Titel: | Feuergefährlichkeit und Feuerfestigkeit der Kraftstoffe. |
Autor: | A. Lion |
Fundstelle: | Band 346, Jahrgang 1931, S. 154 |
Download: | XML |
Feuergefährlichkeit und Feuerfestigkeit der
Kraftstoffe.
Feuergefährlichkeit und Feuerfestigkeit.
In Garagen und Betriebsstofflagern darf selbstverständlich nicht geraucht
werden; denn alle Kraftstoffe sind feuergefährlich. Trotzdem wird fast immer bei
Bränden im Zusammenhang mit Betriebsstoffen eine Brandursache angegeben, die
bestimmt falsch ist. Es heißt gewöhnlich: „Der Garagenbrand wurde durch einen
glimmenden Zigarren-Stummel verursacht“ oder „Beim Reinigen mit Benzin
explodierte die Flasche und setzte die Kleider in Brand“. Beides ist
bestimmt unrichtig.
Um den letzten Fall zuerst zu erledigen: Eine Benzin- oder Spiritus-Flasche
„explodiert“ niemals. Hält man ein Streichholz an den Hals einer
Benzinflasche, dann brennt das, über dem Flüssigkeitsspiegel lagernde Benzingas
unter schwachem Ueberdruck im Innern der Flasche ab. Dieser Ueberdruck kann
gefährlich werden, wenn man in eine offene Flamme, also z.B. einen Spiritusbrenner,
aus einer Flasche Spiritus gießt – für Benzin gilt natürlich genau dasselbe –; denn
durch den, bei der Entflammung der Gase entstehenden Ueberdruck wird flüssiger
Kraftstoff über die Gegenstände in der Nähe verspritzt, die dadurch entzündet
werden. Wenn jetzt vor Schreck die Flasche fallen gelassen wird, entzwei geht, und
dabei ein gefährlicher Brand entsteht, so kann man das nicht als Explosion
bezeichnen, Eher schon, wenn aus einer Blechkanne mit engem Schnabel Betriebsstoff
in eine offene Flamme gegossen wird; in diesem Fall kann der Ueberdruck das Gefäß
aufreißen, – aber eine Explosion ist auch das eigentlich nicht.
Nun zu den fortgeworfenen glimmenden Zigarren- und Zigarettenstummeln! ManMna hat im vorigen Jahr eingehende Versuche zur praktischenErforschung
dieser „Brandursache“ gemacht und dabei festgestellt, daß in zylindrischen
Gefäßen weder kalte noch warme Gase von Benzin, Spiritus, Aether und Acetylen bei
den verschiedensten Luftmischungsverhältnissen durch glimmende Zigarren entzündet
werden können. Ebenso ist es unmöglich, flüssige Betriebsstoffe durch
hineingeworfene glimmende Zigarren- oder Zigarettenstummel zu entzünden.
Warum darf nun aber in Garagen und Betriebsstofflagern nicht geraucht werden, wenn
die glimmenden Stummel so harmlos sind? Die Antwort ist sehr einfach: Weil Zigarren,
Zigaretten und Pfeifen nicht brennen, bevor sie nicht angezündet sind. Und so
ungefährlich der glimmende Stummel ist, so gefährlich sind die Flamme des Feuerzeugs
und das achtlos fortgeworfene, noch brennende Streichholz. Wegen der hohen
Entzündungsgefahr der Kraftstoffe durch offene Flammen ist es z.B. auch gefährlich,
in geschlossenen Bäumen, etwa nach Reparaturen, Kraftfahrzeugmotoren mit noch nicht
wieder angebrachten Auspuffrohren arbeiten zu lassen. Vor allem dann, wenn der Motor
vorher etwa mit Benzin gereinigt worden ist. Man darf in solchen Fällen nicht einmal
den Motor bei nicht kurz geschlossener Zündung durchdrehen. Durch einen, mit Benzin
gereinigten Magnet-Apparat, dessen Anker unvorsichtigerweise gedreht worden ist, ist
vor vielen Jahren einmal ein Zeppelin-Luftschiff verbrannt.
Ebenso gefährlich wie die offene Flamme ist der elektrische Funke, der ja auch im
Motor zur Entzündung des Kraftstoffluftgemisches dient. Das Betreten eines vergasten
Raumes mit einer brennenden Zigarre braucht nicht immer gefährlich zu sein; mit tödlicher
Sicherheit führt aber das Ein- oder Ausschalten des elektrischen Lichtes wegen der
beim Schalten unvermeidlichen Funkenbildung zur Explosions-Katastrophe.
Als andere Ursache von Kraftfahrzeugbränden wird vielfach die Undichtigkeit der
Brennstoffleitung, bzw. -Behälter, und das Abtropfen von Brennstoff auf die
Auspuffleitung angegeben. Auch diese Gefahr ist nicht so groß, wie man vielfach
glaubt. Gefährlich ist natürlich ein Bruch der Kraftstoffzuleitung in der Nähe des
Vergasers und ein Zurückschlagen der Flamme aus dem Zylinder in den Vergaser bei
magerer werdendem Gemisch. Eine Entflammung an der Auspuffleitung wird bei
neuzeitlichen Fahrzeugen mit richtig konstruierten Auspuffkammern und gekühlten
Auspuffleitungen kaum vorkommen, da keine Glühstellen auftreten. Glühstellen
allerdings können unter Umständen Brände verursachen. Läßt man auf ein
hellrotglühendes Eisenrohr Benzintropfen fallen, dann entzünden sie sich, während
Benzoltropfen sich erst entzünden, wenn das Eisenrohr weißglühend geworden ist, also
Temperaturen angenommen hat. die im Motor praktisch nicht vorkommen. Benzol ist also
hitzebeständiger als Benzin, und das ist die Ursache für seine größere
Klopffestigkeit.
Benzol und auch das mit ihm verwandte Naphtalin sind so feuerfest, daß man sie durch
glühende Röhren leiten kann, ohne daß sie sich zersetzen, während Benzin und
Petroleum unter gleichen Bedingungen bereits in Gase, flüssige Kohlenwasserstoffe
und Koks zerlegt werden. Diese Spaltung unter dem Einfluß hoher Temperaturen wird
übrigens technisch beim sog. Crack-Verfahren ausgenutzt, bei dem sich aus Gasöl,
neben den Abfallerzeugnissen, brauchbare Benzine, die sog. Crack-Benzine, bilden.
Für den Motorbetrieb ist die Feuerfestigkeit des Betriebsstoffes natürlich
bedeutungsvoll; denn wenn die entsprechenden Bedingungen überschritten werden, kann
eine Zersetzung des weniger feuerfesten Kraftstoffes unter Oelkohlebildung
eintreten.
Werden Feuerfestigkeitsversuche nicht in geschlossenen Röhren, sondern in Gegenwart
von Luft oder Sauerstoff ausgeführt, dann tritt keine Zersetzung, sondern eine
Entzündung ein. Auch hierbei sind 2 Versuchsmöglichkeiten vorhanden: Man kann kleine
Mengen des Kraftstoffes in einem sauberen Gefäß mit einem Streichholz entzünden.
Hierbei stellt sich heraus, daß Petroleum,Gasöl usw. sich auf diese Weise
überhaupt nicht entzünden lassen, während Spiritus mit schwacher bläulicher Flamme,
Benzin und Alkoholgemisch mit gelber und Benzol und Crack-Benzin mit rötlicher
Flamme brennen. Man kann aber auch in bestimmten Apparaten Betriebsstoffe erwärmen
und feststellen, bei welcher Temperatur sie sich „von selbst“ entzünden. Die
Feststellung ist von gewisser praktischer Bedeutung; denn die Selbstzündung im
Kraftzylinder ohne Einwirkung des Zündfunkens ist bekanntlich eine schädliche
Erscheinung, die die Wirtschaftlichkeit des Motors herabsetzt. Die
Selbstzündungstemperatur des Benzins liegt bei etwa 300°, die des Benzols bei etwa
500°. Wenn auch natürlich im Kraftzylinder andere Druckverhältnisse vorliegen als in
der freien Atmosphäre, so erklärt doch diese große Verschiedenheit der
Selbstzündungstemperaturen der beiden wichtigsten Kraftstoffe, warum Benzol eine
wesentlich höhere Verdichtung als Benzin verträgt. Denn die Kompressionsfestigkeit
hängt unmittelbar mit der Feuerfestigkeit und dem höheren Selbstzündungspunkt
zusammen. Daß Benzin durch Benzol-Zusatz feuerfester, d.h. klopffester gemacht
werden kann, ist ja bekannt; langjährige praktische Versuche haben als günstigstes
Mischungs-Verhältnis für motorische Zwecke 4 Teile Benzol zu 6 Teilen Benzin
ergeben. Die Selbstzündungstemperatur des Spiritus liegt nicht viel über der des
Benzins, bei etwa 350°. Wenn trotz dieser verhältnismäßig niedrigen
Selbstzündungstemperatur Spiritus außerordentlich kompressionsfest ist, so liegt das
an der sehr hohen Verdampfungswärme des Spiritus, die eine Temperaturherabsetzung,
eine Kühlung im Kraftzylinder verursacht.
Welche der geschilderten Fälle und Versuche als Brandgefahr in Garagen und Lagern
oder an Kraftfahrzeugen auftreten können, dürfte ohne weiteres klar sein. Wenn auch
vielfach als Brandursache andere Möglichkeiten angesehen werden als die in
Wirklichkeit auftretenden, so kann doch sehr leicht aus einem vorläufig
ungefährlichen Vorkommnis eine akute Gefahr werden, wie z.B. beim Wiederanzünden
einer ausgegangenen Zigarette, so daß es nur eine Vorschrift geben kann: Alles
Brennende, Glimmende und Glühende unbedingt von Garagen, Kraftstofflagern und mit
Kraftstoff versehenen Motoren unbedingt fernzuhalten.
Dipl.-Ing. A. Lion, Berlin.