Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, Miszellen, S. 35 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Maschinentechnik und Konstruktionslehre zur Zeit Wiebe's.
Der bei der Wiebe-Feier der Technischen Hochschule zu Berlin am 1. Dezember v. J. von Prof. Kammerer gehaltenen Festrede entnehmen wir das Nachstehende:
Zurückschauend auf den Anfang unseres Jahrhunderts, finden wir ein düsteres Bild äussersten Tiefstandes der deutschen Gewerbe,
eines Tiefstandes, der um so drückender war, als damals England und Frankreich bereits eingetreten waren in die Entwickelung
kraftbringender Industrie. Langsam spriesst in dieser harten Zeit die deutsche Technik auf und wächst erst gegen die Mitte
des Jahrhunderts zu bedeutender Höhe. Die Einzelheiten dieses mühevollen Anstiegs schildert uns kein Buch. Nur hier und dort
leuchtet in der Litteratur ein Streiflicht auf, nur selten begegnet uns eine dürftige statistische Zahl, die in groben Umrissen
die Entwickelung deutscher Maschinentechnik in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts erkennen lassen.
Diese Entfaltung deutschen Maschinenbaues ist gekennzeichnet durch das Zusammenfliessen zweier Ströme mit weit auseinander
liegenden Ursprüngen. Den einen dieser Ströme bildete die längst heimische Mühlentechnik und die Betriebseinrichtungen des
Bergbaues. Als Betriebskräfte standen zur Verfügung die Wasserkraft und die Windkraft. Erstere beschränkte die Anlage von
Triebwerken auf Bergland und Flussgebiet, letztere auf die freiliegende Ebene: es konnten daher nur zerstreute Triebwerksanlagen
begrenzten Umfanges entstehen. Die Vereinigung umfangreichen Kraftbetriebes war unmöglich. Die Kraftübertragung war auf die
kümmerlichen Mittel der Feldgestänge und hölzernen Wasserleitungen angewiesen.
Um so mehr muss uns die Kühnheit damaliger Techniker mit Staunen erfüllen, die mit so dürftigen Hilfsmitteln zu schaffen verstanden;
wurden doch im Jahre 1817 in Berchtesgaden und Reichenhall Wassersäulenmaschinen und Rohrleitungen angelegt, welche die Salzsole
über einen Gebirgssattel von 1500 Fuss Höhe drückten und auf eine Entfernung von 12 deutschen Meilen fortleiteten. Ein hölzernes
Feldgestänge in der Wetterau betrieb 1780 von einem 50 Fuss hohen Wasserrad aus eine Pumpe, welche in 6800 Fuss Entfernung
von diesem Rad aufgestellt war.
Die Maschinenteile dieser Betriebe waren mit eigenartiger Geschicklichkeit dein verfügbaren Material und den damals bekannten
Werkzeugen angepasst. Wellen wurden aus Holz mit eingesetzten schmiedeeisernen Zapfen hergestellt und in hoch-gezimmerten
Lagerböcken und Lagerschalen aus Granit oder Basalt gelagert; die aufgekeilten Zahnräder und Riemenscheibenwaren völlig aus Holz gebaut. Maschinengusseisen war damals ein kostbares, schwer erhältliches Material, das in unserem Lande
nur selten Verwendung fand. Kraftverteilung auf mehrere Maschinen von einem einzigen Wasserrad aus mittels Transmissionssträngen
war mit diesen Mitteln unausführbar; als typische Triebwerksanordnung fand sich daher eine Reihe von Wasserrädern hintereinander
in einem Gerinne liegend und mit kurzen hölzernen Wellen unmittelbar die Mahlgänge, Pochwerke, Sägen betreibend. Der Bau solcher
Maschinen war damals kein Sondergewerbe, jeder Müller und Kunstmeister fügte selbst seine Triebwerke zusammen unter Anleitung
eines Mühlenbaumeisters.
So ausgeprägt war die Eigenart dieser Maschinenwerke, dass in abgeschlossenen Gegenden noch heute fast unverändert solche
Anlagen ausgeführt werden, so die Windmühlen der Tiefebene so die Hammerwerke und Schneidsägen des Berglandes.
In dieses Festgefügte, Scharf geprägte brach nun unvermittelt ein fremder Strom ein: Von jenseits des Kanals kam eine neue
Betriebskraft – die Dampfenergie –, an keinen bestimmten Ort gebunden und an keine Grenze der Leistung. Aus den Giessereien
und Maschinenfabriken Englands kam ein neues Material – Gusseisen – und ein Bearbeitungsmittel – die Werkzeugmaschinen. War
vordem Gusseisen fast unbekannt, so führte die freie Formbarkeit dieses neuen Materials jetzt zu allzuweitgreifender Verwendung:
wurden doch die Schienen der Bergwerksbahnen, die Wellen, Schubstangen und Bogenbrücken gegossen – Stücke, die seit Einführung
des Walzenzuges und des Dampfhammers nur in geschmiedetem Material ausgeführt wurden.
Erschienen die massigen Holzkonstruktionen heimischen Mühlenbaues als ungefüges Cyklopenspielzeug, so erinnerten die aus der
Fremde gekommenen Cornwall-Maschinen mit dem gemessenen Gleichgang ihrer gusseisernen Balanciers an den wuchtenden Schritt
nordischer Riesen.
Diese beiden aus fernliegenden Gegenden zusammenfliessenden Ströme – die alte deutsche Mühlentechnik und der neue englische
Maschinenbau – suchten nun eine unvermittelte Vereinigung und aus diesem Ineinanderfluten entsprang ein Lebendiges, Neues:
die selbständige deutsche Maschinentechnik. Wäre englischer Maschinenbau in Deutschland nur nachgeahmt worden, hätte er nicht
Verständnis für mechanische Probleme fertig vorgefunden, dann wäre wohl nimmermehr die deutsche Ingenieurkunst zu so schneller
und selbständiger Blüte gereift.
In diese Zeit des Werdens fällt die Jugend des Mannes, dessen Gedächtnis dieser Stunde geweiht ist. In das Jahr seiner Geburt
– 1818 – trifft ein Ereignis, an sich geringfügig und doch der Keim zu zukunftsreicher Entwickelung: die Aufstellung der ersten grösseren, ganz aus Eisen gebauten Dampfmaschine in Berlin.
Nach den sorgfältigen Aufzeichnungen des Prof. Stein vom Berlinischen Gymnasium zum grauen Kloster gab es zu dieser Zeit in Berlin 8 Wassermühlen, 46 Windmühlen und 6 Rossmühlen.
So wird – um nur ein Bild herauszugreifen – die Spinnerei des Herrn Tappert in Berlin durch ein Rosswerk betrieben, in welchem 10 Pferde arbeiten, die alle 2 Stunden gewechselt werden, so dass 20 Pferde
unterhalten werden müssen. Die königl. Porzellanmanufaktur war bis 1799 durch ein Rosswerk mit 10 Pferden betrieben worden
und erhielt nun eine kleine Dampfmaschine mit hölzernem Balancier. Die Weberei von Cocherill in der Neuen Friedrichstrasse war 1813 auf Veranlassung des Staatsministers v. Stein entstanden und stellte 1818 eine englische Dampfmaschine von 30 PS auf. Von dieser Maschine schreibt der Fabrikenkommissionsrat
Weber:
„Die Maschine ist von der neuesten und vollkommensten Konstruktion, die man in England kennt, und ihr Gebrauch nicht mit der
entferntesten Gefahr verbunden. Sie ist die grösste und vollendetste in ihrer Art im preussischen Staate.“ So bescheiden uns dieser erste Anfang erscheint gegenüber den 3000 PS-Riesen der
heutigen Berliner Elektrizitätswerke, so bedeutend erscheint die Anlage für die damalige Zeit. Berichtet doch Prof. Langsdorf aus Heidelberg, dass eine Maschine dieser Grösse von Boulton und Watt in Sobo für 30000 Franken geliefert wird, während sie heute infolge Erhöhung von Dampfspannung und Geschwindigkeit etwa den
zehnten Teil dieser Kosten erfordert.
In die ersten Lebensjahre Wiebe's fallen die ersten Anfänge des Berliner Maschinenbaues: die Gründung der Maschinenfabriken von Freund und Egells. Zur Zeit, als Wiebe. in der Danziger Mühle thätig ist, wird die erste Schiffsmaschine von Egells gebaut; in der gleichen Zeit beginnt das Aufleuchten eines der glänzendsten Gestirne deutscher Industrie: Borsig gründet 1837 sein Werk. Als Wiebe Schüler des Gewerbeinstitutes ist – 1841 –, baut
Borsig seine erste Lokomotive. In dieser Zeit –
1843 und 1844 – werden die Maschinenfabriken von Wöhlert und Hoppe eingerichtet, der Bau von Dampfhämmern und Bergwerksmaschinen beginnt. Als im Jahre 1840 die erste Eisenbahn Preussens –
die Berlin-Potsdamer Bahn – und ein Jahr darauf die Berlin-Anhalter Bahn eröffnet wird, da setzt sich der Bestand an Lokomotiven
der letzteren aus 21 Maschinen zusammen, von denen die Mehrzahl zwar noch aus England stammt, 6 Maschinen aber bereits in
Berlin gebaut sind. Besonders schwierig gestaltet sich die Einführung deutscher Lokomotiven auf der Stettiner Bahn zu Anfang
der 40er Jahre. Der englische Maschinenmeister Rolson dieser Bahn thut sein Möglichstes, um deutsche Maschinen fernzuhalten: eine Wettfahrt aber kann er nicht hindern. Anfangs
laufen beide Maschinen gleichmässig. Bei einer Steigung versagt die englische Lokomotive, die Maschine von Borsig, geführt vom Monteur Anschütz, eilt weit voraus. Das Vorurteil ist gebrochen, der heimische Maschinenbau tritt in sein Recht.
Kaum wird heute die Vorstellung sich der Schwierigkeiten des ersten Anstiegs recht bewusst. Kein hilfreiches Vermögen steht
zur Seite, das Absatzgebiet muss erst geschaffen werden. Kostbare Werkzeugmaschinen können nicht beschafft werden, mit den
einfachsten selbstgefertigten Vorrichtungen muss gearbeitet werden. Das Bett einer grossen Hobelmaschine von Hoppe muss von Hand bearbeitet werden in Ermangelung einer ausreichend grossen Werkzeugmaschine, grosse Cylinder müssen ausgebohrt
werden durch zwei an dem Göpel der Bohrstange ziehende Pferde. Transmissionswellen werden vierkantig geschmiedet, und nur
die Lagerstellen mit dem Handstahl eingedreht, denn Wellendrehbänke sind nicht vorhanden. Die Naben der grossen Schwungräder
können mangels genügend grosser Planscheiben nicht gebohrt werden, sondern müssen vierkantig gegossen, mit Meissel und Feile
bearbeitet und mit acht Keilen auf der vierkantigen Achse ausgerichtet werden. Kolbenstangen werden aus Drahtbündeln geschweisst,
weil zähe grosse Stahlstücke nicht beschafft werden können. Grosse Gussstücke misslingen weil das wiederholte Ueberheben der
Giesspfanne von einem der langsam arbeitenden Handkräne zum andern das Eisen erkalten lässt. Genaue Massstäbe sind nur an
zwei Stellen in Berlin zu haben: bei dem Modelltischler
Ossyra der königl. Eisengiesserei und in der Werkstätte des königl. Gewerbeinstituts in der Klosterstrasse.
Und trotz all dieser Hindernisse erreicht jetzt von der Mitte des Jahrhunderts an im Sturmflug weniger Jahre die Maschinentechnik
Berlins die führende Stellung in Deutschland, dank der ungebrochenen Energie eines Borsig, eines Hoppe und Schwartzkopff. Noch nennt kein Geschichtswerk die Namen dieser und vieler anderer Pioniere deutscher Ingenieurkunst, noch bewahrt kein South-Kensington-Museum
ihre ersten Maschinen, und doch ist durch ihre Mitarbeit aus einem armen Land ein vollkräftig schaffendes, wirtschaftlich
blühendes erstanden.
In dieser Zeit plötzlichen Umschwunges und ungestümen Dranges in der deutschen Technik tritt der Mühlenbaumeister Wiebe heraus aus seiner praktischen Thätigkeit und beginnt sein Lehramt im Jahre 1845. Schwer genug mag es ihm gewordensein, den rechten Weg zu linden in einer Zeit, als an Stelle des Handwerks die Industrie trat, als die Handbearbeitung ersetzt
wurde durch die Maschinenbearbeitung, als die kleinen Dampfmaschinen von 10 bis 20 PS ersetzt wurden durch zehnfach stärkere.
Aufgabe des Lehrers war es ja gerade, das Entwickelungsfähige herauszugreifen aus dem raschen Wechsel der Erscheinungsformen
damaliger Maschinen, das durch Erfahrung Gewonnene wissenschaftlich zu durchleuchten und das Maschinenbauhandwerk zur Maschinenbaukunst
zu gestalten.
Was Wiebe nun in nahezu vierzigjähriger Lehrthätigkeit durch Vortrag und Unterweisung im Auditorium und im Zeichensaal gewirkt hat,
das vermögen nur seine Schüler voll zu schätzen. Wer sein Wort nicht mehr hören konnte, der vermag gleichwohl tief hinein
zu schauen in das Denken und Schaffen Wiebe's, wenn er die Schriften studiert, die uns von ihm hinterlassen sind. Vielseitig sind die von ihm bearbeiteten Gebiete: Dampfmaschinenbau
und Turbinenkonstruktion, Mühlentechnik und Werkzeugmaschinenbau. Von all diesen Werken mag nur eines herausgehoben werden:
„Die Lehre von den einfachen Maschinenteilen“, von denen der erste Band bereits 1854 erschien. Für den flüchtigen Blick mag ein Werk über die von vielen Autoren bearbeiteten
Maschinenelemente von minderem Interesse scheinen als ein Buch über ein anziehendes Sondergebiet. Und doch bietet gerade ein
Vergleich zwischen den Werken der verschiedenen Verfasser, welche dieses Arbeitsfeld beschritten haben, einen intimen Reiz;
ein solcher Vergleich zeigt, wie so ganz anders derselbe Stoff in der Denkweise des einen sich gestaltet als in der Anschauung
des anderen. Und gerade die führenden Geister haben mit Recht die Elemente des Maschinenbetriebs bearbeitet, denn ihre Beherrschung
bedingt die Lebensfähigkeit der Maschine.
Die Werke über Maschinenelemente, welche vor dem Jahre 1850 erschienen sind, geben im wesentlichen Beschreibungen der Maschinenteile,
wie sie in Mühlen und Stampfwerken, bei Wasserkraft- und Windkraftbetrieben vorkommen. Meist werden die Abmessungen als unveränderliche
Erfahrungsgrössen mitgeteilt, von Festigkeitsrechnungen sind nur die allerersten Anfänge vorhanden, gestützt nicht auf zulässige
Beanspruchungen, sondern auf Bruchkoeffizienten. Technologische Rezepte und Anleitungen für Aufreissen und Bearbeiten nehmen
einen breiten Raum ein. Die Darstellung gibt einen sprechenden Beweis dafür, dass die Technik damaliger Zeit fast ausschliesslich
auf mühsam gesammelter systemloser Erfahrung, auf Empirie beruhte.
Den unmittelbaren Gegensatz hierzu bilden die Werke über Maschinenelemente aus späterer Zeit, etwa aus den Jahren 1860 bis
1870. Hier scheint die Empirie verschwunden zu sein. Die Probleme der reinen Mechanik füllen die ersten Abschnitte dieser
Bücher, dann folgt die Behandlung der Theorien über Biegungs- und Drehungsfestigkeit in breiter Erörterung, während der Festigkeitsversuche
– die natürliche Grundlage der Festigkeitslehre – kaum erwähnt wird. Auf die deduktiven Auseinandersetzungen wird nun die
Bestimmung der Festigkeitsabmessungen der Maschinenteile aufgebaut in scheinbar zwingender Schlussfolgerung und zwar unter
Zugrundelegung der sogen. Elastizitätsgrenze als zulässige Beanspruchung. Der Widerspruch zwischen den so berechneten Abmessungen
mit der wirklichen Ausführung wird dadurch behoben, dass sogen. Korrektionskoeffizienten durch eine Nebenthüre leise hereingeführt
werden. Diejenigen Abmessungen endlich, welche nicht durch Festigkeit, sondern durch Herstellung, Zusammenbau, Betrieb, kurz
durch die vielseitige Wirklichkeit bedingt sind, werden durch sogen. Verhältniszahlen ermittelt. Durch dieses Vorgehen wird
schliesslich die Konstruktionskunst in ein starres Formelskelett gepresst, das den Schüler nur allzu leicht zu gedankenloser
Nachahmung verführt.
Wie so ganz anders sieht der Weg aus, den uns Wiebe führt; freilich ist es keine bequeme Strasse, sondern ein beschwerlicher Bergpfad, der den Wanderer zwingt, sorgfältig auf
die vielfachen Hindernisse zu achten. Eine einfache Darlegung der Anforderungen, welche ein Maschinenteil zu erfüllen hat,
leitet dessen Behandlung ein. Dann folgen massstäbliche gute Zeichnungen der Ausführungen hervorragender deutscher, englischer
und französischer Maschinenfabriken. Und nun erst setzt die Berechnung der Hauptabmessungen nach den verschiedenen maasgebenden
Gesichtspunkten ein. Bei den Schrauben wird auf den Einfluss des Anzugs unter Belastung und der Verdrehungsbeanspruchung hingewiesen,
bei den Zapfen wird die Zapfenlänge auf Grund der Reibungsarbeit bemessen, während Verfasser späterer Zeit für Schrauben eine
einzige starre Formel und für Zapfen unveränderliche Länge angeben im Widerspruch mit der thatsächlich notwendigen Ausführung.
Bei Bestimmung der Wandstärke von Röhren werden in die Rechnung eingeführt die Rücksichtnahme auf Herstellung, auf inneren
statischen Druck und auf Stosswirkung. In einem gleichzeitig mit Wiebe's Buch erschienenen Werk der erwähnten späteren Richtung wird hingegen behauptet, die Wandstärke von Röhren könne nur in empirischer
Formel gegeben werden. Die zulässigen Beanspruchungen entnimmt Wiebe bewährten Ausführungen und unterscheidet wohlbewusst zwischen ruhender und bewegter Belastung. Verhältniszahlen werden nur
vereinzelt für einige Normalteile angegeben.
Dem Studierenden wird in Wiebe's Schriften nicht in klingendem Pathos die Fata morgana vorgezaubert, er sei berufen, dem Maschinenbau neue Ziele zu geben,
sondern in einfacher stiller Arbeit wird auf die dornenvollen Schwierigkeiten hingewiesen, die den angehenden Ingenieur in
der grossen Hochschule des Lebens erwarten.
Die Darstellung in den maschinentechnischen Werken aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts erinnert an den Bergmann, der nur
mit Schlägel und Gezähe ausgerüstet auf dürftigen Tagbau beschränkt ist, der das Erz nur da aus dem Berg graben kann, wo es
an die Oberfläche tritt; in die Tiefe einzudringen ist ihm verwehrt, denn ihm fehlt das vollkommene Werkzeug, die wissenschaftliche
Methode.
Die späteren Autoren dagegen sind im Besitz der Methode, des scharfen Werkzeugs modernen Wissens; aber sie sind allzu geneigt,
mit ihren grossen Hilfsmitteln ihrer Schächte unbekümmert um Formation und Gestein zu teufen, auch da, wo wenig Erz zu finden
ist und manch taubes Gestein gefördert wird.
Sorgfältig hingegen prüft Wiebe das Gestein, ehe er das Werkzeug ansetzt, einfach ist sein Werkzeug und seine Methode, alter manch edles Metall löst er aus
den verschlungenen Erzadern.
Schnell verwischt der flüchtige Schritt moderner Technik die Spur des vorangegangenen Pfadfinders; so sind auch die Werke
Wiebe's heute schon der technischen Geschichte anheimgefallen. Aber noch ein anderes als wissenschaftliche Ergebnisse spricht aus
den vergilbten Schriften des Mühlenbaumeisters. Dieser durch harte Schule praktischer Arbeit gegangene Mann hätte gewiss stolz
sein dürfen auf manch wertvolle Anregung, die er gegeben hat; er hätte sich wahrlich nicht zu scheuen gebraucht, seine Urheberschaft
zu erwähnen. Aber nirgendwo in seinen Schriften findet sich ein Wort dieser Art. Einem fremden Werk entnimmt er nur selten
einen Gedanken und vergisst niemals, die Verdienste anderer hervorzuheben. Nicht Ehrgeiz und Ruhmbedürfnis waren es augenscheinlich,
die ihn zu rastloser Thätigkeit trieben, sondern Schaffensdrang und Pflichtbewusstsein. Wahrlich, eine echt deutsche Natur!
Der erste deutsche Kabeldampfer.
Am 9. November v. J. ist der erste deutsche Kabeldampfer, der dem Staatssekretär des Reichspostamts zu Ehren auf den Namen
v. Podbielski getauft wurde, auf der Werft von David J. Dunlop in Glasgow vom Stapel gelaufen.
Das ganze aus Siemens-Martin-Stahl nach den Regeln des Germanischen Lloyds gebaute und dessen höchster Klasse entsprechende Schiff ist 77,7 m lang, 10,7 m breit und hat bei normaler Belastung einen
Tiefgang von 5,5 m. Zwei Schrauben, durch zwei Maschinen von zusammen 1600 PS bewegt, werden ihm eine Geschwindigkeit von
13 Knoten verleihen, seine Ladefähigkeit beträgt etwa
1200 t. Das Oberdeck läuft von vorn bis hinten glatt durch und trägt vor und hinter den beiden Schornsteinen einen
Aufbau, in dem sich die Kapitäns- und Kartenzimmer, sowie Vorrats- und Küchenräume befinden. Im Zwischendeck liegen hinten
die Wohnungen der Offiziere, Kabelingenieure und Elektriker, im vorderen Teile des Schiffes die Wohnräume der Mannschaften.
Das Schiff ist elektrisch beleuchtet und mit einem mächtigen Scheinwerfer ausgestattet. Die Besatzung beträgt nach der E. Z. mit Einschluss von etwa 20 Elektrikern und Kabelarbeitern 70 Mann. Für die Kabelarbeit ist der Dampfer mit besonderen Maschinen
ausgerüstet, von denen im Vorschiff, und zwar teils auf dem Ober-, teils im Zwischendeck, eine kombinierte Maschine zum Aufnehmen
und Auslegen, auf dem Achterdeck eine einfache Maschine zum Auslegen des Kabels aufgestellt ist.
Das Kabel wird in drei mit Wasser gefüllte Behälter im Innern des Schiffes aufgeschossen, die zusammen ungefähr 600 cbm fassen
und 1100 km Tiefseekabel aufnehmen können. Um transatlantische Kabel zu legen, genügt dieser Dampfer also nicht. Hierzu ist
vielmehr ein Dampfer in Aussicht genommen, der 6000 bis 8000 t gross sein wird. Die Hauptaufgabe des Dampfers v. Podbielski wird darin bestehen, ausser der Legung kleinerer Kabelstrecken die Kabel der deutschen Reichspost zunächst in der Ost- und
Nordsee auszubessern und in Stand zu halten, wofür der deutschen Reichspost bisher ganz erhebliche. den Engländern zu leistende
Ausgaben erwuchsen. Die zur Zeit vorhandene Kabelflotte besteht aus 42 Dampfern, wovon auf Grossbritannien 34, auf Frankreich
4, auf die Vereinigten Staaten, Italien, China und Japan je 1 entfallen. Von diesen Dampfern sind 10 grösser als der Podbielski, keiner aber besitzt eine grössere Geschwindigkeit und so vervollkommnete Maschinen für die Kabellegung. Heimatshafen des
Schiffes wird Nordenham an der Weser sein, ein kleiner Ort gegenüber Bremerhaven, im Grossherzogtum Oldenburg gelegen, wo
auch die Fabrik der Norddeutschen Seekabelwerke in der Errichtung begriffen ist. Die dortigen IG ha grossen Grundstücke wurden
von der aus dem Franz Clouth'schen Kabelwerk hervorgegangenen Aktiengesellschaft Land- und Seekabelwerke in Köln-Nippes, die am 1. Mai
1898 gegründet worden ist, angekauft, die umfangreichenVorarbeiten zum Bau der Fabrik sofort begonnen und von dieser Gesellschaft auch der Kabeldampfer bei David J. Dunlop im Oktober 1898 in Auftrag gegeben, nachdem die Verhandlungen ergeben hatten, dass die deutschen Werften wegen anderweitiger
Inanspruchnahme nicht im stände waren, den Dampfer in der gewünschten Zeit zu liefern.
Ein Seekabelwerk muss unmittelbar am Wasser liegen, da die aus einem Stück hergestellten Kabel direkt in die Behälter des
Kabelschiffes geführt werden müssen. Es waren daher ausserhalb des Weserdeiches sehr bedeutende Erhöhungs- und Uferschutzbauten
erforderlich, um die Fabrik nicht nur über die Hochwasserlinie zu legen, sondern auch gegen Springfluten zu sichern. Da dort
bei niedrigem Wasserstande noch immer 8 m Wassertiefe bleiben, werden die grössten Dampfer anlegen können. Anschlussgeleise
vom Bahnhof Nordenham sind ebenfalls angelegt. Die Fabrik wird voraussichtlich im nächsten Frühjahre in Betrieb kommen. Die
Anlage ist derart, dass in kurzer Zeit und mit geringen Mehrkosten eine Verdoppelung des Betriebes erzielt werden kann, welche
gestattet, ein transatlantisches Kabel in etwa 100 Tagen fertigzustellen. Die Vorarbeiten zu dem Fabrikbau waren im Frühjahr
1899 nahezu beendet, als zur Vereinigung der Interessen der Firma Felten und Guilleaume, die ebenfalls seit längerer Zeit ein Seekabelwerk zu errichten beabsichtigte, mit denjenigen der Land- und Seekabelwerke und zur Vermeidung einer Konkurrenz zwischen diesen Firmen auf dem Gebiete der Seekabelfabrikation im Interesse der deutschen
Industrie eine neue Gesellschaft, die Norddeutschen Seekabelwerke, am
27. Mai 1899 gegründet wurde, welche diese Anlage und den im Bau befindlichen Dampfer von den Land- und Seekakelwerken übernahm.
Bücherschau.
Die Eisenkonstruktionen des einfachen Hochbaues. Zum Gebrauch für Schule und Praxis bearbeitet von R. Lauenstein, Ingenieur und Professor an der Grossh. Baugewerkeschule in Karlsruhe, unter Mitwirkung von A. Hanser, Baurat in Karlsruhe. Erster Teil: Material und Konstruktionselemente. Zweite Auflage. Mit 196 Abbildungen. Stuttgart 1899.
Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung (A. Kröner). 112 S. Preis brosch. 2,40 M.
Die stets im Zunehmen begriffene, ausserordentlich grosse Verwendung des Eisens im Hochbau bringt es mit sich, dass auch der
in der Praxis stehende, ausführende Hochbautechniker und Architekt sich diejenigen grundlegenden theoretischen Kenntnisse
aneignen muss, die sowohl eine rationelle Verwendung des Eisens als auch die Anforderungen der Bauvorschriften und nicht minder
der Zwang der Konkurrenz von ihm fordern. Das vorliegende handliche, übersichtliche und sehr preiswerte Werkchen schliesst
sich den bekannten, im gleichen Verlage erschienenen Schriften des Verfassers (Festigkeitslehre, Graphische Statik, Mechanik) eng an, so dass insbesondere beim Selbststudium die bequeme Möglichkeit geboten ist, sich mit der Ableitung der in der Festigkeitslehre
vorkommenden Formeln vertraut zu machen. Unmittelbar der Praxis entnommene Zahlenbeispiele geben zu einer richtigen Anwendung
dieser Formeln eine bequeme und sichere Anleitung.
Eingesandt.
In der am 11. Dezember 1899 stattgefundenen Sitzung der Automobilsektion des Internationalen Sportplatzes Baden (bei Wien)
wurde das Programm für die im Jahre
1900 zu veranstaltenden Automobilrennen festgesetzt und zwar wie folgt:
24. Juni: Bergmeisterschaft für Niederösterreich für Automobile (in drei Kategorien geteilt) auf der Strecke Helenenthal-Siegenfeld.
29. Juli eventuell 5. August: Automobilrennen auf der Trabrennbahn in Baden bei Wien und zwar folgende Rennen: 1. Motocyclerennen,
2. Voiturettesrennen, 3. Gymkhana, 4. Concours d'élégance, 5. Motocyclehandicap, 6. Voituretteshandicap, 7. Tri mit avant-train,
8. Korsofahren.
9. September: Wienerwaldfahren. Rennen für Automobile (in vier Kategorien geteilt) auf der Strecke Helenenthal, Allaud, Neuhaus,
Pottenstein. Gainfalau, Vöslau, Baden, etwa 60 km.
Die Rennen werden nach dem Rennreglement des Oesterreichischen Automobilklub abgehalten. Die näheren Propositionen und Termine
der Nennungsschlüsse werden nächstens herausgegeben. Auskünfte erteilt das Sekretariat des Internationalen Sportplatzes Baden
bei Wien, Wassergasse Nr. 3.