Titel: | Russische Kriegsschiffe. |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, Miszellen, S. 597 |
Russische Kriegsschiffe.
Die für die kaiserl. russische Regierung bei Schichau in
Elbing bestellten 3 Schiffe haben in diesen Tagen bei ihren Probefahrten alle
Anforderungen glänzend erfüllt. Der Torpedokreuzer Lieutenant Kassarski hat 58m Länge und
7m,5 Breite, ist mit Schichau'schen Dreifach-Expansionsmaschinen von 3500 indic. , und
2 Locomotivkesseln für 12at Arbeitsdruck versehen,
welche mit Schichau'scher Patentfeuerung arbeiten.
Auf der dreistündigen ununterbrochenen Probe, welche mit vollen Kohlenbunkern (95t) und mit completer Ausrüstung an Bord abgehalten
wurde, erreichte der Kreuzer bequem die vorgeschriebene mittlere Geschwindigkeit von
21 Knoten in der Stunde.
Das Torpedoboot Anakreon ist 39m lang und 5m
breit und unterscheidet sich von den früher der russischen Marine von Schichau gelieferten Booten in der Hauptsache nur durch
stärkere Maschinen und dementsprechend gröſsere Geschwindigkeit. Während bei den
früheren Booten eine Geschwindigkeit von 19 Knoten in der Stunde bedungen war,
betrug sie diesmal 21 Knoten, welche Geschwindigkeit bei der Probe mit Leichtigkeit
innegehalten wurde.
Das Torpedo-Eclaireurboot Adler gehört einer neuen, von
Schichau eingeführten Art an; es ist ein
Doppelschraubenschiff von 46m,5 Länge und 5m,2 Breite und ist mit 2 Maschinen von zusammen
2200 versehen. Die bedungene Geschwindigkeit betrug 26,5 Knoten in der
Stunde während einer zweistündigen ununterbrochenen Fahrt. Selbst in den
bestunterrichteten Marinekreisen herrschte die Meinung, daſs es unmöglich sein
werde, diese Leistung inne zu halten. Die Proben haben gezeigt, mit welcher
Sicherheit die Firma Schichau die von ihr übernommenen
Garantien zu erfüllen versteht. Die mittlere Geschwindigkeit des Schiffes betrug
26,55 Knoten, während die gröſste Geschwindigkeit sich bis zu 27,4 Knoten erhob.
Die russische Marine besitzt in diesem Fahrzeuge wohl den schnellsten Dampfer der
Welt. Die in anderen Marinen gemachten Versuche, sehr hohe Geschwindigkeiten zu
erreichen, sind meist traurig gescheitert; so hat z.B. das vor seiner Vollendung so
ungemein gerühmte französische Torpedoboot Ouragon, für
mindestens 25 Knoten Geschwindigkeit bestimmt, bei seinen Abnehme-Probefahrten nur
17 Knoten geleistet. Das für die französische Marine bestimmte Boot Coureur, mit 25 Knoten garantirt, hat es auf den Proben
nicht über 23 Knoten bringen können. Das amerikanische Boot Cushing, gebaut von der Herreshoff Co.,
sollte alles Dagewesene weit übertreffen und mindestens 30 Knoten laufen; nachdem es
jetzt ein Jahr lang Proben abgehalten und dabei die Kessel gewechselt hat, beträgt
das schlieſsliche Resultat etwas über 20 Knoten in der Stunde. Der Nichterfolg des
Ouragon hat seinen Erbauern die kleine Summe von
250000 Frcs. nur als Strafe gekostet. (Nach der Industriellen Beilage der Petersburger Zeitung vom 30. Mai 1890.)