Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] |
Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, Miszellen, S. 211 |
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[Kleinere Mittheilungen.]
[Kleinere Mittheilungen.]
Ueber die zweckmäſsige Länge der Eisenbahnschienen.
Durch das fortwährende Anwachsen des Verkehres auf den Eisenbahnen werden an die
Betriebsmaterialien Ansprüche gestellt, welche zu einer stetigen Vervollkommnung
derselben unabweislich drängen. Um so auffallender ist es, daſs in einzelnen sich
überall gleich bleibenden wichtigen Angelegenheiten, z.B. für die Construction des
Oberbaues, einheitliche Normen noch nicht aufgestellt sind und daſs selbst in der
Länge der Schienen die gröſsten Verschiedenheiten vorkommen.
Im Allgemeinen sind freilich im Laufe der Jahre entsprechend der stetig
fortschreitenden Vervollkommnung der Fabrikation die durchschnittlichen
Schienenlängen immer gröſser geworden. Bei der ersten Verwendung gewalzter Schienen
hatten dieselben eine Länge von 12 Fuſs engl. (gleich 3m,66) und war dies auch die Länge für die Schienen der ersten in
Deutschland gebauten Eisenbahnen. Diese Länge wurde aber im Laufe der Jahre stetig
erhöht, jedesmal um einen Schwellenabstand, auf 18,15 und 21 Fuſs engl. und ist
letzteres Maſs bezieh. bei Einführung des Metermaſses auf 6m,6 abgerundet lange Zeit hindurch die Normallänge
für die Schienen auf vielen deutschen Eisenbahnen gewesen.
Noch auf der im J. 1868 in München abgehaltenen Versammlung von Eisenbahntechnikern
wurde eine Schienenlänge von 6,5 bis 7m zur
Anwendung empfohlen. Dieser Beschluſs bezog sich auf Schienen aus Schweiſseisen, bei
welchen allerdings eine gröſsere Länge, der Schwierigkeiten in der Packetirung
groſser Blöcke wegen, meistens nur auf Kosten der Gleichförmigkeit des Materials zu
erlangen war. Zudem wachs der Materialverlust beim Auftreten eines hieraus etwa
entspringenden Fehlers an einer kleinen Stelle, während sonst die Schiene noch ganz
brauchbar war, mit der Länge derselben.
Ganz anders gestaltete sich die Sache beim Auftreten der Stahlschienen, welche in
weit gröſseren Längen von genügend gleichmäſsiger Beschaffenheit hergestellt werden
können. Bei den Berathungen der technischen Commission des deutschen
Eisenbahnvereins im J. 1876 standen schon mehrjährige Erfahrungen über Herstellung
und Anwendung der Guſsstahlschienen zu Gebote und veranlaſsten, den Beschluſs über
die Länge der Schienen folgendermaſsen zu fassen: Die Schienen sollen aus gewalztem
Eisen oder Stahl bestehen und in der Regel in Längen von nicht weniger als 6m verwendet werden. Diese Fassung ist seither
beibehalten worden und damit also eine Empfehlung gröſserer Schienenlängen
ausgesprochen.
Die Vorzüge längerer Schienen bestehen aber im Wesentlichen in der Verminderung der
Anzahl der Stoſsverbindungen, wodurch nicht nur die Anlagekosten des Oberbaues
bedeutend herabgesetzt werden, sondern auch die beim Ueberschreiten der Räder über
die nothwendige Unterbrechung an den Stöſsen auftretenden, für die Erhaltung des
Oberbaues und des rollenden Materials so nachtheiligen Erschütterungen minder häufig
sich wiederholen, so daſs eine längere Dauer des Geleises und der Fahrzeuge bei
geringeren Unterhaltungskosten die Folge sein wird. Auſserdem aber wird durch
längere und schwerere Schienen sowohl bei der Anlage eine gröſsere Genauigkeit des
Geleises auf gerader Strecke, insbesondere aber in den Curven erreicht, als auch
eine bessere Erhaltung der Lage des Geleises gewährleistet, schon deshalb, weil die
stets den schwachen Punkt der Geleise bildenden Stoſsverbindungen in geringerer Zahl
vorkommen.
Andererseits setzen sich einer beliebigen Vergröſserung der Schienenlänge
verschiedene Bedenken entgegen. Allerdings sind mit der Verwendung von Guſsstahl die
Fabrikationsschwierigkeiten derart überwunden, daſs die meisten Werke Schienen von
12m und noch mehr Länge ohne Anstand
herstellen können, während für Schweiſseisenschienen 7m ziemlich die Grenze ist, über welche hinaus für eine genügende
Gleichförmigkeit des Materials keine Bürgschaft übernommen werden kann; doch ist die
Herstellung von 9 oder 10m
langen Schienen, welche
in doppelter Länge ausgewalzt werden können, für die Werke meist vortheilhafter,
zumal die Einrichtungen für genaues Abmessen und Abschneiden der Schienen zur Zeit
auf keinem Werke für 12m lange Schienen vorhanden
sind. Wollte man diese Einrichtungen aber auch treffen, so würden dieselben für
kürzere Schienen nicht mehr brauchbar sein. Ein zweiter Umstand der gegen Verwendung
gar zu groſser Schienenlängen spricht, ist das Gewicht, welches bei 12m selbst bei dem neuen leichten Profile auf 400k steigt. Diese Last ist aber ohne maschinelle
Vorkehrungen kaum zu bewegen und erschwert daher das Verlegen der Schienen ganz
bedeutend, was erfahrungsmäſsig bis zu 300k nicht
der Fall ist. Weniger fällt es ins Gewicht, daſs für die Beförderung so langer
Schienen besondere gröſsere Eisenbahnfahrzeuge zu schaffen wären, da das Bedürfniſs
nach denselben sich ohnehin geltend macht. Ebenso wenig ist der Umstand maſsgebend,
daſs bei Schienen gröſserer Länge beim Auswechseln einer Schiene wegen zufälliger
Fehler etwas mehr Material verloren geht, oder doch nur untergeordneten Zwecken
zugeführt wird, da erfahrungsmäſsig die Abnutzung bei Stahlschienen sehr
gleichmäſsig auftritt. Dagegen sind für die Wahl geeigneter Normallängen die
Längenveränderungen der Schienen in Folge der Temperaturschwankungen von höchster
Bedeutung. Da die Ausdehnung des Stahles bei Erwärmung von 0 bis 100° etwa 1/900 der ursprünglichen Länge beträgt, in
Mitteleuropa aber auf eine Temperaturdifferenz von 80° Bedacht zu nehmen ist,
nämlich von 30° unter Null bis zu 50° über Null, so ergibt sich als Längenänderung
einer 10m langen Schiene 9mm. Wenn daher die Schienenköpfe bei + 50° sich
ohne zu groſse Preſsung berühren sollen, so muſs bei – 30° der Zwischenraum 9mm betragen. Erwägt man nun, daſs in Folge von
Fabrikationsfehlern und durch nie ganz zu vermeidende Verschiebungen im Geleise
dieser Zwischenraum bis auf 12 bis 15mm steigen
kann, so dürfte bei 10m die äuſserste Grenze
erreicht sein, welche mit Rücksicht auf den für die Ausdehnung zu gebenden Spielraum
in der Länge der Schiene gestattet werden kann; denn schon bei einem Zwischenräume
von 10mm wirken die Stöſse der Fahrzeuge äuſserst
schädlich.
Nach diesen Erwägungen ist zu schlieſsen, daſs Stahlschienen mit einem Gewichte von
30 bis 35k auf Im eine Länge von 9 bis 10m zu geben wäre und daſs für die deutschen Bahnen
Schienen von 9m Länge den Vorzug verdienen. Noch
ist zu erwähnen, daſs Schienen von mehr als 9m
Länge sich nur mit groſsen Schwierigkeiten in den Transportschiffen verstauen
lassen, ein nicht unwichtiger Punkt mit Rücksicht darauf, daſs unsere Werke mit dem
gröſsten Theile ihrer Erzeugung auf die Ausfuhr angewiesen sind. Auch ist bei einer
groſsen Anzahl amerikanischer Werke eine Schienenlänge von 9m,14 (30 Fuſs engl.) eingeführt worden,
wahrscheinlich aus den obigen Gründen.
Der Einwand, welcher wohl gegen eine einheitliche Annahme der 9m langen Schiene erhoben wird, daſs nämlich für
die Unterhaltung der älteren Strecken immerhin kürzere Schienen beschafft werden
müſsten, erscheint nicht begründet, da es technisch und wirthschaftlich gleich
fehlerhaft wäre, ältere Bahngeleise durch einzelne neue Schienen erhalten zu wollen.
Eine vortheilhafte Bahnunterhaltung ist nur zu erreichen, wenn die Geleise in
groſsen Längen mit gleichwertigen Materialien versehen sind.
Es dürfte somit, wie Stahl und Eisen, 1884 S. 82 diese
Betrachtung schlieſst, kein Grund vorliegen, weshalb nicht in jedem Bahnbezirke ohne
Rücksicht auf die zur Zeit gebräuchlichen Schienenlängen die Vortheile der längeren
Schienen nutzbar gemacht werden könnten.
Seilschifffahrt auf der Wolga.
Es dürfte im Allgemeinen wenig bekannt sein, daſs auf der Wolga schon seit mehr als
40 Jahren eine Art Seilschifffahrt betrieben wird, während man sonst geneigt ist,
die Tauerei für eine Errungenschaft der letzten 20 Jahre zu halten. Neuerdings wurde
nun von Bachmann im Hannoverschen Bezirksvereine
deutscher Ingenieure über diesen in mehr als einer Beziehung interessanten Betrieb
ein Vortrag gehalten (vgl. Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure, 1884 S. 522), dessen Inhalt im Folgenden kurz wiedergegeben
ist.
Die auf der Wolga benutzten Seilschiffe werden theils mit Pferden, theils durch Dampf betrieben. Die
ersteren haben je nach ihrer Gröſse 150 bis 200 Pferde an Bord, welche in den
unteren Schiffräumen untergebracht sind. Auf dem Verdecke befinden sich eine Anzahl
Göpel, an deren jedem je 8 auch 10 Pferde arbeiten. Dieselben werden alle 3 Stunden
ausgewechselt, was ohne Unterbrechung des Betriebes geschehen kann, indem jedesmal
nur 1 Göpel ausgeschaltet wird. Alle Göpel übertragen ihre Arbeit durch eine
geeignete Transmission auf eine Windetrommel, auf welcher sich das Betriebsseil
aufwickelt; letzteres ist im Gegensatze zu dem bei uns üblichen Tauereibetriebe nur
von beschränkter Länge (nach unserer Quelle ohne nähere Angabe 1 Meile) und etwa
125mm dick. Jeder Schlepper führt zwei solcher
Seile mit sich. Während er sich an einem derselben bergauf zieht, nimmt ein kleiner
Hilfsdampfer das vorhin aufgewundene Seil an Bord, fährt mit demselben voraus und
verankert es eine Meile oberhalb des augenblicklich benutzten, so daſs der Schlepper
dasselbe nach Ablauf des ersten ohne Fahrtunterbrechung aufnehmen kann. Alsdann
nimmt der Dampfer das erste Seil in Empfang und legt es wieder eine Meile oberhalb
des zweiten aus u.s.f. Genau so erfolgt der Betrieb mit Dampfschleppern. Dieselben
besitzen Condensationsmaschinen von etwa 100e,
welche eine zu beiden Seiten über das Deck hinausreichende Achse betreiben; auf
letzterer befinden sich die Windetrommeln. Bei der Thalfahrt dagegen werden auf die
über Bord stehenden Enden der Achse Schaufelräder aufgesetzt, um die Fahrt zu
beschleunigen.
Die Schlepper ersterer Art befördern Schiffszüge von 12 und mehr Schiffen, welche zu
je 2 und 3 dicht hinter einander gehängt werden und eine Ladung von 16380t führen. Dabei machen sie während der Monate Mai,
Juni und Juli im günstigsten Falle zwei Reisen von Astrachan und der Kama-Mündung
bis nach Nischny-Nowgorod zur Messe. Auſser dieser Zeit fehlt es an Fracht. Die für
den Betrieb nöthigen Pferde werden am Abfahrtsorte angekauft und nach vollbrachter
Bergfahrt verkauft, während der Schlepper durch den Ankerdampfer zu Thal geschleppt
wird.
Die Dampfschleppschiffe befördern noch gröſsere Schiffszüge und fahren schneller, so
daſs der Ankerdampfer kaum Zeit findet, die Seile auszulegen. Dennoch scheint sich
auch der Betrieb mit Pferden unter den in jenen Gegenden obwaltenden Verhältnissen
den Dampfern gegenüber immer noch zu halten.
Glühlampen für ein und dieselbe Spannung.
In der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
1884 S. 318 wird von C. Fink hervorgehoben, daſs die
vorjährige Wiener Ausstellung in so fern einen bedeutsamen Fortschritt in der
Construction der Glühlampen aufgewiesen habe, als nach dem Vorgange von Siemens und Halske in Berlin (vgl. 1883 249 41) die Glühlampen von fast allen Fabrikanten auf die
nämliche Spannung berechnet und für dieselbe hergestellt wurden. Bis dahin wählte
jeder Fabrikant von Glühlichtern für seine Lampen die ihm gerade geeignet
erscheinenden Abmessungen; daher gab es eben so viele „Systeme“. Wegen der
von den verschiedenen Fabrikanten für ihre Lampen gewählten verschiedenen Spannungen
konnte man daher z.B. mit Maschinen, welche für Edison'sche, Lampen gebaut waren, keines der
übrigen Lampen-„Systeme“ betreiben, nicht einmal Lampen verschiedener
Lichtstärken desselben Fabrikanten anwenden. Die Edison-A-Lampen waren z.B. für 104
Volt und 0,74 Ampére, die B-Lampen (mit halb so langen Kohlenfasern) für 52 Volt und
0,74 Ampére eingerichtet. Swan hatte seine Lampen für
45 Volt und 1,4 Ampére bemessen, Lane Fox zu 42 Volt
und 1,6 Ampére, Maxim zu 60 Volt und 1,4 Ampére u.s.w.
Das Bestreben, die Accumulatoren möglichst in Aufnahme zu bringen, führte sogar
schlieſslich dahin, Lampen für ganz geringe Spannungen anzufertigen. Alle von Siemens und Halske neuerdings hergestellten Glühlampen
von der kleinsten bis zur gröſsten sind für 100 Volt Spannung bemessen; die
Unterschiede in der Lichtstärke werden durch den geringeren oder gröſseren
Querschnitt der Kohlenfaser erreicht. Lampen gröſserer Lichtstärken verbrauchen
somit allerdings eine entsprechend gröſsere Strommenge als solche von geringerer
Lichtstärke; aber alle brennen in ein und demselben Stromkreise, eine kann für die
andere ohne weiteres eingesetzt werden. Die 50 Lampen, welche Siemens und Halske in dem Stromkreise einer Compoundmaschine eingeschaltet
vorführten, waren z.B. von allen möglichen Lichtstärken von 10 bis zu 50
Normalkerzen.
Diesem Beispiele folgen jetzt fast ausnahmslos alle Glühlampenfabrikanten, namentlich
Edison, Swan, Lane Fox;
„100 Volt“ sind jetzt zur Normalspannung geworden.
Die elektrische Entladung in Gasen.
Umfassende Versuche von O. Lehmann (Annalen der Physik,
1884 Bd. 22 S. 305) über elektrische Entladungen in Gasen ergaben u.a., daſs die
zusammengesetzten Dämpfe durch die leuchtende Entladung auſserordentlich rasch
zersetzt werden, daher dieser Umstand nicht als eine die Entladung begleitende
Erscheinung anzusehen ist, sondern als das eigentliche Wesen derselben. Vielleicht
beruht das Erforderniſs eines bestimmten Potentialgefälles zur Erzeugung leuchtender
Entladung auf der Nothwendigkeit einer Zerreiſsung der Moleküle durch elektrische
Kräfte, während das Leuchten selbst durch den chemischen Prozeſs der
Wiedervereinigung erzeugt wird. Es würde dann Entladung und Leuchten überhaupt nicht
gleichzeitig sein, sondern das Leuchten später erfolgen und die Entladung vielleicht
verhältniſsmäſsig erheblich überdauern.
Da ferner bei Erhöhung der Temperatur das Leuchten bei ungeänderten Versuchsumstanden
aufhört, so begünstigt Temperaturerhöhung die Zerstreuung oder Fortführung der
Elektricität auf mechanischem Wege (Convection) ganz auſserordentlich, so daſs das
zur leuchtenden Entladung nöthige Potentialgefälle im Allgemeinen nicht mehr
erreicht wird.
Als Hauptresultat ergibt sich aus den Versuchen, daſs es zwei Arten von elektrischer
Entladung in Gasen gibt, die convective und die leuchtende. Bei höherer Temperatur,
z.B. beim elektrischen Bogenlichte, ist die erstere die vorherrschende.
Sämmtliche Erscheinungen der leuchtenden elektrischen Entladung in Gasen erklären
sich nach Faraday's Theorie, wenn man jederzeit
berücksichtigt, in welcher Weise sich der Verlauf der Kraftlinien und das Gefälle
des Potentials ändern, theils durch das Fortschreiten der Entladung selbst, theils
durch Elektrisirung einzelner Luftschichten und der Wände des Gefäſses. Der
scheinbare qualitative Unterschied zwischen positiver und negativer Elektricität
beruht lediglich auf der secundären Wirkung der an der Oberfläche der Elektroden
auftretenden Reibungs- (Thermo-) Elektricität der Luft, was leichtere Entladung an
der Kathode und damit alle die beobachteten Verschiedenheiten der positiven und
negativen Seite verursacht, welche sich in verschiedener Färbung und Gestaltung der
Lichterscheinung äuſsern, sowie auch durch Aenderung der Schlagweite mit der Form
der Elektroden, durch verschiedenes Verhalten gegen magnetische Kräfte und die
eigentümlichen Formen der Lichtenberg'schen Figuren.
Die leuchtende Entladung ist in allen Fällen intermittirend.
Ueber das Zurückgehen des Superphosphates.
Nach W. Knop (Landwirthschaftliche Versuchsstationen,
1884 Bd. 30 S. 287) ist das sog. Zurückgehen des Superphosphates nur in besonderen
Fällen darauf zurückzuführen, daſs zum Aufschlieſsen Eisenoxyd und Thonerde haltiger
Phosphate zu wenig Schwefelsäure angewendet ist. Die Beobachtung Märcker's (Jahresbericht der
chemischen Technologie, 1883 S. 386), daſs in Blechdosen aufbewahrte
Superphosphatproben zurückgehen, ist wohl weniger durch Einwirkung der Säure auf das
Blech als durch Verdunstung von Feuchtigkeit aus den undichten Dosen zu erklären.
Knop hat nun beobachtet, daſs die Verbindung CaH4(PO4)2, das sog. Superphosphat, das Bestreben hat, in
concentrirten Massen zweibasisches Salz Ca2H2(PO4)2H2O auszuscheiden.
Bei 170° geht es in CaHPO4 und beim Glühen in Ca2P2O7 über. Die Wasser haltigen Niederschläge lösen sich
nicht merklich beim Kochen mit Wasser, auch dann nicht, wenn man Essigsäure
hinzufügt, ebenso wenig nach Zusatz von citronensaurem Ammoniak, aber vollständig
auf Zusatz von Salzsaure. Das geglühte Salz löst sich auch hierin nur träge und
häufig mit Hinterlassung eines fast unlöslichen geringen Rückstandes. Bei der
Anwendung des geglühten Salzes zu den Kalkbestimmungen muſste dasselbe in
concentrirter Salzsäure gelöst werden.
Unter gewissen Umständen läſst sich also jedenfalls das Zurückgehen des
Superphosphates aus dieser Eigenschaft erklären, denn wenn bei der Bildung des
zweibasischen Salzes CaHPO4 auch das übrige
Superphosphat verhältniſsmäſsig noch reicher an Phosphorsäure werden muſs, so wird
der Gesammtgehalt an wasserlöslicher Säure doch in dem Maſse absolut geringer
werden, als dieses zweibasische Salz sich bildet und den unlöslichen Rückstand von
Gyps u. dgl. vermehrt.
Bekanntlich entstellt, wenn man den Kalk in Phosphaten auf die Weise bestimmt, daſs
man dieselben zuerst in Salzsäure löst, dann mit Ammoniak fällt und nun wieder durch
Zusatz von Essigsäure löst, um den Kalk aus solcher Lösung durch oxalsaures Ammoniak
zu fällen, leicht ein unlösliches Phosphat, wenn man die essigsaure Lösung kocht.
Man hat diese Erscheinung wohl meistens aus einem Krystallinischwerden des
dreibasisch-phosphorsauren Kalkes abgeleitet. Es ist aber wohl unzweifelhaft, daſs
auch diese Ausscheidung auf der Bildung dieses zweibasisch-phosphorsauren Kalkes
beruht, indem die Essigsäure bei Siedehitze ein Drittel des Kalkes bindet.
Zur Darstellung von Bromwasserstoffsäure, insbes. aus
Zinkbromid und Schwefelsäure.
Die Darstellungsmethoden der Bromwasserstoffsäure lassen sich nachte Ad. Sommer (Journal of the Society of Chemical
Industry, 1884 S. 20 und 23) in vier Klassen eintheilen: 1) Direkte
Verbindung von Brom und Wasserstoff. 2) Zersetzung von Wasserstoffverbindungen – wie
H2S, HJ, NH3 und
Oele – durch Brom. 3) Zersetzung von Bromverbindungen mit festen Metalloiden,
(besonders PBr5) mit H2O. 4) Zersetzung von Metallbromiden durch Säuren. Von den unter 1 bis 3
aufgeführten Methoden liefert nur diejenige mit PBr5
gute Resultate.
Verfasser beschreibt nun eine von ihm neu vorgeschlagene Methode durch Zersetzung von
ZnBr2 mit H2SO4. Das Zinkbromid wird mit Leichtigkeit
durch Einwirkung von Bromwasser, welches ungelöstes Brom enthält, auf Zink
dargestellt. Die Lösung wird schnell eingedampft. Um gleich das beständige Hydrat
von HBr, welches 5H2O : 1HBr enthält, zu erzielen,
destillirt man 225 Th. ZnBr2, 180 Th. Wasser (das
Wasser in der Schwefelsäure eingeschlossen) und 196 Th. Schwefelsäure (als
Monohydrat berechnet) in einer Retorte: ZnBr2 +
2H2SO4 + 10H2O = ZnSO4.H2SO4 + 2HBr.10H2O. Das Product wird zur Reinigung von H2SO4 mit BaCO3 versetzt und wieder destillirt (Siedepunkt
123°).
Sulfide lassen sich leicht in Sulfate überführen, wenn man dieselben zuerst mit
Salpetersäure erwärmt und dann langsam concentrirte Bromwasserstoffsäure
zusetzt.
Valerolakton im Holzessig.
M. Grodzki (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1884 S. 1369) hat in den höher siedenden Antheilen des
Holzessigs das Lakton der normalen Valeriansäure aufgefunden. Dasselbe bildet eine
farblose, bei 18° nicht erstarrende Flüssigkeit, welche bei 206° siedete und sich in
Wasser zu einer neutralen Flüssigkeit löste, aus welcher durch kohlensaures Kali das
Lakton wieder unverändert abgeschieden werden konnte.
Zur Untersuchung organischer Schwefelverbindungen.
Entsprechende Versuche von V. Meyer (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1884 S. 1576) ergaben, daſs leicht flüchtige Oele,
welche gleichzeitig Schwefel und Stickstoff enthalten, bei der Analyse nach dem Dumas'schen Verfahren sehr langsam und unter Vorlegung
einer langen Schicht Bleichromat verbrannt werden müssen. Auch wird es sich
empfehlen, bei solchen Körpern das erhaltene Stickgas auf einen etwaigen Gehalt an
Kohlenoxyd zu prüfen.
Ueber Naphtalinverbindungen.
Nach K. E. Schulze (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1884 S. 1527) enthält das Kreosotöl des Handels etwa 6 Proc.
Methylnaphtalin. Durch Extraction des Phenol es und
Rectificiren des Oeles erhält man eine Fraction, welche bei 200 bis 300° siedet
und etwa 4 Proc. α-nebst 6 Proc. β-Methylnaphtalin enthält.
R. Flessa (daselbst S. 1479) löste zur Gewinnung von Pentabromnaphtol, C10H2Br5.OH, in einem groſsen Ueberschusse von mit concentrirter Schwefelsäure
getrocknetem Brom unter guter Kühlung 2 bis 3g
Aluminium auf, welches in kleinen Stückchen eingetragen wurde, da Aluminium und Brom
nach kurzer Berührung unter lebhafter Feuererscheinung und unter Funkensprühen auf
einander wirken. In den auf 0° gekühlten Kolben brachte Verfasser nun nach und nach
in kleinen Portionen 10g
β-Naphtol. Die Reaction geht anfangs so heftig vor
sich, daſs groſse Bromverluste nur bei sehr guter Kühlung vermieden werden können.
Bromwasserstoff entweicht in Strömen. Nach einiger Zeit findet beim Eintragen neuer
Mengen Naphtol nur noch geringe Reaction statt, indem der Kolbeninhalt zusammenbackt
und fest zu werden beginnt; durch starkes Schütteln und Zufügen von weiterem Brom
bleibt jedoch das Reactionsproduct in einem breiigen Zustande und wird so die
Einwirkung eine gleichmäſsige und vollständige. Als bei 0° keine weitere
Entwickelung von Bromwasserstoff mehr zu bemerken war, erwärmte Verfasser auf dem
Wasserbade bis zum Aufhören der von Neuem eingetretenen Bromwasserstoffentwickelung.
Im Kolben blieb nach dem Verjagen des überschüssigen Bromes eine braun gefärbte,
harte Masse zurück, welche nach mehrmaligem Ausziehen mit warmer, concentrirter
Salzsäure, wodurch das vorhandene Aluminium entfernt wurde, eine hellgelbe Farbe
annahm. Das Reactionsproduct wurde mit kaltem Benzol oder Toluol ausgezogen, wodurch
der gröſste Theil der färbenden Bestandtheile entfernt wurde, alsdann der Rückstand
in Phenol gelöst und mit überschüssigem Aether gefällt. Das so erhaltene
Pentabromnaphtol schmilzt bei 237°.
Erhitzt man Pentabromnaphtol mit Salpetersäure von 1,15 sp. G. und löst nach dem
Auswaschen in heiſsem Benzol, so fällt durch Zusatz von wenig Petroläther eine
harzige Masse, dann aus dem Filtrate durch mehr Benzin reines zinnoberrothes
Tetrabromnaphtochinon, C10H2Br4O2. Durch längeres Erhitzen mit Salpetersäure auf
150° bildet sich Tribromphtalsäure, C6HBr3(COOH)2. Dasselbe schmilzt bei 190° und geht bei höherer
Temperatur in Anhydrid, C6HBr(CO)2O, über, welches bei 157° schmilzt.
Durch Zusammenschmelzen von Tribromphtalsäureanhydrid mit Resorcin entsteht eine
Verbindung, welche in den chemischen und physikalischen Eigenschaften groſse
Aehnlichkeit mit dem Fluoresceïn zeigt, auch durch Brom in einen schönen Farbstoff, offenbar in ein höher gebromtes Eosin,
übergeht.
Durch direkte Einwirkung von Brom bei Gegenwart von Aluminiumbromid auf Phtalsäureanhydrid entstehen nur geringe Mengen von
gebromten Säuren.
Verfahren zum Bleichen und Entfetten von Faserstoffen.
H. Köchlin in Lorrach, Elsaſs (D. R. P. Kl. 8 Zusatz Nr.
27 745 vom 1. December 1883, vgl. 1884 251 496)
empfiehlt, Faserstoffe durch Tränken mit Alkalien oder kaustischen alkalischen Erden
und nachfolgendes Erhitzen derselben mittels Dampfes oder heiſser Luft zu bleichen.
Dadurch nun, daſs der zum Erhitzen dienende Dampf nie vollkommen luftfrei ist, kommt
die mit Aetzalkali getränkte Baumwolle mit atmosphärischer Luft in Berührung,
wodurch sie oxydirt wird. Um nun die Baumwolle vor einer solchen Oxydation zu
bewahren und so die Festigkeit ihrer Fasern zu erhalten, ist es nothig, dem
kaustischen Alkali einen reducirenden Stoff und zwar Natriumsulfit oder
Natriumbisulfit beizufügen. Man taucht daher die Baumwolle u. dgl. in kochendes, mit
Schwefelsäure gemischtes Wasser ein, um die Stärke haltigen Stoffe aus der Waare zu
entfernen; hierauf wird dieselbe in ein Gemisch von Aetznatron und Natriumbisulfit
gebracht, ausgepreſst und etwa 1 Stunde lang erhitzt. Die Menge des zuzusetzenden
Natriumbisulfites richtet sich nach der Menge der Luft, welche der zu verwendende
Dampf enthält.