Titel: | Nekrolog. |
Fundstelle: | Band 54, Jahrgang 1834, Miszellen, S. 306 |
Nekrolog.
Thomas Telford Esq., Civilingenieur, F. R. S. L. u. E.,
Praͤsident der Society of Civil-Engineers
in London etc., einer der verdientesten Maͤnner Englands, der groͤßte
seiner Baumeister in lezter Zeit, sein Stolz und seine Zierde, verschied am 2.
September 1834. Bei dem großen Ruhme, den dieser ausgezeichnete Mann in England
sowohl, als im Auslande genoß, und eben so sehr verdiente, wird es unseren Lesern
wohl willkommen seyn, das Wichtigste aus dem thatenreichen Leben desselben zu
hoͤren.
Telford gehoͤrte mit zu jenen seltenen
Maͤnnern, welche unter mißlichen Umstaͤnden in's Leben tretend sich
lediglich durch ihren inneren Werth, durch ihre hohen Talente, ihren Fleiß und ihren
gediegenen Charakter zu dem empor arbeiteten, was sie wurden, und die sich auf der
hohen Stufe, die sie erreichten, von keinem Wahne und keiner Eitelkeit
bethoͤren ließen. Er wurde im Jahre 1757 zu Langholm in der Pfarrei
Westerkirk, Grafschaft Dumfries in Schottland geboren, und wurde, nachdem er seine
erste Erziehung in der Schule seiner Pfarrei erhalten, in seinem vierzehnten Jahre
Maurerlehrling. Bis zum Jahre 1783 blieb er in der Gegend seines Geburtslandes, des
Districtes von Eskdale, bei dem Baue von Haͤusern und Bruͤken
beschaͤftigt. Um diese Zeit kam er, nachdem er in Edinburgh Unterricht in der
Zeichenkunst, fuͤr die er große Talente besaß, genommen, mit einer Guinee in
der Tasche nach London, wo er einige Zeit zu Somerset-House verwendet wurde,
und sich bald so auszeichnete, daß man ihm die Aufsicht uͤber den Bau der
oͤffentlichen Gebaͤude an der Schiffswerfte zu Portsmouth
uͤbertrug. Hiemit war sein Ruf begruͤndet, und von nun an sehen wir
ihn als großen Architecten und Ingenieur bei den meisten der ausgezeichneteren
Bauten Englands und Schottlands auftreten, wie folgende Liste seiner
vorzuͤglicheren Kunstwerke beurkundet.
Vom Jahre 1788 bis 1798 baute er ein neues Gefaͤngniß fuͤr die
Grafschaft Salop, und 26 Bruͤken von 20 bis 130 Fuß Spannung, worunter zwei
uͤber den Fluß Severn. Im Jahre 1798 baute er bei Bewdley in drei Bogen eine
Bruͤke uͤber den Severn, eine Bruͤke von 112 Fuß Spannung
uͤber den Dee, und die Kirche von Bridgenorth. Im J. 1790 begann er den 103
engl. Meilen langen Canal von Ellesmere, an welchem besonders der 1000 Fuß lange und
128 Fuß hohe Aquaͤduct bei Pont-of-Cysyltn, und der 600 Fuß
lange und 70 Fuß hohe Aquaͤduct von Chirk merkwuͤrdig sind. Im J. 1803
begann er die beruͤhmten Highlandroads, bei denen unter seiner und der
Commission Leitung nicht weniger als 1170 Bruͤken gebaut wurden. Im J. 1804
begann er den Caledonian-Canal, dessen Schleusten bei einer Wassertiefe von 20 Fuß 180 Fuß
lang und 40 Fuß breit sind. Im J. 1809 beendigte er die Dunkeld-Bruͤke
mit 9 Bogen, von denen der mittlere 90 Fuß Spannung hat. In diese Zeit faͤllt
auch der von ihm geleitete Bau des Glasgow-, Paisley- und
Ardrossan-Canales. Im J. 1810 erweiterte und verbesserte er den Hafen von
Aberdeen, und im J. 1815 eben so jenen von Dundee. Im J. 1816 begann er die Straße
von Glasgow nach Carlisle, auf welcher 25 Bruͤken von 150, 90, 80, 60, 50 Fuß
Spannung vorkommen. In den folgenden Jahren leitete er den Bau der Straßen im
Lanarkshire, wo er außer 4 großen Bruͤken auch die 123 Fuß hohe Bruͤke
all den Cartland Craigs erbaute; den Bau der Dean-Bruͤke in Edinburgh
mit 4 Bogen von 90 F. Spannung, und den Bau der 408 Fuß hoch uͤber den Fluß
wegfuͤhrenden Straße; den Bau der 44 Meilen von Edinburgh entfernten
Pathhead-Bruͤke mit 5 Bogen von 70 Fuß Hoͤhe; jenen der aus 3
Bogen bestehenden Morpeth-Bruͤke in Northumberland; den Bau der
weitberuͤhmten Holyhead-road von London nach Dublin, an welcher sich
die herrliche Menai- und Conway-Bruͤke befinden; die
Verbesserungen der Schifffahrt auf dem Weever; den Bau eines 3000 Yards langen
Tunnels durch den Huͤgel von Harecastle in der Nahe der großen
Toͤpfereien im Staffordshire, und jenen eines 29 Meilen langen Canales, der
diese Fabriken mit den Canaͤlen von Peakforest und Huddersfield in Verbindung
sezte; er verbesserte den alten, fruͤher von Brindley ausgefuͤhrten
Canal; er verband den Birmingham-Canal durch einen 39 engl. Meilen langen
Canal mit jenen von Shropshire und Cheshire, und eroͤffnete auf diese Weise
eine neue Communication mit Liverpool, Manchester und London; er baute die St.
Katherine Docks in London, in Tewksbury eine gußeiserne Bruͤke von 170 Fuß
Spannung uͤber den Fluß Severn, und in der Nahe von Gloucester uͤber
denselben Fluß eine steinerne Bruͤke von 450 Fuß Spannung; er stellte endlich
die Canalschifffahrt durch Schweden von Gothenburg in die Nordsee her. Seit dem
Jahre 1847 war Telford der Ingenieur der Commission, welche das Parliament zur
Ausfuͤhrung oͤffentlicher Bauten niedersezte, und der er Berichte und
Plane zu mehr dann 40 Canaͤlen, 5 Bruͤken, mehreren Hafen und einigen
Eisenbahnen vorlegte; er gab endlich dem Postbureau die Plane zu den
vorzuͤglichsten neueren Poststraßen in England!
Wo hat ein einziger Architect je so viele und so mancherlei großartige Werke zu Tage
gefoͤrdert! Und bei all diesen hohen Verdiensten war Telford die Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit selbst; kaum seine
naͤchsten Freunde wußten etwas von dem Wasa-Orden, den er erhielt, von
den koͤniglichen Medaillen, von den Tabatieren und Ringen, die ihm von
Koͤnigen und Kaisern zugestellt wurden. Ueberall das Verdienst Anderer
anerkennend und an den Tag hervorziehend, machte er das Seinige selbst nirgends
geltend.
Telford lernte fuͤr sich allein und durch eigene
Anstrengung Latein, Franzoͤsisch, Italienisch und Deutsch; er las alle diese
Sprachen mit Fertigkeit, und sprach auch mit Leichtigkeit franzoͤsisch. Er
war ein sehr guter Mathematiker; die reine Algebra war ihm aber ein Graͤuel,
als zu sehr zum Abstracten und zu wenig zum Praktischen fuͤhrend. Er war
weniger ein Gelehrter, als ein Mann, dem schnelle und scharfsinnige Auffassung der
Natur und Eigenschaften der Dinge angeboren war; ein Mann von seltener Umsicht, der
mit klarem Verstande alle auf den Gegenstand, womit er sich beschaͤftigte,
bezuͤglichen Punkte sorgfaͤltig erwog und abermals pruͤfte. Er
traute der Mathematik nie allein; und wenn es bei seinen Arbeiten und bei den
Ausspruͤchen, die er zu geben hatte, nur einiger Maßen thunlich war, so nahm
er jedes Mal seine Zuflucht zu Versuchen und zur Praxis. Man kann nicht sagen, Telford war ein erfinderischer Geist; er nahm z.B. nur
ein einziges Patent, und selbst dieses machte ihm so viel zu schaffen, daß er
beschloß, in seinem ganzen Leben keines mehr zu nehmen, was er denn auch getreulich
hielt. Allein er wußte bekannte Mittel, wie nicht leicht jemand anderer, zur
Erreichung seines Zwekes zu benuzen. Kleinliche Untersuchungen waren nicht seine
Sache; er achtete jene, die sich damit beschaͤftigten; allein er betrachtete
sie bloß als Mittel zu großen Endzweken; er schaͤzte alle Mittel als solche
sehr hoch; allein er verwikelte sich nie in ihnen, sondern durchdrang sie, Alles in
sich aufnehmend und mit sich fortreißend, was zur Ausfuͤhrung seiner Plane
dienlich seyn konnte. Bei allem dem war er aber aͤußerst behutsam und beinahe
aͤngstlich, wie dieß daraus erhellt, daß er oͤfter erzaͤhlte,
er habe vor der Eroͤffnung eines seiner groͤßten Werke, der
Menai-Bruͤke, keinen ruhigen Schlaf mehr gehabt, und wuͤrde
gewiß krank geworden seyn, wenn dieser Zustand laͤnger gedauert hatte. Er
zweifelte zwar nicht an der Staͤrke und Festigkeit seines Baues, bei welchem
er alle durch seinen Scharfsinn und seine lange Erfahrung erlangten Kenntnisse und
Vorsichtsmaßregeln anwendete, und bei dessen Ausfuͤhrung er von eben so
gewandten als getreuen Gehuͤlfen unterstuͤzt wurde; allein die Idee,
daß sich an einem so großen und neuen Baue doch ein schwacher Punkt finden
koͤnne, hielt ihm ganze Naͤchte lang sein Werk vor Augen, um diesen
allenfallsigen Punkt zu erforschen. Diese Menai-Bruͤke, welche das
Publicum als das groͤßte Werk Telford's anstaunt,
obschon er selbst seine Holyhead-Road und seinen Caledonien-Canal
fuͤr hoher hielt, ist auf dem Continente hinreichend bekannt und bewundert
worden; wir bemerken daher hier nur, daß sie uͤber den sogenannten
Bangor-Ferry sezt, welcher die Grafschaften Carnarvon und Anglesea von
einander scheidet, und daß sie, nach dem Haͤngeprincipe gebaut, aus 7
steinernen Bogen besteht, welche sonst nirgendwo in der Welt zu finden sind. Bei der
Eroͤffnung derselben im Jahre 1826 segelte ein Dreimaster, dessen Masten so
hoch wie jene einer Fregatte waren, unter den mittleren Bogen weg; die
Aufhaͤngekraft der Ketten ist zu 2016 Tonnen berechnet, und jede Kette wiegt
121 Tonnen!
So großartig Telford in allen seinen Werken dachte und
fuͤhlte, so hatte er doch zugleich auch bis in die kleinsten Dinge einen
außerordentlichen Scharfblik. Sein Verstand war eben so scharf, als sein Auge, von
welchem man erzaͤhlte, daß es im Nivelliren so viele Uebung hatte, daß Telford nicht selten reitend andeutete, in welcher Linie
ein Canal gefuͤhrt werden muͤsse, und daß sich diese Linie bei
Messungen mit Instrumenten jeder Zeit bewahrte.
Die Erhebung des Seligen von dem gewoͤhnlichen Steinmezen und Maurer bis zur
hoͤchsten Stufe seiner Kunst nicht nur in seinem Vaterlande, sondern man kann
sagen in der ganzen Welt, war uͤbrigens nicht bloß seinem Genie, seiner
vollendeten Sachkenntniß und Gewandtheit, und seiner unerschuͤtterlichen
Ausdauer zuzuschreiben, sondern gewiß auch auf jene Eigenschaften, die ihn als
Menschen auszeichneten, begruͤndet: auf seinen geraden, offenen,
vorwaͤrts strebenden Charakter, auf die Biederkeit und Ehrlichkeit, die er
sein ganzes Leben unbeflekt bewahrte, und auf seine Zugaͤnglichkeit und seine
freundschaftlichen Gesinnungen fuͤr Alle, die ihrer wuͤrdig waren. Er
suchte bis in seine spaͤtesten Jahre die Gesellschaft von jungen Leuten, in
denen er ein Bestreben nach Belehrung entdekte, und ermunterte und leitete sie bei
ihren Studien auf jede moͤgliche Weise. Bei allen seinen großen Arbeiten
waͤhlte er sich immer junge talentvolle Assistenten, die in seine Plane
einzugehen die Faͤhigkeit besaßen; er Hing uͤbrigens dabei nicht steif
und unabbringbar an seinen Ansichten und Planen, sondern fuͤgte sich sehr
gern in die Bemerkungen seiner Assistenten, wenn dieselben gegruͤndet und
verstaͤndig waren. – Die Institution of Civil
Engineers, deren Praͤsident er beinahe von ihrer Gruͤndung an
war, verdankt ihm nicht nur eine große Masse von Buͤchern. Zeichnungen und
Instrumenten, die er ihr zum Geschenk machte, sondern durch seine Leitung, seine
Puͤnktlichkeit und seine Urbanitaͤt auch das schoͤne Leben,
welches sich in ihr entwikelte. Die strenge Ruͤksicht auf Einhaltung und
Ersparniß an Zeit, die Telford zu jeder Seit
auszeichnete, erstrekte sich seiner vielen Geschaͤfte ungeachtet auch auf
seine Praͤsidentschaft; es war ihm unmoͤglich und unertraͤglich
eine ganze Gesellschaft von achtenswerthen und beschaͤftigten Maͤnnern
auf den Praͤsidenten warten zu lassen. Moͤchten sich alle
Praͤsidenten ihn auch in dieser Hinsicht als Muster nehmen!
Telford's Genie erstrekte sich endlich nicht bloß auf
seine Kunst allein; er war auch ein mehr als gewoͤhnlicher Dichter, und wurde
selbst von Walter Scott dem schottischen Barden Burns beigesellt. Seine lezten literarischen Arbeiten,
denen er sich nach seiner lezten praktischen Arbeit, d.h. nach der Abfassung seines
Planes, London mit reinem Wasser zu versehen, hingab, und in welchen er alle die
Plane seiner groͤßeren Bauten detaillirt auseinander legte, werden
wahrscheinlich von seinen Erben dem Publicum nicht vorenthalten werden. Er
vollendete dieselben mit Huͤlfe seines Secretaͤrs wenige Tage vor
seinem Tode, und die 80 dazu gehoͤrigen Kupfertafeln sind gleichfalls
vollendet.
In seinem haͤuslichen Leben war Telford
hoͤchst einfach. Er war unverheirathet, gegen feine Diener aͤußerst
leutselig, und um sein Hauswesen, um Essen und Trinken nie im Geringsten
bekuͤmmert. Er las sehr viel, besonders im Bette, in welches er sich vor 12
Uhr Mitternachts begab, um Morgens 7 Uhr wieder aufzustehen. Er starb in seinem
77sten Jahre nach einer kurzen Krankheit; sein Koͤrper ruht in der
Westminsterabtei unter einem ungeheuren Granitbloke, auf welchem statt aller
Grabschrift die vielsagenden Worte: „Thomas
Telford“ stehen. Wir schließen mit dem Imperial Magazine mit der Aufforderung: Gehet hin und
folget seinem Beispiele!
(Notizen uͤber Telford's Leben findet man in Dr. James Cleland's
Enumeration of the inhabitans of Glasgow and County of
Lanark; in Sir Henry Parnell's
Treatise on Roads; im Repertory
of Patent-Inventions, October 1834, S. 236; im Mechanics' Magazine. 578 und 579; im Imperial Magazine und im Courier vom 31. October.