Titel: | Forschung tut not! |
Autor: | Kuhn |
Fundstelle: | Band 345, Jahrgang 1930, S. 221 |
Download: | XML |
Forschung tut not!
Forschung tut not!
Auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure in Wien, am 21.
September 1930, hielt der Vorsitzende des Vereins, Dr.-Ing. E. h. Carl Köttgen, eine
Ansprache mit dem Motto: „Forschung tut not“ in der er ausführte, wie wichtig
es für uns ist; die erreichte Höhe unserer Technik
und Wissenschaft durch Forschung aufrecht zu erhalten, denn diese Forschung ist die
Grundlage der heutigen Industrie, wenn wir nicht dem Ausland gegenüber ins
Hintertreffen kommen wollen. Das Ausland gerade hat, wenn auch später als wir, die
Bedeutung der Forschung für, die Technik erkannt, und in den Vereinigten Staaten
z.B. wer den jährlich enorme Summen hierfür aufgewendet. Ein Blick in die Literatur,
über Forschungsarbeiten, die die amerikanischen Universitäten (Technischen
Hochschulen) herausgeben, zeigt, welche Menge an hochwertiger Arbeit dort geleistet
wird; wie in den Vereinigten Staaten, so geschieht dies auch im übrigen Ausland,
sowohl in Europa, wie in Asien usw., wo z.B. die japanischen und chinesischen
Hochschulen ausgezeichnete Forschungsarbeiten veröffentlichen. Die Verleihung des
Nobelpreises an den indischen Gelehrten Sir Chandrasekhaara Venkata Raman zeigt, daß
selbst Länder mit schwierigen politischen Verhältnissen in der Lage sind, in der
modernen Forschung führend zu sein. Erinnert sei hier auch an die zurzeit im Bau
bzw. Projekt befindlichen Rockefeller- und Einstein-Institute für Spanien und
Indien.
Für uns heißt es zwar unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen, zu
sparen, trotzdem darf dabei die Forschung nicht vernachlässigt werden, denn wir
müssen nicht nur sparen, sondern auch unsere Einnahmen zu vermehren suchen. Wege
dazu bietet uns die Forschung und die Anwendung ihrer Ergebnisse in Technik,
Industrie, Landwirtschaft usw. Die großen Fortschritte auf allen Gebieten der
Technik in den letzten Jahrzehnten sind nur auf intensive Forschung zurückzuführen.
Verbesserte Technik bedeutet aber auch verbesserte Absatzmöglichkeit für die
Produkte dieser Technik und damit Steigerung der Ausfuhr, Beschaffung von
Arbeitsmöglichkeiten für zahllose sonst feiernde Hände. Grundlegend für die
Forschung ist aber auch die Ausbildung des Nachwuchses an Forschern. Die Bedeutung
der Ausbildungsfrage, Forschung u. ä. geht aus den Verhandlungen der II.
Weltkraftkonferenz Berlin 1930 Sektion 32 bis 34 hervor, (s. Dingler 1930 Nr. 7, S.
132, 199.) Deutsche Bergwerkszeitung 1930, Nr. 180, 228, 234, 242, 263).
Daß unsere führenden Firmen die Notwendigkeit der Forschung längst erkannt haben, ist
bekannt, daß sie ihr auch heute noch, oder besser heute erst recht, trotz aller
Schwierigkeiten die größte Aufmerksamkeit schenken, geht aus den Veröffentlichungen
der Forschungslaboratorien und -Stätten derselben hervor. Bekannt sind hier
besonders die wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus dem Siemenskonzern (s.
Dingler 1929 S. 42, 1930 S. 18, 157, 178.), die Kruppschen Monatshefte u.a.m. Eine
Reihe neuer solcher Veröffentlichungen ist in den letzten Monaten herausgegeben
worden, so hat die AEG zur Weltkraftkonferenz einen Band „Forschung und
Technik“Forschung und
Technik. Im Auftrage der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft
herausgegeben von W. Petersen. Professor Dr.-Ing. Dr. rer. pol. eh. Mit 597
Abb. im Text / VIII, 576 Seiten Din A IV 1930. Geb. RM. 40,–. Verlag von
Julius Springer, Berlin. herausgegeben, gefolgt sind die
„Mitteilungen aus den Forschungsanstalten der Gute-Hoffnungshütte"Mitteilungen aus den Forschungsanstalten
der Gutehoffnungshütte Oberhausen und den ihr nahestehenden
Unternehmungen: Maschinenfabrik Augsburg – Nürnberg, Maschinenfabrik
Esslingen, Deutsche Werft Hamburg, Schwäbische Hüttenwerke
Wasseralfingen, Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerk, Eisenwerk Nürnberg,
Zahnräderfabrik Augsburg, Deggendorfer Werft, Eisenbau Essen und Haniel
& Lueg Düsseldorf.Heft 1. Din A IV, 24 S. mit 32 Abb. und 14 Zahlentafeln. Brosch 3,– RM.
In Kommission VDI-Verlag GmbH., Berlin NW 7, 1930., sowie die
Technisch-wissenschaftlichen Abhandlungen aus dem Osram-Konzern“.
Selbstverständlich stehen auch unsere Hochschulen gegenüber denen des Auslandes
nicht zurück (s. z.B. Dingler 1930 S. 118).
Trotz alledem stehen noch weite Kreise unseres Volkes der Forschung und ihrer
Notwendigkeit gleichgültig, wenn nicht ablehnend gegenüber. Diese auf die
Wichtigkeit der Forschung hinzuweisen, ist der Zweck einer kürzlich vom V.D.I.
herausgegebenen Schrift „Forschung tut not“, in der Tatsachenmaterial aus
allen möglichen Gebieten der Technik in Industrie und Gewerbe enthalten ist, das
beweisen soll, in wie weitem Umfange sich die technische Forschung für die gesamte
Volkswirtschaft nutzbringend ausgewirkt hat. (s. V.D.I.-Nachr. 1930 Nr. 45, 46.) Die
Erfolge der Forschung machen sich auf allen Gebieten des Lebens und Wirkens der
Nation geltend, seien dies die Annehmlichkeiten des täglichen Lebens, wie sie die
modernen Verkehrs- und Nachrichtenmittel (Auto, Schnellbahnen, Radio, Telephon usw.) darstellen,
oder die Fortschritte auf dem Gebiete der Ernährung und Bekleidung (Technik in
Landwirtschaft und Gewerbe, im Haushalt, Kältetechnik (s. Dingler 1929 S. 228),
Textilindustrie (Kunstseide usw.); die Stärkung der Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem
Weltmarkt sind bereits erwähnt.
Jeder, der heute technische Einrichtungen benützt oder damit zu tun hat, sollte sich
vor Augen halten, daß diese ohne Forschung nicht denkbar wären und ohne diese
verkümmern und veralten würden. Was die Forschung im Weltkriege geleistet hat, ist
vielerorts schon wieder vergessen und doch wäre es ohne sie nicht möglich gewesen,
den Ansprüchen, die das Heer an die Technik stellte, zu genügen, das war aber nicht
nur bei uns der Fall, sondern auch im Ausland mußte die Forschung nach Ersatz für
allerlei Materialien suchen, die man vorher von uns bezogen hatte, daraus ergibt
sich auch die interessante Tatsache, daß der Krieg, trotz aller Vernichtung, mit
Hilfe der Forschung Fortschritte auf manchen Gebieten gebracht hat, die sonst
vielleicht jahrzehntelang auf sich hätten warten lassen. Und heute spielt sich
stellenweise ein ähnlicher Vorgang ab, indem die Forschung nach Ersatz oder
billigeren Verfahren für Material suchen muß, das durch politische oder
wirtschaftliche Schwierigkeiten (z.B. Zölle) nur zu unwirtschaftlichen Preisen
zu erhalten ist, oder infolge sehr starken Verbrauches im Schwinden ist. (Hydrierung
der Kohle, Verwertung der Koksofengase, Kraftstoffe u. ä.)
Die Not der Nachkriegszeit führte zur Einschränkung der wissenschaftlichen Forschung
vor allem und betraf so die technischen Hochschulen und Universitäten. Aus der
Erkenntnis der Wichtigkeit der Forschung heraus wurde damals die Notgemeinschaft der
deutschen Wissenschaft gegründet, die es zahlreichen solchen Anstalten, sowie
einzelnen Forschern ermöglicht hat, ihre Forschungsarbeiten fortzusetzen und die vor
kurzen auf eine 15jährige Tätigkeit zurückblicken konnte (s. V.D.I.-Nachr. 1930, Nr.
46).
Daß unsere großen und kleinen technischen und technisch-wissenschaftlichen Vereine
durch ihre Zeitschriften in erster Linie der Forschung dienen und dienen wollen,
braucht wohl kaum erwähnt zu werden.
Ueber all diese zur Forschung gewissermaßen berufenen Stellen hinaus, muß aber
jedermann, nicht nur der Techniker, von der Ueberzeugung durchdrungen sein, daß ohne
Forschung ein wirtschaftlicher Aufstieg nicht möglich ist.
„Forschung tut not,
denn sie schafft Arbeit und Brot.“
Dipl.-Ing. E. Kuhn.