vertikal-Sulzer-Pujnpen, von denen jede 1250 l/sec vom
Speicherbecken unterhalb des Kraftwerkes Rempen in den See von Wäggital, der 260 m
höher liegt, pumpen kann. Während der Sommermonate wird das Wasser hinaufgepumpt und
die aufgespeicherte Menge im Winter verbraucht. Wenn es jedoch erforderlich ist,
wird das Wasser, welches durch die Turbinen von Rempen gegangen ist, wieder in den
See von Wäggital zu jeder Jahreszeit gepumpt, sobald Ueberschußenergie verfügbar ist
bei einem der Kraftwerke, die mit dem gleichen Netz zusammenarbeiten. In diesem
Falle ermöglicht die Speicherung mit billiger Ueberschußenergie die Lieferung von
täglich etwa 86000 KW-Stunden im Durchschnitt für Spitzenbelastung.
Eine Wasserkraftspeicheranlage, die in Verbindung mit einem Dampfkraftwerk
arbeitet, wird gegenwärtig in Niederwartha, 12 km von Dresden entfernt, für die
Elektrizitätswerke der Stadt Dresden gebaut. Die Skizze (Abb. 7) zeigt die Lage der Anlage und der beiden großen Dampfkraftwerke
in Hirschfelde und Bohlen bei den staatlichen Braunkohlenbergwerken, an deren Netz
das Werk von Niederwartha angeschlossen werden wird.
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Abb. 8.Lageplan der Speicheranlage Niederwartha.
1. Unteres Becken; 2.
Maschinenhaus; 3. Rohreitung; 4. Wasserschloß; 5. Speicherbecken
Elektrische Energie, die in den Kraftwerken während der Nacht erzeugt wird und nicht
verkauft werden kann, wird dazu benutzt, Wasser mittels großer Pumpen aus einem
Becken an der Elbe zu heben und es in ein Becken zu befördern, das auf den Höhen von
Oberwartha liegt (siehe Plan Abb. 8). In den Stunden
des größten Bedarfs an elektrischer Energie strömt das Wasser durch die Rohrleitung
zu einer Wasserturbinenanlage zurück, die im Kraftwerk in der Nähe des unteren
Beckens aufgestellt ist. Dieser Kreislauf wiederholt sich täglich mit dem gleichen
Wasser. Die gleichen Rohrleitungen dienen zum Hinaufpumpen und Ablassen des Wassers
zwischen den beiden Becken. Die durch das gespeicherte Wasser erzeugte Energie dient
für hohe Spitzenleistungen der Dampfkraftwerke Bohlen und Hirschfelde. Ein weiterer
Vorteil der Anlage besteht darin, daß sie die Belastung dieser Werke praktisch
gleichmäßig macht und dadurch vor allem ihren Wirkungsgrad erhöht; die neue Anlage
liegt in unmittelbarer Nähe von Dresden und vermindert die Gefahr von
Stromunterbrechungen infolge atmosphärischer Einflüsse, da sie zu jeder Zeit bereit
ist, anzulaufen. Das untere Becken am Ufer der Elbe in der Nähe der Eisenbahnstation
Niederwartha hat eine Oberfläche von etwa 46 ha und hat 7 m hohe Dämme. Die bei
einem Wasserspiegelunterschied von etwa 5 m verfügbare Wassermenge beträgt etwa
2000000 m3. Das Maschinenhaus liegt dicht am
unteren Becken und wird zunächst mit vier Maschinensätzen von je 15000 KW
ausgerüstet: es ist beabsichtigt, später eine Reserveanlage zu errichten, die zwei
weitere Maschinensätze von ebenfalls je 15000 KW erhält. Die Kraftspeicheranlage
wird daher nach ihrer Vollendung aus acht Maschinensätzen mit insgesamt 120000 KW
bestehen. Jeder
Satz besteht aus einem Motorgenerator, der direkt mit einer Pumpe und einer
Wasserturbine gekuppelt ist. Während der Nacht arbeitet der Motorgenerator als Motor
und ist mit der Pumpe gekuppelt, am Tage arbeitet er als Generator und wird dann von
der Wasserturbine getrieben und verbraucht das im oberen Becken aufgestapelte
Wasser. Die Horizontalturbinen leisten je 30 000 PS und jede Pumpe erfordert 27000
PS.
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Abb. 9. Schnitt durch ein Maschinenhaus eines großen Kraftwerkes mit
Speicher-Anlage.
1. Wasserturbine; 2. Motor
-Alternator; 3. Speicherpumpe; 4. Unterster Wasserstand; 5. Oberster
Wasserstand.
Von den vier Pumpensätzen für Niederwartha wurden zwei von Gebr. Sulzer und zwei von
J. M. Voith (Heidenheim) geliefert. Wie aus dem Lageplan in Abb. 8 ersehen werden kann, haben die Rohrleitungen vom Maschinenhaus bis
zum Wasserschloß eine Steigung von 120 m. Um die Rohrleitungen möglichst
wirtschaftlich auszunutzen, wurden nur vier Rohrleitungen vorgesehen, so daß zwei
Maschinen eine gemeinsame Rohrleitung haben. Bei durchschnittlicher Belastung werden
die Verluste durch Reibung in der Rohrleitung etwa 2 m Wassersäule betragen bei
einer Wassergeschwindigkeit von etwa 2,77 m/sec in der Rohrleitung. Vom Wasserschloß
4 (Abb. 8) geht die Rohrleitung 3 in sanfter Steigung
zum oberen Becken 5, welches durch eine 38 m hohe Sperrmauer gebildet wird, zwischen
dem sogenannten Silbergrund zwischen Rennersdorf und Oberwartha. Der Wasserspiegel
des oberen Beckens liegt 253 m über dem Meeresspiegel und kann etwa 8 m gesenkt
werden, dies gibt ein effektives Speichervermögen von 2000000 m3, also das gleiche wie das untere Becken. Bei
einem Nutzgefälle von 142 m entspricht diese Wassermenge einer aufgespeicherten
Energie von 560000 KW-Stnuden. Wenn die Anlage mit voller Belastung arbeiten wird,
beträgt die Wassermenge, die durch die Rohrleitungen zu den Turbinen im
Maschinenbaus geführt wird, etwa 90 m3/sec. Um
sich ein Bild von der letzten Zahl zu machen, soll erwähnt werden, daß dies etwa die
Menge Wasser ist, die bei niedrigem Wasserstand die Elbe hinunterfließt, Die Abb. 9 zeigt im Schnitt das Krafthaus einer großen
Kraftwasserspeicheranlage. 1 ist die Wasserturbine, 2 der Motorgenerator, 3 die
Zentrifugalpumpe. Der ganze Satz ist etwa 17 m lang, das Pumpgehäuse hat mehr als 6
m im Durchmesse, 4 und 5 bedeutet der niedrigste bzw. der höchste Wasserstand im
unterei Becken. Bei 6 tritt die Hochdruckrohrleitung in das Maschinenhaus ein.
Die größte bis heute gebaute Anlage ist das Kraftwerk zu Herdecke, welches für das
Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk gebaut wird. Die Ruhr ist bereits bei
Hengstey, etwa 4,5 km nördlich von Hagen, gestaut und bildet einen künstlichen Se
von etwa 4,5 km Länge und 400 m mittlerer Breite (siehe Lageplan 10).
Der künstliche See dient zu verschiedenen Zwecken. Zunächst bildet er ein Klärbecken
für das Wasser der Ruhr, welches eine beträchtliche Menge Schmutz mit sich führt,
der aus den vielen Eisenwerken des Bezirkes stammt, zweitens, er gibt der Abdämmung
einen Höhenunterschied von etwa 5 m, der zur Erzeugung von elektrischer Kraft
verwendet wird, schließlich dient der See als unteres Becken für die
Kraftwasserspeicheranlage, die gegenwärtig noch gebaut wird und nach dem gleichen
Prinzip wie in Niederwartha arbeiten wird.
Textabbildung Bd. 344, S. 158
Abb. 10.Lageplan der Speicheranlage Herdecke.
1 Stausee; 2. Speicherbecken; 3.
Kraftwerk; 4. Sperrmauer.
Die jährliche Leistung der Speicheranlage in Herdecke wird auf etwa 150000000
KW-Stunden geschätzt. Das obere Becken, welches auf den Höhen des Kleff etwa 160 m
über dem Ruhrtal liegt, wird ein Fassungsvermögen von 1500000 m3 haben. Das Krafthaus liegt im Ruhrtal in der
Nähe von Herdecke und die Maschineneinrichtung wird von J. M. Voith (Heidenheim) und
Gebr. Sulzer geliefert. Augenblicklich werden drei Pumpensätze und ein Turbinensatz
(zunächst ohne Pumpe) aufgestellt. Jeder Pumpensatz besteht aus einem Motorgenerator
mit einer Wasserturbine auf der einen Seite und einer Zentrilfugalpumpe auf der anderen
Seite. Bei einem Gefälle von 163 m entwickelt die Voith-Spiralturbine 48000 PS. Jede
Zentrifugalpumpe fördert etwa 12 m3/sec auf eine
manometrische Höhe von 166 m. Jede Pumpe verbraucht etwa 32500 bis 36000 PS je nach
dem Wasserstand im Speicherbecken. Wie in Niederwartha arbeitet der Motorgenerator
als Motor in der Nacht und treibt die Zentrifugalpumpe, der Strom wird vom
Wasserkraftwerk der Rheinisch – Westfälischen Elektrizitätswerke geliefert,
wenn eine reichliche Lieferung von Ueberschußenergie verfügbar ist. Am Tage wird die
Turbine von dem während der Nacht aufgespeicherten Wasser getrieben und treibt den
Motorgenerator, der dann als Generator arbeitet und die Hauptnetze der
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke speist und die Spitzenbelastungen deckt.
Auf diese Weise wird nicht nur der Wirkungsgrad der Werke erhöht, sondern auch der
Preis für die Kilowattstunde herabgedrückt.