Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] |
Fundstelle: | Band 256, Jahrgang 1885, Miszellen, S. 515 |
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[Kleinere Mittheilungen.]
Kleinere Mittheilungen.
Ueber Schrittmaſse.
Die Entfernungsbestimmung durch Abschreiten ist eine so bequeme und einfache, daſs
ihr trotz der augenscheinlichen Unsicherheit immer noch für manche Zwecke eine hohe
praktische Bedeutung zukommt. Aus diesem Grunde hat Prof. Jordan in Hannover seit Jahren Erfahrungen über Schrittmaſse gesammelt,
welche hier nach der Zeitschrift des Architecten- und
Ingenieurvereins zu Hannover, 1885 S. 122 mitgetheilt werden mögen.
Die erste Frage betrifft die Schwankungen der Schritte verschiedener Menschen. Zur
Beantwortung derselben stehen dem Verfasser 256 Schrittwerthe zur Verfügung, welche
seit 1873 bei den ersten Längenmeſsübungen der Studirenden an den technischen
Hochschulen zu Karlsruhe und Hannover gewonnen wurden, indem Linien von 200 bis
300m mit Latten und Meſsbändern auf ebenem
Boden gemessen und nachher von den Messenden abgeschritten wurden. Nach der Gröſse
geordnet, geben diese 256 Schrittwerthe folgende Uebersicht:
Schritt-länge
Häufigkeit desVorkommens
Schritt-länge
Häufigkeit desVorkommens
Schritt-länge
Häufigkeit desVorkommens
s
n
s
n
s
n
63cm
1mal
79cm
29mal
89cm
4 mal
70
2
80
28
90
2
71
1
81
23
91
1
72
1
82
20
92
1
73
2
83
10
93
1
74
5
84
13
94
1
75
6
85
11
96
1
76
13
86
13
97
1
77
18
87
11
78
34
88
3
Das Mittel aus allen 256 Werthen ist 80cm,7 und,
wenn man diese 256 Werthe als ebenso viele unabhängige Bestimmungen einer
Unbekannten auffaſst, so findet man aus den Abweichungen dieser Bestimmungen von
ihrem Mittelwerthe den mittleren Fehler einer solchen
Bestimmung = ± 4cm,47 oder 5,5 Proc; hiernach hat man das Recht, wenn ein Schrittmaſs in der
Ebene vorliegt, ohne daſs man über die Persönlichkeit des Schreitenden oder sonstige
Umstände etwas Besonderes weiſs, 1 Schritt rund zu 80cm anzunehmen und der damit berechneten Länge einen mittleren Fehler von
etwa 5 Proc. zuzuschreiben.
Das Alter der Schreitenden war im Mittel etwa 20 Jahre; es ist wahrscheinlich, daſs
mit zunehmendem Alter die Schrittgröſse wieder abnimmt. Aus eigener Erfahrung hat
Jordan folgende Schrittgröſsen:
Jahr
Schrittgröſse
Jahr
Schrittgröſse
Jahr
Schrittgröſse
1873
81,0cm
1877
76,7cm
1881
78,5cm
1874
–
1878
78,5
1882
–
1875
77,7
1879
78,2
1883
76,0
1876
79,2
1880
–
1884
76,0
Hieraus kann man schlieſsen, daſs der Schritt eines und
desselben Menschen, von Zeit zu Zeit neu bestimmt, Entfernungsbestimmungen etwa auf
2 Proc. genau gibt, wenn keine ungünstigen Ursachen einwirken. Solche Ursachen sind
z.B. Steigung des Weges und Ermüdung nach langem Marsche.
Bei der Prüfung des Schrittmaſses für Nivellementzwecke fand sich die
Schrittlänge:
auf wagerechter Straſse
78,0cm
auf einer Straſse mit 7,4 Proc. Steigung aufwärts
76,3
(Mittags-Pause)
auf derselben Straſse mit 7,4 Proc. Gefälle abwärts
76,8
auf wagerechter Straſse nach 7stündigem Marsche.
75,0
Also trotz erheblich verschiedener Umstände ergaben sich doch
nur Abweichungen bis zu 4 Proc. vom Mittel (vgl. Zeitschrift
für Vermessungswesen, 1882 S. 299).
Viel bedeutender werden die Aenderungen, wenn man die Landstraſse verlaſst und auf
Gebirgspfaden oder pfadlos an Abhängen marschirt. Zur Gewinnung der Schrittwerthe
unter solchen Verhältnissen benutzte der Verfasser tachymetrische und Meſsband-Züge.
Aus 136 Vergleichsstrecken fand sich nach Ausgleichung:
AufwärtsSteigung
Schrittlänge
AbwärtsGefälle
Schrittlänge
0°
77cm
0°
77cm
5
70
5
74
10
62
10
72
15
56
15
70
20
50
20
67
25
45
25
60
30
38
30
50.
Man kann noch fragen, in welcher Weise das Schrittmaſs von der Körpergröſse abhängig
ist? Eine kleine, hierauf bezügliche Untersuchung an 18 Studirenden vom J. 1884
gab:
Mannes-höhe
Schrittwerth
Mannes-höhe
Schrittwerth
Mannes-höhe
Schrittwerth
1,59m
0,77m
1,71
0,88 0,76m
1,77m
0,80 0,75 0,81m
1,62
0,79
1,72
0,77
1,78
0,83
1,63
0,74
1,74
0,81
1,80
0,84 0,83
1,64
0,75
1,75
0,76
1,81
0,80
1,67
0,80
1,76
0,81 0,85
Zur Ausgleichung wurde nach der Methode der kleinsten Quadrate
eine Formel und nach dieser folgende Tabelle gebildet:
Höhe
Schritt
Höhe
Schritt
Höhe
Schritt
1,55m
0,75m
1,75m
0,80m
1,95m
0,85m
1,60
0,77
1,80
0,82
2,00
0,87
1,65
0,78
1,85
0,83
1,70
0,79
1,90
0,84
Noch ist ein Wort über sogen. Normalschritte zu sagen.
Beim Militär ist beim Marschiren in Reih und Glied gleicher „Schritt und
Tritt“ nöthig, aber auſserhalb Reih und Glied und ohne Trommeltakt hat jeder
Mann seinen eigenen Schritt, in welchen er immer wieder
unwillkürlich verfällt. Man soll daher auch nicht einen Meſsgehilfen zwingen wollen
(was zuweilen vorkommt), einen „Normalschritt“ anzunehmen; vielmehr muſs man
umgekehrt, wo es auf Genauigkeit ankommt, den natürlichen Schritt der Gehilfen
bestimmen und entsprechend besonders in Rechnung bringen. Bei einem der im
Vorstehenden benutzten Versuche waren zwei Geometer-Candidaten, welche behaupteten,
„Meterschritte“ schreiten zu können. Das Durchgehen der Linie mit
absichtlich übertriebenen groſsen Schritten gab aber nur 91cm bezieh. 96cm
statt der beabsichtigten 100cm.
Fabrikschornstein von auſsergewöhnlichen Abmessungen.
Der Schornstein der Gaswerke zu Edinburg wurde mit einer Basis aus Bruchstein und
einem runden Schaft aus Ziegelstein in folgenden Abmessungen ausgeführt:
Hohe des Grundbaues
1,98m
Höhe des unter der Erdoberfläche gelegenen Theiles der
Basis
1,82
Höhe des über der Erdoberfläche gelegenen Theiles der
Basis
19,80
Höhe des Schaftes
80,50
–––––––
Gesammthöhe
104,10m,
wovon 100m,30 über der
Erdoberfläche liegen. Der Bruchsteingrundbau ist 12m im Gevierte groſs und hat 2m Dicke.
Der gleichmäſsig über die ganze Grundsohle vertheilt gedachte Druck beträgt 2,80k/qc. Die Basis,
welche am unteren Ende 6m,85, am oberen Ende 6m,20 inneren Durchmesser hat, wurde im Sommer
aufgeführt und darauf die Arbeiten bis zum folgenden Jahre unterbrochen, in welchem
der aus Ziegelsteinmauerwerk bestehende Rest des Bauwerkes hergestellt wurde. Der
Schacht hat in seinem äuſseren Mantel folgende Abmessungen:
Aeuſserer
Durchmesser
unten
8m,00,
oben
4m,60
Innerer
„
„
6m,20,
„
3m,65.
Die Wandstärke des Schachtmantels stuft sich in 5 Geschossen von 10,7, 12,2, 14,6,
17,7 und 23,3m Höhe ab. Die gröſste Fugenpressung am unteren Ende des Schachtes
beträgt 9k/qc. Der
vorerwähnte äuſsere Mantel ist im Inneren auf 27m,5 Höhe mit Ziegelmauerwerk derart ausgekleidet, daſs der lichte Durchmesser
auf die genannte Höhe gleichmäſsig 4m beträgt,
während die Wandstärke dieser Ziegelauskleidung von 0m,9 am unteren Ende allmählich bis auf 0m,5 am oberen Ende sich vermindert. Die Innenflächen der Ziegelauskleidung
sind mit feuerfesten Ziegeln verblendet, unten 1 Stein, oben ½ Stein stark. Die
Gesammtkosten haben etwa 93000 M. betragen. Der Schornstein ist mit einem
Blitzableiter versehen, dessen Leitung aus einer 16mm starken Kupferstange besteht.
Die zum Grundbaue verwendeten und verschiedenen Brüchen entstammenden Bruchsteine
zeigten eine Festigkeit von 245 bis 345k/qc. Man fand indeſs bei den Versuchen, daſs sich
bedeutend gröſsere Festigkeitszahlen ergaben, wenn man den Probestücken gröſsere
Abmessungen gab, namentlich, wenn der Druck normal zu der natürlichen Schichtung des
Gesteines ausgeübt wurde. So zeigten Probewürfel von 10cm Seite aus den Brüchen von Hailes 620k/qc Festigkeit, während dasselbe Material
in kleineren Würfeln geprobt nur 245k ergeben
hatte. Die Ziegelsteine hatten ein specifisches Gewicht von 1,76 bis 1,84 und eine
Festigkeit von 486 bis 493k/qc.
Der Schornstein, obgleich von auſsergewöhnlichen Abmessungen, erreicht doch bei
weitem nicht die Höhe des berühmten 132m,5 hohen
Schornsteines der
Chemischen Fabrik St. Rollox bei Glasgaw. Uebrigens verliert das Auge bei dem
Anblicke solch hoher Schornsteine so sehr allen Maſsstab, daſs der Eindruck, auſser
aus nächster Nahe, keineswegs so groſsartig ist, wie man vermuthen sollte. (Nach
einem englischen Vortrage aus der Eisenzeitung. 1884 S.
905.)
Elektrischer Apparat zum Aufsuchen undichter Stellen an
Gasrohren.
Auf der im März in Paris abgehaltenen, von der Société des
Electriciens veranstalteten elektrischen Ausstellung führte E. Anould zugleich mit mehreren elektrischen
Zündvorrichtungen für Gasflammen auch einen auf demselben Prinzipe beruhenden
Apparat zum Aufsuchen undichter Stellen an Gasrohren vor. Mittels einer
Chromsäurebatterie, deren Zink bei der Ruhestellung des Apparates ganz auſserhalb
der Flüssigkeit ist, während diese bei der Arbeitstellung beide Elektroden bespült,
wird eine Spirale aus Platindraht zum Glühen gebracht. Dem Apparate sind eine Reihe
von Widerständen beigegeben, durch deren Ein- oder Ausschalten man ein schwächeres
oder lebhafteres Glühen des Platindrahtes erzielen kann. Wenn man die dunkelroth
glühende Spirale entlang einer in schlechtem Zustande befindlichen Gasleitung
hinführt, so markirt sich die Anwesenheit des Gases, also die undichte Stelle der
Leitung, durch eine Erhöhung des Glanzes der Spirale durch die katalytische Wirkung.
Damit aber dabei das explosive Gasgemenge nicht entzündet werde, ist das die Spirale
tragende Ende des Apparates in ein Metallgewebe eingeschlossen. Wenn man die
undichte Stelle bei Tage aufsuchen will, wo das lebhaftere Glühen des Drahtes
unbemerkt bleiben könnte, so bedeckt man die glühende Spirale mit einem aus
verschiedenen Metallen hergestellten Metallstreifen, welcher zufolge der ungleichen
Ausdehnung durch die erhöhte Wärme den Strom einer Weckbatterie durch einen
elektrischen Rasselwecker schlieſst. (Nach dem Génie
civil, 1884/5 Bd. 6 * S. 384.)
Zinkanalysen.
Zink vom Schlesischen Verein Georgshütte (I),
desgleichen Marke CH (II), Zink von G. v. Giesche's Erben (III) bezieh. der Hüttenverwaltung Sagor (IV) enthielten nach L.
Schneider und H. Peterson (Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch, 1885 S. 193) auf
100 Theile:
I
II
III
IV
Blei
1,4483
1,7772
1,1921
0,633
Eisen
0,0280
0,0280
0,0238
0,032
Kadmium
0,0245
–
–
0,054
Kupfer
0,0002
–
0,0002
Spur
Silber
0,0017
Spur
0,0007
Spur
Arsen
Spur
–
–
–
Antimon
–
Spur
Spur
–
Wismuth
–
–
Spur
–
Schwefel
Spur
0,0020
Spur
Spur.
Aetzflüssigkeit für Compositionsmetall.
R. Kayser (Mittheilungen des
Bayerischen Gewerbemuseums, 1885 S. 86) empfiehlt zum Aetzen von allen
Legirungen, welche Antimon enthalten, ein Gemisch von 1 Th. reiner Salzsäure (1,124
sp. G.), 2 Th. Salpetersäure (1,4 sp. G.), 10 Th. Wasser, 2 Th. Weingeist und 3 Th.
Weinsäure.
Verwendung von Magnesium für bengalische Flammen.
Die Chemische Fabrik auf Actien, vormals E. Schering in
Berlin empfiehlt in einem Rundschreiben folgende Flammenmischungen:
Für wieſsesFeuer
1 Th. Schellack6 Th. salpetersaurer Baryt2,5 Proc.
Magnesiumpulver.
beide zusammengeschmolzenund dann
gemahlen.
Für rothesFeuer
1 Th. Schellack5 Th. salpetersaurer Strontian2,5 Proc.
Magnesiumpulver
beide zusammengeschmolzenund dann
gemahlen.
Diese Flammenmischungen verwendet man entweder in der Weise,
daſs man dieselben, je nachdem man gröſseren oder geringeren Erfolg erzielen will,
in Streifen von etwa
Fingerbreite streut und diese an einem Ende anzündet, oder aber, indem man sie in
Zinkröhren füllt und so Magnesiumfackeln herstellt. Bei Gelegenheit des Fackelzuges,
welcher am 31. März d. J. zu Ehren des Fürsten Bismarck
veranstaltet wurde, betheiligte sich diese Fabrik mit 1000 Stück solcher
Magnesiumfackeln. Diese waren 1m,5 lang, 2cm dick und hatten Hülsen aus ganz dünnem
Zinkblech Nr. 2; letzteres verbrennt mit der Füllung. (Vgl. Weiſsfeuer 1884 252
391.)
Ueber den Säuregehalt des Bieres.
Nach A. Bertschinger wird der Säuregehalt des Bieres am
sichersten dadurch bestimmt, daſs man 10cc des von
Kohlensäure befreiten Bieres in 10cc Zehntelnatron
bringt und unter Benutzung von Lackmus mit Zehntelschwefelsäure zurücktitrirt.
Schweizer Biere enthalten 0,12 bis 0,22 Proc. freie Säure, auf Milchsäure berechnet.
(Nach dem Bericht an die Gesundheitscommission der Stadt
Zürich 1885.)
Analysen von Knochenmehl.
Entleimtes Knochenmehlpulver aus der Abdeckerei von Lyon hatte nach Baroulier (Annales des
Mines, 1885 Bd. 7 S. 162) folgende Zusammensetzung:
Wasser
10,00
13,00
Kieselsäure und Silicate
3,55
5,00
Phosphorsaures Calcium
37,10
36,10
Kohlensaures Calcium
23,15
29,70
Kohlensaures Magnesium
2,30
1,40
Schwefelsaures Calcium
Spur
Spur
Organisches
23,90
14,80.
Verfahren zur Behandlung von Knochenkohle.
Wenn man nach P. Degener in Berlin und J.
Lach in Magdeburg (D. R. P. Kl. 12 Nr. 31358 vom 6. Juni 1884) frisch
ausgeglühte Knochenkohle mit so viel Wasser befeuchtet, als sie eben zu absorbiren
im Stande ist, und nun längere Zeit an der Luft und am Licht liegen läſst, so bilden
sich unter dem Einflüsse des letzteren und durch die Verdunstung des Wassers von der
höchst porösen Masse in ganz kurzer Zeit, schon nach 2 bis 3 Minuten, nachweisbare
Mengen von Wasserstoffsuperoxyd. Die so behandelte
Kohle soll ein auſserordentliches Reinigungsvermögen zeigen, so daſs man mit
geringeren Mengen eine bessere Wirkung erzielt als bisher.
Die Reinigung gebrauchter Kohle kann man einerseits selbstthätig durch Lagern am
Lichte in feuchtem Zustande, andererseits auf gewöhnliche Weise vollziehen, in welch
letzterem Falle aber dieselbe deshalb leichter vor sich gehen wird, weil die
absorbirten Substanzen vermöge des gebildeten Wasserstoffsuperoxydes schon hoch
oxydirt sind. Für die Zwecke der Praxis empfiehlt sich eine 48 Stunden dauernde
Belichtung in 6 bis 8cm hoher Schicht unter
öfterem Besprengen und Umschippen.
Wenn man an Stelle von Wasser zur Besprengung von Knochenkohle und ähnlichen
Substanzen (auch Kokes) alkalische Flüssigkeiten (besonders Kalkmilch) verwendet, so
entstehen anstatt Wasserstoffsuperoxyd die Superoxyde der Alkalien bezieh.
Erdalkalien. Durch bloſse Belichtung der Kohle an der Luft soll auſser
Wasserstoffsuperoxyd Ozon entstehen.
Zur Werthbestimmung von Milch.
A. Müffelmann (Milchzeitung, 1885 S. 361) nimmt für Mecklenburg bei guter Fütterung im
Durchschnitte 3,18 Proc. Fett in der Milch an, ferner 281 Milch zur Herstellung von
1k Butter im Werthe von 2,24 M. Hiernach ist
11 Milch von 2,78 Proc. Fett 7 Pf. werth, bei 3,18 Proc. Fett 8 Pf. und bei 3,58
Proc. 9 Pf. (Vgl. Schrodt S. 142 d. Bd.)
Verfahren zur Herstellung von reinem
Schwefelwasserstoff.
E. Divers (Chemical News,
1884 Bd. 50 S. 233) leitet gewöhnlichen Schwefelwasserstoff in ein Gemenge von
Wasser mit Magnesiumhydrat, so daſs sich Schwefelmagnesium bildet. Beim Erwärmen dieser Lösung auf
60° entweicht reines Schwefelwasserstoffgas.
Einfacher noch ist der Vorschlag von F. Gerhard (Archiv der Pharmacie, 1885 Bd. 223 S. 384), durch
Vermischen von Schwefelcalcium oder Schwefelalkalien mit schwefelsaurem Magnesium
oder Chlormagnesium Magnesiumhydrosulfid zu bilden. Erwärmt man diese Lösung über
einer Gasflamme oder durch Einstellen des Gefäſses in heiſses Wasser, so beginnt
alsbald eine sehr gleichmäſsige Entwickelung von reinem Schwefelwasserstoff.
Dieselbe fängt bei etwa 60° an, die Temperatur steigt allmählich höher und bei etwa
95° ist die Entwickelung nahezu beendigt. Man hat es vollständig in der Hand, sie
schneller oder langsamer vor sich gehen zu lassen, je nachdem man stärker oder
schwächer erwärmt. Ein Ueberschäumen oder eine stoſsweise stürmische Entwickelung
ist nicht zu befürchten. Am bequemsten und vortheilhaftesten würde die Anwendung des
Schwefelcalciums sein, wie dieses im Handel zu auſserordentlich billigem Preise zu
haben ist. Leider ist dasselbe aber nicht verwendbar, weil es sehr unrein ist und so
viel Unlösliches enthält, daſs die Entwickelung des Gases dadurch gehemmt wird.
Dagegen eignet sich ein durch Glühen von Gyps mit Kohle dargestelltes
Schwefelcalcium sehr gut. Man übergieſse 1 Th. desselben mit 3 Th. Wasser und füge 3
Th. krystallisirtes Chlormagnesium zu. Will man Kalium- oder Natriumhydrosulfid
verwenden, so sättige man eine Lösung von 1 Th. Aetzkali oder Aetznatron in 3 bis 5
Th. Wasser mit gewöhnlichem Schwefelwasserstoff, füge das doppelte des angewendeten
Kali oder Natron, Bittersalz oder Chlormagnesium hinzu und erwärme gelinde.
Ueber das Vorkommen des Cholins im Hopfen.
Das Cholin oder Neurin, (CH3)3C2H4.OH.N.OH, ein nie fehlender Bestandtheil des
Gehirnes, ist von P. Grieß und G. Harrow (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1885 S. 717) nunmehr auch im Hopfen aufgefunden worden. Um
dasselbe zu gewinnen, mischt man einen stark concentrirten, mit etwas Salzsäure
versetzten Hopfenauszug mit einer Lösung von Jod in Jodwasserstoffsäure. Der
erhaltene schwarzbraune Niederschlag von Cholinperjodid wird von der Mutterlauge
getrennt, dann mit Wasser gekocht, so daſs sich unter Abscheidung einer harzigen
Masse leicht lösliches jodwassersoffsaures Cholin bildet, aus welchem durch
Behandlung mit Silberoxyd die freie Base gewonnen wird. Beim Eindampfen der
filtrirten Lösung auf dem Wasserbade bleibt das Cholin im Rückstande. Um es
vollkommen rein zu erhalten, muſs man es in sein Goldsalz (CH3)3C2H4.OH.Cl.AuCl3 überführen und daraus nach bekannten Regeln wieder
abscheiden. Seine bei Wasserbadtemperatur möglichst weit eingedampfte wässerige
Lösung erstarrte im Exsiccator zu einer äuſserst hygroskopischen, stark alkalisch
reagirenden und rasch Kohlensäure anziehenden, krystallinischen Masse, welche einen
kaustischen, etwas bitteren Geschmack besaſs, aber vollkommen geruchlos war und sich
in höherer Temperatur unter Bildung von Trimethylamin zersetzte. Fast ebenso
zerflieſslich, wie die freie Base, zeigte sich auch ihre Verbindung mit
Salzsäure.
Man erhält auf diese Weise aus dem Hopfen etwa 0,02 Proc. Cholin. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daſs sich das Cholin, mit Harz gepaart, in dem Hopfen vorfindet
und daſs es in dieser Verbindungsweise den in Wasser leicht löslichen Bitterstoff
des letzteren bildet. Es wurde ermittelt, daſs eine selbst sehr verdünnte, wässerige
Lösung von Cholin verliältniſsmäſsig sehr bedeutende Mengen von Hopfenharz
aufzulösen vermag, wodurch derselben ein stark bitterer Geschmack ertheilt wird.
In angegebener Weise konnte das Cholin auch im Biere
nachgewiesen werden. Ob dieser Thatsache auch irgend welche physiologische Bedeutung
zukommt, ist noch festzustellen; jedenfalls aber kann es nicht ohne Werth sein, daſs
ein so eigenthümlicher und nie fehlender Bestandtheil der Gehirnsubstanz, wie das
Cholin, auch in einem der wichtigsten Nahrungs- und Genuſsmittel zugegen ist.