Titel: | [Kleinere Mittheilungen.] |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, Miszellen, S. 575 |
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[Kleinere Mittheilungen.]
Kleinere Mittheilungen.
Ueber die Entwickelung des deutschen Patentwesens.
Anschlieſsend an die Mittheilungen auf S. 463 sei in Folgendem eine interessante
Untersuchung über den Wirthschaftswerth der deutschen
Patente nach dem Patentblatt wiedergegeben:
Die im deutschen Patentgesetz vorgesehene Einrichtung, daſs der Patentinhaber von
Jahr zu Jahr aufs Neue vor die Frage gestellt wird, ob ihm das gewährte Sonderrecht
noch die fällig werdende Patentgebühr werth erscheint und daſs er dasselbe fallen
lassen kann, wenn solches nicht mehr der Fall ist, ergibt die Möglichkeit, den
durchschnittlichen wirthschaftlichen Werth der deutschen Patente, wie er aus der
eigenen Abschätzung ihrer Inhaber hervorgeht, für jedes Jahr zu berechnen. Denn die
amtliche Patentstatistik gibt für jedes einzelne Kalenderjahr
den Gesammtbetrag der wirklich entrichteten Patentgebühren (P) in
Mark, sowie die am Jahresschluſs in Geltung gewesenen Patentrechte (n), woraus sich
die auf ein Patent entfallende Jahresgebühr zu
p=\frac{P}{n}\ \mbox{Mark}
berechnen läſst. Die so ermittelte Zahl wird eine gewisse
Beachtung verdienen, weil sie auf einer freien Würdigung aller thatsächlichen
gewerblichen und wirthschaftlichen Verhältnisse beruht, die von der Gesammtheit der
Patentinhaber selbst in ihrem eigenen ökonomischen Vortheil, also gewiſs sorgfältig
ausgeführt wird.
Es erscheint nun die Auffassung nahe liegend, die von den Patentinhabern bewirkte
Zahlung dieser Jahresgebühr wie die Verzinsung eines Kapitalwerthes anzusehen, der
sich nach dem landesüblichen Zinsfuſs als ein Vielfaches derselben ergibt; unter
Annahme einer 4procentigen Kapitalverzinsung würde sich sonach der durchschnittliche
Wirthschaftswerth der deutschen latente berechnen zu
w=25\,.\,p=25\,.\,\frac{P}{n}\ \mbox{Mark}.
Die Ausführung der angedeuteten einfachen Rechnungen läſst für die letzten 12
Kalenderjahre des Bestehens der deutschen Patentverwaltung (1878 bis 1889) zu den in
folgender Tabelle ersichtlichen Ergebnissen gelangen.
Jahr
PatentgebührenP
Mark
Zahl derrechtsgültigenPatente n
MittlereJahresgebührp=\frac{P}{n}
Mark
Kapitalwertheines Patentesw = 25.p
Mark
1878
265150
4227
62,73
1568
1879
410165
6807
60,26
1507
1880
514525
8007
64,26
1607
1881
660940
8619
76,68
1917
1882
787350
9452
83,30
2083
1883
928570
10535
88,14
2204
1884
1058610
10994
96,29
2407
1885
1157210
11046
104,76
2619
1886
1274940
11249
113,34
2834
1887
1375950
11512
119,52
2988
1888
1472050
11810
124,64
3116
1889
1637840
12732
128,64
3216
Die in der Zahlenreihe für w erkennbare auffallende (nur
in den beiden ersten Jahren unterbrochene) Gleichmäſsigkeit des Ansteigens kann
offenbar nicht aus dem gröſseren oder geringeren Maſse des von einzelnen Personen
dem Erfinder entgegengebrachten Wohlwollen erklärt werden, vielmehr wird man hier
die Resultante beharrlich wirkender innerer Kräfte erblicken müssen, die von der
sicheren pflichtgemäſsen Durchführung eines aus dem Geiste einer neuen Zeit
geborenen Gesetzes wachgerufen wurden.
An dem Ausfall der jeweiligen Höhe dieses auf dem Gesammturtheil aller Patentinhaber
beruhenden mittleren Wirthschaftswerthes sind offenbar zwei Hauptfaktoren
betheiligt: einerseits die von den politischen Verhältnissen abhängige allgemeine
Lage der Industrie und andererseits das Vertrauen derselben auf die besondere
Sicherheit des Schutzes, welcher von der deutschen Patentverwaltung gewährt wird.
Man könnte schon über die Lage der Dinge eine gewisse Beruhigung empfinden, wenn der
Durchschnittswerth der zu Recht bestehenden Patente im Laufe der Zeit sich nur eben
auf gleicher Höhe halten würde, ergibt sich aber wie hier eine starke und ganz
regelmäſsige Zunahme dieser Werthziffer, so wird man die Veränderung des einen oder
anderen Hauptfaktors (oder beider) im günstigen Sinne zugeben müssen und man wird
nur die Wahl haben, ob man für den bezeichneten zwölfjährigen Zeitraum dem
wachsenden Vertrauen zur allgemeinen Friedenslage oder demjenigen zur Sicherheit des
deutschen Patentschutzes das stärkere Gewicht beimessen will; für Zulässigkeit der
zweiten Begründung wird vielleicht der weitere Umstand sprechen, daſs in derselben
Zeit, in der sich der mittlere Kapitalwerth der deutschen Patente mehr als
verdoppelte, auch noch die absolute Zahl der in Geltung verbliebenen Patente sich
verdreifacht hat. Je seltener diejenigen Erfinder, die dem gesicherten Schutz ihrer
Unternehmungen den erwünschten Erfolg verdanken, ihre Befriedigung in Worte zu
kleiden pflegen, um so eindringlicher wird man die unbestreitbaren Zahlen reden
lassen dürfen, die sich in einfachster Weise aus der amtlichen Statistik ergeben.
Daſs das deutsche Patentamt noch viel mehr Patente ertheilt, als die Liste der in
rechtlicher Geltung erhaltenen aufweist, bestätigt nur, daſs der Begriff „neue
Erfindung“ einen gröſseren Umfang hat, als der Begriff „einträgliche neue
Erfindung“, worüber man sich – als eine selbstverständliche Sache – nicht
immer aufs Neue verwundern sollte.
Man würde Qualität mit Quantität, inneren Werth mit äuſserlichem Erscheinen
verwechseln, wenn man für die Beurtheilung des deutschen Patentwesens immer nur die
Anzahl der jährlich ertheilten Patente in Betracht ziehen wollte, und es wäre nur zu
wünschen, daſs eine sichere Ermittelung des wirthschaftlichen Werthes auch für die
im Ausland gewährten Patentrechte möglich wäre; aber dazu fehlen leider alle
Unterlagen!