Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 316, Jahrgang 1901, S. 722 |
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Kleinere Mitteilungen.
Bücherschau.
Bücherschau.
Patentgesetz und Gesetz
betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern. Erläutert von Dr. Arnold Seligsohn, Justizrat, Rechtsanwalt und Notar in
Berlin. Zweite Auflage. Berlin. J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b.
H.
Der Verfasser ist als Kommentator des Patentgesetzes durch die erste Auflage dieses
Werkes bekannt. Das Buch ist besonders für Juristen bestimmt; auch der Patentanwalt
wird in juristischen Fragen mancherlei Belehrung aus dem Buche schöpfen. Die
Patentlitteratur ist sehr ausgiebig benutzt und citiert.
Beim Durchblättern des Buches findet man aber auch mancheAuffassung, die
streitig ist, manches, was zweifellos unrichtig ist. Der Jurist kann sich selbst
dann, wenn er ein gutes Verständnis für technische Dinge besitzt, nicht in manche
Einzelheiten des Patentrechtes so hineinfinden, wie umgekehrt der Techniker, welcher
ein gutes Verständnis für juristische Fragen besitzt und vor allen Dingen im Auge
behält, dass das Patentgesetz in hervorragendem Masse für die Praxis bestimmt ist,
und dass diejenige Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen den Vorzug haben muss,
die bei grösster Einfachheit dem praktischen Bedürfnis am meisten Rechnung trägt. Es
ist ein Fehler des Seligsohn'schen Kommentars, zu
„juristisch“ sein zu wollen. Schon auf der zweiten Seite des eigentlichen
Kommentars findet sich hierfür ein Beispiel. Das Wort „Inland“ soll im
Patentgesetz zweierlei Bedeutung haben, einmal – im § 12 – soll es bedeuten: Das Deutsche
Reich ohne Einschluss der Schutzgebiete; sonst soll Inland bedeuten: Deutsches Reich
und Schutzgebiete. Es erscheint wohl richtiger, dem Wort Inland immer die Bedeutung
zu geben: Das Deutsche Reich – ohne Schutzgebiete – und dies ist um so mehr am
Platze, da die Vorschriften über den Schutz von
Erfindungen durch besondere kaiserliche Verordnung betr. die
Rechtsverhältnisse in den deutschen Schutzgebieten vom 9. November 1900 für die
Schutzgebiete besonders in Kraft gesetzt sind, also der Schutz der Erfindungen in
den Schutzgebieten auch gewährt wird, wenn „Inland“ im Patentgesetz immer
dieselbe Bedeutung hat. Der Ausdruck „Postanstalt im Gebiet des Deutschen
Reiches“ im § 9 des Patentgesetzes, bei welcher die Gebühr rechtzeitig
einzuzahlen ist, um das Erlöschen des Patentes zu verhindern, rechtfertigt durchaus
nicht die Annahme, dass hierin ein Gegensatz zum „Inland“ in der von Seligsohn untergeschobenen Bedeutung des Patentgesetzes
gefunden werden soll, vielmehr handelt es sich nur um einen anderen Ausdruck für
Inland, und zwar ist dieser Ausdruck wohl deshalb gewählt, weil das Gebiet des
Deutschen Reiches postalisch ein einheitliches nicht darstellt und man neben der
kaiserlichen deutschen Postanstalt auch württembergische und bayerische
Postanstalten hat.
Noch mehr als die theoretische Tüftelei über die Bedeutung des Wortes Inland, die
also in demselben Gesetz wandelbar sein soll, gibt die Definition des Begriffs
Erfindung, wie sie nach zahlreichen Citaten anderer von Seligsohn gegeben wird, zur Kritik Veranlassung. Als wesentliches Moment
für den Begriff Erfindung wird die Patentwürdigkeit herangezogen:
„es handelt sich um die Abschätzung des Produktes einer
Geistesarbeit, insbesondere um die Abwägung, ob dieses Produkt gegenüber dem
Vorhandenen einen so erheblichen technischen Fortschritt bedeutet, dass es sich
rechtfertigt, seinem Urheber ein die allgemeine Gewerbefreiheit in dem Masse
einschränkendes Recht, wie es der Patentschutz ist, zu gewähren“ (Seite
27).
Hier wird untereinander gemischt der Begriff „Erfindung“ und der rein
technische Begriff „Neuheit der Erfindung“, indem das Recht der allgemeinen
Gewerbefreiheit dem Erfinderrecht übergeordnet wird, während beide vom natürlichen
Standpunkt aus als gleichberechtigt anzusehen sein dürften. Ausserdem kann bei
zufällig gemachten Erfindungen, die auch Seligsohn an
anderer Stelle als Erfindungen anerkennt, von dem Produkte einer Geistesthätigkeit
keine Rede sein. Das, was Seligsohn von den
Definitionsversuchen anderer bezüglich des Begriffes Erfindung sagt, gilt auch von
seinem eigenen Versuche: der Versuch kann nicht als gelungen gelten. Das
Patentgesetz sagt viel klarer, was es will, ohne Definition des Begriffes der
Erfindung, als diejenigen, welche den Begriff Erfindung so oder ähnlich definieren
wollen. Dies liegt daran, weil in den Definitionen nicht ebenso, wie in dem Gesetz
auseinander gehalten werde die drei Begriffe: Erfindung, Neuheit der Erfindung im
Sinn des Patentgesetzes, gewerbliche Verwertbarkeit im Sinn des Patentgesetzes.
„Erfindung“ im Sinn des Patentgesetzes ist nichts anderes als Erfindung
im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauches, Erfindung ist die Erfindung eines Mittels
zur Erreichung eines Zweckes. Stellt man Entdeckung und Erfindung nebeneinander, so
bedeutet das erstere die Findung einer bisher unbekannten, die menschliche
Erkenntnis vermehrende Thatsache, während Erfindung eine neue, das menschliche
Können vermehrende Verwertung einer Thatsache darstellt. Entdeckung liegt also auf
dem abstrakten Wissensgebiete, Erfindung liegt auf dem Gebiete angewandten Wissens.
So ist es auch bei den Erfindungen des Patentgesetzes, und der Schwerpunkt bei der
Frage, was ist patentfähig, darf keineswegs auf die Definition des Begriffes der
Erfindung gelegt werden, sondern auf die Definition der Begriffe „Neuheit“
der Erfindung, „gewerbliche Verwertbarkeit“ der Erfindung. Mehrere Seiten des
Seligsohn'schen Kommentars sind durch
Nichtbeachtung dieses Erfordernisses ohne eigentlichen Wert, ausgenommen im
negativen Sinn, weil sie den logisch denkenden Techniker zur richtigeren Auslegung
des Begriffes Erfindung geradezu zwingt. Leider, und das ist die weniger unschuldige
Seite der Seligsohn'schen Kommentation und ähnlicher
Veröffentlichungen über das, was patentfähig ist, haben die Erfinder Nachteile durch
den weitverbreiteten Trieb, den Begriff der Erfindung einzuengen, denn dadurch
werden gewerblich wertvolle Erfindungen, welche allen Voraussetzungen an Neuheit und
gewerbliche Verwertbarkeit genügen, vom Patentschutz ausgeschlossen, weil sie nicht
spezifisch technischer Natur sind. Exempla docent.
In einem Fall wurde einem Anmelder, der in etwa 200000 Erzeugnissen eine Erfindung
verkörpert hatte, erst entgegengehalten, seine Erfindung stelle keine Benutzung der
Naturkräfte dar, und dann war schliesslich der Grund der Abweisung: Es fehlt die
gewerbliche Verwertbarkeit. Dabei war eine 200000fache Verwertung da, und – die
Nachahmer verwerteten die Erfindung, für welche 100000 M. vom Anmelder bezahlt
wurden, auch schon, wenn auch in abgeänderter Art der Ausführung, wie auch amtlich
zur Kenntnis gebrachtwar. Die Ursache, durch welche solche, die Interessen der
Erfinder schädigenden Eigentümlichkeiten bedingt werden, sind im letzten Grund
unbrauchbare und unklare Begriffsbestimmungen der oben erwähnten Art. Der
landläufige Begriff der Erfindung ist ja zu einfach, deshalb wird „gesucht“,
und das Resultat sind „gesuchte“ Definition und „gesuchte“ Anwendung
des Gesetzes.
Während der Begriff „Erfindung“ von Seligsohn
ohne jede Veranlassung zu eng gefasst wird, ist bei der Definition des Begriffes
„gewerbliche Verwertbarkeit“ das Umgekehrte der Fall. Zwar ist die
Definition des Begriffes Gewerbe, wie sie von verschiedenen Schriftstellern so
aufgestellt ist, dass ein Irrtum über den Begriff „gewerbliche
Verwertbarkeit“ fast unmöglich wird, von Seligsohn acceptiert, aber doch geht er bei der Erklärung des Begriffes
„gewerbliche Verwertbarkeit“ tastend umher und gerät in die Irre. Die
acceptierte Definition für Gewerbe ist: „Thätigkeit, welche auf die Gewinnung,
Berarbeitung oder Verarbeitung von Rohstoffen, einschliesslich der Halbfabrikate
und Zwischenprodukte, gerichtet ist.“
Nun gehört zwar das Heilgewerbe, das Barbiergewerbe, das
Nahrungsmittelchemikergewerbe u.s.w. auch zu den Gewerben, es ist also die obige
Definition thatsächlich zu eng, indessen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass
der Erfindungsschutz ein spezifisches Industrierecht ist, dass „gewerblich
verwertbar“ bedeutet: bei der Herstellung von Waren anwendbar. Die
Landwirtschaft, Gärtnerei u.s.w. wird zur Industrie, wenn sie durch besondere
Arbeitsmethoden Produkte besonderer Art gewinnt, auch sie schaffen Waren, und auch
hier kann man wohl sprechen von Gewerbe. Seligsohn,
welcher für die Erfindung in dem „Erfordernis der Schöpfung“ den wesentlichen
Unterschied gegenüber der Entdeckung findet – nota bene wieder ein Irrtum, denn
unter Umständen ist die Entdeckung zugleich Erfindung, weil die neue Erkenntnis der
Thatsache sich ohne weiteres darstellt als die Findung eines Mittels zur Erreichung
eines Zweckes und ausserdem von dem „Erfordernis der Schöpfung“, streng
genommen überhaupt nicht, insbesondere aber bei Erfindungen, welche z.B. auf
Verwandlung der Kräfte sich beziehen, gar keine Rede sein kann – sagt nun z.B. auf
Seite 30:
„Die Schöpfung kann entweder ein Verfahren oder ein körperlicher Gegenstand oder
beides zugleich sein. Der körperliche Gegenstand ist entweder Arbeitsmittel oder
Arbeitserzeugnis. (Warum dies alles?! Ware ist der körperliche Gegenstand!) Das
Verfahren kann auch in einem unkörperlichen Resultat auslaufen, z.B. ein Heil-,
ein Trocknungsverfahren oder ein Verfahren, Margarine von Naturbutter zu
unterscheiden. Ein solches Resultat, dem die Körperlichkeit mangelt, kann nicht
patentiert werden (Kohler, ‚Aus dem Patent- und
Industrierecht‘, II. S. 5), nur dem Verfahren kommt der Schutz zu.“
Also wir erfahren hier, dass dem Verfahren, Margarine von Naturbutter zu
unterscheiden, der Erfindungsschutz (Neuheit vorausgesetzt) zukommt. Seligsohn vergisst vollständig die von ihm acceptierte
richtige Definition des Begriffes Gewerbe oder vielmehr die Bedeutung
„gewerblich“ in dem einheitlichen Begriff „gewerblich verwertbar“.
Nur solche Verfahren sind aber in Wirklichkeit geschützt, die sich auf die
Herstellung von Erzeugnissen beziehen oder aber doch mit Herstellung von Waren in
Beziehung stehen. Unter Umständen kann zwar auch ein anderes Verfahren abstrakter
Art geschützt sein, aber nur durch Vermittlung des Schutzes auf die Ware, welche für
die Ausübung des Verfahrens nicht entbehrt werden könne. Nicht die
Untersuchungsmethode, die Lehrmethode u.s.w., wohl aber der Untersuchungsapparat,
das Verfahren zur Herstellung des Untersuchungsmittels, das Lehrmittel können
Patentschutz geniessen. Hiermit fällt denn auch noch mancherlei aus dem Aufbau des
Seligsohn'schen Patentrechtes: Eine Benutzung der
Naturkräfte muss stattgefunden haben bei der patentfähigen Erfindung; bei
Lehrmitteln z.B. ist doch der Lehrzweck, bei Spielmitteln ist der Spielzweck das
Ziel des Mittels, welches wir Erfindung nennen, und hierbei kommen doch wohl oft
mehr die Benutzung geistiger Fähigkeiten in Betracht, als Benutzung von Naturkräften
– ganz abgesehen davon, dass gesunde Philosophie auch die Geisteskräfte zu den
Naturkräften gerechnet hat, und mit Berechtigung rechnen kann –, denn Spielmittel
sind oft nur die Verkörperungen der Spielregel und die Lehrmittel Verkörperungen der
Lehrmethoden, trotzdem handelt es sich um Waren, die durch gewerbliche Verwertung
der Erfindung entstehen und dieser ihre Eigenartigkeit verdanken.
Seligsohn erkennt in den Ausdrücken gewerbliche
„Verwertung“ des deutschen Patentgesetzes und gewerbliche
„Anwendung“ des österreichischen Patentgesetzes keinen Unterschied;
zunächst liegt es doch wohl nahe, anzunehmen, dass der neuere abweichende Ausdruck
des österreichischen Patentgesetzes auf eine Absicht
zurückzuführen ist. Wenn man hiervon ausgeht, so wird der des Patentrechts Kundige
auch unschwer finden, welches die Absicht des österreichischen Gesetzgebers war, und
man wird mit Recht konstatieren, dass der Ausdruck des österreichischen Gesetzes
korrekter ist. Zweifellos ist die Findung einer Kurzschrift bezw. der Aufbau einer neuen
Methode derselben eine Erfindung; ebenso kann eine Lehrmethode Erfindung sein; die
neuen Heilmethoden sind vielfach Erfindung. Diese Erfindungen gestatten eine
gewerbliche Verwertung, selbst wenn man „Gewerbe“ interpretiert nach der oben
gegebenen Definition, wonach mit der Bezeichnung Gewerbe bezw. gewerblich im Sinn
des Patentgesetzes die Industrie und die Warenproduktion gemeint ist. Denn solche
abstrakte Methoden können nicht nur in Ausübung des Heilgewerbes u.s.w. verwertet
werden, sondern sie können auch gewerblich verwertet werden in Form von Waren, denn
man kann die Erfindungen beschreiben und gewerblich verwerten durch Vermittelung von
Druckschriften, also durch Vermittelung von Waren; diese Art der gewerblichen
Verwertung ist aber keine gewerbliche Anwendung der Erfindung. Es ist doch wohl
möglich und sogar wahrscheinlich, dass dieser Gesichtspunkt zur Benutzung der
präziseren Bezeichnung Anwendung im österreichischen
Gesetz geführt hat.
Ueber den Begriff „Neuheit“ der Erfindung geht
Seligsohn mit wenigen Worten, welche nur eine
Umschreibung der gesetzlichen Bestimmung darstellen, hinweg. Selbstverständlich
sollen hier diese Lücken nicht ausgefüllt werden; es genügt die Feststellung, dass
das Fundament des Patentrechtes von dem Kommentator nicht genügend erklärt ist, und
dass trotz reichlicher Citate u.s.w. in wesentlichen Punkten eine Umarbeitung für
eine etwaige spätere Auflage wünschenswert erscheint.
Wesentlich vollständiger und zutreffender sind die Bestimmungen des Patentgesetzes
auf dem mehr juristischen Gebiet erläutert; hier wird der Benutzer des Kommentars
wohl nur selten etwas vermissen, wenn er sich über irgend einen bestimmten Punkt
unterrichten will.
Auf Seite 97 wird der Schutz besprochen, welchen die unmittelbar nach dem Verfahren
erzeugten Produkte geniessen. Seligsohn sagt, dass alle
Verfahren bezw. Maschinen hier ausscheiden, welche keine bestimmten körperlichen
Produkte erzeugen, z.B. die Dynamomaschinen.
Wenn die betreffende Maschine notwendig ist zur Ausübung des Verfahrens und nur zur
Ausübung des geschützten Verfahrens dienen kann, so wird man selbstverständlich die
Anmeldung stets richten auf die Vorrichtung und das Verfahren. Geschieht dies aber
nicht, so wird auch dann die mit dem Verfahren bezeichnete neue Vorrichtung an der
Maschine den Schutz geniessen, soweit diese Vorrichtung bezw. die neue Maschine
lediglich in Frage kommt als Mittel, den Patentschutz zu verletzen. Der Gesetzgeber
hat aber wohl nur an die reinen Verfahren gedacht und feststellen wollen, dass nur
die unmittelbar nach dem Verfahren enthaltenen Erzeugnisse den Schutz geniessen
sollen, nicht aber Erzeugnisse, welche unter Mitanwendung des geschützten
Erzeugnisses hergestellt werden.
Auf Seite 280 ist die Rede davon, dass der Patentsucher Beschwerde einlegen kann
unter anderm, wenn ihm das Patent in Abhängigkeit von einem andern Patent erteilt
wird; eine solche Erteilung in Abhängigkeit von einem andern Patent ist aber an sich
nach Entscheidung des Reichsgerichts nicht zulässig und wird auch nicht so
erteilt.
Auf Seite 281 wird gesagt, dass Anschlussbeschwerde nicht eingelegt werden kann,
sobald die Beschwerdefrist für den Betreffenden verstrichen ist; diese Annahme ist
so allgemein nicht richtig, denn Anschlussbeschwerde kann jeder Zeit eingelegt
werden, solange der Betreffende noch Beteiligter ist, trotzdem er keine Beschwerde
eingelegt hat.
Auf Seite 283 wird gesagt, dass die Anmeldeabteilung nicht aus demselben Grund das
Patent versagen kann, aus welchem sie die Anmeldung nicht zur Auslegung zugelassen
hatte, nachdem die Beschwerdeabteilung diesen Grund gemissbilligt hat. Auch diese
Auffassung ist nicht zutreffend, denn es können in dem Einspruchsverfahren Momente
thatsächlicher und rechtlicher Art hervortreten, welche zu einer anderen Beurteilung
der Sache führen, als bei der Entscheidung über die Beschwerde.
Hinsichtlich der Frage, wann das Patent erteilt ist, wird die allgemein anerkannte
Ansicht vertreten, dass das Patent solange nicht erteilt ist, als der
Erteilungsbeschluss der Anmeldeabteilung noch angefochten werden kann; rein formell
betrachtet liegt die Sache nun allerdings so, dass Beschwerden die Rechtskraft eines
Beschlusses nicht hindern. Auch dem Verfahren vor dem Patentamt liegt die
Zivilprozessordnung, soweit nicht besondere Bestimmungen getroffen sind, zu Grunde.
In der Zivilprozessordnung ist bestimmt § 535:
„Die Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen eine der in
den §§ 345, 355, 374, 579, 619 erwähnten Entscheidungen gerichtet ist.“
Die hiernach in Betracht kommenden Fälle, in welchen die Beschwerde keine
aufschiebende Wirkung hat, haben mit dem vorliegenden Fall keine Analogie, und
deshalb könnte man wohl aus rein formellen Gründen zu der Auffassung kommen, dass
die Beschwerde im Patenterteilungsverfahren keine aufschiebende Wirkung hat.
Möglicherweise wird sich demnächst das Reichsgericht mit dieser Frage befassen.
In Bezug auf den zweiten Absatz des § 35 des Patentgesetzeswird gesagt, dass es
auch dort hätte heissen müssen: „Unmittelbar nach
dem patentierten Verfahren hergestellt“. Es ist jedoch zu beachten, dass der
betreffende Ausdruck in § 4 eine ganz andere Bedeutung hat als in § 35. In § 4
handelt es sich um die Feststellung des Schutzumfanges, in § 35 um die Feststellung
einer Rechtsvermutung; das Wort „unmittelbar“ hat in § 35 keinen Sinn.
Das Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern
wird auf etwa 60 Seiten behandelt und zwar ebenfalls unter ausgiebiger Benutzung der
vorhandenen Litteratur. Die Rechtsbeständigkeit der Eintragung des Gebrauchsmusters
ist nach Seligsohn u.a. davon abhängig, ob die neue
Gestaltung u.s.w. (des Modells) an sich bestimmt und geeignet ist, dem Arbeits- oder
Gebrauchszweck besser und wirksamer als das bisher Bekannte zu fördern. Im besondern
wendet sich der Kommentator gegen die Auffassung des Reichsgerichts (Strafsachen
32/4), wonach nur die Bestimmung zu dem Zweck, nicht aber der Erfolg in Bezug auf
die Erreichung des Zweckes als das Entscheidende angesehen wird. Dieser Auffassung
des Kommentators wird man aber kaum zustimmen können, denn sonst wäre immer nur
dasjenige Modell durch Gebrauchsmuster geschützt, welches wirklich einen Fortschritt
gegenüber dem Bekannten darstellt, und es würde die qualitative Beschaffenheit der
Neuerung geprüft und berücksichtigt werden müssen bei der Feststellung, ob ein
schutzfähiges Muster vorliegt. Es würde also z.B. die Anordnung an
Manschettenknöpfen, welche der besseren Einschiebung der Knöpfe dient, nur dann
schutzfähig sein, wenn diese neue Anordnung besser ist, als die bisher bekannten
Anordnungen, d.h. nach der Auffassung des Kommentators. In Wirklichkeit kann es
hierauf nicht ankommen, sondern das Ausschlaggebende ist die Neuheit der Anordnung;
zwar genügt nicht, dass die Anordnung nur einem Zweck dienen soll, sondern es ist auch notwendig, dass sie dem bestimmten Zweck dienen
kann, nicht aber ist es notwendig, dass sie diesem
Zweck besser dient, als schon bekannte Vorrichtungen.
Die betreffende Gesetzesbestimmung will besagen, dass nur solche Gestaltungen,
Anordnungen u.s.w. die Schutzfähigkeit des Musters bedingen, welche mit dem
praktischen Zweck des Gegenstandes in Beziehung stehen, und es genügt
selbstverständlich nicht die Angabe, dass dies der Fall ist, sondern „soll“
ist zu verstehen als eine gesetzliche Voraussetzung in objektiver Beziehung und
nicht subjektiv aufzufassen.
Auch die Ansicht des Kommentators über das Verhältnis des jüngeren Schutzes zu dem
älteren Schutz (§ 4) erscheint nicht zutreffend. Es wird nämlich die Ansicht
vertreten, dass das jüngere Recht unbeschränkt wirksam ist gegenüber Dritten, und
dass nur insofern eine Abhängigkeit des jüngeren Rechtes besteht, dass sein Inhaber
den geschützten Gegenstand nicht herstellen, in Verkehr bringen, feilhalten und
gebrauchen darf. Diese Auslegung findet aber in dem Gesetz bezw. in dem Wortlaut des
Gesetzes keine Stütze. Das Recht, von welchem in § 4
Absatz 2 die Rede ist, ist das ausschliessliche Recht,
also das Recht für sich und gegenüber Dritten, und die Ausübung dieses Rechtes ist
im ganzen Umfang abhängig von dem Inhaber des älteren Rechtes. In diesem Sinn ist
auch die Ansicht des Kommentators über den Inhalt des § 5 richtig zu stellen.
Trotz dieser und anderer Mängel ist aber der Kommentar von Seligsohn ein sehr brauchbares Werk, dessen Anschaffung nur empfohlen
werden kann.
Rudolf Mewes.
Bestimmung der Biegungs-, Zug-, Druck-
und Schubfestigkeit an Bausteinen der österreich-ungarischen Monarchie von
Baurat August Hanisch, k. k. Professor und Vorstand der
Prüfungsanstalt für künstliche und natürliche Bausteine an der k. k.
Staatsgewerbeschule im I. Bezirk in Wien. Wien. Karl Graeser und Co.
Als wesentliche Ergänzung in Bezug auf die Ermittelung des Widerstandes gegen
Biegung, Zug, Druck und Schub der von demselben Verfasser früher veröffentlichten
Untersuchungen mit Bausteinen der österreich-ungarischen Monarchie, mitgeteilt in
dessen Resultaten und Frostversuchen, erschienen im gleichen Verlag, dient dieses
Werk. Zur Berechnung von Stiegenstufen, Zangenstücken, Konsolen u.s.w. aus Stein
sind die entsprechenden Festigkeitskoeffizienten erforderlich, für welche jedoch bis
jetzt nur ziemlich vereinzelte Versuchsergebnisse vorlagen. Mit dieser
Veröffentlichung wird die richtige Beurteilung und zweckmässige Verwendung der
Bausteine der österreich-ungarischen Monarchie wesentlich erleichtert und man
gewinnt einen besseren Einblick in die Beziehungen zwischen den verschiedenen Arten
der Widerstände.
Das Werkchen kann den Ingenieuren, Architekten, Baumeistern u.s.w., sofern sie
Bausteine aus Oesterreich-Ungarn benutzen, auf das wärmste empfohlen werden und
machen wir noch besonders auf die beigelegte Tafel aufmerksam.