Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 313, Jahrgang 1899, Miszellen, S. 175 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Das Vorkommen und die Gewinnung des Platins in
Russland.
Nach einer Mitteilung von H. Louis in der Berg- und hüttenmännischen Zeitung stammen 95% des auf
der ganzen Erde gewonnenen Platinmetalles aus dem Ural. Das Vorkommen des Metalles
wurde im Jahre 1819 in den Seifen von Werch-Isetsk entdeckt. Sechs Jahre später
wurden die bedeutenden Platinseifen von Goroblagodatsk und Nischni-Tagilsk entdeckt.
Vom Jahre 1828 bis 1845 wurde das Platin von der russischen Regierung als Münzmetall
verwendet und zu 3-, 6- und 12-Rubelstücken ausgeprägt. In dieser Zeit wurden 950000
Unzen Platin (1 Unze = 31,103 g) ausgemünzt. Die Gesamtmenge des Platins, welche
seit seiner Entdeckung bis zum Jahre 1896 gewonnen worden ist, wird auf 4250000
Unzen geschätzt. Die sämtlichen Platindistrikte Russlands, von welchen der von
Goroblagodatsk und der von Nischni-Tagilsk die wichtigsten sind, liegen auf einer
Länge von 80 engl. Meilen in der Zentralkette des Uralgebirges im Gouvernement Perm
und im Bezirke der Bergverwaltung von Jekaterinburg. Die Seifen befinden sich in
kleinen Flussthälern; die Betten der grösseren Flüsse sind nur selten platinführend.
Die Seifen des Distriktes von Goroblagodatsk liegen ausschliesslich auf der
asiatischen Seite des Ural in dem Flussbette des Iss und seiner Nebenflüsse und
Bäche. Sie gehören dem Grafen Schuwaloff und einer
Anzahl von Gesellschaften, in welchen letzteren die Herren Burdakoff eine bedeutende Rolle spielen. Die Seifen des Distriktes von
Nischni-Tagilsk liegen zum grössten Teile auf der europäischen Seite des Ural in dem
Gebiete der Flüsse Vissim und Martian. Sie gehören ausschliesslich der Familie Demidoff. Die durchschnittliche Mächtigkeit der
eigentlichen Seifen beträgt 1,066 m, während die über denselben liegende Decke im
Durchschnitt 4,87 m dick ist. Die Geschiebe der Seifen bestehen aus Diorit, Gabbro,
Diallag und Olivenit, welcher letztere mehr oder weniger in Serpentin verwandelt
ist. Die Seifen, welche ausser Platin noch Gold enthalten, führen auch
Quarzgeschiebe, während die Goldseifen, welche eine geringe Menge Platin führen,
stets Serpentingeschiebe enthalten. Das Platin stammt aus basischen Gesteinen,
welche reich an Magnesia sind. So wurde dasselbe im Jahr 1892 von Inostransef fein eingesprengt in anstehendem
Serpentinfels gefunden. Das Platin wird durch Verwaschen des platinhaltigen Sandes
gewonnen. Der Platingehalt desselben hat in der neueren Zeit stark abgenommen. Im
Bezirke von Goroblagodatsk enthielten im Jahre 1870 die reicheren Sande noch 1 Unze
Platin per Tonne, in dem Zeitraum vom Jahre 1870 bis 1880 durchschnittlich ½ Unze,
in den Jahren 1882 und 1883 gegen 9 dwts. (1 Unze = 20 dwts.), im Jahre 1884 7 dwts.
8 grains (1 dwt. = 24 grains), im Jahre 1885 6 dwts. 5 grains, im Jahre 1886 4½
dwts., im Jahre 1895 nur noch 1½ dwts. per Tonne. Im Bezirk von Nischni-Tagilsk war
der Platingehalt von 1 t Sand in den Jahren 1825 bis 1829 48 dwts., in den Jahren
1829 bis 1838 ½ Unze, im Jahre 1849 15 dwts., in den Jahren 1850 bis 1883 7 dwts.,
im Jahre 1884 3½ dwts., im Jahre 1895 gleichfalls nur noch 1½ dwts.
Diese Verarmung hat ihren Grund in dem Umstände, dass man zuerst die reicheren Seifen
in dem Oberlaufe der kleineren Flüsse ausbeutete, während man zur Zeit auf die
Seifen in den breiteren Thälern und auf die Abgänge von dem Verwaschen der reichen
Seifen angewiesen ist.
Durch das Verwaschen des aus den Seifen gewonnenen platinhaltigen Materials erhält
man das Metall in der Gestalt von feinen Körnern und Schuppen. Dann und wann werden
auch Klumpen (nuggets) gefunden. Der grösste in dem Bezirke von Goroblagodatsk
gefundene Klumpen wog 72½ Unzen, während das Gewicht des grössten Klumpens aus dem
Bezirke von Nischni-Tagilsk 310 Unzen beträgt.
Von allem gewonnenen Platin erhebt der Staat eine Abgabe in natura. Dieselbe beträgt
bei dem auf fiskalischen Ländereien gewonnenen Metall 4½% von dem Gewicht desselben,
bei dem auf dem Grund und Boden von Privaten gewonnenen Metall 3% von dem Gewicht
desselben. Zum Zweck der Erhebung derselben muss das gesamte gewonnene Platin dem
Staatslaboratorium der Bergverwaltung in Jekaterinburg eingesandt werden. Hier wird es auf
die Feinheit von Gold geprüft, gewogen und nach Abzug des an den Staat zu
entrichtenden Anteils den betreffenden Eigentümern zurückgeschickt.
Das Verwaschen des platinhaltigen Sandes geschieht in geneigten Gerinnen und auf
geneigten Herden durch Handarbeit oder Maschinenkraft, bei thonigen Geschicken auch
in mit Rührwerken versehenen cylindrischen Gefässen mit Hilfe von Maschinenkraft.
Man erhält angereicherte Schliche, welche zum Schluss auf einem geneigten Herde
durch Handarbeit konzentriert werden.
Die konzentrierten Schliche werden zuerst mit Quecksilber behandelt, um das Gold aus
denselben auszuziehen und gehen dann als Rohplatin in den Handel. Sie enthalten dann
75 bis 85% reines Platin, ferner Chromit, eine kleine mit dem Platin legierte Menge
von Eisen, Osmium und Iridium in Mengen bis zu 5% und andere Platinmetalle, wie
Palladium und Ruthenium.
Die bei weitem grösste Menge des Rohplatins geht in das Ausland, besonders an die
Firmen Johnson, Matthey und Co. in London, Desmontis, Lemaire und Cie. in Paris und Heraeus und Co. in Hanau. Das in Russland verbleibende
Rohplatin wird durch Kolbe und Lindfors und durch die
Tentelef'sche chemische Fabrik, beide in St.
Petersburg, raffiniert. Die Menge des von denselben raffinierten Metalles dürfte zur
Zeit nicht viel über 5000 Unzen jährlich betragen.
Das in Russland angewandte Raffinierverfahren ist das nachstehende. Das Rohplatin
wird in Porzellanschüsseln von 0,609 m Durchmesser, welche auf einem Sandbade
stehen, mit Königswasser behandelt. Die so erhaltene Lösung wird zur Trockne
gedampft, der Rückstand wird mit Salzsäure aufgenommen, die erhaltene Lösung wird
wieder eingedampft, der Rückstand wird wieder mit Salzsäure behandelt, die Lösung
wieder eingedampft und diese Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis man eine von
Salpetersäure vollständig freie Lösung erhält. Die letztere wird nun von dem aus
Sand, Chromit, verschiedenen Platinmetallen u.s.w. bestehenden Rückstand
abfiltriert. Dieser Rückstand wird an deutsche chemische Fabriken verkauft, welche
denselben auf Platinmetalle verarbeiten. Aus der Lösung wird in Glasgefässen mit
Chlorammonium das Platin als Ammoniumplatinchlorid (Platinsalmiak) in der Gestalt
eines gelben Niederschlages ausgefällt. Derselbe wird nach dem Abdekantieren der
verbliebenen Flüssigkeit auf ein schüsselförmiges Filter gebracht und ausgewaschen,
wobei zur Beschleunigung des Filtrierens eine Filterpumpe angewendet wird. Man
erhält so den Niederschlag in Gestalt eines ziemlich festen Kuchens von 0,381 m
Durchmesser und 0,076 m Dicke. Derselbe wird langsam getrocknet und dann in einer
Muffel auf einem Platinblech zur Rotglut erhitzt. Hierbei werden Chlorammonium und
Chlor ausgetrieben und es bleibt ein grauer Kuchen von schwammförmigem Platin
zurück. Der Platinschwamm wird zerkleinert, in einem Mörser durch einen stählernen
Stempel zusammengepresst und dann mit Hilfe des Knallgasgebläses in einem Deville'schen Ofen zusammengeschmolzen. Der Ofen wird
aus gesägten Blöcken eines Kalktuffs hergestellt, welche durch Eisenreifen
zusammengehalten werden. Ein kleiner Ofen, welcher 100 bis 150 Unzen Platin
aufnimmt, wird aus einem Blocke von 0,203 m im Quadrat und 0,252 m Höhe hergestellt
und erhält nur eine Gasflamme. Die grösseren Oefen nehmen 500 bis 600 Unzen Platin
auf und erhalten zwei oder drei Gasflammen. Der Ofen ruht auf einer Eisenplatte und
kann so gekippt werden, dass das geschmolzene Metall in Formen gegossen werden kann.
Dieselben bestehen aus dem nämlichen Material wie der Ofen. Die Barren erhalten in
ihnen eine Stärke bis 0,050 m. Jeder Ofen hält nur eine Schmelzung aus. Die Oefen
sind indes leicht und billig herzustellen.
Die von dem Ammoniumplatinchloridniederschlage abfiltrierte Losung hält noch Platin
zurück. Das letztere wird aus derselben durch Eisen ausgefällt. Man erhält ein
unreines Platin, welches m der nämlichen Weise wie das Rohplatin raffiniert
wird.
Die Barren werden auf Rotglut erhitzt und dann zu Platten von 0,012 m Dicke
ausgeschmiedet. (The Mineral Industry, 1898 S.
539.)
Die Erfinder der Grundwasserleitungen.
Wir entnehmen darüber einem in der Frankfurter Zeitung
veröffentlichten Aufsatze von Dr. W. Belck das
Nachstehende:
Frankfurt a. M. ist vielleicht die erste Stadt gewesen, die es versucht hat, ihren
Wasserbedarf durch Anlage einer Grund-Wasserleitung zu decken. Es ist mir auch nicht
genau erinnerlich, wer den Ruhm, der Entdecker dieser Methode der Wasserbeschaffung
zu sein, für sich in Anspruch nimmt, glaube aber, dass die Propagierung und
Verwirklichung dieser neuen Idee zu hinein sehr erheblichen Teil dem Verdienst des
rühmlichst bekannten Baurat Lindley zuzuschreiben
ist.
Um so überraschender dürfte es daher wohl sein, zu hören, dass diese „neue“
Idee, wie so viele andere „neue“ Ideen für unsere gebildeten Westeuropäer
nichts weiter bedeutet, als eine Wiederauffindung einer alten, im Laufe der Zeiten
dort verloren gegangenen und vergessenen Methode, dass schon vor etwa 3000
Jahren die Völker bestrebt waren, und zwar mit grossartigstem Erfolge bestrebt
waren, sich die Wasserquantitäten, deren sie bedurften, auf diesem einfachen und
bequemen Wege zu beschaffen, ja dass sogar in gewissen Teilen der Erde diese Methode
bis heute in ununterbrochener praktischer Anwendung geblieben ist.
In grossen Teilen Asiens fängt man das Grundwasser noch heute auf und leitet es in
Kanälen nach den verschiedenen Verbrauchsorten hin. Freilich geschieht das in viel
einfacherer Weise als in Frankfurt: man wendet nicht viele Hunderte von kleinen
Röhren an, um das Wasser aufzusaugen, braucht auch keinerlei Pumpen u.s.w., da man
keine Druckwasserleitung herstellen will, aber das Resultat ist das gleiche:
mächtige Quantitäten Grundwasser werden auf diese Weise aufgeschlossen und dem
Dienste des Menschen nutzbar gemacht.
Das hierbei angewendete Verfahren ist folgendes: Man gräbt an Orten, die genügend
natürliches Gefälle bis zur Verbrauchsstelle aufweisen und an denen die
Konfiguration des Bodens hoffen lässt, Grundwasser anzutreffen, so namentlich am
Fusse grösserer Bergkomplexe oder Gebirge, einen brunnenartigen Schacht in die
Tiefe, bis man auf die wasserführende Schiebt stösst. Auch diese, in der Regel aus
Kies und Sand bestehende Schicht wird zum Teil entfernt, und der Schacht so weit
hinabgeteuft, bis man im tiefen Wasser steht. Nunmehr wird im Erdreich nach der
Richtung hin, in der man das angetroffene Wasser fortleiten will, ein
tunnelähnlicher Kanal ausgegraben, wobei man darauf bedacht ist, das zwischen dem
Anfangspunkte der Grundwasserleitung und dem Verbrauchsorte vorhandene Gefälle
möglichst zu schonen und keinen Dezimeter unnötig zu verlieren. In Entfernungen von
jeweils 18 bis 20 m wird abermals ein Brunnenschacht bis zu ungefähr derselben Tiefe
wie der erste niedergetrieben, der Kanal bis zu diesem Schachte und nun von
letzterem aus weiter fortgeführt bis zum nächsten Brunnen und so fort, bis man zur
Verbrauchsstelle gelangt. Der Tunnelkanal selbst wird nicht weiter gesichert,
wenigstens habe ich niemals bemerkt, dass er ausgemauert oder auch nur mit Steinen
ausgesetzt gewesen sei. Von allen Seiten her strömt nun das Grundwasser in den
Tunnel hinein, in welchem das Wasser leichter abfliessen kann als in der Widerstand
bietenden wasserführenden Schicht, und mit jedem Meter, den der Tunnel in dem
grundwasserführenden Terrain weiter fortgeführt wird, vergrössert sich entsprechend
auch das abfliessen de Wasserquantum. Hat man eine dem Bedarf entsprechende
Wassermenge in dieser Weise aufgeschlossen, so wird der Tunnel an einer geeigneten
Stelle an die Oberfläche geführt und das Wasser in nunmehr oberirdischen, offenen
Kanälen weiter fortgeleitet auf die zu berieselnden Felder u.s.w. Gewöhnlich sind
die Asiaten bestrebt, die oberirdische Kanalleitung so kurz wie möglich zu machen,
den unterirdischen Tunnel so nahe wie möglich bis an ihre Felder und Gärten
heranzuleiten. Ich möchte nicht gerade behaupten, dass das aus übergrosser Liebe zur
Arbeit geschieht, sondern um die unvermeidlichen Wasserverluste nach Möglichkeit
herabzudrücken, denn die Erfahrung hat ihnen gezeigt, dass in den oberirdischen
Kanalleitungen sehr grosse Wassermengen infolge von Verdunstung, Durchlässigkeit des
Bodens u.s.w. verloren gehen.
In der Regel beginnen die Bauern diese Grundwasserleitungen so nahe wie möglich bei
ihren Feldern; zeigt sich dann, dass das resultierende Wasserquantum unzureichend
ist, oder dass in späteren Jahrzehnten der Wasserzufluss aus irgendwelchen Gründen
nachlässt bezw. infolge Vergrösserung der zu bewässernden Kulturstufe eine
Vermehrung der Wassermenge erforderlich ist, so kann ohne Schwierigkeit das
Kanalsystem im Grundwassergebiet mit dem Gehänge aufwärts fortschreitend verlängert
und dadurch die Wasserzuflussmenge entsprechend vergrössert werden. Gelangt man
hierbei schliesslich an die Grenze des Grundwassergebiets, ohne genügend Wasseradern
aufgeschlossen zu haben, so werden häufig Zweigkanäle angelegt, so dass man es mit
einem vollständigen unterirdischen Kanalnetz zu thun hat.
Alljährlich, zu Beginn des Sommers, nach den grossen Frühjahrsregen muss das ganze
Kanalsystem gereinigt werden, was genau in derselben Weise wie bei uns die Reinigung
des Kanalisationssystems ausgeführt wird. Ein Brunnenschacht nach dem anderen wird
geöffnet; die Arbeiter steigen hinunter und schaffen mit Winden und Eimern die im
Laufe des Jahres in den Kanälen sich ansammelnden schlammigen Erdmassen heraus. Ohne
diese Reinigung würde sich sehr bald schon der Tunnel mehr und mehr verstopfen, der
Wasserabfluss einem ständig wachsenden Widerstand begegnen und infolgedessen die
resultierende Wassermenge schnell abnehmen. Das gewonnene Wasser ist meist von ganz
vorzüglicher Qualität, kühl, klar und rein (nur bei sehr starkem Regen infolge des
sehr primitiven Verschlusses der Brunnenköpfe trübe) und infolge seiner Filtration
durch eine mehrere Meter dicke Erdschicht in hohem Grade bazillenfrei, deshalb auch
in hervorragender Weise als Trinkwasser zu empfehlen und verwendet. Die Hauptmasse
freilich wird zur Bewässerung der Gärten und Felder verwendet, und Millionen von
Hektaren Land, die heute in flussarmen Gegenden reichsten Ertrag an Korn und Früchten
liefern, würden ohne dieses Hilfsmittel wüstes Oedland sein.
Solche unterirdische Grundwasserleitung sah ich zum erstenmal vor etwa 10 Jahren bei
der deutschen Kolonie Annenfeld, nahe dem Siemens'schen
Kupferwerk Kedabeg in Transkaukasien, wo sie aber ebenso wie beim Kloster
Etschmiadzin, dem Sitze des armenischen Papstes, als ein ganz vereinzeltes
Vorkommen, eine erst vor wenigen Jahrzehnten aus anderen Gebieten importierte
Einrichtung zu betrachten ist. In der That ist in ganz Transkaukasien diese Methode
der Wassergewinnung so gut wie unbekannt, und es scheint, dass der Araxes,
wenigstens so weit die neuere Zeit in Betracht kommt, die nördliche
Verbreitungsgrenze derselben darstellt. Um so häufiger dagegen habe ich solche
Kanalanlagen auf meinen späteren Reisen in der asiatischen Türkei und in Persien
angetroffen. Man braucht nur den Araxes bei der russisch-persischen Grenzstation
Dschulfa zu überschreiten, um sofort auf solche Grundwasserleitungen zu stossen, und
während auf der russischen Seite grosse Terrainstrecken infolge Mangels an
Berieselungswasser unkultiviert liegen bleiben müssen, haben auf der viel
wasserärmeren persischen Seite die Aderbeidschaner Tataren mit Hilfe dieser Methode
dem Boden an Kulturland abgerungen, was sich bei dem gegebenen Wasserquantum nur
irgend abringen liess.
Wer aber waren wohl die Erfinder dieser Methode der Wasserbeschaffung und bis in
welches Zeitalter zurück lässt sich mit Sicherheit die Anwendung dieser Methode
verfolgen?
Die deutschen Bauern in Annenfeld bezeichneten mir ihre unterirdische Kanalleitung
als „persische Wasserleitung“, aber der Schluss, es sei also eine Erfindung
der Perser, würde voreilig sein, da ja diese Benennung schon lediglich daraus
hervorgegangen sein kann, dass es Perser, Aderbeidschaner Tataren waren, die den
Deutschen diese Leitung anlegten. Zur Erläuterung dieses Punktes will ich nur kurz
bemerken, dass in dem nahen Kedabeg ständig wohl an 1000 und mehr dieser Tataren als
Arbeiter beschäftigt sind. Die Armenier in Van dagegen bezeichneten diese Leitungen
als eine alte armenische Erfindung, sie waren der Ansicht, dass solche nur in und
bei der Stadt Van existierten und führten als Beweis die Thatsache an, dass, als.
der Katholikus die Leitung für Etschmiadzin habe anlegen wollen, er gezwungen
gewesen sei, sich Meister und Arbeiter aus Van kommen zu lassen, da in
Transkaukasien keine Leute zu finden gewesen seien, die diese Kunst verstanden
hätten. Meine Mitteilung, dass ich viele derartige Anlagen in Persien gesehen hätte,
verblüffte sie einigermassen und die Frage, ob und inwieweit die Annahme der
Armenier auf Wahrheit beruht, wird noch einer kritischen Untersuchung zu unterziehen
sein.
Für diesen Zweck aber ist es unerlässlich, die ungefähre Grenze des
Verbreiterungsgebietes dieser Art von Wasserleitungen zu bestimmen.
Wie weit sich diese Grenze östlich nach Persien hinein erstreckt, kann ich mit
Sicherheit nicht sagen, wahrscheinlich aber nicht viel über die Ufergebiete des
Urmia-Sees hinaus. Keinesfalls ist es eine bei den Persern bezw. Tataren allgemein
bekannte und angewandte Methode der Wassergewinnung, denn sonst hätten sie dieses
Verfahren sicher auch in denjenigen Teilen Transkaukasiens, die ihnen
jahrhundertelang unterworfen gewesen sind, und die infolge Mangels an Bewässerung
zum Teil auch heute noch Oedland darstellen, zur Anwendung gebracht. Dies gilt
namentlich von der Eriwanschen Ebene.
Im Süden habe ich eine grosse derartige Kanalanlage in der Ebene von Arbela bemerkt,
wo sie aber auch ein vereinzeltes Vorkommen repräsentiert, sich nicht nach Westen
hin in die Ebenen des eigentlichen assyrischen Reiches hin erstreckt, somit also
auch keine Erfindung der Assyrer (bezw. der Babylonier, von denen ersteren sie
sofort, wie fast ihre ganze Kultur, übernommen hätten) sein kann. Nach Westen und
Norden hin bilden der Araxes und die Ufergebiete des Van-Sees die
Verbreitungsgrenze; jenseits der Ebenen von Musch und Melasgert und ebenso nördlich
vom Araxes (hier abgesehen von den zwei bereits erwähnten sporadischen Vorkommen)
habe ich derartige Anlagen nicht angetroffen. Das beweist zur Evidenz, dass auch die
Armenier nicht die Erfinder dieser Methode sind, denn letztere haben vor ihrer gegen
600 v. Chr. erfolgten Invasion in das heute Armenien genannte Gebiet sehr lange
Zeit, wahrscheinlich mehrere jahrhundertelang, in Cappadocien mit Erzingion und
Caesarea als dem ungefähren Mittelpunkte ihres Reiches gesiedelt; dort also müssten
wir derartige Anlagen besonders zahlreich vorfinden, während thatsächlich unsere
Methode dort absolut unbekannt ist.
Damit haben wir so ziemlich alle in der Geschichte bisher genannten grossen
Völkerschaften aufgezählt, keiner von ihnen kommt der Ruhm und das Verdienst zu,
diese Methode entdeckt zu haben. Wer aber waren dann die Erfinder derselben? Nun,
ein Kulturvolk, von dem bisher in der landläufigen alten Geschichte nichts
verlautete, über dessen Geschichte und Schicksale wir bis vor 20 Jahren nicht das
Geringste wussten, eine Nation, die so spurlos verschwunden ist, dass selbst ihr
Name sich kaum irgendwo erhalten vorfindet und deren einst so hoch entwickelte,
glänzende Kultur mit der Invasion der Armenier ebenfalls bis auf einige wenige
gewaltige Merksteine in der Kulturgeschichte der Menschheit zu Grabe gegangen
ist.
Es sind die Bewohner jenes mächtigen Reiches, das in den assyrischen Keilinschriften
so häufig als „Urartu“ – woraus in der Bibelübersetzung der Septuaginta durch
Vokalumlautung „Ararat“ geworden ist – als ein gefürchteter Nachbar und
Rivale erwähnt wird, ein Reich, das fast ein Jahrhundert lang mächtiger als Assyrien
selbst dastand und ihm die Herrschaft der Welt mit Erfolg streitig machte.
„Chalder“ (Chaldini) nannten sich die Bewohner dieses Reiches, ein Name, der
nicht, wie das von den griechischen und späteren Historikern leider regelmässig
geschehen ist, mit dem der babylonischen „Chaldäer“ verwechselt werden darf,
und „Chaldia“ (mitunter auch wohl mit der noch älteren Bezeichnung Biaina)
war der einheimische Name ihres von den Assyrern Urartu (so nach einer kleinen
Provinz) genannten Reiches, beide Benennungen abgeleitet von „Chaldis“, dem
Namen des Hauptgottes dieses Volkes. Die Hauptstadt dieses grossen Reiches, dessen
Grenzen sich vom Ostufer des Urmia-Sees bis über Erzerum und Malatia hinaus, von den
kaukasischen Gebirgen im Süden von Tiflis bis nach Arbela und Mosul im Süden hinab
erstreckten, war Van, deren alter Name Tospa sich in dem altlateinischen Namen des
Van-Sees „Mare Thospitis“ erhalten vorfindet.
Die ganze Bedeutung der Chalder für die Kulturentwickelung der Menschheit lässt sich
heute noch nicht überschauen, aber einige wenige Daten werden schon genügen, diese
ins rechte Licht zu setzen. Es waren höchst wahrscheinlich die Chalder, welche die
Eisenbereitung erfanden; Chalder waren, lange vor den nachhinkenden europäischen
Ingenieuren, die Erfinder der Turbinenmühlen! Sie waren Meister in der Kunst,
Gesteine zu bearbeiten, und die bei unseren Ausgrabungen auf Toprak Kaleh zu Tage
geförderten Mosaikarbeiten zeichnen sich sämtlich durch Eleganz, Schönheit und ganz
eigenartigen Stil aus.
Besonders bewundernswert waren ihre Kenntnisse und Fertigkeiten in der
Wasserbaukunst, der Anlage von Kanälen und Staubecken, die seit nunmehr über 2600
Jahren ununterbrochen im Dienste der Menschheit arbeiten, heute noch so
funktionieren, wie zur Zeit ihrer Erbauung! Unter diesen Kanälen befindet sich einer
von etwa 80 km Länge, der auf grosse Strecken hin im künstlich geschaffenen 7 bis 9
m hohen Bette dahinströmt; einer dieser Stauseen besitzt eine Kapazität von
reichlich 60 Millionen Kubikmeter, und alle diese Anlagen zeigen eine derartige
technische Vollendung, dass es kaum für einen modernen erstklassigen Ingenieur
möglich ist, etwas Besseres und Dauerhafteres herzustellen; so hervorragend waren
die Fähigkeiten dieses jetzt spurlos verschwundenen Volkes.
Und zu den anderen, bereits genannten Verdiensten desselben ist auch die Erfindung
der Methode der Grundwasserleitungen zu rechnen. Nicht allein, dass die vorhin
angegebenen Verbreitungsgrenzen dieser Anlagen dem eigentlichen Zentrum und
Stammland der Chalder entsprechen, nirgends auch finden sich diese Anlagen so
zahlreich und bis in die kleinsten Details hinein subtil ausgearbeitet und
entwickelt wie gerade hier in und um Van selbst herum.
Fast alle Gärten der Stadt – und thatsächlich ist die ganze Stadt nichts weiter wie
ein einziger grosser Garten und Park, in dem man aus der Vogelperspektive eben nur
hier und da die Dächer der Häuser hervorblicken sieht – werden durch solche Kanäle
bewässert, die zugleich ein sehr gesundes, weil bazillenfreies Trinkwasser
liefern.
Und so haben wir denn das Prototyp der berühmten Grundwasserleitung hier in Asien im
fernentlegenen Van zu suchen.
Bücherschau.
Das Elektrotechnische Institut der
grossh. Technischen Hochschule zu Karlsruhe. Von Prof. E. Arnold. 59 S. mit 31 Textfiguren, 1 Titelblatt und 7
Tafeln. Berlin, Jul. Springer und München, R. Oldenbourg.
Eine Anstalt, dazu bestimmt, einerseits den heranreifenden Techniker mit den
Anforderungen seines Berufes bekannt und vertraut zu machen, andererseits der
ausführenden Industrie durch Aichungen, Gutachten und Erprobung neuer Methoden an
die Hand zu gehen, verdient so vielseitiges Interesse, dass eine Veröffentlichung
ihrer gesamten Einrichtungen, wie dies im vorliegenden Werk geschieht, als höchst
erwünscht mit Dank begrüsst werden muss. Die durch vorzügliche Abbildungen
unterstützte Beschreibung des auf den Grundlagen praktischer Erfahrung erstandenen
jüngsten elektrotechnischen Instituts wird somit allseitige Anerkennung finden.