Titel: | Betrieb von Booten mittels Elektricität. |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, Miszellen, S. 492 |
Betrieb von Booten mittels Elektricität.
Die kürzlich glücklich zurückgelegte erste Fahrt des mittels elektrischer
Accumulatoren betriebenen Bootes Volta zwischen Dover
und Calais gibt dem
Génie civil, 1886 Bd. 9 S. 378 nach der Gazette maritime Anlaſs, daran zu erinnern, daſs die
erste Fahrt eines durch Elektricität getriebenen Schiffes 1882 von der eisernen
Yacht Electricity gemacht worden sei (vgl. 1883 247 184. 250 281), von 7m,62 Länge, 1m,52 Breite, ausgerüstet mit einer Batterie von 40 Elementen und einer Siemens'schen Dynamomaschine. 1 Jahr später sei in
nahezu denselben Maſsen die hölzerne Barke Australia
gebaut und mit einem Reckenzaun'schen Motor (vgl. 1886
260 * 305) ausgerüstet worden. Auch das 6m,70 lange und 1m,36 breite, zu einem Torpedoschiffe gehörige Schraubenboot Vernon erhielt einen Reckenzaun'schen Motor. Dem von der englischen Regierung gegebenen
Beispiele folgte der Herzog von Bedford, dessen elektrische Yacht Northumbria 7m,32
lang und 1m,52 breit war. Endlich hat im laufenden
Jahre Yarrow, der Erbauer der Electricity, für die italienische Marine ein elektrisches Torpedoboot von
10m,98 Länge und 1m,90 Breite, mit einem doppelten Reckenzaun'schen Motor geliefert, das in Spezzia in regelmäſsigem Betriebe ist
und nach amtlichen Angaben mit 8,43 Knoten (4m,23
secundlich) Geschwindigkeit fährt. Alle diese Boote benutzen Accumulatoren der Electric Power and Storage Company in London.
Das Boot Volta ist ganz aus Stahlblech von 1mm,65 Dicke gebaut; es hält 6t und ist ohne Verdeck; seine Länge miſst 11m,28 und seine gröſste Breite 2m,08. Die Betriebsbatterie hat 61 Elemente der Electric Power and Storage Company für zwei auf eine
gemeinschaftliche Triebwelle wirkende Reckenzaun'sche
Motoren. Das Boot fährt mit drei Geschwindigkeitsgraden; zum Langsamfahren schaltet
man die Motoren hinter einander, für mittlere Geschwindigkeit benutzt man bloſs
einen Motor und für volle Geschwindigkeit schaltet man die beiden Motoren parallel.
Die Motoren liegen rückwärts, gerade über dem Kiel und füllen einen Raum von 1m,16 Länge, 0m,54 Breite und 0m,32 Höhe; ihr
Gesammtgewicht beträgt 331k, ihre höchste Leistung
16 Bremspferd. Die Schraube hat drei Flügel von 0m,508 Durchmesser und 0m,280 Ganghöhe; sie
läuft bei kleinster, mittlerer und gröſster Geschwindigkeit mit 600, 800 und 1000
Umdrehungen in der Minute. Die Accumulatoren wiegen ungefähr 2t; sie sind längs des Kieles untergebracht und mit
einer Holztafel bedeckt. Das Schiff ist mit Bänken versehen, unter denen die
Mundvorräthe untergebracht sind. Es kann einen Mast aufrichten, der jedoch
gewöhnlich niedergelegt ist, weil Segel nur im Nothfalle benutzt werden sollen.
Am 13. September verlieſs die Volta Dover zur Fahrt nach
Calais mit voller Elektricitätsladung; das Boot verfügte über 120 Volt bei 28
Ampère; 10 Uhr 41 Minuten Morgens stieſs das Boot von dem Hafendamme in Dover ab und
fuhr in den Hafen von Calais um 2 Uhr 32 Minuten Nachmittags ein. Die Fahrt dauerte
also 3 Stunden 51 Minuten, das Schiff fuhr aber nicht ganz in gerader Richtung,
sondern wich bei Annäherung an die französische Küste etwas aus ihr ab; es fuhr mit
nur 600 Umdrehungen. Bei Ankunft in Calais war die Stromstärke noch 28 Ampère. Das
Schiff fuhr so geräuschlos, daſs man im Vorrüberfahren eine schlafende Seemöve mit
der Hand fangen konnte. Die Rückfahrt begann 3 Uhr 14 Minuten Nachmittags und
dauerte 4 Stunden 13 Minuten. Die Stromstärke hielt sich bis 5 Uhr unverändert auf
28 Ampère, um 6 Uhr dagegen waren nur noch 25 und bei Ankunft in Dover nur 24 Ampère
vorhanden. Doch war noch Elektricität genug im Vorrath und die letzte halbe Meile
(0km,926) wurde mit voller Geschwindigkeit
(1000 Umdrehungen) zurückgelegt. Am 21. September ist die Volta nach London zurückgekehrt nachdem die Accumulatoren frisch geladen
worden waren.
Nach Industries. 1886 Bd. 1 S. 303 ist das Boot auf der
Werft von Stevens und Smith in Millwall gebaut und
seine elektrischen Einrichtungen sind unter Reckenzaun's persönlicher Leitung und nach dessen Angaben ausgeführt worden.
Bei voller Ladung geht es 0m,61 tief im Wasser.
Die Batterie faſst 240 Ampèrestunden; die elektromotoriche Kraft ist 120 Volt, die
Stromstärke bei parallel geschalteten Motoren (1000 Umdrehungen, 14 Bremspferd) 90
Ampère, bei hinter einander geschalteten (600 Umdrehungen) 28, bei bloſs einem Motor
(800 Umdrehungen) 60 Ampère. Das Gewicht des Bootes mit den Batterien und Fahrgästen
beträgt 7t,87. Bei der Fahrt von Dover nach Calais
waren einschlieſslich der Besatzung 10 Personen an Bord.
Bemerkenswerth sind ferner die Angaben C. Frischen's in
der Zeitschrift für Elektrotechnik, 1886 S. 579 über
ein von Siemens und Halske in Berlin gebautes
elektrisches Boot „Elektra“, mit welchem bereits die Spree befahren wurde. Dieses
Schiff ist wesentlich zur Erprobung eines neuen, von Dr. Werner Siemens erfundenen Apparates zur Messung der Schiffsgeschwindigkeit
gebaut worden. Den Schiffskörper der Elektra hat R. Holtz in Harburg a. d. Elbe geliefert. Das Schiff
ist aus verzinktem Stahlblech gebaut, 11m,5 lang
und etwa 2m breit und hat voll ausgerüstet einen
Tiefgang von ungefähr 0m,80. Die Elektra kann etwa 20 Personen fassen. In der Mitte des
Schiffes befinden sich unter einem niedrigen Deck die 80 Accumulatoren, welche die
Elektricität zur Bewegung des die Schiffsschraube treibenden Elektromotors liefern;
letzterer ist durch eine Kuppelung unmittelbar mit der Schraubenwelle verbunden. Die
dreiflügelige Schraube hat etwa 400mm Durchmesser
und läuft mit 800 Umdrehungen in der Minute, wobei die Geschwindigkeit des Schiffes
11km in der Stunde beträgt. Die Kuppelung ist
elastisch, damit sie die Stöſse beim plötzlichen Angehen der Maschine abfangen kann;
sie besteht aus 2 Scheiben mit vorstehenden Armen, welche durch Drahtschraubenfedern
mit einander verbunden sind.
Die Accumulatoren werden durch eine mittels Dampfkraft bewegte elektrische Maschine
vom Lande aus geladen, wobei von letzterem nach dem Schiffe zwei Leitungen geführt
werden. Die Ladung der Accumulatoren reicht für eine Fahrt von 3 Stunden aus, dann
muſs eine neue Ladung erfolgen.
Mit Hilfe eines Umschalters können die sämmtlichen Accumulatoren hinter einander oder
in zwei oder vier Gruppen neben einander geschaltet werden.
Endlich bringen die Industries, 1887 Bd. 2 * S. 95
einige Angaben über eine elektrische Vergnügungsyacht Trouvé's, welcher im J. 1881 sein elektrisches Boot bei Gelegenheit der
Pariser Elektricitäts-Ausstellung vorgeführt hat (vgl. 1885 256 * 502). Trouvé hat über seine neue Yacht
(Heuräka) kürzlich in der Société Internationale des Electriciens gesprochen. Dieselbe enthält 4 Trouvé'sche Batterien zu je 6 Elementen, welche bei
0,07 bis 0,08 Ohm Widerstand eine elektromotorische Kraft von je 1,9 Volt besitzen.
Die Elektromagnete des Motors sind bogenförmig, behufs Verminderung des Gewichtes;
der Anker ist ein Gramme'scher Ring, welcher aus
weichen Eisenscheiben von äuſserster Dünne (etwa 0mm,2) hergestellt ist; der Zwischenraum zwischen dem Anker und den
Polstücken ist sehr klein. Das Gewicht des Motors von ½ Pferdstärke beträgt nur 8k,2. Der Motor ist über dem Steuer aufgestellt und
überträgt die Bewegung mittels einer Riemenkette auf eine Schraube von
eigenthümlicher Einrichtung. Trouvé hat gefunden, daſs
es wirthschaftlicher ist, kleine Schrauben mit groſser Geschwindigkeit laufen zu
lassen, als groſse Schrauben mit kleiner Geschwindigkeit. Er behauptet, mit seinem
Boote eine Fahrgeschwindigkeit von 16km,7 in der
Stunde erreicht zu haben. Da die Fahrt ohne alles Geräusch vor sich geht und die
Lustyacht oft in sehr dicht besetzten Gewässern fährt, so ist sie mit einer Sirene
versehen worden, mit welcher die Annäherung der Yacht signalisirt werden kann; die
Sirene besteht aus einem kleinen Elektromotor und den gewöhnlichen zwei über
einander liegenden Scheiben mit schrägen Löchern; ihre Trompete ist auf einem
Ständer so befestigt, daſs sie nach allen Seiten gedreht werden kann. Durch den
Druck auf einen Knopf wird der Strom durch den Elektromagnet gesendet.