Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, Miszellen, S. 242 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Die Wasserrohrkessel Typ Belleville der Kriegsflotte
Englands.
Im englischen Parlament hat der Parlamentssekretär der Admiralität sich über die
Belleville-Wasserrohrkessel abfällig geaussert, und diese Aeusserung ist dann in die
deutsche Presseübergegangen. Wie häufig bei solchen Dingen, ist die ganze
Angelegenheit entstellt und aufgebauscht worden und hat dann eine Form angenommen,
welche den Thatsachen nicht entfernt entspricht. Die Tagespresse hat zum Teil kurz
und bündig die Belleville-Kessel als gefährlich, zu viel Kohlen brauchend und den
Erwartungen nicht entsprechend hingestellt, also als Fehlkonstruktion in vollster Bedeutung,
während der Parlamentssekretär nur gesagt hat, man müsse danach streben, Kessel zu erhalten, welche die Nachteile der
Belleville-Kessel nicht besässen. Die erstgenannte Auffassung von der
Unbrauchbarkeit der Kessel dieses Systems muss verblüffen, denn bei einem Blick auf
die Neukonstruktionen der Kriegsmarinen käme man dann zu der begründeten Annahme,
dass es mit den Leitern der Schiffbauten in den grössten Marinen kläglich stünde.
Ohne hier weiter auf die Vor- und Nachteile der Wasserrohrkessel überhaupt, des
Belleville-Typs, der übrigens viele Nuancen hat, im besonderen einzugehen, soll nur
kurz gezeigt werden, was an solchen Kesseln sich in Betrieb befindet und wie viele
davon man den Neubauten geben will. Bevor aber auf die Kriegsmarinen übergegangen
wird, sei der grössten französischen Reederei, der Messageries Maritimes, gedacht, von der wohl nicht behauptet werden darf,
dass sie ihre neuesten, grössten und schnellsten Passagier- und Postschiffe mit
schlechten Kesseln versehen wird. Sie hat in den letzten zehn Jahren, von 1890 bis
einschliesslich 1899 elf Schiffe, „Australien“ als ältestes, „Annam“
als neuestes in Fahrt gesetzt, welche alle mit Belleville-Kesseln ausgerüstet sind
und zusammen in genanntem Zeitraum 1217812 Lieues maritimes oder 3653436 Seemeilen à
1852 m durchliefen, ohne dass die Kessel Nachteile gegenüber anderen Systemen
zeigten. Von grösseren, selbst bauenden Marinen haben keine
Belleville-Wasserrohrkessel die der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Spaniens,
der Niederlande, Schwedens, Norwegens und Dänemarks, dagegen ist das System
vertreten in den Kriegsflotten Frankreichs, Englands, Russlands, Italiens, Japans,
Argentiniens, Chiles und Deutschlands. In der Flotte des Deutschen Reiches haben die
grossen geschützten Kreuzer „Hertha“ und „Hansa“ Belleville-Kessel,
und zwar führt „Hertha“ 12, „Hansa“ deren 18 an Bord. Beide Schiffe
gehören seit Jahren zum Kreuzergeschwader, sind stets in Dienst gewesen, und von
einer Unbrauchbarkeit ihrer Kessel hat nichts verlautet. In Oesterreichs Marine sind
es sechs Schiffe von 36820 t Deplacement, die Belleville-Kessel erhalten haben oder
erhalten, in der Chiles vier von 12300 t, darunter die Torpedokreuzer „Almirante
Lynx“ und „Almirante Condell“ bereits seit 1890. Italien hat zwei
Schiffe von 20277 t, und Argentinien besitzt den 6840 t grossen, bei Ansaldo in
Genua 1898 abgelaufenen Panzer „Pueyrredon“ mit diesem Kesseltyp. Aber
während diese Marinen nur anscheinend zögernd und versuchsweise zu ihm übergehen,
sind Russland, Frankreich, Japan und namentlich gerade England aus dem
Versuchsstadium sichtlich längst heraus, sonst wäre es unbegreiflicher Leichtsinn,
so zahlreiche Schiffe mit diesem Kesselsystem zu versehen, wie es geschehen ist und
geschieht. In allen drei Marinen hat man sogar älteren Schiffen bei Ersatz der
Kessel den Belleville-Typ gegeben. Die russische Marine- hat acht Schlachtschiffe
fertig oder in Bau und AusrüstungVon 8
Schlachtschiffen der Schwarzemeer-Flotte besitzen 5
Belleville-Kessel., dazu vier Panzerkreuzer, sieben geschützte
Kreuzer, vier Panzerkanonenboote und eine kaiserliche Jacht in ihren Listen, und
allein die Anführung, dass die Jacht, der bei Burmeister und
Wein, Kopenhagen, am 1. Juli 1893 bestellte, am 10. März 1895 zu Wasser
gekommene „Standard“ von 5480 t Deplacement, diese Kessel hat, kann als
Gewähr dafür dienen, dass die Belleville-Wasserrohrkessel nicht gefährlich sind. Für
die Sicherheit des Zaren werden bekanntlich Sicherheitsmassregeln in grossem Umfange
getroffen. Die Schlachtschiffe sind „Borodino“, „Orel“,
„Cäsarewitsch“, „Pobjeda“, „Pereswjes“, „Ostablja“,
„Knjäs Suvoroff“ und der alte „Imperator Nicolaj I.“, der diese
Kessel als Ersatz für verbrauchte Cylinderkessel erhielt. Von den vier
Panzerkreuzern sind zwei, „Rossija“ und „Gromoboj“, in Ostasien, der
dritte, „Admiral Nachimoff“, erhielt Ersatzkessel, „Bajan“ wird
ausgerüstet. Von den sieben geschützten Kreuzern wurde „Swietlana“ bei den
Forges et Chantiers de la Méditerranée la Sayne bei
Toulon gebaut, wo er am 6. Dezember 1896 vom Stapel gelaufen ist. „Bojarin“,
der im Herbst 1900 zu Kopenhagen ablief, erhält noch zwei Schwestern bei derselben
Werft, Burmeister und Wein, bestellt. Bei den
Panzerkanonenbooten hat Russland den Versuch gewagt, auch Fahrzeugen von geringen
Abmessungen Belleville-Kessel zu geben, während im allgemeinen solche nur für grosse
Schiffe Verwendung finden und für kleine Schiffe und Fahrzeuge andere Typs gewählt
werden. So hat beispielsweise England seinen Torpedoboot-Destroyers, von denen etwa
100 fertig sind, während rund 50 ausgerüstet, gebaut werden, bewilligt oder
projektiert wurden, keine Belleville-Kessel eingebaut, auch keine Versuche mit ihnen
bei diesen Fahrzeugen angestellt. Das russische Panzerkanonenboot „Giljak“,
abgelaufen 1896, ist nur 963 t gross. Zuerst von dieser Schiffsklasse lief
„Grosjascij“ 1890 vom Stapel. Er wie seine Schwestern haben Jahre
hindurch im Mittelmeer auf Station gelegen, und gingen dann nach Ostasien, wo sie
sich zum Teil noch befinden.
Von einem Misserfolg der Belleville-Kessel in der Kriegsmarine Russlands, die zehn
Jahre lang den Typ besitzt und ihn gegenwärtig auf 29 Schiffen und Fahrzeugen von
über 200000 t Deplacement eingeführt hat, kann man sonach kaum sprechen.
DasKesselsystem wurde von einem Franzosen konstruiert und zuerst in Frankreich,
anfangs nur in der Handelsmarine, angenommen, der dann die Kriegsmarine folgte, die
1884 den 1735 t grossen Kreuzer „Milan“, der jetzt zur Jacht für den
Präsidenten der Republik umgebaut werden soll, dainjt probeweise ausrüstete. Auch in
Frankreich versieht man in neuester Zeit alte Schiffe mit diesen Kesseln, die
Schlachtschiffe „Hoche“, abgelaufen 1886, „Courbet“ vom Jahre 1881,
„Neptune“ von 1887 und „Devastation“ von 1879. Sonst haben
erhalten oder erhalten Belleville-Kessel: die Schlachtschiffe „Jena“,
„Bouvet“, „Oharlemagne“, „Gaulois“, „St. Louis“ und
„Brennus“; im ganzen also zehn. Dazu treten elf Panzerkreuzer, der
gepanzerte Küstenverteidiger „Admiral Trehouart“, zehn geschützte Kreuzer und
die 570 bezw. 505 t grossen Torpedoavisos „Leger“ und „Levrier.“ Bei
dem 1889 abgelaufenen 4883 t grossen, geschützten Kreuzer „Alger“ wurde ganz
besonders lobend anerkannt, dass er lange Zeit hindurch an seinem Bewegungsapparat
keine Havarien gehabt habe, und diese Leistung ist selbstverständlich in erster
Linie mit den Kesseln und dem System der Kessel zu danken. Diese 31 französischen
Kriegsschiffe und Fahrzeuge verdrängen rund 237000 t Wasser.
Sind die angeführten Ziffern schon stattlich und sprechen sie eine deutliche Sprache,
die keineswegs zu Ungunsten des Belleville-Typs auszulegen sein dürfte, so hat sich
doch England gerade diesem Typ mit ausserordentlicher Liebe zugewandt und zwar erst,
fast überstürzend, in allerneuster Zeit; denn als erste Schiffe erhielten die 14200
t grossen, geschützten Kreuzer „Terrible“, abgelaufen am 27. Mai 1895 bei Tompson, Clydebank, und „Poverfull“, abgelaufen
am 24. Juli desselben Jahres bei Vickers-Barrow in
Furnes, diese Kessel. Beide Schiffe waren seitdem fast immer in Dienst;
„Terrible“ ist jetzt in Ostasien. Gegenwärtig, März 1901, also etwa fünf
Jahre nach der ersten Erprobung der Belleville-Kessel in England, erhielten oder
sollen solche erhalten 69 Schiffe von 688235 t Deplacement,
an Wasserverdrängung somit die gesamte deutsche Flotte um mehr als das Doppelte
übertreffend! Davon sind fertig 36 Schiffe von 291335 t Deplacement, in Bau
und Ausrüstung 33 Schiffe von 396900 t. Unter diesen 66 Schiffen befinden sich
allein 20 Schlachtschiffe von 282700 t, von welchen wiederum elf noch nicht fertig
sind, während neun, nämlich drei Typ „Formidable“ von 14900 t und sechs Typ
„Canopus“ von 12950 t in Dienst gestellt werden können; von der
„Canopus“-Klasse sind vier Schiffe, ausser ihm noch „Goliath“,
„Glory“ und „Ocean“ in Ostasien, so dass keineswegs nur
Deutschland dort über ein Geschwader von vier gleichartigen Panzerschiffen verfügt.
Von den elf Schlachtschiffen im Bau gehören fünf der „Formidable“-Klasse,
sechs der „Duncan“-Klasse an. Die 22 Panzerkreuzer sind alle noch nicht
seeklar, da England in dem letzten Jahrzehnt Kreuzer mit Gürtelpanzer nicht baute.
Es sind vier der Klasse „Drake“, acht der Klasse „Crecy“ und zehn der
Klasse „Kent“. Von den 24 geschützten Kreuzern von 138000 t Deplacement
gehören acht der fertigen Klasse „Diadem“, 11000 t Deplacement, an, und ein
Kreuzer dieser Klasse, die „Europa“, abgelaufen 20. März 1897 bei Tompson, Clydebank, scheint stark das absprechende
Urteil über die Kessel beeinflusst zu haben. Dieser Kreuzer brauchte auf der Fahrt
nach Australien das enorme Quantum von 6000 t Kohle. Das wäre allerdings ein
gewaltiger Verbrauch, und, wenn er auf den Kesseltyp zurückzuführen ist, ein Fehler
des Systems, der schwer ins Gewicht fallen muss. Aber es will scheinen, dass bei der
„Europa“ allein ein solches Verbrauchsquantum von Heizmaterial
beansprucht wird, andernfalls es unverständlich bleibt, wie man trotz dieser Fehler
zwei Kreuzer gleicher Klasse, ebenfalls mit Belleville-Kesseln, als einzige
Begleitschiffe des Thronerben Herzogs von York und seiner Gemahlin auf dem
„Ophir“ nach Australien bestimmt hat, nämlich „Niobe“ und
„Diadem“, beide vorher im Dienst beim Kanalgeschwader. Englands Flotte
hat eine grosse Auswahl von Schiffen für alle Zwecke. Dem Thronfolger auf einer
politisch sehr wichtigen Missionsreise Schiffe mit unverlässigen Kesseln mitzugeben,
wird die britische Admiralität ganz sicher nicht riskiert haben, und folglich denkt
man auch in England über die Nachteile der Belleville-Kessel, beispielsweise über
ihren starken Kohlenverbrauch, den übrigens auch Wasserrohrkessel anderer Systeme
aufweisen, recht milde.
Einige diesen Punkt betreffende Worte seien noch den neuesten japanischen Schiffen
gewidmet.
Japan folgt in Marineverhältnissen dem Vorbild Englands. Es hat von seinen sechs
Schlachtschiffen, sechs Panzerkreuzern, die man nach Beendigung des Krieges mit
China bewilligte, einen einzigen Kreuzer, den 9800 t grossen, am 18. Juli 1899 beim
Stettiner Vulkan abgelaufenen „Yakumo“, nicht in England bauen lassen. Von
den Schlachtschiffen haben vier, die riesigen, über 15000 t deplacierenden
„Schikishima“, „Asahi“, „Hatsuse“, „Mikasa“, von
denen die drei erstgenannten bereits in Japan sind, Belleville-Kessel, und
ebensoviele Panzerkreuzer, darunter „Yakumo“, erhielten sie. Während vor 1896
in der japanischen Flotte Belleville-Kessel überhaupt nicht existierten, ist man
dort vollständig zu ihnen übergegangen, und es ist kaum anzunehmen, dass die
absprechenden Aeusserungen des Parlamentssekretärs, soweit sie überhaupt
richtig wiedergegeben, den Belleville-Wasserrohrkessel in der britischen Flotte
verschwinden lassen, zunächst in der Weise, dass man die Neubauten mit anderen
Kesselsystemen versieht. Dass man sich in der Flotte der Vereinigten Staaten
gänzlich ablehnend gegen den Belleville-Kessel verhält, will nicht viel besagen.
Dort wird vielfach nach dem Prinzip gearbeitet, europäische Erfindungen überhaupt
als nicht bestehend anzusehen, und wenn man sie braucht, macht man an ihnen kleine
Aenderungen und gibt ihnen einen anderen Namen, was Japan übrigens auch fertig
bekommt, dessen Murata-Gewehr nichts als ein verballhorntes Gewehr, Modell Gras,
darstellt. Man neigt in Deutschland, namentlich seit den Vorgängen in Südafrika
stark dazu, englische Armeeeinrichtungen herabzusetzen und überträgt die vielfach
durchaus begründete, schlechte Ansicht auch auf die Flotte. Die Flotte in England
aber ist etwas ganz anderes wie die Armee, und im Schiffbau steht England nach wie
vor allen anderen Nationen weit voran, die ja vielfach auch dort bauen lassen, was
auch bei Deutschland der Fall ist, das noch immer Englands bester Kunde geblieben
ist. Dass die britische Kriegsmarine Schiffe von über einer halben Million
Deplacement mit wertlosen oder minderwertigen Kesseln versehen hat und will, mag ja
den Engländerfeinden lieblich in den Ohren klingen, ernsthafte Kenner und Verfolger
britischer Schiffbauten aber wird man schwerlich überzeugen.
F. E.
Die Huber-Pressung, ein neues Pressverfahren.
Eine hochwichtige Neuerung, welche in einigen Gebieten der Industrie eine ganze
Umwälzung hervorrufen wird, ist in der neuesten Zeit in dem Pressverfahren von Ingenieur Huber aus Karlsruhe entstanden, über welche
der Erfinder selbst am 1. April ds. Js. im Verein zur Förderung des Gewerbefleisses
einen Vortrag hielt.
Während bisher alle Pressungen, welche das Material in ihrer Form umgestalteten, in
Spindelpressen, Fallwerken und sonstigen Maschinen stattfanden, die durch einen
Stahlhammer den zu pressenden Körper mehr oder weniger ruckweise gegen eine
Stahlmatrize als Unterlage pressten, wird nach dem Huber-schen Verfahren direkt hoher Wasserdruck als Druckkörper dienen,
welcher sich in seiner Wirkung genau kontrollieren lässt und ganz ohne Stosswirkung
den Körper gegen eine Matrize presst. Das Verfahren wird eine sehr vielseitige
Anwendung erlauben, vor allem aber wird es sich auf Pressung von Hohlkörpern, Röhren
und Luxusartikeln, z.B. Einpressung von Reliefs anwenden lassen. Der Erfinder ging
von der Idee aus, dass Druckkörper und Gegendruckkörper beides hochgespanntes Wasser
sein solle, dass also der umzugestaltende Körper mit seiner Form, in die er
hineingepresst werden soll, also mit seiner Matrize zusammen ganz in rings
umschliessendes Wasser hineingelegt wird, welches dann durch Pumpwerke auf hohen
Druck gebracht wird. Zu diesem Zwecke schuf der Erfinder einen Behälter, den er Universal-Recipienten nannte, welcher im stande ist,
grossein Wasserdruck Widerstand zu leisten. Die Konstruktion dieses Recipienten ist
der Kernpunkt der Schwierigkeiten für die Ausführung dieser ebenso einfachen, wie
hochgenialen Huber'schen Idee gewesen, welche heute
aber vollständig durch den Erfinder gelöst ist.
Durch stufenweise Verengung von Cylindern wird eine Druckmultiplikation des Wassers
hervorgerufen, und der Recipient hat Wasserdruck von über 7000 at aufzunehmen. Es
handelt sich hier um Wasserdruck, den man bisher in der Praxis nicht gekannt, der
nur vereinzelt im Laboratorium Anwendung gefunden hat. Der Erfinder hat die Aufgabe
der Konstruktion derjenigen der Kanonenrohre nachgeahmt, welche bei der Explosion
der Geschosse auch im Maximum einen Druck von 3000 at aufzunehmen haben. Dem
Stahlrohr wird durch verschiedene starke Schrumpfringe der Widerstand gegen innere
Pressung verliehen. Ebenfalls lässt sich durch bedeutende Umwickelung mit Draht
diese Widerstandsfähigkeit erreichen.
In diesen Recipienten nun werden die zu pressenden Stücke hineingelegt. Dem Körper
braucht vorher nur roh die Form gegeben zu werden, und es wird dann die Matrize
mittels Kitt oder Gummischlauch wasserdicht auf dem Körper befestigt. Die Matrize
braucht den früheren gegenüber nur bedeutend dünner zu sein, da keinerlei
Stosswirkungen stattfinden.
Der Erfinder zeigte in seinem Vortrage sehr verschiedene hochinteressante
Anwendungen. Man kann Material auf die Homogenität des Gefüges prüfen. Ist innen das
Gefüge locker und porös, so wird der äussere Druck Beulen in das Material
einpressen, ein Versuch, der für die Materialprüfung grosse Bedeutung hat. Färbt man
das Druckwasser, so kann man poröse Körper, z.B. Steine, färben, da der Farbstoff in
alle Fugen hineingepresst wird.
Eine Anwendung, die von der Industrie gewiss mit grosser Freude aufgenommen wird, ist
das Aufpressen von Reliefs auf Metallgefässe, Becher, Flaschen. Gerade zu dem
Pressen aller Feinheiten der Reliefs gehört ein ganz enormer Druck; der Erfinder hat
7000 bis sogar 10000 at angewendet. Die Matrizebraucht nur um weniges härter zu
sein, wie der zu drückende Körper und daher ist man nicht auf Stahl angewiesen,
sondern kann Bronze, ja Nickel als Matrizenmaterial verwenden. Dieser Umstand ist
von ganz hervorragender Bedeutung, denn er erleichtert die Matrizenfabrikation ganz
erheblich. Die Herstellung der harten Stahlmatrizen durch die Graveure war bis heute
sehr teuer, zumal beim Härten durch Springen der Platte häufig grosse Arbeitsmühe
umsonst war. Man kann jetzt Matrizen für Reliefs durch Vernickelung herstellen, ja,
man ist in der Lage, was bisher ausgeschlossen war, die Matrize direkt nach dem
Künstleroriginal herzustellen und alle bisherigen, teueren Graveurarbeiten fallen
fort. Auf elektrolytischem Wege werden sich solche bequem herstellen lassen.
Der Erfinder zeigte Vertiefungen, die in Marmor und in Kupfer gedrückt waren und von
einer Glasplatte mit Gelatine herrührten. Es wird vielleicht gelingen, hierdurch
billige, druckfertige Druckplatten für Kupferdrucke herstellen zu können.
In der industriellen Praxis wird das Pressen von Rohren, ferner das Aufpressen von
dekorativen Reliefs auf dieselben hier eine grosse Zukunft finden. Eine oft nur
einige Millimeter starke Matrize wird um ein roh hergestelltes Rohr herumgelegt, gut
verkittet und in den Recipienten gelegt. Der allseitige Wasserdruck presst aussen
und innen und gibt dem Rohr jede gewünschte Form. Selbst Nickelstahl lässt sich in
jede Form pressen, nur muss derselbe bei grosser Deformation dann und wann
ausgeglüht werden. Man wird grössere Konstruktionskörper, soweit es die Grosse des
Recipienten zulässt, bequem herstellen können, hohle Achsen und Wellen, z.B. für
Dynamomaschinen, ja auch Achskasten zur Aufnahme der Achslager und Körper, die
bisher nur aus Gussstahl hergestellt werden konnten, pressen können.
Aber auch feine Silbersachen, ja sogar solche, welche schon fertig waren und wo nur
noch das Relief aufgepresst zu werden braucht, wird man unbeschädigt dem Recipienten
anvertrauen können, denn Wasser als Druckkörper beschädigt selbst eine schon
polierte Oberfläche nicht.
Auch die Dicke des Materials spielt gar keine Rolle. Der enorme Druck bringt es zum
Fliessen. Auf einem 1 cm dicken Kupferbecher war ein ganz sauberes Relief
aufgepresst. Der Becher brauchte nur am Rande abgedreht zu werden, alle andere
Bearbeitung machte das Druckwasser, ohne dass man etwas hörte und dabei in wenigen
Minuten, ja Sekunden. Der Erfinder zeigte geriefelte Gläser, die mit einer
Kupferhülle vollständig umgeben waren. Eine hübsche Anwendung davon wird die Technik
für ihre Wasserstandsgläser für Dampfkessel machen können.
Die Vielseitigkeit der Anwendung der Huber-Pressung ist
heute noch gar nicht abzusehen. Erst wenn die Praxis sich des Verfahrens bedienen
wird, wird die ganze Wichtigkeit der Erfindung erkannt werden können.
Voraussichtlich wird sich die Pressung nicht im Kleinbetrieb anführen können, denn
die Maschinen werden teuer. Mit der Grosse der zu pressenden Gegenstände wächst die
Grosse des Recipienten und hiermit ganz bedeutend der Preis der Maschinen. Eine
hinreichend grosse Maschinenanlage wird 150000 Mark kosten, aber selbst eine kleine
Anlage wird schon 20000 bis 25000 Mark erfordern. Für die Fabriken, welche sich
nicht eine solche Anlage beschaffen können, wird es daher sehr vorteilhaft sein,
grössere Zentralstellen, Pressanstalten zu schaffen. Gegen geringen Entgelt kann
jedermann seine Sachen da pressen lassen, die von Industriellen gut vorbereiteten
Stücke werden nur eingelegt und in einigen Minuten kann er sie fertig wieder
mitnehmen. Dabei kann der Gegenstand ganz diskret bleiben, denn er ist eingehüllt in
die Matrize und keiner kann es sehen. Es können in einen grösseren Recipienten von
vielleicht ½ m Durchmesser viele Stücke hineingehen, vielleicht 100 Stücke, das
Einlegen dauert nur 4 bis 5 Minuten, das Pressen eine halbe Minute, so dass enorme
Mengen mit solcher Anlage beschafft werden können.
Durch die Huber-Pressung wird einigen
Fabrikationszweigen eine grosse Hilfe geschaffen sein und die stets weiterstrebende
Technik wird die Einführung dieser hochbedeutenden Neuerung mit grosser Freude
begrüssen können.
D.
Bücherschau.
Ad. Wernicke'sLehrbuch der Mechanik in elementarer Darstellung mit
Anwendungen und Uebungen aus den Gebieten der Physik und Technik.
Erster Teil: Mechanik fester Körper. Von Dr. Alex Wernicke. Vierte völlig umgearbeitete Auflage.
Zweiter Teil: Flüssigkeiten und Gase. Von Richard Vater. Dritte völlig umgearbeitete Auflage.
Braunschweig 1900. Friedrich Vieweg und Sohn.