Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, Miszellen, S. 419 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Die Anwendbarkeit der Brinell'schen Kugelprobe bei Feststellung der Streckfestigkeit bei Eisen und Stahl.
(Jern-kontorets Annales, 1902,
2.)
In einer seitens des schwedischen technologischen Vereins durch Verleihung der
Polherns-Medaille ausgezeichneten Preisschrift hat Oberingenieur J. A. Brinell erst kürzlich sein Verfahren
veröffentlicht, die Härte eines Materials dadurch festzustellen, dass er in dasselbe
eine gehärtete Stahlkugel mit einem gewissen Druck einpresst und den auf diese Weise
erhaltenen Eindruck durch die Kugel aufmisst. Den per Oberflächeneinheit des
sphärischen kalotteförmigen Eindrucks angewendeten
Druck nennt Brinell „die Härtezahl“ und
nimmt an, dass diese Ziffer ein Mass für die Härten des Materials darstellt.
Gleichzeitig weist er darauf hin, dass, wenn bei Probung von Eisen und Stahl diese
Härtezahl mit einem Koeffizienten vervielfältigt wird, den er für Stahl von Fagersta
zu 0,346 feststellt, das dann erhaltene Produkt das Mass der Streckfestigkeit des
vorliegenden Materials ist. Weiterhin schlägt Brinell
auch vor, in gleicher Weise mit der Kugelprobe sowohl die Dehnbarkeit wie die
Streckgrenze bei Stahl zu bestimmen.
Zum Zwecke, die Genauigkeit und Anwendbarkeit des
Brinell'schen Verfahrens bei der Feststellung der Streckfestigkeitseigenschaften
bei Eisen und Stahl zu ermitteln, beauftragten die Vollmachtsinhaber im
Jernkontor die Materialprüfungsanstalt der königl. technischen Hochschule in
Stockholm, in dieser Richtung und Auffassung eine möglichst erschöpfende Ermittelung
anzustellen, wozu erforderliches Versuchsmaterial seitens verschiedener schwedischer
Eisenwerke in zuvorkommendster Weise zur Verfügung dieser Anstalt gestellt worden
ist. Bei den aufgegebenen Untersuchungen sind während des grösseren Teils des Jahres
bei etwa 300 Streckproben 1500 Kugelproben und 60 vollständige Analysen zur
Ausführung gelangt.
Zuerst wurde ein Versuch zu theoretischer Ermittelung des Verlaufs bei der Kugelprobe
durchgeführt, bei dem die Berechnungen an die Hand gaben, dass die Härtezahl nicht
vom Kugeldurchmesser abhängig ist und vom angewendeten Drucke wenigstens nicht in so
hohem Grade, wie Brinell annimmt. Die Verschiedenheit
der Härtezahl bei Druck und Kugeldurchmesser, auf welche Brinell seine Annahme basiert, scheinen in der Hauptsache darauf
zurückzuführen, dass die Härtezahl mit wachsender Tiefe der Presseindrücke, bis zu
der die Kugeln in das Probestück eindringen, d.h. mit dem Winkel des Eindrucks, wenn
mit diesem Namen der Winkel bezeichnet wird, zwischen zwei in derselben Ebene
liegenden und von der Begrenzungslinie des Kugeleindrucks ausgehenden Radien in der
Kugel. Völlig vergleichbare Härtezahlen dürften somit nur in dem Falle erhalten
werden, wenn bei allen Proben die Kugel so tief in das zu probende Materialstück
eingepresst wird, bis ein bestimmter Eindruckswinkel erreicht ist und alsdann die
dazu erforderlich gewesene Belastung genau festgestellt wurde. Die Härtezahl wird
alsdann, wie früher, dadurch festgestellt, dass der angewendet gewesene Totaldruck
durch die Fläche des Kugeleindrucks dividiert wird.
Für dieses Probierverfahren – Kugelprobe mit konstantem
Eindruckwinkel – ist ein besonderer Apparat konstruiert worden, der während
des Verlaufs der Probe durch elektrisches Signal zu erkennen gibt, dass die
gewünschte Eindrucktiefe erreicht ist.
Die bei den theoretischen Ermittelungen festgestellten Hauptergebnisse sind in Kürze
die folgenden:
1. Die Grösse der Härtezahl wird durch den bei der Probe angewendeten Druck nicht
beeinflusst, wohl aber durch die Grösse des Eindruckwinkels.
2. Der Radius bei der zur Probe benutzten Kugel scheint beim Versuch mit konstantem
Eindruckwinkel insofern einzuwirken, dass man, je kleiner die dabei benutzte Kugel
ist, eine um so grössere Härtezahl erhält.
3. Die Kugelprobe wird somit am besten ausgeführt unter Anwendung von Kugeln mit
einem und demselben Durchmesser, die in das Material eingepresst werden, bis ein für
alle Proben gleicher Eindruckswinkel erreicht ist. Diese Arbeitsweise dürfte ihrer
Umständlichkeit halber aber nur bei Härtebestimmungen für wissenschaftliche Zwecke
Anwendung finden.
4. Bei Belastung der Kugel durch Schlag bei Ausführung der Kugelprobe werden kleinere
Härtezahlen erhalten, als bei ruhig wirkender Belastung, und die Differenz wächst
zwischen Härtezahlen und dem Kohlegehalte des Materials bei beiden
Belastungsweisen.
5. Die Kugelprobe bei niedriger Temperatur (– 25° C.) liefert im Durchschnitt eine
grössere Härtezahl, als eine gleiche Probe bei höherer Temperatur.
Der andere Hauptteil der Untersuchung hatte zu ermitteln,
welches Verhältnis zwischen Bruchgrenze und Härtezahl bei Eisen und Stahl
ein konstantes bleibt und ob der von Brinell angegebene
Zifferwert dabei oder 0,346 Gültigkeit zu beanspruchen hat, sowohl für Material von
Fagersta wie anderes und auch für Eisen und Stahl in verschiedenem Grade von
Bearbeitung.
Es sind vergleichende Streck- und Kugelproben zur Ausführung gekommen mit Eisen
verschiedenen Kohlegehalts und verschiedener Bearbeitung von sieben schwedischen
Eisenwerken und einige mit ausländischem Material, ihre Zahl übersteigt 300 bei den
Streckproben. Gleichzeitig wurden von den gesamten Probematerialien vollständige
chemische Analysen ausgeführt zur Feststellung der Beeinflussung durch die chemische
Zusammensetzung in Bezug auf die gewonnenen Resultate der Proben. Dieser Teil der
Untersuchungen umfasste:
1. Streckproben und chemische Analysen des Untersuchungsmaterials.
2. Bestimmungen der Härte und der Bruchgrenze nach Brinell's ursprünglichem Verfahren bei einem konstanten Druck von der
Kugel = 3000 kg.
3. Härte- und Bruchgrenzbestimmungen mit Anwendung konstantem Eindruckwinkels.
4. Ermittelung der Einwirkung der chemischen Zusammensetzung des
Untersuchungsmaterials in Bezug auf die gewonnene Härtezahl und die Bruchgrenze.
5. Ermittelung der Einwirkung des Bearbeitungsgrades des Materials in Bezug auf die
gefundene Härtezahl und die Bruchgrenze.
Eine detailliertere Berichterstattung über die Versuche würde zu weitläufig
ausfallen; die Hauptresultate mögen aber in folgende Punkte zusammengefasst
werden:
1. Eine Bestimmung der Bruchgrenze eines Materials erfolgt am einfachsten mittels
Kugelprobe in der Weise, dass auf einer abgeputzten Fläche des Probestückes eine
Stahlkugel mit 10 mm Durchmesser mit einer Druckgrösse in Höhe von 3000 kg
eingepresst wird. Dieser Druck, dividiert durch die Fläche des sphärisch
kalotteförmigen Kugeleindrucks und das dabei erhaltene Resultat – die Härtezahl –
mit einem festgestellten mittleren Koeffizienten multipliziert, gibt die Bruchgrenze
des Materials.
Wird dabei die Kugel im Zentrum des Probequerschnitts eingepresst und die
Druckrichtung parallel mit der Walz- oder Bearbeitungsrichtung des Probestückes
disponiert, so ist der mittlere Koeffizient für Material mit geringerem Kohlegehalte
als 0,55 % = 0,348, übersteigt der Kohlegehalt die eben genannte Grösse aber =
0,323. Wird der Kugeleindruck auf die Oberschicht der Probe und winkelrecht gegen
die Walzrichtung verlegt, so sind die mittleren Koeffizienten für einen Kohlegehalt
unter und über 0,55 % = 0,366 bezw. 0,349. Bei Vergleichung zwischen den durch
soeben erwähnten Kugelprobeverfahren ermittelten Bruchgrenzwerten und den bei
Streckproben festgestellten, im Mittel bis 2,9 % vom geringsten Werte, wenn der
Kugeldruck parallel mit der Walzrichtung und bis 4,8 % kleiner, wenn er winkelrecht
gegen letzteren disponiert wird.
2. Wird die Kugelprobe so ausgeführt, dass ein gleich tiefer Kugeleindruck, d.h. ein
gleich grosser Eindruckswinkel daraus erfolgt, so ermittelt man die Bruchgrenze
dadurch, dass die zum Eindruck angewendete Belastung durch die Kalottefläche des
Kugeleindrucks dividiert und die so gewonnene Härtezahl, wie vorher angegeben, mit
einem festgestellten mittleren Koeffizienten multipliziert.
Bei einer auf solche Weise durchgeführten Kugelprobe kann der gleiche mittlere
Koeffizient angewendet werden für alle Stahlsorten und ganz abgesehen von ihrem
Kohlegehalt. Versuche wurden lediglich bei winkelrechtem Druck gegen die
Walzrichtung ausgeführt und ergaben in diesem Fall als mittleren Koeffizienten die
Zahl 0,350.
3. Sämtliche oben angeführten Untersuchungen wurden an unausgeglühtem Material
durchgeführt. Die gleichen Koeffizienten, welche sich für solches Material bei der
Kugelprobe winkelrecht gegen die Walzrichtung als geltend zeigten, können nach dabei
festgestellten und gesammelten Erfahrungen bei gleichgerichteter Kugelprobe auch bei
gewalztem und unausgeglühtem Konstruktionsmaterial benutzt werden.
Bei gehärtetem und bei kaltbearbeitetem Material wurden verschiedene gleichgeartete
Versuche wie bei Schweisseisen durchgeführt, jedoch konnte die Richtigkeit der
Bruchgrenzenbestimmung mittels Kugelprobe dabei endgültig nicht ermittelt
werden.
4. Die chemische Zusammensetzung des Versuchsmaterials scheint nicht mit bei
schwedischem Eisen gewöhnlichen Veränderungen auf die Korrektheit der
Bruchgrenzbestimmung mittels Kugelprobe in Wirkung zu kommen. Ein Herabdrücken der
Härtezahlen und damit auch der berechneten Bruchprobenwerte wird vorzugsweise durch
hohen Kiesel- und Mangangehalt des Materials veranlasst.
Ausser den Versuchen, deren Hauptergebnisse jetzt hier angeführt wurden, wurden auch
umfassende Untersuchungen durchgeführt in Bezug auf die Möglichkeit der Anstellung
von Berechnung der Dehnbarkeits- und Streckgrenzbestimmungen mittels der Kugelprobe.
Unter den von Brinell projektierten Arbeitsweisen wurde
eine grosse Anzahl anderer Versuchsverfahren zum gleichen Zweck in Prüfung genommen
und es scheinen Möglichkeiten vorzuliegen, durch Kugelproben mit wenmgstens für
praktischen Bedarf genügender Genauigkeit auch diese Festigkeitseigenschaften beim
Eisen festzustellen. Die betreffenden Versuche sind noch nicht abgeschlossen, ein
Bericht über dieselben ist infolgedessen noch verfrüht und unterbleibt bis auf
weiteres.
Dr. Leo.