Titel: | Ueber die Salzgewinnung in Preußen, insbesondere die Steinsalzgewinnung und das Vorkommen des Boracits in Staßfurt. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Miszellen, S. 397 |
Ueber die Salzgewinnung in Preußen, insbesondere die
Steinsalzgewinnung und das Vorkommen des Boracits in Staßfurt.
Folgendes ist einem Vortrag entnommen, welchen der Wirkliche Geheime
Ober-Bergrath Hr. Krug v. Nidda in diesem Betreff in der Versammlung der Mitglieder des Vereins zur
Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen (in Berlin) im Monate Mai des l. J.
gehalten hat.
Salzquellen entstehen in der Regel durch Auflösung von Steinsalz, welches die
Gewässer auf ihrem unterirdischen Wege treffen. Das Vorkommen derselben kann daher
als ein Anzeichen für das Vorhandenseyn von Steinsalzlagern in der Nähe gelten, und
wo geognostische Gründe, wie es bei Staßfurt der Fall war, die Vermuthung noch
stärker begründen, da sind Tiefbohrungen als rathsam zu erachten. Auf Grund solcher
Verhältnisse sind in der Nähe der meisten Kunst-Salinen im preußischen Staate
Bohrungen unternommen, von denen mehrere zu glücklichen Resultaten geführt haben. In
Astern wurde i. J. 1837 nach sechsjähriger Arbeit in einer Tiefe von 986 Fuß das
Steinsalzlager erreicht. Es war die erste Auffindung von Steinsalz im preußischen
Staate. Das Unternehmen einer bergbaulichen Gewinnung des Steinsalzes mußte aber
wegen des nicht zu bewältigenden Wasserzuflusses aufgegeben werden und wird seitdem
die gesättigte Soole aus dem Schacht zur Siedesalz-Fabrication benutzt. In
Staßfurt wurde die Tiefbohrung im Frühjahr 1839 begonnen; bei 826 Fuß Tiefe unter
der Oberfläche oder 605 Fuß unter dem Meeresspiegel wurde das Steinsalzlager
getroffen, welches bis zu einer Tiefe von 1851 Fuß verfolgt worden ist. Es sind also
1025 Fuß im Salz selbst gebohrt, ohne daß das Liegende desselben erreicht worden
ist. Mit den Tiefbohrungen bei Elmen ist das Steinsalzlager in den oberen Schichten
des bunten Sandsteins bei 1800 bis 1900 Fuß Tiefe erreicht worden. Aber auch auf
anderen Punkten, wo Salzquellen nicht existirten, sind auf Grund der geognostischen
Verhältnisse Bohrungen veranstaltet worden, die zu guten Resultaten geführt haben,
wie bei Erfurt und Stetten in Hohenzollern. In Oberschlesien sind ebenfalls
Bohrungen unternommen worden, die zwar nur eine schwache Soole ergeben haben, welche
aber bei den dortigen billigen Kohlen zur Siedesalzbereitung verwendet werden kann.
Dagegen hat die Hoffnung aufgegeben werden müssen, in Westphalen ausgebildete
Steinsalzlager zu treffen. Die dortigen salzhaltigen Quellen scheinen nur eine
Auslaugung des in den Kreide-Mergel-Schichten enthaltenen Meersalzes
zu seyn.
Der Vortragende gab eine Beschreibung der geognostischen Verhältnisse des großen
Flötzgebirgebeckens und des Magdeburg-Halberstädter Steinsalzlagers. Das
Staßfurter Lager befindet sich in der Zechstein-Formation, das von Elmen in
dem bunten Sandstein; jene Formation liegt als die ältere unter diesem. Es ist daher
anzunehmen, daß in Elmen unter dem dort aufgefundenen Steinsalzlager auch das
Staßfurter Lager noch vorhanden ist. In Staßfurt sind zur Gewinnung des Steinsalzes
zwei Schächte abgeteuft. Bei der Reichhaltigkeit des Minerals ist ein reiner Abbau
nicht nöthig, und die massiven Pfeiler aus demselben stützen die Decke des Baues.
Die Förderung geschieht mittelst Dampfmaschinen. Das Salz wird in Stücken oder
gemahlen in den Handel gebracht. Ein besonderes Interesse bieten die oberen
Schichten über dem Steinsalze. Dieselben bestehen aus Staßfurtit (Boracit),
Carnallit (Chlor-Magnium und Chlor-Kalium), Tachhydrit, Kieserit
(schwefelsaure Talkerde mit Wasser). Von großer und industrieller Wichtigkeit ist
der Boracit, aus welchem Borax gewonnen werden kann.
Derselbe findet in der Industrie eine bedeutende Verwendung. Bisher haben die
Lagunen von Toscana den Bedarf mit einer Production von jährlich 3 Millionen Pfund
gedeckt und zwar zu ziemlich hohen Preisen, da der Besitzer dieser Lagunen zugleich
das Monopol dieser Handelswaare besitzt. Erst in neuerer Zeit ist das Hydroboracit
und der Boronatrocalcit in den Ebenen von Iquique aufgefunden und nach Europa
gebracht worden. Es ist zu hoffen, daß der Staßfurter Boracit bald ausgebeutet und
unserm Vaterlande einen neuen Erwerbszweig bieten werde. Die Production des
Staßfurter Steinsalz-Bergwerkes ist gegenwärtig auf eine halbe Million
Centner jährlich anzuschlagen; der Debit ist im Steigen begriffen. Jedes Quantum
kann gefördert werden und ein Mangel an Salz in Preußen bei irgend welchen
politischen Verhältnissen ist nicht mehr möglich. Es ist Aussicht vorhanden, wenn
die Transportverhältnisse sich erst bei uns günstiger gestalten, daß unser Salz mit
dem englischen wird concurriren können. Das englische Salz kostet in Liverpool 5
Sgr. der Centner, das Steinsalz in Staßfurt dagegen 4 bis 5 Sgr., der Transport des
ersteren nach den Ostseehäfen kostet 3 bis 5 Sgr., der von Staßfurt bis Stettin
gegenwärtig 6 Sgr., also etwas mehr. Dabei ist die Gewinnung des englischen Salzes
nur auf ein kleines Terrain beschränkt gegen die ungeheuren Lager in Preußen und
Deutschland. Bei Ermäßigung der Transportkosten könnte daher das Staßfurter
Steinsalz von unberechenbarer Bedeutung werden. (Verhandlungen des Vereins zur
Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen, 1860 S. 122.)