Titel: | Die Verarbeitung der Korkrinde zu Propfen in den Districten um Bremen und Delmenhorst. |
Fundstelle: | Band 174, Jahrgang 1864, Miszellen, S. 407 |
Die Verarbeitung der Korkrinde zu Propfen in den Districten um
Bremen und Delmenhorst.
Die Verarbeitung der Korkrinde zu PropfenUeber Gewinnung der Korkrinde s. m. polytechn. Journal Bd. CLXVII S. 320.) wurde früher fast ausschließlich in der Heimath des Rohproductes, besonders
in Catalonien betrieben, bis der immer zunehmende Verbrauch dieses Artikels auch in
anderen Ländern diese Industrie lohnend erscheinen ließ, an welcher sich auch
Deutschland seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts betheiligte; nirgends hat sich
dieselbe aber so eingebürgert, als in der sonst so wenig industriellen Gegend an der
unteren Weser. Geschickte und speculative Bremer traten als Lehrer in der
Korkschneiderei auf, und ein einziges Etablissement in dem oldenburgischen Städtchen
Delmenhorst beschäftigt jetzt an 500 Familien, deren einige sich diesem Gewerbe
ausschließlich widmen, während viele die Ackerwirthschaft als Hauptsache betreiben
und die Korkschneiderei nur in den Mußestunden cultiviren.
Die den Korkschneidern zu ihrer Arbeit nöthigen Vorrichtungen bestehen aus einem
Korktisch und einigen langen, haarscharfen, aus gutem Stahl gearbeiteten Messern,
welche fast eben so oft als Barbiermesser gewetzt werden müssen und sich deßhalb
sehr schnell abnutzen. Der Korkschneider rüstet seine Lenden mit einem sogenannten
„Knielappen,“ einem großem Leder, das er sich an das rechte
Bein schnallt; auf diesem, so wie dann und wann auf dem Pulver eines feinen
Sandsteins fährt er nach jedem Schnitt ein paarmal mit dem Messer hin und her und
dann gibt er ihm auf einer Speckschwarte die nöthige Glätte und Oelung, ohne die es
in dem trockenen Korkholze leicht stocken (Pfeifen) würde. Ein großes und starkes
Stück Korkrinde, vor der Brust befestigt, schützt gegen das unvermeidliche
Ausgleiten der Messer.
Der besseren Verschließung der Poren wegen werden die Rindenstücke nach dem Abschälen
vom Baume getrocknet und am Feuer geräuchert (gestammt), wodurch die Oberfläche eine
räucherige Farbe bekommt und die deßhalb vor der weiteren Verarbeitung entfernt
werden muß, welches durch einige rasche, hiebartige Schnitte geschieht; darauf wird
das Rindenstück in Streifen geschnitten, die so breit sind, wie der Kork lang seyn
soll, und diese Streifen werden in Würfel getheilt, die mehr oder weniger groß sind,
je nach der Größe und Dicke des Korks, den man daraus
„zurunden“ will.
Dieses Zuschneiden, obwohl es leichter aussieht als das
„Runden,“ ist die schwierigere Arbeit, weil dabei die
Fehler und „mulmigen“ Stellen in der Rinde entfernt werden
müssen und zwar muß diese sowie die folgende Manipulation mit größtmöglicher
Schnelligkeit geschehen, wenn der Arbeiter dabei verdienen will. Zum Runden wird das
untere Ende des Messergriffs gegen das Knieleder gestemmt und mit der rechten Hand
festgesetzt, indem die linke Hand den Korkwürfel gegen die Schneide drückt und ihn
so herumführt, daß er dabei wie ein Apfel abgeschält und seiner Ecken und
Rauhigkeiten beraubt wird; zuletzt werden durch zwei Querschnitte das Kopf-
und Fußende glatt und gerade gemacht.
Von den gewöhnlichen Weinstaschen-Korken kann auf diese Weise ein fleißiger
Arbeiter täglich 1000 bis 1200 Stück produciren; von den kleinsten homöopatischen
Korken können sie 2000 in einem Tage machen und dabei 15–20 Sgr. verdienen,
Wobei wöchentlich circa 50 Pfund Rinde in 25–27
Pfund Korke verwandelt werden.
In dem ganzen Propfenschneide-District um Bremen und Delmenhorst mag das
Gewerbe wohl in tausend Familien oder Häusern eingebürgert seyn, welche
durchschnittlich im Jahre 300 Millionen Korke produciren. Ehe diese aber in die
Hände der Consumenten gelangen, müssen sie nach der Größe sortirt werden, was durch
Siebe von verschiedener Dichtheit geschieht, und nun wird die Qualität der Korke
noch einer genauen Prüfung unterworfen und die schadhaften herausgelesen.
Schließlich werden die Korke noch einer gründlichen Behandlung mit Schwefeldämpfen
unterworfen und wird dadurch die ursprüngliche helle Farbe wieder hergestellt,
welche bei dem passiren durch so viele Hände nothwendig leiden mußte. (Nach F. G.
Kohl's nordwestdeutschen Skizzen.)