Titel: | Von den seltenen Erden zum wirtschaftlichsten Licht. |
Autor: | B. Duschnitz |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 145 |
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Von den seltenen Erden zum wirtschaftlichsten
Licht.
Zum ersten Gedenktag des Todes Dr. Carl Auer von Welsbachs.
Von Ingenieur B. Duschnitz.
DUSCHNITZ, Von den seltenen Erden.
Ein stattliches Werk gaben Dr. J. Herzfeld und Dr. Otto Korn im Jahre 1901
heraus. Es trägt die Ueberschrift „Chemie der seltenen Erden“.
Bekanntlich bezeichnet man mit „seltenen Erden“ eine Anzahl schwer
reduzierbarer Oxyde, deren chemische und physikalische Eigenschaften sich wenig
voneinander unterscheiden, und die sich in gewissen selten und in geringer Menge
vorkommenden Mineralien finden lassen, wie Gadolinit-Erden, Ceritoxyde, Thorerde,
Zirkonerde. Die Aufmerksamkeit auf sie ist seit den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts in außerordentlichem Maße gelenkt worden durch die höchst geniale und
wirtschaftlich hervorragende Erfindung der Gasglühlichtkörper von Auer von Welsbach,
der zur Herstellung der letzteren sich ausschließlich der Salze bediente, die aus
den seltenen Erden gewonnen wurden. Der Erforschung sowie dem weiteren Ausbau der
Chemie dieser Gruppe wandte man für die Folge erhöhten Eifer zu, und man gelangte
bei der Bearbeitung des Thornitrats aus dem Monazitsand sogar zu einer chemischen
Großindustrie. Chemiker aller Länder haben sich an diesem Ausbau eifrigst beteiligt,
und so konnte in kurzer Zeit das eingangs erwähnte Wissensgebäude entstehen: Die
Chemie der seltenen Erden. Doch weit ist dieses Gebäude noch davon entfernt, als
vollendet zu gelten, und selbst Auer v. Welsbach, der sich vom Beginn seiner
Laufbaln an besonders mit der Chemie der seltenen Erden beschäftigte und aus ihnen
vier neue Elemente, und zwar Neodym, Praseodym, Aldebaranium und Cassiopeium gewann,
hat noch seine letzten Lebenstage dem Studium und der Erforschung der seltenen Erden
gewidmet.
Der Erfinder des Gasglühlichts, Dr. Carl Freiherr Auer von Welsbach, der durch diese
Erfindung und überhaupt durch seine erfolgreiche Beschäftigung mit den seltenen
Erden zu Ruhm und Reichtum gelangt ist, hatte einen bedeutenden und nicht minder
erfinderisch begabten Vater, Alois Ritter Auer von Welsbach, der sich vom
Traunflößerssohn zum Direktor der Hof- und Staatsdruckerei in Wien emporarbeitete,
und dessen bahnbrechendes Wirken auf mehreren Gebieten der Druckereitechnik u.a.
auch von Alexander v. Humboldt anerkannt wurde.
Dr. Carl Freiherr Auer v. Welsbach ist am 1. November 1858 in Wien geboren worden,
und die Stellung seines Vaters ermöglichte ihm auch, in Heidelberg unter Bunsen zu
studieren. Durch zufällige Experimente, die er dort zu seiner Doktorarbeit über die
seltenen Erden gemacht hat, stieß er auf die Entdeckung, daß nichtleuchtende Flammen
des Bunsenbrenners durch gewisse seltene Erden Leuchtkraft erhielten. Von diesen
Versuchen ausgehend, gelangen ihm seine wissenschaftlichen und technischen
Entdeckungen bzw. Erfindungen, deren erste die Schaffung des Glühkörpers für die
Gasbeleuchtung im Jahre 1885 war. Was diese Erfindung zu ihrer Zeit bedeutete, wie
sie in gleicher Weise die damals noch junge Elektrizitätsindustrie und die fast ein
Jahrhundert alte Gasindustrie in Aufregung versetzte, das ist heute, wo bedeutende
Erfindungen an der Tagesordnung sind, kaum noch vorstellbar. Die große
wirtschaftliche Bedeutung des Auergasglühlichts bestand darin, daß es selbst in der
im Herbst 1886 bekannt gewordenen unvoll kommenen Gestalt ermöglichte, auf gleiche
Lichtstärke bezogen, mit nur ein Zehntel der Gasmenge auszukommen, die der damals
allgemein gebräuchliche Schnittbrenner verbrauchte. Mit einem Schlage war die
drohende Konkurrenz der erst 1879 von Edison in die Praxis der Beleuchtung
eingeführten elektrischen Kohlenfadenglühlampe erledigt, aber selbst die
Gasproduzenten fürchteten zunächst, daß sich der Gasabsatz infolge des so sehr niedrig
gewordenen spezifischen Verbrauchs des Auerlichts stark verringern müsse. Doch kam
ihnen der Lichthunger der Menschheit zu Hilfe, und rasch eroberte sich das
Auergaslicht die Welt. Die kaum erst errichteten elektrischen Anlagen wurden in
Massen stillgelegt, das weiße Licht des Auerglühstrumpfes verdrängte das gelbliche
Licht der Kohlefäden der elektrischen Lampen, und die Auer- und Gaswerks-Aktien
stiegen an allen Börsen der Welt zu niemals vorher geahnter Höhe. Und so kam Carl
Auer v. Welsbach schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu großem
Ruhm und Vermögen. Die zunächst aus imprägnierten Baumwollfäden hergestellten
Glühkörper wurden von ihm 1901 in die endgültige Form des Thorium-Cer-Glühstrumpfes
übergeführt. Ueber den ganzen Werdegang des Glühstrumpfes ist z.B. in Dr. H. W.
Fischers 1906 erschienenem Werkchen „Der Auerstrumpf“ näheres zu finden.
Eine weitere technische Großtat Carl Auers war die Schaffung der pyrophoren
Legierungen, insbesondere der als „Auermetall“ bekannten Cer-Eisen-Legierung,
die ebenfalls aus den Studien der seltenen Erden entsprang und heute als Zündstein
in Taschenfeuerzeugen und Gasanzündern über die ganze Welt verbreitet ist, und es
auch durch die Anwendung in Benzin-Grubenlampen ermöglichte, die Gefahr der
schlagenden Wetter stark zu vermindern. Doch wurde diese Gefahr noch wirksamer
verringert, als man dazu übergehen konnte, zum Erhellen der Gruben Glühkörper zu
verwenden, die zur Hervorbringung der Leuchtwirkung keine Luft mehr benötigten. Und
für diese Glühkörper, d.h. die in luftleer gepumpten Glasbirnen eingebauten, mittels
elektrischer Energie höchst wirtschaftlich zum Leuchten gebrachten metallischen
Leuchtkörper hat auch Auer die Bahn gebrochen. In seinem 63. Lebensjahre hat er
darüber berichtet, in welcher Weise ihm dies gelang (ETZ. 1921, S. 453), und diesem
Bericht sei hier Raum gegeben; er war der einzige, den Carl Auer von Welsbach
hierüber erstattete.
Der mächtige Aufschwung, den die elektrische Beleuchtung gegen Ende der achtziger
Jahre des vergangenen Jahrhunderts genommen hatte, schien darauf hinzuweisen, daß
der langjährige Kampf, der sich zwischen dem Gaslicht und elektrischen Licht
entsponnen hatte, mit dem Siege des letzteren enden würde. Tatsächlich mußte das
Gaslicht, trotz aller Bemühungen der Gastechniker, die Leuchtkraft der Flamme zu
erhöhen, Schritt für Schritt vor dem elektrischen Lichte zurückweichen. Auch die
Erfindung des Gasglühlichtes durch Auer vermochte, ungeachtet bemerkenswerter
Anfangserfolge, keinen nachhaltigen Wandel zu schaffen. Diese ungünstige Lage der
Gasbeleuchtung änderte sich aber fast mit einem Schlage, als der von Auer
geschaffene Thor-Cer-Glühkörper in den Handel kam. In dem neuen Gasglühlicht hatte
die Gastechnik ein das elektrische Glühlicht weit überstrahlendes Beleuchtungsmittel
gewonnen, das an Billigkeit jedes andere übertraf. Von dieser Zeit an spielte
die Gasbeleuchtung bei allen Beleuchtungsfragen naturgemäß wieder eine hervorragende
Rolle, ja, es war ihr in gewissem Sinne eine Art Vorherrschaft über das damals so
teure elektrische Glühlicht neuerdings erwachsen.
Teils persönliche Beweggründe, über die sich Auer nicht näher ausließ, teils aber
auch sachliche Einflüsse veranlaßten Auer, diesem Rollentausch nicht gleichgültig
gegenüberzustehen. Von Jugend auf mit Versuchen über das elektrische Licht
beschäftigt, hatte Auer dieses Arbeitsgebiet liebgewonnen, und so beschloß er denn,
zu versuchen, ob er nicht auch dem elektrischen Lichte zu Hilfe kommen konnte.
Während er sich bei seinen früheren Arbeiten aber hauptsächlich mit Bogen- und
Funkenphänomenen beschäftigt hatte, wollte er es diesmal mit starren Leitern
probieren. Bei den vielen Versuchen, die Auer über das Lichtausstrahlungsvermögen
anstellte, hatte er oft Gelegenheit, zu erkennen, wie außerordentlich verschieden
sich die Körper in dieser Beziehung verhielten. Während der eine Körper oft nur zur
hellen Rotglut kam, gab der andere, unter gleichen Verhältnissen erhitzt, schon
blendend weißes Licht. Diese Beobachtungen bezogen sich allerdings zumeist auf das
Erhitzen in chemischen Energiequellen und waren demnach nicht direkt beziehbar auf
die durch den elektrischen Strom hervorgerufenen Glühprozesse.
Doch lag die Vermutung nahe, daß die Körper, im Strome erhitzt, gleichfalls
erhebliche Unterschiede in ihrem Licht- und Wärmeausstrahlungsvermögen aufweisen
könnten, ihre Lichtfarbe mithin verschieden wäre. Insbesondere richtete sich Auers
Augenmerk auf die schwer schmelzbaren Metalle, von denen er annahm, daß sie sich in
der Lampe ganz anders und besser verhalten müßten als der Kohlenstoff. Bestimmte
Erfahrungen lagen in dieser Richtung indes nicht vor.
Auers Arbeitsziel war es also, ein Metall zu finden, das in der Gestalt eines dünnen,
elastischen Fadens oder Drahtes eine bis zur strahlenden Weißglut gehende Erhitzung
ohne Formveränderung auszuhalten imstande war. Platin mit seinem verhältnismäßig
niedrigen Schmelzpunkt kam natürlich nicht in Betracht. Die anderen als sehr schwer
schmelzbar bekannten Metalle hingegen waren als dünne Fäden oder Drähte nicht zu
beschaffen. Da verfiel Auer auf eine etwas absonderliche Idee. Er hatte früher
einmal gesehen, daß ein sehr feiner Aluminiumdraht, durch den elektrischen Strom
allmählich zum Glühen gebracht, bis zur hellen Weißglut erhitzt werden könne, ohne
abzuschmelzen. Unter Berücksichtigung des niedrigen Schmelzpunktes des Aluminiums
gewiß ein überraschendes Experiment. Auer wiederholte es, und es gelang ganz leicht.
Die Erklärung hierfür zu finden, fiel ihm nicht schwer. Der allmählich in Rotglut
kommende Aluminiumdraht überzieht sich nämlich mit einer nach und nach dichter
werdenden ziemlich schwer schmelzbaren Tonerdeschicht, in der das zum Schmelzen
kommende Metall, wie in einer Röhre festgehalten, bis nahe zum Siedepunkt gebracht werden
kann, ohne daß das halb-geschmolzene Röhrchen berstet. Diesen Versuch wollte Auer
unter gewissen, mehr Erfolg versprechenden Abänderungen nachahmen.
Statt des Aluminiums wählte Auer Platin, und den emailleartigen Ueberzug wollte er
aus dem fast unschmelzbaren Thoroxyd herstellen. Das war auf den ersten Blick eine
recht schwierige Aufgabe, in Wirklichkeit jedoch eine höchst einfache Sache. Auer
bewerkstelligte dies in folgender Weise: Er zog einen dünnen Platindraht durch die
mit einer verdünnten Thornitratlösung befeuchteten Fingerspitzen, glühte ihn dann in
der Flamme aus und wiederholte diesen Versuch behutsam solange, bis der Platindraht
mit einer eben sichtbaren Thoroxydschicht überzogen war. Nun zerschnitt Auer den
Draht, um metallische Berührungsstellen zu schaffen, bog ihn in der Flamme
bügelförmig ab und setzte ihn an die aus Platin bestehenden, mit Strom versorgten
Pole an; infolge einer kleinen Bogenbildung frittete der Draht alsbald an und begann
zu glühen. Mit dem allmählichen Ansteigen der Stromstärke kam er bis nahe zur
Weißglut. Da begann er plötzlich an einer Stelle hell aufzuleuchten, während
gleichzeitig der übrige Teil des Fadens an Leuchtkraft verlor. Durch entsprechende
Verstärkung der Spannung gelang es leicht, die weißglühende Stelle zu vergrößern und
so nach und nach den ganzen Faden in Weißglut zu versetzen. Der früher starr
gewesene Faden war nun leicht beweglich – das Platin war in seiner Hülle
geschmolzen. Das Licht ließ sich bis zur strahlenden Weißglut verstärken, ohne daß
der Faden Schaden nahm. Auer überraschte es, wie gering, relativ genommen, die
Wärmestrahlung im Verhältnis zur Lichtstrahlung war. In diesem Versuche war die
erste niedrigwattige Metallfadenlampe Auers in freilich nicht gebrauchsfähiger Form
erstanden, und Auer sah sich seinem Ziele schon näher gerückt.
Allein die Enttäuschung blieb nicht lange aus! Beim Unterbrechen des Stromes bewegte
sich der Faden zwar ein wenig, blieb aber scheinbar intakt. Als Auer es aber dann
versuchte, den Strom wieder einzuschalten, gelang das nicht mehr; die Leitung im
Faden war unterbrochen. Bei näherer Prüfung konnte Auer an einer Stelle ein kleines
Platinkügelchen wahrnehmen, wogegen an einer anderen die Platinseele zerrissen war.
Auer wiederholte den Versuch unter den mannigfachsten Abänderungen, jedoch immer mit
dem gleichen ungünstigen Ergebnis. Nun ersann er eine kleine Vorrichtung, die in
selbsttätiger Weise es gestattete, die Thoroxydhülle beträchtlich zu verstärken und
sie glashart zu machen. Wiederum ohne jeden Erfolg. Das schmelzende Platin sprengte
die Hülle stets an irgendeiner Stelle, und auch der Platinfaden zerriß immer
wieder.
Unter solchen Umständen gab es Auer auf, diese Versuche ins Praktische zu übertragen,
experimentierte indes aus wissenschaftlichen Gründen weiter. Da, bei einem Versuche
mit recht langem, bügelförmigem Faden, zeigte sich eine merkwürdige Erscheinung. Der
glühende Faden krümmte sich und kam längsseits zur Berührung; von diesem
Augenblicke an fiel der untere Teil aus dem Glühen, der Strom ging an der
Berührungsstelle über. Wiederholte, in verschiedener Weise abgeänderte Versuche
hatten das gleiche Ergebnis. Auer schloß daraus, daß dichtes, stark gefrittetes
Thoroxyd in glühendem Zustande den Strom leiten müsse. Weitere Versuche bestätigten
diese Annahme. Auer erzielte den für das Leitvermögen notwendigen innigen
Zusammenhang der Teilchen dadurch, daß er das komprimierte Oxyd mit einer
Thornitratlösung tränkte, dann ausglühte und diesen Vorgang solange wiederholte, bis
das Oxyd glasartige Beschaffenheit angenommen hatte. Andere feuerbeständige Oxyde,
z.B. die seltenen Erden, verhielten sich ähnlich wie das Thoroxyd.
Es war für Auer nicht schwierig, mit Hilfe solcher gefritteter Stäbchen sehr schöne
Lichteffekte zu erzielen. Auer ging indessen der Sache nicht weiter nach, weil die
Schwierigkeit des Vorglühens in einer für praktische Zwecke bestimmten Lampe nicht
leicht zu überwinden gewesen wäre. Sein Ziel blieb nach wie vor der
schwerschmelzbare, elastische Metallfaden. Nach den Versuchen mit Platin begann er
seine Arbeiten auf die anderen schwerschmelzbaren Platinmetalle auszudehnen,
namentlich auf das den höchsten Schmelzpunkt unter ihnen besitzende Osmium. Alle
diese Platinmetalle sind bekanntlich höchst spröde Körper, die ein Ziehen zu Draht
unter keinen Umständen erlauben. Auf dem Wege der mechanischen Gestaltung war sonach
nichts zu erreichen. Osmium und Ruthenium, die in hohem Maße verbrennlich sind und
überaus gefährliche und giftige Verbrennungsprodukte geben, in dünne elastische
Fäden zu bringen, war keine ganz leichte Aufgabe. Zunächst imprägnierte Auer
Baumwollfäden mit den entsprechenden Salzlösungen und verglühte sie; dann überzog er
verbrennbare Fäden mit einer Schicht des fein zerriebenen Metalls; alles jedoch ohne
eigentlichen Erfolg. Die Fäden waren stets ungleichmäßig und brannten daher an den
dünnen Stellen durch, lange bevor der Faden konsolidiert war. Allein das eine
zeigten Auer diese Versuche mit aller Deutlichkeit, daß das Osmium den anderen
Platinmetallen weit überlegen war, und daß er hoffen durfte, in ihm das geeignete
Metall für die neue Lampe gefunden zu haben.
Auer versuchte nun ein anderes Verfahren. Er spannte in einer weiten Röhre haarfeine
Drähte aus, füllte die Röhre mit reduzierend wirkenden Gasen, die Dämpfe von
Osmiumtetroxyd enthielten, und erhitzte die Metallfäden durch den Strom soweit, daß
das Osmium sich abzuscheiden begann. Dieser Prozeß wurde dann solange fortgesetzt,
bis die Fäden die gewünschte Stärke angenommen hatten. Auf diese Weise gewann Auer
mitunter ganz brauchbare Fäden. Allein technisch vorteilhaft war dieses Verfahren
noch immer nicht, teils weil es schwer hielt, die Seele des Glühfadens zu entfernen,
teils weil die Fäden nicht genügend gleichartig und elastisch waren. Nach allen
diesen mehr oder weniger fehlgeschlagenen Versuchen fand Auer schließlich doch das Richtige.
Dieses neue Verfahren, nach welchem die Glühlampenindustrie lange Zeit gearbeitet
hat, war das in den Auerschen Patentschriften über die Osmiumlampe ausführlich
geschilderte „Pasteverfahren“. Amorphes Osmium, wie man es durch gelindes
Glühen von Osminditetraminchlorid leicht erhält, wurde unter Zusatz von Zucker oder
auch für sich zu feinstem Pulver zerrieben und geschlämmt; das Osmiumpulver wurde
hernach mit einer viskosen Lösung von Gummi oder gebranntem Zucker versetzt und zur
Paste geknetet. Diese wurde hierauf in einen mit einer feinen Düse versehenen
Zylinder gebracht und durch gut schließende Stempel unter hohem Druck zum Faden
gepreßt. Der spinnende Faden wurde auf einer beweglichen Unterlage aufgefangen, in
passende Stücke zerschnitten, diese wurden geformt und auf einer heißen Tonplatte
getrocknet. Die so gewonnenen Fäden kamen in eine Muffe und wurden unter
Luftabschluß zum gelinden Glühen erhitzt. Diese nun Kohlenstoff enthaltenden Fäden,
die nicht schwierig zu verarbeiten waren, wurden in passende Fassungen eingeklemmt
oder mit Osmiumbrei befestigt und waren so zum „Formieren“ fertig. Das
Formieren hatte den Zweck, den Kohlenstoff zu entfernen und den Faden zum Sintern zu
bringen. Hierzu diente ein gleichzeitig reduzierend und oxydierend wirkendes
Gasgemisch, wie es beispielsweise dem Bunsenbrenner nach dem Zurückschlagen der
Flamme entströmt. In einem solchen Gasgemenge wurde der Faden bei hoher Spannung
erst bis zur Rotglut, dann dem sinkenden Widerstand entsprechend bei niedrigerer
Spannung bis zur strahlenden Weißglut erhitzt. Nach kurzer Zeit nahm er seine
endgültige Form an. Er war nun zum Einsetzen in die Lampe fertig. Die so entstandene
Osmiumlampe war die erste niederwattige Metallfadenlampe, die im Handel erschien und
1902 von der Auergesellschaft in Berlin auf den Markt gebracht wurde. Von da an
schössen die Glühlampenpatente wie die Pilze aus dem Boden. Die neuzeitliche
Metallglühlampentechnik begann sich, von Auer in die Wege geleitet, zu
entfalten. Das folgende Bekenntnis Auers sei noch wörtlich angeführt:
„Nicht unerwähnt will ich es schließlich lassen, daß ich auch andere Metalle in
den Kreis meiner Versuche zog. Allein keines von diesen schien mir dem Osmium
überlegen zu sein. Hierbei hatte ich freilich das Wolfram übersehen. Eine
Unachtsamkeit, der es in erster Linie zuzuschreiben war, daß meiner Erfindung
der materielle Erfolg versagt blieb.“
Nachdem also Auer v. Welsbach das wesentlich schwerer schmelzbare und sich daher für
Glühlampenleuchtkörper besser als Omnium eignende Wolframmetall übersah und dasselbe
somit außerhalb des Bereiches seiner Patente blieb, konnten andere diese Patente
umgehen und Wolframfadenlampen auf Auerscher Grundlage erzeugen. Nach den letzten
Angaben des Statistischen Reichsamts (Wirtsch. u. Stat., Bd. 10, 1930, S. 427) sind
nun während des Rechnungsjahres 1928-29 in Deutschland 98,9 Millionen
Metalldrahtlampen hergestellt worden, und der Leuchtkörper dieser Lampen besteht aus
Wolfram, das Auer zwar übersah, für dessen Verarbeitung zu Leuchtfäden aber er die
Bahn gebrochen hat. Seine Osmiumlampe benötigte nur etwa 1,5 Watt pro Hefnerkerze,
während die bis dahin gebräuchliche Kohlefadenlampe 3 bis 4 Watt pro Hefnerkerze
verbrauchte. Selbst die heutigen luftleeren Wolframdrahtlampen erfordern etwa 1,25
W/HK, also nicht wesentlich weniger als Auers Osmiumlampe, so daß das Verdienst, den
ausschlaggebenden wirtschaftlichen Fortschritt eingeleitet zu haben, Dr. Carl Auer
von Welsbach gebührt. Das Dunkel der Gruben mittelst transportabler elektrischer
Lampen von geringem Gewicht zu bannen, ermöglichte erst die Erfindung von Auer.
Carl Auer v. Welsbach starb am 4. August 1929, nachdem er kurz zuvor von der
Universität Freiburg i. B. und der Technischen Hochschule Graz zum Ehrendoktor und
von der Universität Heidelberg zum Ehrensenator ernannt wurde.