Titel: | Eisenbahnwagenräder aus Papier. |
Fundstelle: | Band 242, Jahrgang 1881, Miszellen, S. 68 |
Eisenbahnwagenräder aus Papier.
Die Brüche der Radreifen an Eisenbahnwagen, wie sie in den kalten Wintern der letzten
Jahre häufig vorgekommen sind, haben ihre Veranlassung, wie die Zeitschrift des Vereines Deutscher
Eisenbahnverwaltungen berichtet, hauptsächlich in dem zu scharfen Aufziehen
des Reifens auf ein nur wenig oder gar nicht elastisches Radgestell, sowie in dem
Befahren hart gefrorener Strecken mit diesen Rädern. Mit Rücksicht auf diese
Thatsache ist seitens verschiedener Fachmänner nach einer Radconstruction gesucht
worden, bei welcher ohne zu scharfes Aufziehen des Reifens beim elastischen Rade die
Sicherheit desselben eine möglichst groſse ist. Um ein absolut sicheres Rad zu
haben, glaubten die meisten Techniker für das Material der Radkörper selbst nur
Metall wählen zu dürfen. Bei Anwendung von Metall ist aber die Erreichung einer
zweckentsprechenden Elasticität des Radkörpers schon von vorn herein ausgeschlossen.
Die günstigen Erfahrungen dagegen, welche in dieser Beziehung im Allgemeinen mit
Holzrädern (vgl. 1880 235 * 264) gemacht worden sind,
veranlaſsten den Gedanken, ein Rad zu construiren, welches die guten Eigenschaften
des Holzes besitzt, ohne dessen Schwäche zu theilen. Als Hauptschwäche der Holzräder
dürfte zu bezeichnen sein, daſs die Holzscheiben aus verschiedenen Theilen
zusammengesetzt werden müssen, so daſs bei dem Schwinden des Holzes die Räder
vielfach lose und schadhaft geworden sind, wozu noch der unangenehme Umstand tritt,
daſs das Holz für sich bei groſser Hitze schwindet, während der Radreifen
gleichzeitig sich ausdehnt, sowie umgekehrt bei Nässe und Kälte im Winter der Reifen
sich zusammenzieht, während das Holz quillt und gröſsere Dimensionen annimmt.
Abgesehen aber von dieser unangenehmen Eigenschaft haben sich die Holzräder gut
bewährt und ist ein Springen von Radreifen auf denselben vielleicht nirgends zu
beobachten.
Als ein dem Holze in Beziehung auf Elasticität ähnliches Material bietet sich nun ein
fest getrockneter und durch hydraulischen Druck verdichteter Papierstoff dar,
welchen man in ganzen Scheiben darstellen kann. Auf Anregung des
Obermaschinenmeister Finckbein in St.
Johann-Saarbrücken und des Werkmeisters Caesar der
Reichseisenbahn hat die Oelpappe- und Lackwaarenfabrik der Gebrüder Adt zu Forbach nach verschiedenen Versuchen einen solchen
Papierstoff hergestellt, welcher ein vollkommenes Material für Eisenbahnwagenräder
darbietet. Mit Genehmigung der kgl. Eisenbahndirection in Frankfurt a. M. sind in
der Eisenbahnhauptwerkstätte zu Saarbrücken und in der Eisenbahnwagenräderfabrik der
Gebrüder van der Zypen in Deutz bereits eine Anzahl
Radsätze mit Papierscheiben fertig hergestellt und alsdann in Gebrauch gesetzt
worden. Derartige Radsätze mit Scheiben aus Papierstoff befinden sich schon längere
Zeit an Wagen in regelmäſsigem Dienste; sie halten sich ganz tadellos und zeigen
während der Fahrt ein sehr sanftes Laufen, ohne irgend welches lästiges Geräusch zu
verursachen.
In Amerika hat man bereits seit 10 Jahren ähnliche Räder hergestelltNach der Papierzeitung, 1881 S. 928 benutzt man
in Amerika festgepreſste Strohpappen. (vgl. 1872 204 * 19. 205 71. 1877 224 * 126) und in den Berichten der deutschen Ingenieure
über die Ausstellung zu Philadelphia finden sich günstige Urtheile über dort
ausgestellte derartige Fabrikate. Wegen ihres sanften Laufens wurden sie dort seit
d. J. 1876 ausschlieſslich zu Salon-, Personen- und Schlafwagen benutzt und von
deutschen Werken werden Reifen für solche Räder in bedeutenden Massen nach Amerika
ausgeführt. Neben der groſsen Sicherheit gegen Unfälle durch Reifenbruch haben diese
Räder weiter noch den sehr groſsen Vortheil, daſs die Radreifen der Abnutzung
weniger ausgesetzt sind als die Reifen auf hartem Unterrade; letzteres ist durch
einen bereits seit December 1880 laufenden Satz Achsen festgestellt worden. Directe
Versuche mit Proben von gepreſster Papiermasse haben ergeben, daſs dieser Stoff
unter groſsem hydraulischem Drucke immer noch eine bedeutende Elasticität zeigt,
welche Eigenschaft sehr günstig auf die Erhaltung der Radreifen und des Oberbaues
einwirken muſs.
Die in Saarbrücken bis jetzt eingesetzten Räder sind nach Art der Mansell-Räder
construirt, wobei der Radreifen auf die Papierscheibe, sowie die Nabe in dieselbe
mittels starken hydraulischen Druckes eingebracht wird, während die Reifen der
amerikanischen Papierräder mit einem innern Ansätze versehen sind, gegen welchen
sich die Papierscheibe anlehnt und die letztere mit dem Ansätze durch Bolzen
verbunden ist. Die Praxis hat gezeigt, daſs die Reifen mit solch einem innern
Ansätze, anscheinend wegen der ungleichen Massevertheilung in derselben, Risse
bekommt und zwar von innen nach auſsen, daſs also der Vortheil, den man durch
Verstärkung der Reifen zu erlangen glaubt, geradezu verloren geht und ein
entgegengesetztes Resultat erzielt wird. Bei den gewöhnlichen Mansell-Rädern mit
Holzscheiben können übrigens beim Erwärmen des Reifens durch Bremsen diese sich
weiter bewegen, indem ein Drehen auf der Holzscheibe bewirkt wird. Bei den in
Saarbrücken construirten Rädern sind deshalb zwischen Reifen und Mansell-Ring an
jeder Seite 4 eiserne Dübel eingesetzt, wodurch ein etwaiges Drehen der Radreifen
beim Bremsen verhindert wird.
Der gepreſste Papierstoff wurde übrigens auch mittels einer aus 5 starken Elementen
bestehenden galvanischen Batterie auf seine Fähigkeit, den elektrischen Strom zu
leiten, untersucht und wurde diese gleich Null gefunden. Es eignet sich somit ein
solches Papierrad vorzüglich für die Räder elektrischer Eisenbahnen. Ebenso gut
können aber auch Pferdebahnwagenräder aus demselben Material mit Vortheil
hergestellt werden.