Titel: | Vergleichsversuche mit Schmierölen. |
Autor: | A. Lion |
Fundstelle: | Band 344, Jahrgang 1929, S. 237 |
Download: | XML |
Vergleichsversuche mit Schmierölen.
Geringe Qualitätsunterschiede der gebräuchlichen
Markenöle.
LION, Vergleichsversuche mit Schmierölen.
Der Fahrer hat an möglichst niedrigem Schmieröl-Verbrauch ein nicht geringeres
Interesse als an möglichst niedrigem Kraftstoff-Verbrauch. Mengenmäßig ist
allerdings der Oelverbrauch kleiner; ist der Motor in gutem Zustand, dann kann man
ihn mit etwa 2 bis 4% des Kraftstoff-Verbrauches ansetzen; aber Schmieröl ist teurer
als Kraftstoff, es kostet durchschnittlich etwa das Fünffache, so daß, in Geld
ausgedrückt, der Schmieröl-Verbrauch etwa 10 bis 20% der für den Kraftstoff
angesetzten Summen erfordert. Hat man aber einen ausgesprochenen
„Oelfresser,“ etwa einen ausgeklapperten Motor, dessen Fahrer das
Schmieröl gewissermaßen als Dichtungsmittel ansieht, dann kann sich der Oelverbrauch
sehr hoch steigern, oft auf das Fünffache des Normalen, und kann somit unter
Umständen ebensoviel Geld kosten wie der Betriebsstoff. Daß das ein ungesunder
Zustand ist, braucht nicht betont zu werden; es zahlt ja auch kein Mensch für die
Knöpfe soviel wie für den ganzen Anzug.
Nun ist es allerdings für den gewöhnlichen Fahrer kaum möglich, einwandfrei praktisch
selbst die auf dem Markt befindlichen Schmierölsorten durchzuprüfen, etwa wie er
Kraftstoffe in seinem Motor erprobt. Der Wert eines Betriebsstoffes spricht
sich unmittelbar und augenblicklich aus in Motorleistung und Verbrauch, in Gangweise
und Klopfneigung, in Start- und Beschleunigungsvermögen, Motorschädigungen, wie
hängende Ventile infolge von Verpichungen, auslaufende Lager als Folge ungenügender
Schmierung, Glühzündungen infolge von Oelkohleansammlungen und andere
Folgeerscheinungen schlechten Schmieröls zeigen sich erst nach vielen durchfahrenen
Kilometern, und das erst als sehr unangenehme Betriebsstörungen, die man lieber
vermeidet. Hinzu kommt noch, daß, wenn sich der Fahrer wirklich zu einer Reihe
praktischer Vergleichsversuche auf der Landstraße entschlossen hat, die Ergebnisse
meist stark verfälscht sein werden, da sich während der Versuchsfahrten der
Motorenzustand, die Straßenverhältnisse, Staubgehalt der Luft und andere Umstände,
die den Oelverbrauch beeinflussen, wesentlich verändern können und kein richtiges
Bild ergeben. Durch derartige Zufallsergebnisse kann der Fahrer, trotz der
subjektiven Zuverlässigkeit seiner Untersuchungen, leicht ein falsches Bild gewinnen
von der Güte dieser oder jener Oelsorte.
Auch der Laboratoriumsversuch, der natürlich vom Einzelnen meist nicht durchgeführt werden kann,
hilft hier nicht allzuviel. Man kann die Korrosionsfähigkeit des Schmieröls, d.h.
den zerstörenden Einfluß auf Metall, etwa dadurch prüfen, daß man auf eine blanke
Kupfermünze einen kleinen Tropfen Oel setzt, ihn einige Tage darauf läßt und dann
wegwischt; es darf dann kein grüner Rand sichtbar sein. Grobe Verunreinigungen sind
leicht nachweisbar, da ein Tropfen reinen Oels auf Papier einen reinen Fettfleck
ohne innere Schmutzränder geben soll. Man kann im Engler- Viscosimeter die
Zähflüssigkeit, im offenen Tiegel den Brennpunkt bestimmen, kann unschwer den
Stockpunkt festlegen, die Zerfallsneigung bei Erwärmung, den Säure- und
Asphaltgehalt, aber unbedingte Schlusse auf die praktische Brauchbarkeit des Oels
erlauben derartige Untersuchungen nicht.
Die besten Vergleichsgrundlagen ergibt bis heute zweifellos der Motorprüfstand. Er
ermöglicht den praktischen Versuch, der brauchbarer ist als Untersuchungen im
Laboratorium, und erlaubt gleichzeitig, alle Zufälligkeiten der Landstraße dabei
auszuschalten und trotzdem die Verhältnisse des praktischen Fahrbetriebes genau
nachzuahmen. Derartige vergleichende Untersuchungen auf dem Prüfstand sind
neuerdings von einer bekannten deutschen Forschungsstätte mit einer Reihe von
Oelsorten gemacht worden, bekannter Markenöle verschiedener Gesellschaften, und
diese Untersuchungen haben das allerdings vielleicht zu erwartende Ergebnis
erbracht, daß praktisch zwischen den bekannten und bewährten Markenölen kaum
Güteunterschiede nachweisbar sind.
Die praktischen Verhältnisse des Fahrbetriebes wurden bei den Versuchen dadurch
nachgeahmt, daß bei jedem Einzelversuch in einer genau festgelegten Reihenfolge die
Geschwindigkeiten, Belastungen und Wärme-Verhältnisse des Ueberlandund Stadtverkehrs
nacheinander eingehalten wurden, das häufige Stillsetzen und Wiederanfahren des
Stadtverkehrs, wie etwa die volle Beanspruchung bei Bergfahrten. Zu den Versuchen
wurden zwei Qualitätsmotoren verwendet (Wanderer 6/30), die während der ganzen
Versuchsdauer keinen in Betracht zu ziehenden Veränderungen durch Verschleiß usw.
unterworfen waren. Das war notwendig; denn für jede der untersuchten 6 Oelsorten
wurden etwa 3000 km „Fahrt“ angesetzt, im ganzen also recht beträchtliche
Kilometerzahlen!
Die Versuche, die, wie gesagt, praktisch keine nennenswerten Unterschiede in
Schmierwert und Qualität der untersuchten Oele ergaben, wurden für folgende
bekannten Schmierölmarken durchgeführt: Gargoyle A und BB, BV-Oel L, M und SS,
Valvoline XRM und Shell Voltol. Erfaßt wurde der Oelverbrauch, der
Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung, die Gesamtmenge der gebildeten Rückstände,
auch gesondert die Oelkohle, die Reibungsverluste bei bestimmter Drehzahl und der
Viscositätsverlauf, also wohl die meisten, praktisch in Frage kommenden
Eigenschaften des verwendeten Schmieröls. Die Rückstandsbildung hielt sich in allen
Fällen etwa auf derselben Höhe, ebenfalls Reibungsverluste und Motorleistung. Auch
im Schmieröl- und Kraftstoff-Verbrauch waren, trotz der verschiedenen
Zähflüssigkeiten (Viscositäten) der untersuchten Oelsorten bei der
Durchschnittstemperatur im Dauerbetrieb während der Versuche keine Unterschiede
nachweisbar, die Schlusse auf die Ueberlegenheit einer der Oelsorten erlaubt
hätten.
Die Versuche haben gezeigt, daß die oft gehörten Behauptungen über wesentliche
Verschiedenheiten der bekannten Oelsorten der objektiven Untersuchung nicht
standhalten, jedenfalls nicht, soweit es sich um anerkannte Marken handelt; bei
nicht bewährten Namen würden die Ergebnisse derartiger Versuche aber wahrscheinlich
nicht günstiger sondern ungünstiger sein.
Dipl.-Ing. A. Lion, Berlin.