Titel: | Steinconservirungsmittel „Testalin“. |
Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, Miszellen, S. 119 |
Steinconservirungsmittel „Testalin“.
Poröse Baumaterialien besitzen die unangenehme Eigenschaft, in Folge der
Wasseraufnahme und nachfolgenden Gefrierens im Winter allmählich mürbe zu werden;
weichere Steinsorten zeigen sich hierdurch an der Oberfläche oft völlig verwittert,
bei manchen Sandsteinen fällt eine Schicht nach der anderen ab, sofern diese
parallel nach aussen gerichtet sind. Die Porosität bringt noch den Nachtheil, dass
Staub und Rauch sich äusserst fest auf den Häuserfassaden ansetzen, indem sie von
dem eindringenden Wasser nachgesaugt werden, so dass sich die Fläche durch einfaches
Abwaschen nicht mehr reinigen lässt. Durch Oelfarbanstrich kann wohl der Uebelstand
beseitigt werden, bei schöner Steinarchitektur wird man jedoch zu diesem Mittel
nicht greifen. Ein von Hartmann und Hauers in Hannover
erfundenes Verfahren bezweckt nun, die Poren des Bausteines, von der Oberfläche aus
bis zu geringer Tiefe, derart zu verlegen, dass Wasser am Eindringen verhindert
wird, ohne dass hierdurch der Charakter des Steinartigen verloren ginge; im Gegentheil, es
findet noch eine Belebung des Farbentones statt.
Das in Anwendung gebrachte Mittel, Testalin genannt, besteht aus zwei Flüssigkeiten,
die nach einander auf den Stein mittels Pinsels aufgetragen werden: eine
alkoholische Auflösung von Kali-Oelseife und eine wässerige von essigsaurer
Thonerde. Schüttet man versuchsweise beide Flüssigkeiten zusammen, so fällt eine
klumpige Masse von Thonerde-Oelseife aus, die von gelblicher Farbe, in Wasser völlig
unlöslich und von zäher, gummiartiger Beschaffenheit ist, ohne an den Fingern zu
kleben. Diese Masse ist es auch, welche sich in den Poren des Steines bildet. Man
streicht erst mit der Seifenlösung, bei besonders weichem Gestein auch zu
wiederholtem Mal; ist dieselbe eingezogen – nach 2 bis 3 Stunden – so folgt der
Thonerdeanstrich, in den Gesteinsporen scheidet sich jetzt die Thonerde-Oelseife
aus.
Durch Prüfung des Verfahrens im Kleinen konnten wir erkennen, dass die Farbe des
Steines durch den Anstrich gehoben wird, und ferner, was uns als die Hauptsache
erscheint, dass das Material völlig wasserabweisend geworden ist; Wasser fliesst wie
von einer geölten Fläche ab, während sich die ungestrichenen Stellen sofort
vollsaugen. Von Erfahrungen aus der Praxis über das neue Steinconservirungsmittel
berichtet Dr. Glinzer in der Deutschen Bauzeitung: Das Hamburger Rathhaus wurde mit Testalin behandelt;
nach fast einjähriger Dauer konnte der angesetzte Schmutz, Russ und Staub, da er
nicht in die Poren des Gesteins eingedrungen war, zum grössten Theil einfach durch
Abspritzen mit dem Schlauch, das Uebrige durch Abbürsten mit Wasser vollkommen
entfernt werden.
Testalin kostet 60 Pf. das Kilo. Nach Angabe der Fabrikanten stellt sich der Anstrich
für das Quadratmeter auf etwa 20 Pf. an Material. Zu beziehen ist das Mittel von der
Rheinischen Glasindustrie in Heidelberg, welche die
Vertretung für Süddeutschland übernommen hat. (Badische
Gewerbezeitung.)