Titel: | Kettenschifffahrt und Rolldampfer. |
Fundstelle: | Band 171, Jahrgang 1864, Miszellen, S. 312 |
Kettenschifffahrt und Rolldampfer.
Die Rheinschifffahrt muß nothwendig einer völligen
Umgestaltung entgegengehen, wenn das Project zur Ausführung kommt, welches eine
Gesellschaft auswärtiger Capitalisten verfolgt, der Länge des Rheins nach von
Coblenz bis Ruhrort eine Kette zu legen, um mittelst derselben die Schiffe sich den
Rhein hinauf ziehen zu lassen. Der Grundgedanke des neuen Systems ist einfach. Die
in der Mitte des Fahrwassers versenkte Kette wird, wenn ein Schiff sich anhängt, vom
Boden aufgenommen und so über das Schiff gebracht, daß sie von zwei Rollen erfaßt
wird, durch deren Umdrehung sich nun das Schiff an der Kette vorwärts zieht. Man
denke sich also Dampfschiffe, welche statt der Schaufelräder solche Rollen haben,
und die sich nun mit dieser neuen Vorrichtung dergestalt weiter befördern, daß die
versenkte Kette vor dem Schiff beständig aufgenommen wird, über dem Schiff herläuft
und zwischen den bewegenden Rollen hindurch muß, und sich hinter dem Schiffe wieder
durch ihre eigene Schwere versenkt. Es liegt auf der Hand, daß die Kraft einer
Dampfmaschine ungleich vortheilhafter wirken muß, wenn sie an einen festen Körper
angreift, als wenn sie, wie es bei Schaufelrädern und archimedischen Schrauben
geschieht, auf die leicht beweglichen Wassertheilchen wirkt. Die Kraft, welche die
Wassertheilchen nutzlos rückwärts treibt, geht für das Vorwärtstreiben des Schiffes
verloren. Es ist daher bekannt genug, wie vortheilhaft es ist, wenn die Kraft,
welche ein Schiff bewegt, auf feste Punkte wirken kann, während das Schiff in den
beweglichen Wassertheilchen schwebt. Niemals würden daher die riesigen
Schleppdampfer an die Stelle der Pferde getreten seyn, die das Schiff den Leinpfad
entlang zu schleppen pflegten, wenn man ein Dampfroß, welches statt Hafer nur Kohlen
frißt und niemals müde wird, am Ufer könnte laufen lassen. In den ersten Anfängen
der Dampfschifffahrt, oder vielmehr unter den tastenden Versuchen der Geschichte
dieser Erfindung tauchte einmal der Gedanke auf, die Dampfschiffkraft auf eine Art
von Fährstangen wirken zu lassen, durch die das Schiff sich fortstoßen sollte, was
offenbar unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht auszuführen ist. Das System der
Kettenfahrt hat das Problem gelöst, in einer für die Schifffahrt vortheilhaften
Weise den starren Haltpunkt für die Dampfkraft zu gewinnen; ob aber der Rhein
wirklich für die Anwendung dieses Systemes hinlänglich günstige Verhältnisse
darbietet, muß die Erfahrung entscheiden. Bisher hat es auf der Seine, sowie auf
einigen Strecken französischer Kanäle mit Erfolg Anwendung gefunden; ganz besonders
aber hat man nach diesem System in England und anderwärts (auf dem Nil z.B.)
Trajectanstalten eingerichtet, bei denen die Kette quer durch den Muß gelegt wird,
während sie für die eigentlichste Flußschifffahrt der Länge nach zu legen ist. Diese
Art der Trajectanstalten sucht bekanntlich die Direction der rheinischen Eisenbahn
bei uns heimisch zu machen, doch ist der erste Versuch (bei Emmerich) keineswegs
befriedigend ausgefallen. Die bisherigen Unfälle begründen übrigens noch lange kein
ungünstiges Urtheil über die Sache selbst und jedenfalls werden die Schwierigkeiten
bei der Bergfahrt von Ruhrort nach Coblenz ganz anderer Natur seyn, als bei der
Ueberfahrt. Die preußische Regierung hat dem Project eine sehr eingehende Prüfung
zugewandt und, wie man hört, ist das Resultat derselben dem Unternehmen günstig, so
daß die Concession in nächster Aussicht stände. Sollte es zur Ausführung des
Gedankens kommen, so sind offenbar die Folgen noch gar nicht abzusehen. Wenn sich
auch die Raddampfer verhältnismäßig leicht in Rollendampfer umwandeln lassen, so
wird man doch ohne Zweifel bald auf ganz andere Formen von Schiffen kommen.
Namentlich steht zu vermuthen, daß unsere Schlepper bedeutend schwächer werden und
dabei doch dasselbe leisten können. Dieß wird aber ohne Zweifel auf die
Transportkosten und also namentlich auf den Kohlenversandt eine günstige Wirkung
ausüben. (Rh. Rz.)