Titel: | Anwendung des Elektro-Magnetismus als Triebkraft zur Schifffahrt. |
Fundstelle: | Band 71, Jahrgang 1839, Miszellen, S. 411 |
Anwendung des Elektro-Magnetismus als Triebkraft zur
Schifffahrt.
Bekanntlich war im September vorigen Jahrs auf Veranlassung des Ministers des
oͤffentlichen Unterrichts eine Commission, bestehend aus dem
Vice-Admiral v. Krusenstern, den Akademikern: Fuß, Ostrogradskij, Kupffer und Lenz, dem Obersten Sobolewski und dem
Oberstlieutenant Bouratschock von den Marineingenieurs,
niedergesezt worden, zur Leitung und Unterstuͤzung der vom Professor Dr. Jacobi anzustellenden
Versuche, die Benuzung des Elektro-Magnetismus zur Bewegung von Maschinen
betreffend. Da dieser Gegenstand von allgemeinem Interesse ist, so geben wir einen
Auszug aus dem oben genannten Berichte, der sich vollstaͤndig im Journal des
Ministeriums des oͤffentlichen Unterrichts abgedrukt befindet. Es wird
dadurch auch fuͤr das groͤßere Publicum der Standpunkt
zugaͤnglich seyn, auf welchem sich der Gegenstand befindet. – Die
Commission hatte waͤhrend des Ganges ihrer Arbeiten, dem
allerhoͤchsten Befehle gemaͤß, ihr Hauptaugenmerk auf die Anwendung
dieser Kraft zur Schifffahrt gerichtet, und die ihr gestellte Aufgabe,
vorlaͤufig ein Boot in Bewegung zu sezen, ist in so fern als geloͤst
zu betrachten, als am 13. September der erste Versuch auf der Newa angestellt, und
in den naͤchsten Tagen und Wochen fortgesezt worden ist. Da alles daran
gelegen seyn mußte, den oͤffentlichen Versuch noch in diesem Jahre
anzustellen, um die besondern Beduͤrfnisse kennen zu lernen, die bei der
praktischen Benuzung dieser Kraft vorkommen, damit hierauf besonders ein Augenmerk
gerichtet werden koͤnne, so konnte kein zu diesen Versuchen besonders
construirtes Boot angewendet werden. Durch Vermittelung des Vice-Admirals von
Krusenstern wurde, Seitens des
Marine-Departements, der Commission die Benuzung einer achtruderigen
Schaluppe gestattet, von der Art, wie sie bei der hiesigen Marine
gebraͤuchlich ist, 26 Fuß lang, 8 1/2 Fuß breit. Dieselbe wurde mit
Schaufelraͤdern nach Art der Dampfschiffe ausgeruͤstet und die
Bewegungsmaschine nebst dem galvanischen Apparate darauf angebracht. Obgleich die
ganze Anordnung sehr viele Unbequemlichkeiten darbot und man die Nachtheile mancher
getroffenen Constructionen erst auf dem Boote selbst kennen lernte, so konnte man
mit diesen Versuchen, in so ferne es die allerersten waren, zufrieden seyn. Denn
waͤhrend man fruͤher dieselben nur im stillen Wasser anzustellen
beabsichtigt hatte, so gelang es jezt, die Newa zu befahren und selbst gegen den
Strom aufzukommen, da, wo derselbe nicht zu reißend ist. Die Geschwindigkeit des
Bootes betrug bei einem Versuche im stillen Wasser uͤber 3 Fuß in der
Sekunde, was etwa eben so viel Werste in der Stunde ausmacht, sie war aber im Mittel
aus den verschiedenen Versuchen zwischen 2 bis 3 Fuß, und wirklich war eine Tour von
etwa 7 Werste auf der Newa und in den Canaͤlen in 2 bis 3 Stunden vollendet worden. Die
Geschwindigkeit des Bootes waͤre unstreitig groͤßer gewesen, wenn man
die Last auf demselben gleichmaͤßiger haͤtte vertheilen
koͤnnen. Statt dessen mußte groͤßtentheils das Vordertheil des
Fahrzeuges in Anspruch genommen werden, das fuͤr seine Groͤße
unverhaͤltnißmaͤßig, naͤmlich 2 1/2 Fuß tief ging. Die Maschine
nimmt auf dem Boote selbst nur den geringen Raum von 1 1/4 Fuß Breite und 2 1/12 Fuß
Laͤnge ein. Die Batterien, die aus 320 Plattenpaaren bestanden, konnten
bequem laͤngs den Seitenwaͤnden angeordnet werden, so daß sich
außerdem zwoͤlf Personen mit Bequemlichkeit auf dem Schiffe befanden. Indeß
konnte die Maschine mit einer so starken Batterie nur eine kurze Zeit hindurch
arbeiten, weil einige unwesentliche Fehler, welche aber nicht auf der Steile
reparirt werden konnten, die Anwendung der vollen Kraft hinderten. – Bei
diesen Maschinen sind bekanntlich die galvanischen Batterien das eigentlich
bewegende Princip. Ihre Construction unterlag von jeher großen Schwierigkeiten.
Diese sind zum groͤßten Theile gluͤklich uͤberwunden, so daß
die auf dem Boote angewandten Apparate, in Bezug auf ihre Kraft und
Bestaͤndigkeit, sich vollkommen bewaͤhrten. Es war erfreulich, wie sie
Tage lang in ununterbrochener und gleichmaͤßiger Thaͤtigkeit erhalten
worden sind. Indessen ist in dieser Beziehung noch Manches zu thun, namentlich was
die Bequemlichkeit der Manipulation betrifft, diese wird sich aber, wie es bei
vielen technischen Gegenstaͤnden der Fall ist, viel leichter im Großen als im
Kleinen bewirken lassen. Bei der urspruͤnglichen Aufgabe, welche der
Commission gestellt war, kam es hauptsaͤchlich auf die zu producirende Kraft
an, von dem Aufwande, welchen die Unterhaltung erfordert, war vorlaͤufig
nicht die Rede. Es ist keine Frage, daß dieser bis jezt vernachlaͤssigte
Punkt in der Folge um so entschiedener hervortreten muß, je mehr es sich um die
Benuzung im Großen handelt. Deßhalb ist es gewiß ein wichtiger und
gluͤklicher Umstand, daß bei diesen Maschinen die Zinkconsumtion, welche dem
oͤkonomischen Aufwande proportional ist, aͤußerst gering
ausfaͤllt. Zwar laͤßt sich noch nicht genau in Zahlen die
Quantitaͤt Zink angeben, welche bei einer Maschine von einer Pferdekraft in
einem Tage z.B. consumirt oder vielmehr in Zinkvitriol verwandelt wird, indessen ist
hier das Factum anzufuͤhren, daß bei allen bisherigen Versuchen, die seit 2
bis 3 Monaten angestellt worden, immer dieselben Zinkplatten im Gebrauch waren, und
daß sie oft Tage lang in ununterbrochener Thaͤtigkeit sich befanden. Nach
Beendigung der Versuche wurden diese Platten, deren Gewicht urspruͤnglich 400
Pfd. betrug, wieder gewogen, und es ergab sich fuͤr 96 Quadratfuß
Oberflaͤche nur ein Verlust von 24 Pfd., und selbst ein Theil dieses geringen
Verlustes ist hiebei noch zufaͤlligen Umstaͤnden zuzuschreiben. Der
Gesichtspunkt, welcher die Commission waͤhrend ihren Arbeiten leitete, und
der schon durch die Art und Weise ihrer Zusammensezung bedingt ist, war offenbar
der, daß, wie auch die praktischen Ergebnisse sich gestalten moͤgen, dennoch
die wissenschaftlichen Resultate der bisherigen Arbeiten von großer Wichtigkeit seyn
wuͤrden, indem sie sich auf einem beinahe ganz unbearbeiteten Boden bewegen.
Dieser wissenschaftlichen Seite der Arbeiten, welche zugleich den Kern fuͤr
jede kuͤnftige praktische Anwendung bilden, haben sich die HHrn. Lenz und Jacobi mit gegenseitig sich foͤrderndem
Eifer unterzogen, so daß die Resultate der von ihnen angestellten Untersuchungen
einen wesentlichen Fortschritt zur Erkenntniß der quantitativen Beziehungen des
Elektro-Magnetismus bilden. Ein Theil dieser Arbeiten ist bereits im
„Bulletin sientifique“ der
Akademie abgedrukt; fuͤr die Redaction des anderen Materials hat es aber noch
an Zeit gemangelt. Die Resultate der bisherigen Arbeiten der Commission lassen sich
in folgende drei Hauptmomente zusammenfassen. 1) Die Commission hat die Hauptfrage,
ob der Elektro-Magnetismus als Treibkraft anwendbar sey, dadurch entschieden,
daß es ihr gelungen ist, unter sonst nicht guͤnstigen Umstaͤnden, ein
ansehnliches zehnruderiges Boot durch diese Kraft in Bewegung zu sezen. 2) Die
wissenschaftlichen Arbeiten der Commission haben entschiedene und wichtige Resultate
geliefert, welche nicht allein den kuͤnftigen praktischen Arbeiten zum Grunde
gelegt werden koͤnnen, sondern welche auch wesentliche Fortschritte unserer
bisherigen Kenntnisse uͤber Magnetismus und Elektricitaͤt
herbeigefuͤhrt, und die Gesichtspunkte uͤber diese Kraͤfte
erweitert, geordnet und festgesezt haben. 3) Die bei dieser Gelegenheit von der
Commission gebrauchten und erfundenen Batterien von besonderer Construction
vereinigen die bei diesen Apparaten bisher unerreichten Eigenschaften,
naͤmlich große Energie der Wirkung, Bestaͤndigkeit und Wohlfeilheit
der Unterhaltung, so daß hiedurch der Wissenschaft sowohl, als der Industrie, ein
neues, zu den mannigfaltigsten technischen Zweken und wissenschaftlichen
Untersuchungen brauchbares Werkzeug geliefert worden ist.
(St. Pet. Ztg.)