Titel: Ueber Dégras (Lederschmiere).
Fundstelle: Band 205, Jahrgang 1872, Miszellen, S. 275
Ueber Dégras (Lederschmiere). Das Dégras wird theils als Abfall bei der Sämischgerberei erhalten, theils, weil diese Quelle nicht ausreichend ist, besonders fabricirt. Die Fabrication des Weichleders besteht bekanntlich darin, daß die von Haaren und Narbe entblößten Felle mit Thran gewalkt, zwischendurch wiederholt an die Luft gehängt, dann auch in einer warmen Kammer aufgeschichtet werden. Der Thran erleidet hierbei eine Oxydation und erlangt damit die Eigenschaft, sich mit der Thierfaser zu verbinden und ihr die lederartige Beschaffenheit zu geben. Was sich von dem oxydirten Fett nicht fest mit der Faser verbunden hat, muß entfernt werden. Dieß geschieht, soweit thunlich, auf mechanischem Wege durch Ausringen und Pressen, und die hierbei abgesonderte Substanz bildet die Primasorte von Dégras. Das noch Rückständige entfernt man durch Auswaschen der Felle in warmer Potaschelösung, wobei das Fett einigermaßen verseift wird und mit der Lauge eine weiße Emulsion bildet (Urläuter, Weißbrühe). Diese ist, wenn sie als Dégras benutzt werden soll, erst wieder durch Schwefelsäure zu zersetzen, und das hierdurch abgesonderte Fett durch Waschen säurefrei zu machen. Es ist dieß die geringere Sorte des ächten Dégras. Man kann, um dieselbe Substanz direct und als Hauptsache zu fabriciren, die Manipulationen des Sämischgerbens mit schlechten Fellen so lange wiederholen, bis sie in Fetzen zerfallen: denn die Oelsäure entführt auch Substanzen aus dem Leder selbst und macht es mürbe. In wie weit sich die Fabriken auf andere Weise, durch Zusätze etc., helfen, ist nicht sicher bekannt. Die aus verschiedenen Bezugsquellen stammende Waare ist sehr ungleich. Die Grundlage des künstlichen Dégras bildet meistens das Olein der Stearinfabriken, welchem noch Gerbsäure und manchmal, der Consistenz wegen, etwas Kalkseife zugethan wird. Das künstliche Dégras wird besonders in Paris, Cöln und Worms fabricirt. Analysen, welche Dr. Rieckher mit Pariser und Cölner Dégras vorgenommen hat, finden sich im polytechn. Journal, 1862, Bd. CLXIV S. 157. Dr. Jacobsen in Berlin hat neuerdings verschiedene Sorten von Dégras untersucht, nämlich 1) Dégras von Amiens, 2) holländisches Dégras, 3) Cölner Dégras. 1) war bei gewöhnlicher Temperatur lederfarben, halbflüssig, durchscheinend, stark nach Thran riechend, 2) fast durchsichtig, dickflüssig, dunkel (wie dunkler Thran), 3) fest, salbenartig, hell lederfarben, mit weißen Partikelchen (wahrscheinlich Kalkseife) durchsetzt. Den größten Wassergehalt zeigte Cölner Dégras mit 29 bis 30 Proc.; dann kam Dégras von Amiens mit 19 bis 20 Proc., endlich holländisches Dégras mit 11 bis 12 Proc. Der Aschenrückstand war wieder beim holländischen Dégras am geringsten, 0,28 Proc., betrug bei dem von Amiens 1,5 Proc. und beim Cölner 2,5 Proc. Die Asche enthielt bei allen Natron und Kalk; das Dégras von Amiens enthielt noch Eisen und Thonerde; letztere schien, der Menge nach zu urtheilen, nicht zufällig hinein gelangt zu seyn. Kalisalze waren in allen Sorten nur spectralanalytisch nachweisbar vorhanden. Gerbsäure war im holländischen und Amiens-Dégras nicht aufzufinden; das Cölner wurde nicht auf Gerbsäure untersucht. Der Schmelzpunkt der vom Wasser befreiten Sorten betrug beim Cölner Dégras 25 bis 26° C., beim holländischen und dem von Amiens 22 bis 23° C., der Erstarrungspunkt bei den beiden letzteren 19° C., beim Cölner 23° C. Durch vielfache synthetische Versuche ist Dr. Jacobsen zur Nachbildung eines guten und auch schon praktisch erprobten Dégras gelangt, mit dessen Herstellung sich zur Zeit eine deutsche Fabrik beschäftigt. Mit Interessenten, die in außerdeutschen Staaten domiciliren, ist Dr. Jacobsen bereit, gleichfalls in Verbindung zu treten. (Deutsche Industriezeitung, 1873, Nr. 2.)