Titel: | Nasser Dampf und seine Bedeutung. |
Autor: | Fr. W. Landgraeber |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 68 |
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Nasser Dampf und seine Bedeutung.
Von Fr. W. Landgraeber.
LANDGRAEBER, Nasser Dampf und seine Bedeutung.
In weiten Kreisen ist man sich über den Begriff „nasser Dampf“ gar nicht
recht klar. Fragt man einen Betriebsleiter, so wird man meistens die Antwort
erhalten, daß der Dampf, welchen er seinen Kesseln entnimmt, trocken ist. Geht man
aber der Sache auf den Grund, so stellt sich diese Behauptung als unrichtig heraus.
Was die moderne Dampf- und Wärmewirtschaft unter nassem Dampf versteht, ist eben
noch nicht Allgemeingut der Fachkreise geworden, weshalb die falsche Einstellung zu
dieser Frage durchaus entschuldbar ist. Mit der landläufigen Auffassung von
„nassem Dampf“ ist bisher die Erscheinung eines ganz besonders großen und
augenfälligen Wasserüberschusses im Dampf verbunden, welcher Wasserschläge und ein
Spritzen der Stopfbüchsen mit sich bringt. „Nasser Dampf“, wie er hier
besprochen werden soll, macht sich im Betriebe nicht so auffällig bemerkbar, er ist
vielmehr erst nach Prüfung vieler Einzelheiten feststellbar, bei welcher Gelegenheit
sich dann gleichzeitig zeigt, welch empfindlicher Schaden durch denselben
angerichtet wird.
Bevor nun auf die Bedeutung des „nassen Dampfes“ eingegangen wird, soll erst
einmal gezeigt werden, wie derselbe eigentlich entsteht und was seine Bestandteile
sind.
Der Dampf strömt im Kessel mit großer Geschwindigkeit dem Dampfentnahmestutzen zu und
reißt hierbei den Wasserstaub mit fort, welcher durch das Platzen der aus dem Wasser
aufsteigenden Dampfblasen unaufhörlich hochgeschleudert wird. Beim Oeffnen eines
Dampfventiles oder bei stark beanspruchten Kesseln wird die Dampfgeschwindigkeit so
groß, das selbige auf den Wasserspiegel eine saugende Wirkung ausübt, wodurch Wasser
direkt nochgesogen und oft in größeren Mengen mit in die Dampfleitung gerissen wird.
Dieses Mitreißen von Wasserstaub und Ueberreißen von Wasser erfolgt dauernd, in
größerer Menge bei Wasserrohr- und Steilrohrkesseln, aber auch ebenso bei jedem
Flammrohr- und Rauchrohrkessel usw., besonders wenn hoch gespeist wird. Da durch
keinerlei Wasserreinigungsverfahren ein völlig reines oder laugenfreies Wasser
erzeugt werden kann, so enthält das Kesselwasser immer Schlamm und ätzende
Lauge. Bei Verwendung chemischer Reinigungsanlagen sogar in erhöhtem Maße. Bei jedem
mitgerissenen Wasserstäubchen führt der Dampfstrom somit auch Kesselschlamm und
Lauge in sämtliche dampfführenden Teile der Anlage. Irrtümlicherweise wird fast
durchweg angenommen, daß ein Ueberhitzer das aus dem Kessel mitgerissene Wasser
verdampft. Eingehende Versuche haben jedoch ergeben, daß selbst vom feinsten
Wasserstaub im Ueberhitzer nur der Teil verdampft wird, welcher mit den Wandungen
der Ueberhitzerrohre in direkte Berührung kommt. Sobald sich Tropfen bilden, was
meistens der Fall ist, perlen diese durch die Ueberhitzerrohre wie über eine heiße
Küchenherdplatte, ohne merklich verdampft zu werden. Mitgerissene Wassermengen
gelangen immer fast unvermindert durch den Ueberhitzer in die Dampfleitung und
werden hier fälschlich als Kondensat angesehen.
Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, ist also nicht daran zu zweifeln, daß jeder
Kessel, einerlei ob mit oder ohne Ueberhitzer mehr oder weniger nassen, und damit
schlamm- und laugenhaltigen Dampf liefert. Welch große Schäden daraus entstehen,
soll nachstehend gezeigt werden. Das aus dem Kessel mitgerissene Wasser enthält
weniger Wärme als der Dampf, es erfolgt also durch dieses Wasser eine Abkühlung des
Dampfes und dadurch natürlich eine Minderung des Wirkungsgrades und oft eine zu
geringe Ueberhitzung. Der Ueberhitzer ist zum Teil als Verdampfer tätig. Die oft
sehr bedeutenden Wassermengen werden in der falschen Annahme, daß ein Ueberhitzer
nur trockenen Dampf liefert, für Kondensat gehalten, zu dessen Ableitung dann
vielfach mehrere Wasserabscheider und eine größere Anzahl Kondenstöpfe erforderlich
sind. Würde das Uebel an der Wurzel beseitigt und von vornherein das Mitreißen von
Wasser aus dem Kessel verhindert, so könnte in den meisten Fällen schon ein
verhältnismäßig kleiner Kondenstopf das wirklich in der Leitung entstehende
Kondensat abführen. Hierdurch würden nicht nur Abscheider und Kondenstöpfe gespart,
die teuer in der Anschaffung und infolge der dauernden, meist erheblichen
Dampfverluste und Unterhaltungskosten noch teurer im Gebrauch sind, sondern auch die Wärme,
welche durch das aus dem Kessel mitgerissene Wasser völlig verloren geht. Wenn diese
Wärme bzw. dieses Wasser im Kessel zurückgehalten würde, so wären schon allein
hierdurch 5–20 Proz. Kohle erspart. Nasser Dampf bildet bekanntermaßen aber auch
eine große Gefahr für den Betrieb, da durch denselben Wassserschläge entstehen
können. Dampfmesser können bei nassem Dampf niemals richtig arbeiten, da diese auch
das mitgerissene Wasser registrieren oder anzeigen und hierdurch ein falsches Bild
geben. Der Schlamm, welcher sich im mitgerissenen Wasser befindet, verschmutzt mehr
oder weniger sämtliche dampfführenden Teile, er setzt sich, wenn er klebrig ist,
teils schon im Ueberhitzer fest, was schließlich ein Durchbrennen der Rohre
veranlaßt; ist er nicht klebrig, so wird er als trockener Staub weitergeblasen,
welcher, allmählich wieder feuchter werdend, sich in Ventilen, Schiebern, Rohrbogen,
Kondenstöpfen usw. festsetzt und diese verengt und verstopft. Im Zylinder der
Dampfmaschine wirkt der Schlamm natürlich schmirgelnd, mischt sich mit dem
Zylinderöl, verdirbt die Schmierfähigkeit desselben und steigert den Verbrauch
dieses teuren Produktes ganz bedeutend. In der Turbine setzt sich der Schlamm in die
Schaufeln, oder, wenn er hier nicht anklebt, wirkt er schmirgelnd. Durch
Verschmutzung der Turbinenschaufeln ist in der Praxis schon oft das ganze
feingliedrige und wertvolle Schaufelsystem zerstört und dadurch großer Schaden
angerichtet worden, welcher kurz als Schaufelsalat bezeichnet wird. In dem aus dem
Kessel mitgerissenen Wasser und in dem Schlamm befinden sich, wie gesagt, auch
Lauge, wie Soda, Aetznatron usw. Diese Substanzen wirken natürlich zerstörend und
fressen evtl. Armaturen, Rohrleitung, Turbinenschaufeln usw. an. Bei
Turbinenschaufeln z.B. führt man diese Anfressungen vielfach auf Kohlensäure und
Sauerstoff zurück. Eingehende Versuche haben jedoch ergeben, daß dieselben fast
immer durch aus dem Kessel stammende Laugen entstehen.
Durch das intensive Streben nach Verbilligung und Verbesserung des Dampfbetriebes
beginnt sich in letzter Zeit die Erkenntnis bahnzubrechen, daß den durch nassen und
unreinen Dampf entstehenden Schäden unbedingt gesteuert werden muß, und deshalb
haben sich verschiedene Firmen bemüht, dieses Problem zu lösen. Alle sind aber über
die Idee des gewöhnlichen Wasserabscheiders nicht hinausgekommen, trotzdem nennen
alle ihre Apparate Dampfreiniger und Trockner. Die Anwendung solcher unzureichenden
Vorrichtungen hat dann vielerwärts den Glauben verbreitet, daß eine Trocknung und
Reinigung desselben nicht möglich ist. Ein Apparat, welchen man zuerst auch
skeptisch aufnahm, hat sich jedoch in der Praxis wirklich gut bewährt. Es
handelt sich um sog. Wärme-Rückgewinner und Dampftrockner. Ein derartiger Apparat
wird im Kessel direkt am Dampfentnahmestutzen angebracht, entweder im Dampfraum, im
Dom oder im Dampfsammler, je nach Kesselkonstruktion. Die Anbringung ist so einfach,
daß sie in wenigen Stunden vom Kesselpersonal vorgenommen werden kann ohne
Veränderung am Kessel oder an der Rohrleitung. Durch diesen Wärmerückgewinner und
Dampftrockner wird es von vornherein unmöglich gemacht, daß auch nur eine Spur
Wasser, Schlamm oder Lauge durch den Dampf aus dem Kessel mitgerissen wird. Dieser
Erfolg wird durch eine eigenartige und neue Methode erreicht. Der Dampf wird vor dem
Verlassen des Kessels in zwei Strahlen zerlegt und jeder dieser Strahlen in
zweifachem spitzen Winkel derartig zum Aufprall gebracht, daß Wasser und Dampf sich
radikal voneinander trennen müssen und nicht wieder zusammenkommen können. Der Dampf
wird durch diesen Vorgang selbst vom allerfeinsten Wasserstaub befreit und damit
also auch von den in diesem befindlichen Unreinigkeiten wie Schlamm und Lauge. Das
durch den Wärme-Rückgewinner und Dampftrockner vom Dampf abgeschiedene Wasser fließt
sofort wieder in den Kessel zurück, wodurch die in demselben enthaltene Wärme,
welche früher infolge Ableitens durch Kondenstöpfe verlorenging, dem Kessel voll
erhalten bleibt. Hierdurch allein tritt eine Kohlenersparnis von 5–20 v. H. je nach
den Verhältnissen ein. In vielen Fällen konnte beobachtet werden, daß durch diesen
Wärmerückgewinner die Ueberhitzung des Dampfes um etwa 50% gesteigert wurde, weil
der Ueberhitzer nur noch trockenen Dampf bekam und nicht mehr als Verdampfer wirken
mußte. Wenn die vorhandenen Ueberhitzer eine so große Heizfläche besitzen, daß so
sowieso schon zu heißen Dampf liefern, und zur Abkühlung wieder Sattdampf zugesetzt
werden muß, so ist trotzdem der Einbau eines Wärmerückgewinners unerläßlich, da der
Dampf in jedem Falle von Schlamm und Lauge befreit werden muß und der zur Abkühlung
erforderliche Sattdampf dann ebenfalls durch jenen Apparat gereinigt wird. Sofern
mehrere Kessel und infolgedessen mehrere Ueberhitzer vorhanden sind, wäre man bei
Anwendung des Wärme-Rückgewinners auch in der Lage, einzelne Ueberhitzer auszubauen
und die Rohre als Reserve hinzulegen.
Da jedem Betrieb daran gelegen sein muß, seine Dampfanlage vor Schäden zu schützen
und einen möglichst hohen Nutzeffekt zu erzielen, so kann nicht genügend darauf
hingewiesen werden, daß es nötig ist, der Anlage unbedingt reinen und trockenen
Dampf zuzuführen. Leider wird in der Praxis bis heute noch allzuwenig darauf
geachtet.