Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 315, Jahrgang 1900, Miszellen, S. 147 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Verordnung betreffend die Organisation der nationalen Kunst- und Gewerbeschulen Frankreichs vom 11. Oktober 1899.
Kap. I. Allgemeines.
1. Die Kunst- und Gewerbeschulen bezwecken, Arbeiter zu Werkstattsvorstehern und in der Praxis der mechanischen Künste bewanderten
Industriellen auszubilden. Sie stehen unter dem Minister für Handel, Industrie, Post und Telegraphie und unter der Oberaufsicht
des Präfekten, in dessen Departement sie errichtet werden.
2. Die Studiendauer in den Schulen ist eine dreijährige. Kein Eleve darf ein viertes Jahr durchmachen ausser in Krankheitsfällen,
die ihn über 6 Wochen abhalten oder bei einer gleich langen Schulversäumnis aus triftigen Gründen und nach einem befürwortenden
Bericht des Schulvorstandes.
3. Vom Minister werden den Eleven des dritten Jahres, die durch die allgemeine Abgangsprüfung allen Ansprüchen vollständig
genügt haben, Zeugnisse erteilt. Die Zensur geht von 0 bis 20; diejenigen Schüler, welche mindestens die allgemeine Mittelzensur
11 ohne eine Einzelzensur unter 6 erhalten, gelten als reif. Den Eleven, die in einem Einzelfach nicht genügen, kann gestattet
werden, im Laufe eines Jahres eine neue Prüfung in dem betreffenden Fach abzulegen; bestehen sie dabei, so wird das Zeugnis
ausgehändigt. Dieses Zeugnis verleiht dem Inhaber die Eigenschaft eines diplomierten Eleven der Kunst- und Gewerbeschule.
Als ehemalige Eleven der Schulen werden nur die anerkannt, die diesen Titel erhalten haben. Denjenigen Eleven, die wenigstens
15 als Hauptzensur und 11 als Einzelzensur erhalten, wird ein Spezialdiplom und eine silberne Medaille verliehen. Der als
Erster abgehende Eleve erhält die goldene Medaille. Die 15 zuerst dekorierten Eleven, die innerhalb von 2 Jahren nach dem
Schulabgang exklusive der Militärdienstzeit 1 Jahr lang in einer Werkstatt praktisch arbeiten, können eine Remuneration von
500 Frcs. erhalten.
4. Die Schulen nehmen nur interne Eleven an; die Schülerzahl einer jeden Anstalt darf
300 nicht übersteigen.
5. Der Pensionspreis beträgt 600 Frcs. jährlich, zahlbar am Quartalbeginn mit 150 Frcs. an eine öffentliche Kasse; der auf
300 Frcs. festgesetzte Betrag für Kleidung und Wäsche ist auch pränumerando zu zahlen. Ausserdem wird von jedem eintretenden
Eleven eine Summe von 75 Frcs. zur Unterhaltmasse entrichtet. Die Familien haben zu Beginn eines jeden Schuljahres diesen
Betrag mit 50 Frcs. zu ergänzen.
6. Eleven, deren Familien vorher ihre ungenügenden Mittel nachweisen, können vom Staat für die Dauer der Studienzeit ganze
oder teilweise Freistellen erhalten. Doch können letztere definitiv oder vorübergehend auf den Bericht des Direktors und des
Schulvorstandes schlechter Aufführung oder ungenügender Leistungen halber aufgehoben werden. In Einzelfällen kann die Kleidung
umsonst geliefert werden, doch darf dies nicht mehr wie 15 % der Schülerzahl betreffen.
7. Wird im Laufe eines Schuljahres eine Familie durch unvorhergesehene Umstände
unfähig, die Pension zu zahlen, so kann der Minister auf günstige Schulberichte hin dieselbe ausnahmsweise davon befreien.
Die Befreiung erfolgt nur am Semesterschluss.
8. Die Eleven tragen eine vom Minister vorgeschriebene Kleidung.
Kap. II. Aufnahme der Eleven.
9. Die Aufnahme erfolgt auf dem Gesuchswege nach folgenden Regeln.
10. Nur Franzosen werden aufgenommen; sie müssen am 1. Januar des Gesuchsjahres über
15 und unter 17 Jahre alt sein. Ein Altersdispens findet nicht statt. Von 1903 ab muss jeder Kandidat ein Zeugnis
über praktisch-industriellen oder höheren Primärunterricht beibringen.
11. Die Aufnahmegesuche sind vor dem 1. Mai jedes Jahres schriftlich an den Präfekten des Departements zu richten, in dem
die Familie wohnt. Dem Gesuch sind beizufügen: a) das Geburtszeugnis; b) eine der im Art. 10 § 3 aufgeführten Urkunden; c)
das Zeugnis eines verpflichteten Arztes darüber, dass der Aspirant von guter Konstitution und dass er besonders nicht skrofulös
oder mit einer ansteckenden chronischen Krankheit behaftet ist; d) ein Zeugnis über Wiederimpfung im vorhergehenden Jahre;
e) ein Attest der Ortsbehörde über guten, sittlichen Lebenswandel und dass der Aspirant Franzose ist; f) die Verpflichtung
der Eltern, die volle oder die ihnen zukommende teilweise Pension, das Kleidergeld u.s.w. zu bezahlen. – Die Unterschrift
eines jeden Zeugnisses und die Verpflichtung ist zu beglaubigen.
12. Die Freistellengesuche sind an den Minister zu richten; sie werden zugleich mit den Aufnahmegesuchen auf der Präfektur
deponiert. Der Präfekt untersucht mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Familienverhältnisse, und die betreffenden Schriftstücke
werden zusammen mit den Gesuchen an den Gemeinderat des Wohnortes der Familie des Aspiranten abgegeben. Den motivierten Gemeindebeschluss
übersendet dann der Präfekt mit allen Schriftstücken über das Gesuch und mit seinem persönlichen Bericht an den Minister.
13. Zur Rekrutierung der Eleven wird Frankreich in so viele Regionen eingeteilt als es Schulen gibt, deren Grenzen der Minister
feststellt.
14. An Vorkenntnissen wird bei der Aufnahme verlangt: a) Schreiben; b) französische Sprache; c) geschichtliche und geographische
Kenntnisse; d) theoretische und praktische Arithmetik; e) elementare Geographie; f) Algebra bis zu den Gleichungen zweiten
Grades (exklusive); g) Elemente der Physik und Chemie; h) Ornament- und Linearzeichnen; i) Handarbeitsfertigkeit. Ein Ministerialerlass
bestimmt das detaillierte Prüfungsprogramm in den verschiedenen Fächern.
15. Die Aufnahmeprüfung zerfällt in eine schriftliche, mündliche und handliche. Die schriftliche umfasst: a) eine Seite Probeschrift;
b) ein Diktat; c) eine französische Ausarbeitung; d) einen linearen Riss und eine ornamentale Federzeichnung; e) zwei arithmetische
und eine algebraische Aufgabe; f) zwei geometrische Aufgaben; g) eine Aufgabe aus der Physik und Chemie. Die Handarbeitsprobe
besteht in der Ausführung eines Gegenstandes aus Holz oder Eisen, bestimmt durch das Programm. Die schriftlichen Aufgaben
können ausfallen. Die mündliche Prüfung betrifft folgende Gegenstände: a) grammatikalische Fragen; b) Geschichte und Geographie;
c) Arithmetik und Algebra; d) Geometrie.
16. Eine Ministerialverordnung setzt das detaillirte Prüfungsprogramm fest, ebenso die Umstände, unter denen die verschiedenen
Prüfungen stattfinden.
Kap. III. Schulunterricht.
17. Der Unterricht ist ein theoretischer und ein praktischer.
18. Der theoretische, aber immer auf die Praxis gerichtete Unterricht umfasst: a) Algebra bis zum binomischen Satz und Anwendungen (exklusive), elementare Kenntnis der Ableitungen (dérivés);
b) ebene Trigonometrie, ganz elementare Kenntnis der Kosmographie, Feldmessen und Nivellieren; c) Elemente der analytischen
Geometrie; d) beschreibende Geometrie, Schattenkonstruktion, Seitenpläne, ebenso Kenntnis der gewöhnlichen Perspektive, der
Stein- und Holzschnitte; e) theoretische und angewandte Kinematik; f) reine und angewandte Mechanik (Dynamik, Statik, passive
Widerstände, Festigkeit der Materialien, Hydraulik und Dampfmaschinen); g) Physik; h) Elektrizität und ihre industrielle Anwendungen;
i) Chemie und deren Hauptbenutzung; k) Zeichnen, hauptsächlich industrielles; 1) Technologie, ganz besonders in ihren Anwendungen
bei der Maschinenkonstruktion; m) französische Sprache; n) Geschichte; o) Geographie; p) Buchführung, industrielle, kommerzielle,
zollpolitische und sozialökonomische Gesetzgebung; q) industrielle Hygiene; r) moralische und bürgerliche Erziehung.
19. Der praktische Unterricht erfolgt in Spezialwerkstätten für Tischlerei und Modellieren, Giesserei, in Schmiede und Kesselwerkstatt
und in Adjustieranstalt. Die Anzahl der Werkstätten kann vermehrt werden. Die Eleven werden während der Schulzeit nach bestimmten
Ministerialverordnungen in die Werkstätten verteilt.
20. Das in den Werkstätten erzeugte Arbeitsprodukt gehört dem Staate.
Kap. IV. Schulpersonal.
21. Die Schule wird unter ministerieller Kontrolle und Oberaufsicht des Präfekten durch einen Direktor unter Mithilfe eines
Kollegiums verwaltet. Den Direktor ernennt der Minister; die Direktorkandidaten müssen mindestens 5 Jahre lang im öffentlichen
Unterricht folgende Funktionen bekleidet haben: Zensor oder Direktor an einem Lyceum; Direktor eines normalen Lehrerseminars,
einer nationalen Gewerbeschule oder einer praktischen Schule mit mindestens 200 Schülern; Direktor der praktischen Bildungsanstalt
für Arbeiter und Werkführer in Cluny; Subdirektor oder Ingenieur an einer nationalen Kunst- und Gewerbeschule. Auch Staatsingenieure,
Ingenieure der Künste und Manufakturen und zivile Bergingenieure können zu Direktoren berufen werden, wenn sie mindestens
5 Jahre lang dem öffentlichen oder privaten Unterricht angehört haben.
22. Die Gewalt des Direktors erstreckt sich auf alle Dienstzweige; er bürgt für die Ausführung der Reglemente, der Ministerialverordnungen
und hält Ordnung und Disziplin aufrecht; er korrespondiert direkt mit dem Minister und Präfekten und berichtet ihnen unmittelbar
über alle Verhältnisse, die ihm den regelrechten Schulgang in Frage zu stellen scheinen.
23. Das Lehrerpersonal jeder Schule bilden ausser dem Direktor: ein Unterdirektor
(Studienzensor), ein Ingenieur, ein Lehrer der Mechanik, zwei Lehrer der Mathematik, einer der Physik und Chemie,
drei Lehrer für Zeichnen und Technologie, ein Litteraturlehrer, beauftragt mit dem Erziehungskursus, ein Lehrer für Buchführung
und industrielle Oekonomie, Repetenten für die verschiedenen Fächer, ein Elektrotechniker für den praktischen Unterricht,
ein Chef für jede Werkstatt und eine Anzahl von Unterchefs und Instruktionsarbeiter für den Werkstättendienst.
24. Die Zahl der Instruktionsarbeiter und Handarbeiter bestimmt der Minister.
25. Die Funktionäre des Unterrichts ernennt derselbe. Die Ingenieure, Lehrer und Werkstättenchefs haben eine Probezeit zu
absolvieren, deren Bedingungen und Programm der Minister feststellt; erst nach mindestens einjähriger Probezeit können sie
Stelleninhaber werden. Die Bewerber um Ingenieur- oder Chefstellen müssen nachweisen, dass sie über 5 Jahre lang eine bedeutende
Werkstätte geleitet haben, ausser sie gehören bereits zum Personal der Kunst- und Gewerbeschulen. Die Bewerber um einen Lehrerposten
haben nachzuweisen, dass sie ebenso lang in einer öffentlichen Anstalt unterrichtet haben. Doch können ohne Bewerbung zu Lehrern
ernannt werden: Kandidaten, die bereits mindestens 5 Jahre lang als Lehrer öffentlichen Unterrichtsanstalten angehören und
den Licentiatentitel für das Fach der Mathematik oder Mechanik, der Physik und Chemie oder für französische Literatur besitzen.
26. Das jeder Schule beigegebene Verwaltungspersonal bilden: a) ein Rechnungsführer, der die Kassengeschäfte, den Einkauf
und die Aufbewahrung des Materials, des Mobiliars und aller Magazingegenstände besorgt, ebenso das Logis, die Bekleidung und
Beköstigung der Eleven. Er hat eine Kaution zu stellen, die der Minister bestimmt; b) ein Direktionssekretär und die nötigen
Unterbeamten.
27. Der Rechnungsführer, Sekretär und die Aufseher werden vom Minister ernannt, der die Ernennung auch dem Direktor überlassen
kann; aber in allen Fällen regelt er deren Zahl und Besoldung.
28. Jeder Schule wird ein Ober- und ein Assistenzarzt vom Minister zugeteilt; einer derselben soll möglichst Chirurg sein.
29. Ein ministerielles Reglement bestimmt im einzelnen die hierarchische Klassifikation, die Befugnis und Pflichten der verschiedenen
Funktionäre und Beamten der Schule.
30. Die Besoldung und das Avancement regelt ebenfalls der Minister.
Kap. V. Schulvorstand, Disziplin, Inspektion.
31. Den Schulvorstand (conseil) bilden: der Direktor als Vorsitzender, der Subdirektor, der Ingenieur, die Lehrer und die
Werkstättenvorsteher. Der Direktor ernennt ein Mitglied zum Schriftführer. Wohnt der Präfekt den Sitzungen bei, so führt er
den Vorsitz.
32. Der Schulvorstand entwirft die Massnahmen zur Ausführung des theoretischen und praktischen Unterrichtsprogramms, begutachtet
das vom Direktor entworfene Budjet und die im Laufe des Schuljahres nötig werdenden unvorhergesehenen Ausgaben, auch die von
den Eleven in den Werkstätten auszuführenden Arbeiten, die vom Rechnungsführer oder Oekonomen vorgeschlagenen Einkäufe und
alle Geschäfte, die ihm durch gegenwärtige Verordnung zustehen oder die ihm der Direktor überträgt. Endlich delegiert er allmonatlich
eines seiner Mitglieder zur Teilnahme am Ordnungsrat
(conseil d'ordre).
33. Der Vorstand (conseil) versammelt sich auf Berufung des Direktors, der die Tagesordnung aufstellt, mindestens alle 2 Monate.
34. Am Ende des Schuljahres setzt der Vorstand nach dem Ausfall der allgemeinen Prüfungen die Rangliste der drei Abteilungen
fest und bezeichnet diejenigen Eleven, die wegen schlechten Betragens oder Unfähigkeit von der Schule auszuschliessen sind.
35. Folgende Strafen können über die Schüler verhängt werden: Benachrichtigung der Eltern mit Eintrag in die Akten; Verwarnung
vor dem Ordnungsrat mit Akteneintrag; Ausgangsentziehung; Tadel vor dem Schulvorstand; Ausschliessung. Die Strafen werden,
ausgenommen die nur vom Minister erfolgende Ausschliessung, vom Direktor oder Subdirektor auf den schriftlichen Bericht der
Lehrer, Werkstattchefs oder Aufseher verhängt. Die beiden letzten Strafen aber können nur auf den Bericht des Schulvorstandes
verfügt werden. Das interne Schulreglement bestimmt die verschiedenen Grade und die Anwendungsart der Disziplinarvorschriften.
In schweren Fällen kann der Ordnungsrat die Ausschliessung verfügen, worüber der Direktor unmittelbar dem Minister berichtet,
welcher definitiv entscheidet. Der Präfekt wird gleichzeitig benachrichtigt.
36. Schüler, deren Betragen und Leistungen mehr wie genügen, können Belohnungen erteilt werden; diese bestehen: im Löschen
einer früher zu den Akten genommenen schlechten Note; in besonderem lobenden Eintrag in die Akten, den zweimonatlichen und
halbjährigen Bericht; in ausgedehnter Ausgangsfreiheit.
37. Am Semesterschluss stellt der Direktor für jeden Schüler einen Bericht (bulletin) auf, der die Noten über Fleiss, Fortschritte
und Betragen während des ganzen Halbjahres resümiert. Diese Berichte werden an die Eltern oder Geschäftsfreunde
(correspondants) der Schüler geschickt; einen Auszug erhält der Minister mit besonderer Erwähnung der Stipendiaten,
auch der Präfekt, aus dessen Departement der Schüler unterstützt wird. Ausserdem erhalten die Eltern alle 2 Monate vom Direktor
eine Note über Fleiss und Betragen der Eleven.
38. Ein vom Minister ernannter Generalinspektor macht in den Schulen die erforderlichen Inspektionen, jährlich mindestens
einmal. Er kontrolliert alle Dienstzweige des Unterrichts und der Verwaltung; er überzeugt sich von Fleiss und Betragen der
Schüler, die er gelegentlich befragt; über die Inspektionsresultate berichtet er eingehend an den Minister. Letzterer kann
ausserdem Spezialdelegierte mit der ganzen Inspektion oder eines Teiles derselben beauftragen. Dieser Delegierte berichtet
direkt dem Minister und liefert gelegentlich auch Noten über das Personal. Hierdurch werden die Verordnungen vom 4. April
1885, 1. Januar 1892, 13. Januar und
7. April 1896 aufgehoben. (Echo.)
Ty.
Bücherschau.
Bernoulli's Dampfmaschinenlehre. Handbuch zum Gebrauch in der Praxis und zum Selbstunterricht für angehende Ingenieure, sowie für den Unterricht an technischen
Lehranstalten. Achte Auflage. Neu bearbeitet und vermehrt von Fr. Freytag, Professor an den technischen Staatslehranstalten in Chemnitz. Mit 396 Abbildungen im Text und
7 Tafeln. 1900. Verlag von Arnold Bergsträsser (A. Kröner) in Stuttgart. Preis geheftet 14 M. In Leinwand gebunden
15 M.
Die vorliegende achte Auflage des bekannten und beliebten Handbuches zeichnet sich durch eine umfassende Bearbeitung und eine
weitgehende Bereicherung des Inhaltes aus. Ein besonderes Verdienst des Verfassers und der Verlagsbuchhandlung besteht darin,
dass die meisten früheren Abbildungen, soweit sie veraltet waren, trotz der hohen Kosten, durch neue Abbildungen ersetzt worden
sind, welche die bedeutenden Fortschritte berücksichtigen, die inzwischen in der Ausnutzung der Dampfkraft erreicht wurden.
Bei der Auswahl der neuen Abbildungen stützte sich der Verfasser im wesentlichen auf seine zahlreichen Veröffentlichungen
in Dinglers polytechn. Journal; ein anderer Teil ist neu angefertigt oder anderen Veröffentlichungen entnommen worden.
Die Anordnung des Stoffes ist dieselbe geblieben. Wo die Notwendigkeit auftrat, Aenderungen oder Ergänzungen im Text vorzunehmen,
war der Verfasser bemüht, dieselbe Klarheit im Ausdruck zu erreichen, welche das Werk bisher auszeichnete. Durch die Wahl
eines etwas grösseren Formates und durch Kürzungen an passender Stelle ist es auch möglich geworden, trotz der erheblichen
Inhaltsvermehrung den bisherigen Umfang des Werkes nicht zu überschreiten.
Von der Bearbeitung der einzelnen Abschnitte sei das Folgende hervorgehoben.
Die Einleitung und der erste Abschnitt des Werkes über die Entstehung und Entwickelung der Dampfmaschinen sind nahezu unverändert geblieben; dagegen hat der zweite Abschnitt, der die Physik des Dampfes behandelt, eine Neubearbeitung durch Dr. Müller, Lehrer für Physik an den technischen Staatslehranstalten in Chemnitz, erfahren. Die Bearbeitung betrifft hauptsächlich die Kapitel über den Siedeprozess, über gesättigten und ungesättigten Dampf,
über spezifische Wärme, über Verdampfungswärme, über das mechanische Wärmeäquivalent und den ersten Hauptsatz, über isothermische
und adiabatische Volumenänderung. Bei der Besprechung der Eigenschaften des gesättigten und ungesättigten Dampfes wäre es
vielleicht zweckmässiger gewesen, von
„überhitztem“ statt von „ungesättigtem“ Dampfe zu reden, da die erste Bezeichnung mehr dem jetzt in der Technik herrschenden Sprachgebrauche entspricht. Eine recht
bedenkliche Definition wird auf S. 37 für die spezifische Wärme und die Kalorie gegeben; es heisst dort: „Unter spezifischer Wärme versteht man diejenige Wärmemenge, welche nötig ist, um 1 kg eines Körpers von 0° auf 1° zu erwärmen.
Die spezifische Wärme des Wassers ist gleichzeitig die Wärmeeinheit und heisst Kalorie. Die spezifische Wärme der Körper ist
nicht konstant, sondern wächst im allgemeinen mit der Temperatur.“ Hiervon ist nur der letzte Satz richtig; nach dem ersten müsste die spezifische Wärme konstant sein und aus dem zweiten und
dritten Satze könnte man folgern, dass die Masseinheit, die Kalorie, nicht konstant, sondern mit der Temperatur wie die spezifische
Wärme veränderlich wäre. Die folgenden Ausführungen sind zwar wieder korrekt, doch ist der erwähnte Irrtum um so bedauerlicher,
da die siebente Auflage beide Definitionen richtig enthielt. Neu aufgenommen sind die Annäherungsformeln für die Verdampfungswärme
von
Clausius und Regnault
(S. 39); ferner die Erläuterung des Kondensationsvorganges bei adiabatischer Expansion (S. 52 und 53). Die in der
Anmerkung enthaltene Ableitung der Gleichungen für die Arbeitsleistung bei isothermischer und adiabatischer Expansion, welche
früher mit Benutzung höherer Mathematik erfolgte, ist durch eine elementare, allerdings viel umfangreichere Ableitung ersetzt
worden (S. 61 bis 64). Der Schluss des zweiten Abschnittes wird durch die Anführung einiger wichtiger Zahlenwerte für überhitzten
Dampf gebildet (S. 64 und 65).
Der dritte Abschnitt und die folgenden sind wieder von Prof. Freytag bearbeitet.
Der dritte Abschnitt behandelt die Erzeugung des Dampfes. Der erste, wenig veränderte Teil befasst sich mit dem Brennmaterial und der Verbrennung. Im zweiten Teile, der die
Feuerungsanlagen betrifft, werden unter anderem einige besondere Roststabkonstruktionen, sowie die Beschickungsvorrichtung von Cario neu besprochen. Die künstliche Zugerzeugung (S.
91) wird eingehender durch Erläuterung der Unterwindfeuerung von Kudlicz, des Körting'schen Dampfstrahlunterwindgebläses und der Unterwindfeuerung von E. B. Coxe behandelt. Die Kapitel über rauchverzehrende Feuerungen, selbstthätige Rostbeschickungsapparate, Kohlenstaubfeuerungen, Gasfeuerungen
und Feuerungen mit flüssigen Brennstoffen sind durchgreifend bearbeitet bezw. neu aufgenommen worden. Hier seien nur die Halbgasfeuerung
System Völcker, die selbstthätigen Feuervorrichtungen von Proctor, Leach, Ruppert, Julius Schlesinger und Co., die Kohlenstaubfeuerungen von Schwarzkopf, Pinther und
Karl Schütze erwähnt. – Im dritten Teile des dritten Abschnittes werden die Dampfkessel erörtert. Die Festigkeitsberechnung ist den modernen Anforderungen entsprechend neu bearbeitet. Das Kapitel über Ueberhitzung
des Dampfes hat mit Rücksicht auf die steigende Bedeutung dieser Frage eine erhebliche Erweiterung erfahren. Behandelt werden
die Systeme von Schwörer, Gehre, Uhler, Böhmer und Schmidt. Die Abbildungen und auch Teile des Textes sind – allerdings ohne Quellenangabe – der in Dinglers polyt. Journal, Bd. 312, veröffentlichten Arbeit des Unterzeichneten entlehnt.
Besonders hervorgehoben zu werden verdient noch die Besprechung der wichtigsten Bauarten der Dampfkessel, welche an der Hand
vollständig neuer Abbildungen der wichtigsten Kesseltypen moderner Bauart erfolgt. – Dasselbe gilt auch von der Bearbeitung
des vierten Teiles über die Speisevorrichtungen. Von Speisepumpen werden mehrere Ausführungen der Firma Klein, Schanzlin und Becker, sowie die Worthington-Pumpe beschrieben und durch Abbildungen erläutert. Neu aufgenommen sind ferner der Universalinjektor von Gebr. Körting und derRestarting-Injektor von Schäffer und Budenberg. Auch die Vorwärmung und Reinigung des Speisewassers wird eingehend besprochen. – Der fünfte Teil befasst sich schliesslich
mit der Spannung des Kesseldampfes. Hier werden die Manometer und Sicherheitsventile erledigt und die Druckprobe des Kessels besprochen. Bei der Behandlung der
Kesselexplosionen wäre es angebracht gewesen, eine schlechte Ausdrucksweise der vorletzten Auflage auszumerzen. Auf S.
211 findet sich die übernommene Stelle: „ . . . . . . so wird dieser Teil sehr bald glühend. Dadurch sinkt die Festigkeit des Eisens und nähert sich dem Werte
(?) der Dampfspannung. Sinkt sie unter diejenige (Festigkeit?) der Dampfspannung, so muss die Explosion eintreten.“ –
Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit den verschiedenen Teilen der Dampfmaschine. Von den Stopfbüchsen werden besonders diejenigen mit Metallpackung eingehender besprochen. Die Stopfbüchse Fig. 142 wird
sowohl als Stopfbüchse mit weicher Packung als auch als solche mit Metallpackung (nach Gminder) bezeichnet, was auf den Leser störend wirken muss. In Fig. 143, welche die Packung von Witty and Wyatt darstellt, sind durch einen Zeichenfehler die Stiftschrauben in den Brillenflansch eingeschraubt angegeben. Ferner sind noch
die Stopfbüchsendichtungen mit Federspannung der United States Co. und von T. Keene in Birenhead dargestellt. Die Kolbenkonstruktionen sind in mehrfachen Neuerungen besprochen und wiedergegeben. Dasselbe gilt
von den Dampfleitungsarmaturen. Die Schiebersteuerungen werden in unveränderter Weise behandelt. Neu aufgenommen ist die Guhrauer-Steuerung; ausserdem werden einige Flachschieberentlastungen, sowie die Kolbenschieber neu behandelt. Bei den Corliss-Steuerungen
ist die veränderte Darstellung der Frikart-Steuerung und die Aufnahme der Wheelock-Steuerung zu erwähnen. Die modernen Ventilsteuerungen sind durchweg in neuen Abbildungen dargestellt. Behandelt werden die
ältere und neuere Sulzer-Steuerung, die ältere und neuere Collmann-Steuerung und die Elsner-Steuerung. Die Umsteuerungen sind nahezu unverändert gelassen; ebenso die Behandlung des Kondensators. Bei den Elementen des
Kurbeltriebes werden die jetzt gebräuchlichen Konstruktionen wiedergegeben. Die Behandlung der gusseisernen Kurbeln, Schubstangen
u.s.w. ist mit Recht ausgelassen worden; dagegen wird nachdrücklicher auf die Verhinderung des Heisslaufens der Zapfen hingewiesen.
Bei der Besprechung der Wirkung der schwingenden Massen wird der Druckwechsel im Gestänge gar nicht erwähnt, obwohl dies doch
zum besseren Verständnis der folgenden Betrachtung über die Grenzen der Geschwindigkeit unbedingt nötig wäre. Von Regulatoren
werden neu besprochen: der Pröll'sche Federregulator mit wagerechter Achse; der Regulator von Tolle, Trenk; der Achsenregulator von Thomas Powell und von Sondermann. –
Von dem fünften Abschnitt: Verschiedene Typen stationärer Dampfmaschinen gilt das über die Behandlung der Dampfkesseltypen Gesagte.
Der sechste Abschnitt beschäftigt sich mit der Leistung der Dampfmaschinen. Die Bearbeitung erstreckt sich hier hauptsächlich auf das den Indikator betreffende. Erwähnt sei noch, dass die Definition
der mechanischen Arbeit, welche in der siebenten Auflage des Werkes
wie folgt lautete: „Die mechanische Arbeit besteht darin, dass irgend ein Widerstand längs eines Weges überwunden wird“, von dem Verfasser umgewandelt worden ist in: „Man versteht unter mechanischer Arbeit den Widerstand, welcher längs eines Weges überwunden wird“, was eine recht zweifelhafte Verbesserung ist. –
Der letzte siebente Abschnitt, der die verschiedenen Anwendungen der Dampfmaschine betrifft, ist vollständig neu bearbeitet und behandelt unter Benutzung zweckentsprechender neuer Abbildungen: Dampfpumpen,
Gebläsemaschinen, Kompressoren, Dampfhämmer, Dampframmen, Dampfhebemaschinen, Fördermaschinen, Schiffsmaschinen, Lokomotiven,
Lokomobilen und rotierende Dampfmaschinen. –
Den Schluss des Werkes bilden 7 Tafeln, von denen die beiden ersten mit übernommenen zwei Maschinen älterer Bauart, die folgenden
5 neue Tafeln Maschinen moderner Bauart der verschiedensten Typen darstellen. –
Aus vorstehender Besprechung wird der Leser entnehmen können, wie reichhaltig die aufgenommenen Neuerungen sind. Die Ausführung
der Abbildungen und die übrige Ausstattung ist eine vorzügliche. Abgesehen von den wenigen hier bemerkten Mängeln muss hervorgehoben
werden, dass es dem Verfasser durch seine durchgreifende Bearbeitung gelungen ist, das teilweise veraltet gewesene Werk wieder
auf die volle Höhe der Zeit zu bringen, so dass dasselbe besonders dem angehenden Techniker, der eine leichtverständliche
und doch gründliche Belehrung sucht, nur bestens empfohlen werden kann.
Zum Schluss sei noch bemerkt, dass es aus Pietät angebracht gewesen wäre, den inzwischen verstorbenen Verfasser der beiden
vorhergehenden Auflagen des Werkes, Prof. Friedr. Autenheimer, in der Vorrede wenigstens kurz zu erwähnen.
O. Herre.