Titel: | Ueber die Urheber der Gasbeleuchtung in England und Frankreich, |
Fundstelle: | Band 38, Jahrgang 1830, Miszellen, S. 410 |
Ueber die Urheber der Gasbeleuchtung in England und
Frankreich,
hat Hr. W.
Matthews im Juniushefte von Gill's
technol. and microscop Repository S. 379. einen Aufsaz
eingeruͤkt, in welchem derselbe (er ist der Verfasser der von uns schon
fruͤher angefuͤhrten „historical
sketch of the origin and progress of Gas-lightning“)
demjenigen geradezu widerspricht, was jezt in mehreren englischen Journalen, seit
Winsor's Tode, geschrieben
wird, und wovon wir auch neulich Erwaͤhnung machten, daß naͤmlich
„Winsor der Urheber (originator) der nuͤzlichen Gasbeleuchtung
ist“ und daß er „im J. 1803 oͤffentlich zeigte, wozu
man diese chemische Entdekung benuͤzen konnte.“ (Winsor's Patent ist vom J. 1804, und
Winsor nennt sich nur zweiter Erfinder und Verbesserer.) Hr. Matthews tadelt, mit Recht, das
Marktschreierische in der Patent-Erklaͤrung Winsors; es ist aber so Sitte in England. Winsor ist ehrlich genug, auf Le Bon, als den
ersten Erfinder der Gasbeleuchtung aufmerksam zu machen, der im J. 1802 zu Paris ein
Patent mit einer Dauer erhielt, wie man dieselbe bisher noch bei keinem andern
zugestand. Winsor sagt, daß er von Frankfurt nach Paris
reiste, um dort Rauch statt Wachs brennen zu sehen, und erzaͤhlt was er zu
Paris sah, um demjenigen Glauben zu verschaffen, was er zu London leisten
wuͤrde, und Hr. Matthews tadelt ihn daruͤber. Hr. Winsor zeigte am Ende des Jahres 1804 diese
„Entdekung und Erfindung“ im Lyceum oͤffentlich, und
lud im J. 1805 zur Foͤrderung derselben ein. Im J. 1807 verstieg er sich
allerdings zu weit, als er behauptete, daß man mit 5 Pfd. Sterl. jaͤhrlich
570 Pfd. gewinnen koͤnne, und der Regierung eine Steuer auf Kohlen vorschlug,
die ihr beinahe 11 Millionen Pfd. Sterl. tragen sollte; man mag ihn daruͤber
tadeln, aber nicht verhoͤhnen: denn es ist doch nach Hrn. Matthews eigenem
Gestaͤndnisse uͤber allen Zweifel gewiß, „daß er der Stifter
der privilegirten Gasbeleuchtung und Kohkgesellschaft (founder of the chartered gas-light and coke company) geworden
ist;“
„wenn man auch, „wie Hr. Matthews beifuͤgt,“
nirgendwo die mindeste Spur wissenschaftlicher Entdekungen und mechanischer
Geschiklichkeiten von seiner Seite wahrnimmt, obschon die Faͤlle großen
Verlustes, die diejenigen erlitten, welche seiner Darstellung trauten, sehr
zahlreich sind.“ Hr. Matthews sagt, daß Winsor uͤber
50,000 Pfd. Sterl. von seinen Freunden erhielt und zu
seinen Versuchen verwendete, und bemerkt: „es ließe sich mit Recht
vermuthen, Hr. Winsor habe
zu Paris Le Bon's Patent gelesen.“
Waͤre dieß eine Schande, da er sich nur den zweiten Erfinder, den Verbesserer
nannte? Da er, als er im J. 1810 die Bill fuͤr die Gascompagnie ansuchte,
durchaus keinen Anspruch auf die urspruͤngliche Erfindung machte?
Daß Hr. Murdoch schon im J.
1792 zu Redruth in Cornwallis seine Officin mit Kohlengas beleuchtete, und einen
damit beleuchteten Dampfwagen zur Unterhaltung seiner Mitbuͤrger durch die Straße
laufen ließ; daß Murdoch im J. 1798 die Fabrik der Hrn.
Boulton und Watt's mit Kohlengas beleuchtete, und im J. 1802 die große Beleuchtung
mit demselben gab; daß Hr. Clegg Erfinder der Gasometer war; daß alles dieß lang vor
Winsor geschah; haben wir bereits an einem anderen Orte bemerkt. Verdient aber
deßwegen Winsor Hohn und Tadel, wenn auch die von ihm
gegruͤndete Gesellschaft erst dann gedieh, als sie Murdoch's Plan annahm?
Auch Hr. Gill spricht in einem
Anhange von Winsor's
Unverdienst, und sagt, daß er, als er einige seiner Vorlesungen im Lyceum und in
Pall-Mall hoͤrte, er uͤber seine ausschweifenden
Anspruͤche und uͤber seine Unwissenheit nicht wenig Stoff zu lachen
fand; daß Winsor z.B. sagte, er koͤnne Metalle mittelst Gas schmelzen, was er
dann auch an Schlagloth wirklich producirte. Hr. Gill sagt, er erinnere sich noch, wie es Hrn.
Winsor gaͤnzlich
mißlang, Pall-Mall zu beleuchten, und wie, als er die hintere Seite von
Carlton-House beleuchtete, das Gas so uͤbel roch, daß er vermuthete,
man habe, um ihn zu neken, Asa foetida in die Kohlen
geworfen.
Hr. Gill erwaͤhnt, daß
ein Uhrmacher, der sel. Knight, in Fleet-street,
einer der ersten war, der Gasbeleuchtung zu London foͤrderte, und Stifter der
City gas works wurde.
Niemand wird Murdoch's und
Knight's Verdienste um
Gasbeleuchtung bestreiten; wenn aber Winsor der
Gruͤnder der „chartered
gas-light
und
coke company
gewesen ist,“ und wenn ohne diese
Gesellschaft die Gasbeleuchtung in England nie das Gluͤk gemacht haben
wuͤrde, das sie machte; so sehen wir nicht ein, warum man gegen Hrn.
Winsor so undankbar seyn
duͤrfe, daß man ihn wegen seiner uͤbrigen Fehler nach Belieben
verhoͤhnen koͤnne. Wir sind nicht der Meinung, daß man de mortuis nil nisi bene sprechen muͤsse, wenn
sie nichts Gutes gethan haben: daß man aber, wo man ihnen wirklich Dank schuldig
ist, nur ihre schwache oder schlechte Seite nach oben kehrt, wenn man sie im Grabe
noch beleuchten will, das finden wir aus dem Grunde hart, weil sich der Todte nicht
mehr von selbst umkehren kann, um uns seine bessere und schoͤnere Seite zu
zeigen.